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man hat den kolossalen Palast, nachdem er seiner ursprünglichen Be-
stimmung gedient hatte, in weit vergrößertem Maßstabe wieder in
Sydenham aufgebaut, um die Kühnheit des imposanten Baues zu ver-
ewigen. Dort bleibt er nun dem staunenden Blick der Bewunderer-
modernster Architektur erhalten und ausbewahrt. Die hohen Türme
der Notredamekirche in Paris könnten sich recht gut unter dem Mittel-
teil des Palastes bergen, und als das Handeltest in London gefeiert
wurde, haben in dem Gebäude 30000 Zuhörer Platz gesunden.
England hat in dem eben abgelaufenen Biktorianischen Zeitalter
des 19. Jahrhunderts den Höhepunkt seiner glänzenden Entwickelung
gehabt, und es ist eingetroffen, was Thomson in der ersten Hülste
des 18. Jahrhunderts in dem Liede sang, das seitdem das berühmte
englische Nationallied Rule Britannia geworden ist:
thy cities shall with commerce shine
All thine shall be the subject inain
And eyery shore it circles, thine.1
Das Charakteristische ist, daß die Engländer zum größten Teil
ein städtisches Leben sichren. Großbritannien, das eine kolossale
Volksdichte besitzt, hat von seinen ca. 40 Millionen Einwohnern ein
Drittel in den 24 Großstädten wohnen, und ebenfalls nur ein Drittel
in den Landorten. Jeder siebente Engländer endlich ist Londoner,
und damit kommen wir auf dieses Unikum im Weltenrund zu sprechen,
von dem der Franzose sehr richtig gesagt hat: Londres n'est plus
une yille, c'est une province couverte de maisons. lind diese
ganz singuläre Bedeutung verdankt London seiner einzigartigen Lage;
es ist die ,,Schifssstadt" (von dem eeltischen lhong Schiff), und schon
Tacitus muß es nennen eopia ns^otiatoi-uni et comineatiium celebre,
berühmt durch die Menge der Kausleute und den Handelsverkehr.
Die ganze Fläche der Stadt umsaßt über 5 ^M., also etwa so viel
wie das ganze Fürstentum Reuß ä. L., und daraus stehen die Häuser
— so viel wie in der ganzen Lombardei —, von der mansion des
Adligen bis zur cottage des Arbeiters. So ist es in Wahrheit das
caput et compendium totius regni, wie es die alten Geographen
nannten, und zwar spiegelt es in seinen einzelnen Stadtteilen die
Zustände und Lebensäußerungen des gesamten Königreichs wieder.
In Westminster und Westend ist es der Sitz des Hoses und des
Parlaments, in der City vereinigt es den Großhandel, in South-
wark ist es Fabrikstadt und in Eastend der erste Seehasen des Landes,
der mehr Kaussahrteischisfe besitzt als ganz Frankreich. Natürlich
sehten auch nicht die Schattenseiten einer so riesigen Menschen-
* „Der Städte Pracht vor Handel glänzt,
Ja dir nur lauscht das Meer — dir nur,
Und jeder Strand, der es umkränzt!" in der Nagelschen Ubersetzung.
