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1. Theil 4 - S. 59

1880 - Stuttgart : Heitz
Bonaparte in Aegypten. 59 Indessen hatten die Engländer eine Flotte unter dem Contre-admiral Nelson, einem der ersten Seehelden, abgeschickt, die französische Flotte aufzusuchen. Bonapartes größtes Glück war es, daß er Nelson, der einmal nur sechs Stunden weit bei der französischen Flotte vorbeisegelte, entkam und seine Soldaten bei Alexandrien in Aegypten ungestört landen konnten. Das geschah am 2. Juli 1798. In dem Augenblicke, als er an das Land fuhr, entdeckte man im Osten ein Schiff, welches man für ein feindliches hielt. „O Glück!" rief er aus, „wirft du mich verlassen? Nur noch vier Tage und alles ist gerettet!" — Sein Wunsch wurde erhört; es war ein französisches Schiff, und Nelson erschien erst vier Wochen später, nachdem er die französische Flotte im ganzen mittelländischen Meere aufgesucht hatte, ohne sie finden zu können. Indessen war Bonaparte ohne Schwierigkeit ans Land gestiegen, ließ Alexandrien mit Sturm nehmen und rückte schnell auf die Hauptstadt Kairo oder Kahira vor. Es lag ihm daran, daß die Türken ihn nicht als Feind behandelten. Darum machte er bekannt, er wolle mit der Pforte keinen Krieg haben, wolle auch nicht Aegypten erobern, sondern nur die Mamelucken bestrafen, welche die französischen Kaufleute bedrückt hätten. Das war aber ein leeres Vorgeben, auch wußte das die Pforte sehr wohl, erklärte gleich den Krieg gegen Frankreich und trat mit England in Verbindung. Bald empfanden auch die Franzosen, daß es eine andere Sache sei, in Europa Krieg