TM Hauptwörter (50): [T3: [Stadt Schloß Straße Berlin Kirche Haus Gebäude Platz Garten Universität], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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Extrahierte Ortsnamen: Sydenham Paris London England Westminster Westend Eastend Frankreich
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spricht, und von diesem inneren Kerne aus wachsen strahlenförmig die
Vorstädte (faubourgs) ins Land hinaus. Der größte Schmuck der
Stadt ist der Ring mit seinen heutigen Palästen. Es ist dies der
eingeebnete alte Mauergürtel mit dem Glacis, und der Name der
schönsten und lebhaftesten Straße in Wien, der Graben, erinnert
noch an die frühere Bestimmung. Hier auf dem Ringe reiht sich
nun Prachtgebäude an Prachtgebäude; das Parlamentshaus, das
Hofburgtheater, das Opernhaus und berühmte Kirchen legen Zeugnis
ab von dem technischen Geschick und dem künstlerisch veredelten Ge-
schmack der Wiener Architekten. Berlin hat ja Wien an Einwohner-
zahl überflügelt; aber es ist doch ein ganz neuer Eindruck, ein Ein-
blick in das Weltgetriebe, wenn man das Wiener Straßenleben be-
obachtet. Berlin hat vorwiegend norddeutsches Gepräge, in Wien
treten uns alle die orientalischen Kostüme entgegen, und wir merken,
daß wir hier an der Grenzscheide stehen, wo Occident und Orient
sich berühren. Wenn Schiller von der Donaustadt dichtete:
mich umwohnt mit glänzendem Aug' das Volk der Phäaken,
immer ist's Sonntag, es dreht immer am Herd sich der Spieß —
so hat er wirklich den leichtlebigen Sinn des Wiener Bölkchens auss
trefflichste gezeichnet. Als auf dem Wiener Kongresse nach den Frei-
heitskriegen die ernsten Arbeiten der Neuordnung der Welt über-
wuchert zu werden schienen von endlosen Festen, Redouten und
Schmausereien, sprach man von „einem Capua der Geister", und
diese einlullende, vergnügungssüchtige Atmosphäre hat Wien bis auf
den heutigen Tag bewahrt. Zwischen der Stadt und der Donau
liegt der berühmte Prater, ein Luftwald, ähnlich dem Berliner Tier-
garten. Hier beobachte man das Völkchen, entweder am Praterfest
des 1. Mai oder auf den Abgrenzungen des „Wurstelpraters"; man
wird erstaunen über die ungenierte Lebenslust, das frohbewegte Treiben
und die schallende Fröhlichkeit. Mitten in der Stadt liegt der Stephans-
dom mit seinem berühmten Turme, der lange Zeit als höchstes Vau-
werk der Welt galt. Man hat gespottet, daß das Äußere doch etwas
plump erscheint und daß man wohl durch übereinander getürmte
Steine das Martyrium des Heiligen habe andeuten wollen; Ste-
phanus wurde nämlich gesteinigt. Aber es ist doch ein Gotteshaus
von imposantester Wirkung und mit der Geschichte der Stadt und
des Staates auss innigste verslochten. Hier stand Rüdiger von
Stahremberg, um die Zeltlager der Türken zu durchmustern, hier
wurde gegen die Türken der Kreuzzug gepredigt, und welche Wirkung
volkstümliche Predigt haben konnte, sehen wir an dem Wirken des
Abraham a Santa Clara, der den Wienern vom Höchsten bis zum
Geringsten mächtig das Gewissen rührte. — Wien ist eine wichtige
Station der Dampfer, die jetzt nach den Sprengungen im Eisernen
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Extrahierte Personennamen: Schiller Abraham
Extrahierte Ortsnamen: Wien Berlin Wien Berlin Wien Occident Donaustadt Wiener_Bölkchens Capua Wien Donau Stahremberg Wien
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Thor den ganzen Donaufluß befahren, und man kann sich denken,
wie Handel und Perkehr sich an dieser wichtigen Erdstelle konzentriert.
Die Industrie ist darum in der Stadt auch großartig entwickelt, und
z. B. die Wiener Shawls haben seit alter Zeit ihren Weltruf be-
hauptet. Weltruf haben ferner die kostbaren Sammlungen Wiens
und die medizinischen Kollegien und Anstalten der uralten berühmten
Universität; kurzum man fühlt es dem Österreicher nach, wenn er
voll Stolz singt und dichtet:
es giebt nur a Kaiserstadt, es giebt nur a Wien!
Und nun erst die Umgebungen der Stadt! Bis mitten in die
Stadt sollen der Sage nach die Ausläuser der Alpen hineingereicht
haben, und da steht als Merkpsahl „der Stock im Eisen", das Wahr-
zeichen der Handwerksgesellen. An die Vorhöhen der Alpen hinan
ziehen sich Villen, Lustorte, Schlösser und Klöster. Schönbrunn,
Laxenburg und Hietzing sind bekannte Namen, und in diesen para-
diesischen Stätten haben mit Vorliebe die depossedierten Fürsten ihre
Wohnsitze genommen, sowohl die italienischen, wie die Bourbons und
Estes, als auch die deutschen, wie die Familie des früheren Königs
von Hannover.
Die Wiener unternehmen in Extrazügen oft eintägige Ausflüge
nach Mürzzuschlag; wir wollen sie begleiten. Zunächst durchfährt
der Zug das schöne und reiche Österreich und kommt dann nach
Steiermark. Hier lernen wir den Anziehungspunkt der ganzen Reise
kennen, nämlich den Semmeringpaß. Der Semmering ist nicht hoch
(980 111), und in jenen älteren Tagen begnügte man sich damit, diese
Berghindernisse in endlosen Serpentinen zu ersteigen, während man
heute den Tunnelbau vorgezogen hat. Am Fuße des Berges sieht
man den höchsten Punkt bei Gloggnitz eigentlich ganz nahe und
deutlich vor sich liegen; es dauert aber noch zwei Stunden, ehe man
über Viadukten und in stetiger bedeutender Steigung den Gipfel des
Berges erklommen hat. Aus den Stationen werden Sträuße von
Edelweiß seilgeboten, und man empsängt in ihnen den ersten Alpen-
grüß. In Mürzzuschlag kann man recht das muntere Treiben der
Steiermärker beobachten; die überschäumende Lebenslust tobt sich in
Jodlern, Gesängen und lebhasten Tänzen aus, und der Norddeutsche
wird dessen inne, daß hier doch ein anderer Menschenschlag wohnt
wie zu Hause unter dem bleiernen Himmel und bei der kümmerlicheren
Vegetation. Grün ist die Steiermark durch ihre Wiesen, grün der
Anzug des Steirers, grün und freudig seine Lebensführung. Die
Hauptstadt des Landes ist Graz an der Mur. Der Franzose macht
hier ein witziges Wortspiel und spricht von der ville des graces sur
la riviere de Tamour. Die Stadt mit ihrer Universität ist eine
wackere Vertreterin des Deutschtums. Bald hinter Graz beginnt dann
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— 86 —
Deutschen, ein musikalischer Sinn und eine Begabung und Leiden-
schastlichkeit in der Ausübung musikalischer Fertigkeiten, daß diese
Allgemeinheit der Musikempfänglichkeit ganz ohnegleichen dasteht.
Ter Jodler in den Alpen, der Tiroler mit der Zither, der ungarische
Zigeuner mit der Geige, das böhmische Harsenmädchen verraten eine
^ Liebe zur Musik und eine staunenswerte Begabung, daß der Fremde
wie vor einem Wunder steht. Es ist, als wenn der ganzen Nation
noch ein besonderer sechster Sinn für die Anempsindung und An-
Passung an Naturlaut und Naturweben eigens angeboren wäre, wie
man denn beim Jodeln darauf hinweisen will, daß es besonders der
Erweckung des Echos angepaßt sei und daß sozusagen „Straußsche
Walzer als die verklärten Töne des Jodelns" erschienen. Wiederum
sind die ungarischen Tänze und Czardas ein ganz eigenartiges Musik-
stück mit ihrer bald schwermütigen Melodie und ihren bald in rasenden
Rhythmen dahineilenden Kadenzen. — Es ist naturgemäß, daß es
bei einem so musikalischen Volke auch an gottbegnadeten Musikern
und Komponisten nicht gefehlt hat, und so ist denn Wien zu-
nächst ausgezeichnet durch die drei großen Klassiker Haydn, Mozart,
Beethoven, denen Berlin jetzt ein gemeinsames Gruppendenkmal setzen
will. Beneidenswertes Land, in dem drei solcher Geister wohnen
und sich glücklich sühlen konnten, und beneidenswertes Europa, dem
drei solcher musikalischen Schöpfungen beschieden wurden, wie die
Schöpfung, der Don Juan und die Beethovenfchen Symphonieen!
Wir sind dem Staate und Volke, das solche Geister sein eigen nennen
durfte, ewigen Dank schuldig. . Und nach diesem Dreigestirn kompo-
nierte Franz Schubert noch seine Lieder! Wenn Schiller von den
Schöpfungen des wahren Künstlers dichtet:
Nicht der Masse qualvoll abgerungen,
Schlank und leicht, wie aus dem Nichts gesprungen
Steht das Bild vor dem entzückten Blick —
so war bei diesen Künstlern von Gottes Gnaden die Forderung des
Dichters erfüllt. Noch in blutjungen Jahren warf Schubert in
größter Eile eine Komposition aus das Papier, und ohne daß er
nachher nötig gehabt hätte, daran zu feilen oder Takte zu ändern,
ist so der unsterbliche „Erlkönig" der Nachwelt geschenkt. Und des-
gleichen hat Mozart seine Ouvertüre zum Don Juan erst kurz vor der
Ausführung hastig komponieren müssen, so daß die Orchestermitglieder
sie noch von den nassen Blättern extempore spielten, und wieviel
Herzen haben sich heute an diesen meisterhaften Klängen erfreut!
So hat jedes Volk seine Vorzüge und seine geniale Beanlagung,
und aus dem Zusammenklange dieser Kulturthaten ist das erwachsen,
was wir heute unsere abendländische Civilisation nennen.
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Extrahierte Personennamen: Haydn Mozart Beethoven Franz_Schubert Franz Schiller Schubert Mozart
— 29 —
gleichen. Übrigens wurde von Calais aus das erste Kabel im pas
de Calais 1850 gelegt.
Westlich von den eben genannten Provinzen kommen wir an
eine hochinteressante Landschaft, das Mündungsland der Seine, die
Normandie. Dies Land erinnert an die nordischen Vikinger des
9. und 10. Jahrhunderts, denen endlich Karl der Einfältige diesen
Küstensaum abtrat, um ihren Räubereien Maß und Ziel zu setzen.
Die nordischen Söhne wurden bald zu Franzosen, lassen aber noch
immer durch ihre Körpergröße und ihre gelben Haare die einstige
Herkunft erkennen. Von hier zogen die unruhigen Krieger nach
England und Unteritalien auf Eroberungen aus und bilden mit ihren
Seeexpeditionen und ihrer Gabe, sich überall als einflußreichstes Ve-
Völkerungselement festzusetzen, eine der interessantesten Episoden des
Mittelalters. Die Normandie spielt übrigens, wie man das sehr
glücklich verglichen hat, der Jsle de France gegenüber mit Paris
dieselbe Rolle, wie etwa Pommern im Verhältnis zu Brandenburg.
Für die sehlenden Reben und den Traubensaft entschädigen sich die
Bewohner durch ihre schönen Obstweine, den cidre (Apfel-Wein) und
Birnen-Wein (poire). Die Klippenreihe Calvados, die sich an der
ttitste entlang zieht, will man von einem Schiffe der berüchtigten
spanischen Armada herleiten, das hier 1588 gescheitert sein soll.
Neben der Normandie liegt die Bretagne, ein merkwürdiges
Land, das immer ein Sonderdasein geführt hat. Es hieß ja in alten
Chroniken Britannia cismarina, ist von den Briten der gegenüber-
liegenden Küste besiedelt und hat sich bis aus den heutigen Tag in
seiner celtischen Ursprünglichkeit erhalten. Auch geologisch finden wir
hier Besonderheiten. Es enthält ein altes Rumpfgebirge, dessen
höchster Punkt aber kaum 400 m übersteigt. Die übergroße Feuchtig-
keit erzeugt hier eine kräftige Vegetation, die im Verein mit den
grotesk ins Meer vorspringenden und ausgezackten Steilküsten dem
Lande einen eigenen romantischen Zauber verleiht. Fast überall kann
man die Druidensteine und Dolmen beobachten, die kräftigen Bauern
haben etwas Verstecktes, lieben aber leidenschaftlich den Tanz, den sie
abends in den Schenken nach dem Vimu oder Dudelsack ausführen.1
Was die Geschichte des Landes betrifft, so waren die Bretonen früher
berüchtigte Seeräuber. Auch lebten sie vom Strandrecht und scheuten
sich nicht, durch irreleitende Feuer die Schiffe absichtlich ins Ver-
derben zu locken. Ihre abgeschlossene Sinnesart ließ sie am Alten
hangen; deshalb wollten sie in der Revolutionszeit auch nichts von
der neuen Völkerbeglückung hören. Unter ihrem Führer Chouan
(= Chat huant, Eule, daher sie selbst Chouans genannt), leisteten
sie tapferen Widerstand und waren auch 1813 und 1815 noch immer
' Man zeigt auch noch den Wald Brasilian, bekannt aus der Artussage.
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Extrahierte Personennamen: Karl Britannia
Extrahierte Ortsnamen: England Unteritalien Brandenburg
Der Sternenhimmel nut> unser
Sonnensystem.
^l^as Zwanzigste Jahrhundert hat begonnen, und wenn dein vorauf-
gehenden durch die Bevorzugung der ideellen und humanistischen
Wissenschaften die Signatur ausgeprägt war, hat es allen Anschein,
als ob bei dem gegenwärtigen Säkulum die Erstndungen der Technik
und der experimentellen Erfahrungen die vornehmste Rolle über-
nehmen werden. Das voraufgehende Jahrhundert war groß in der
Ausgabe von Büchern — jährlich rechneten z. B. die deutschen Buch-
händlerkataloge über 15000 Nummern — und in der Riesenzahl
der Zeitungen; das gegenwärtige sucht seinen Vorgänger zu über-
trumpfen und verewigt nicht nur den toten Buchstaben, sondern gal-
vanisiert sozusagen die abgeschiedenen Menschen, so daß ihr Gebärden-
spiel im Kinematographen für alle Zukunft festgehalten ist und der
Tonfall und Klang der Rede noch nach Jahrhunderten vermittelst
des Phonographen fast gespensterhast das Ohr des Hörers trifft.
Gleichwie in der alexandrinischen Bibliothek unzählige Rollen die
Säle füllten und den Wissensstoff der vorangegangenen Geschlechter
ausspeicherten, wird man in Zukunft Tausende und aber Tausende
von Walzen nebeneinander lagern, und die Neugier der Nachkommen
kann sich den Genuß verschaffen, durch Einstellung derselben in die
akustische Maschine die Reden unserer Parlamentarier, die Vorträge
der Koryphäen der Wissenschaft, die Arien berühmter Sänger rc.
sich einfach reproduzieren zu lassen. Wenn man weiter die Perspek-
tive verfolgt, die sich an die Entdeckung der flüssigen Lust und ihrer
in Aussicht gestellten Benutzbarkeit als Vewegungsmittel und Ex-
plosivstoff knüpft, wenn man sich vergegenwärtigt, daß es schließlich
doch noch gelingen wird, die Kraft irgendwie aufzuspeichern und sie
wie eine Ware in beliebigen Quantitäten zu verkaufen, — so schwin-
delt es uns fast bei diesem Zukunstsbilde stets sich erneuernder
Entdeckungen, stets sich wandelnder Bedingungen äußern Daseins
und materieller Wohlfahrt, und mehr denn je wird der Spruch des
alten Philosophen zur Wahrheit navra gel. In dieser stets fluk-
tuierenden Bewegung der äußeren menschlichen Geschicke sehnt sich
H anncke, Erdkundl. Aufsätze. u
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Stille Ergebung
festes Vertrauen auf die Vorsehung, besonders in sol-
chen Fällen, wo menschliche Kräfte nicht ausreichen.
Bey diesem Vertrauen machte ihm seine zahlreiche Fa-
milie keinen Kummer, wenn er dachte, daß er vielleicht
frühzeitig von ihr durch den Tod getrennt würde: wie
er denn auch nur ein Alter von 44 Jahren erreichte.
89.
Philipp von Morn ay(Mornäh), Französischer
Staats-Minister, der nicht nur als Krieger, Staatsmann
und Gelehrter, sondern auch als der aufgeklärteste und
tugendhafteste Christ gleich groß und liebenswürdig war,
verlor bey der Belagerung von Geldern im I. i6o5.
seinen einzigen Sohn, und im folgenden Jahre seine
geliebte Gattin. Der erste Schlag zwang ihn, wie er
sich ausdrückte, zum Schreien, und der andere machte
ihn ganz sprachlos. Seine Gott-Ergebenheit siegte aber
doch zuletzt über die Natur, und statt sein Leben un-
thätig zu verscufzen, widmete er es jetzt von Neuem
ganz dem Dienste seines Vaterlandes. Der Tod seines
guten Königes, Heinrich Iv. im Jahr i5io, beraubte
ihn nicht nur seiner Statthalterschaft, sondern auch aller
Gelegenheit, dem Vatcrlande ferner nützlich zu seyn.
Er verlor sogar auch das einzige noch übrig gehabte
Vergnügen, seine Bibliothek. Als ein christlicher Weiser
drückte er sich über diese äusserste Kränkung also aus:
„Man redet viel von meinen Verdiensten um den Staat,
behandelt mich aber dabey auf eine ganz entgegengesetzte
Weise. Jedoch, ich habe mich längst daran gewöhnt,
alle Belohnung in mir selbst zu suchen, und überdicß
nahet ja die Zeit heran, da ich sie auch bey Gott finden
werde." Nur die Bedrängniffe seiner Glaubens-Genossen,
die immer mehr zunahmen, hielten ihn noch in seinem
undankbaren Vaterlaude zurück, daß er nicht in England
odlr Holland diejenige Ruhe suchte, welche man ihm
wetteifernd anbot. Er fand sie im Jahre 1623. b^y Gott,
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
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Extrahierte Personennamen: Philipp_von_Morn_ay(Mornäh Philipp Heinrich_Iv Heinrich
V aterlands - Vertheidiger. 5a
genug da zum Löschen. Näherte der Feind sich den Wäl-
len, oder machte irgendwo eine wichtige Anstatt, so war
alles voll Eifer, den Feind anzufallen, sein Unternehmen
zu vereiteln, und ihn zu verjagen. Oesters wurden Aus-
fälle zu Lande gemacht, vornehmlich unter Ylefeldts
und Gyldenlöwes Anführung, wobey die Studenten
eine Tapferkeit zeigten, die ihnen Ehre machte, so wie
auck zu Wasser unter Anführung der wackern Seehelden
Helt und Bretahl, welche bey Nacht auszogen, nnv
eine Menge Schiffe, die bestimmt waren, Schwedische
Völcker nach Amack hinüber zu bringen, verbrannten und
versenkten. Der König selbst gieng umher, ermunterte,
gab Befehle und belohnte, wen er am arbeitsamsten und
beherztesten sah. Er ließ sich ein Zelt bey dem Osterthore
aufschlagen, worin er Nachts schlief, und seine Mahlzeit
einnahm, welche nicht besser als die des gemeinen Mannes
war. So verstrich der erste Monat der Belagerung. Man
arbeitete, um der Gefahr zu begegnen, und kämpfte ge-
gen die Unfälle, stets in der Hoffnung, daß die Holländi-«
fche Flotte zu Hülfe kommen werde. Im folgenden Mo-
nate aber wuchs Pie Noth, und die Hoffnung nahm ab.
Die Festung Kronburg (einer von den Schlüsseln Däne-
marks) wurde erobert, und also der Sund noch mehr ge-
sperrt. Die Lebensmittel, die nie im Ueberflnsse vorhan-
den gewesen waren, wurden nun selten und theuer. Ein
Theil des zu Kronburg dem Feinde in die Hände gefalle-
nen Geschützes wurde von dort abgeführt, und gegen
Koppenhagcn gerichtet, um das Feuer zu verdoppeln; der
andere Theil desselben wurde in Bereitschaft gehalten, alle
die Schiffe damit zu beschießen, welche, um der Stadt
Lebensmittel zu bringen, durch den Sund gehen wollten.
Es schien nun fast unmöglich, daß die Holländische Flotte
glücklich hindurch kommen könnte. Gleichwohl dauerten
Muth und Kraft, noch innerhalb der Wälle Kopenhagens
fort. Immer noch war alles auf der Hut, Alle wie zuvor
für^s allgemeine Beste eifrig besorgt. Die Reichen schon-
ten nichts von dem, was sie über die Nothdurfl hatten,
/, *
TM Hauptwörter (50): [T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Schulformen (OPAC): Höhere Töchterschule
Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
Geschlecht (WdK): Mädchen
§'12. Kunst u. Wissenschaft im 12. n. 13. Jahrh. 349
luil gcii lied für daö größte Epos des deutschen
Volkes. Meine werthen Leserinnen werden aber doch,
fürchte ich, keinen rechten Geschmack daran finden, denn
es kommt gar zu Arges und Gräßliches darin vor.
Ein liebliches Gegenstück ist „das Lied von Gud-
run," einer Friesischen Königstochter, gleichfalls von
einem unbekannten Verfasser. Da sehen wir statt einer
stolzen, wilden, schrecklichen Kriemhild ein edelweibliches,
demüthigduldendes, feste Treue haltendes Frauenbild.
Die „Gudrun" ist gewiß eine der schönsten Blumen
im deutschen Dichtergarten.
Walther von der Vogelweide hat nur lyrische
Gedichte verfaßt, aber vortreffliche, und darin namentlich
auch die Ehre des deutschen Vaterlands und die
Herrlichkeit der Kirche gepriesen. Er meint aber
nicht die Kirche, wie sie damals war, sondern die unver-
derbte, erkennt viel von ihrem Verderben und tritt in-
sonderheit den päpstlichen Anmaßungen mit Kraft ent-
gegen. Ueberhaupt standen manche dieser Dich-
ter auch bezüglich der Religion ans einer h ö h e r n
Stufe und findet sich bei ihnen noch oder schon
mancher Strahl des evangelischen Lichtes.
Die Dichter hielten sich häufig an den Höfen gesang-
liebender Fürsten auf. So waren die vier genannten
und noch andere im Anfange des dreizehnten
Jahrhunderts am glänzenden Hofe des Landgrafen
Hermann von Thüringen auf der Wartburg beisam-
men und sangen da ihre holden Lieder zum Saitenspiele,
daß die Herzen der Hörer sich wonniglich ergötzten. Sie
hielten poetische Wettkämpfe miteinander, woraus die
Sage „vom großen Dichterkrieg auf der Wart-
burg" (1207) entstand. Aber die Fürsten dichteten auch
selbst mit; der Züricher Rathsherr Rüdger von Ma-
ri esse hat um 1300 eine große Sammlung von Minne-
liedern herausgegeben, worunter sich viele von fürstlichen
Verfassern befinden.
Es gab auch „fahrende Sänger," von geringerer
TM Hauptwörter (50): [T1: [Geschichte Dichter Zeit Buch Werk Jahr Gedicht Nr. Bild Geographie], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
TM Hauptwörter (100): [T35: [Dichter Zeit Gedicht Lied Dichtung Schiller Poesie Werk Goethe Sprache], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume]]
TM Hauptwörter (200): [T172: [Dichter Zeit Gedicht Schiller Werk Goethe Maler Dichtung Lied Hans], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T179: [Gott Mensch Wort Welt Erde Glaube Herr Sünde Himmel Satz], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T82: [Musik Stadt Hof Zeit Theater Fest Leben Leute Herr Art]]
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Schulformen (OPAC): Höhere Töchterschule
Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
Geschlecht (WdK): Mädchen
§ 18. Entdeckungen neuer Lander und Meereswege. 507
Söhne Hueökar und Atahualpa kämpften mit ein.
ander über der Nachfolge, und eben nahm der Jüngere
den Aeltern gefangen. Bei dieser Verwirrung im Reiche
konnte Pizarro ohne Widerstand vordringen. Als die
beiden Prinzen von der Ankunft furchtbar bewaffneter
Fremdlinge hörten, sandte jeder zu ihnen, um sie auf
seine Seite zu bringen. Pizarro versprach seinen Bei-
stand dem Atahualpa, weil ihm dieser gleich reiche Ge-
schenke mitgesandt hatte. Sie veranstalten daraus eine
Zusammenkunft in einem Peruanischen Flecken. Der junge
Inka kommt auf einem herrltchen Tragsessel in Mitte
eines glänzenden Hofstaates und ein Heer von 30,000
Kriegern hinter sich. Pizarro's Feldpater (Priester) hält
eine Anrede an ihn, worin er vom ch ristlichen Glau-
den, vom Pa pste und vom Sp a nisch en Kö nig e handelt
und es ihm als seine Pflicht vorhält, sich diesen
Dreien zu unterwerfen. Diese dem Prinzen seltsame
Sache mochte durch die Dolmetschung noch seltsamer ge-
worden sein und er schültelt verwundert und ungläubig
den Kopf. Der Pater schlägt zornig aus sein Evange-
lienbuch und ruft: „Hierftehts! Hier stehts!" Atahualpa
hält das Buch aus Ohr und horcht und spricht dann:
„Es schweigt! Es sagt mir nichts!" und wirft es gleich-
gültig zur Erde. „Ha, Verhöhnung des allerheiligsten
Gottesworts!" schreit der Priester. Pizarro winkt seinen
Leuten und plötzlich sind alle Säbel entblößt; sie hauen
die nächste Umgebung des Inka nieder und nehmen ihn
selbst gefangen. Draußen sprengt die Reiterei auf das
Heer ein und die Kanonen blitzen und donnern hinein,
und die ganze Peruanische Armee enlfleucht.
Der gefangene Atahualpa war sehr bestürzt und nie-
dergeschlagen. Als er aber die unmäßige Goldgier der
Spanier wahrnahm, hoffte er noch seine'freiheit, indem
er für dieselbe das ganze Zimmer seines Gefäng-
nis s e s v oll Gold bot, so weit man mit der Hand
hinaufreichen könne. Die Spanier erstarren hiebei
vor freudigem Schreck. Pizarro streckt seinen Arm lang
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TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T43: [König Held Sohn Mann Schwert Ritter Hand Tod Vater Feind]]
TM Hauptwörter (100): [T19: [Feind Pferd König Mann Soldat Reiter Uhr Wagen Kanone Offizier], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T64: [Insel Amerika Land Spanier Australien Kolonie Hauptstadt Küste Entdeckung San], T88: [Sohn Vater König Tod Kaiser Tochter Bruder Jahr Mutter Gemahlin], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod]]
TM Hauptwörter (200): [T121: [Feind Reiter Pferd Heer Mann Flucht Lager Soldat Seite Reiterei], T178: [Rio Peru Hauptstadt Republik Stadt Brasilien San Südamerika Land Chile], T169: [Hand Kreuz König Krone Schwert Zeichen Haupt Gold Mantel Kaiser], T82: [Musik Stadt Hof Zeit Theater Fest Leben Leute Herr Art], T179: [Gott Mensch Wort Welt Erde Glaube Herr Sünde Himmel Satz]]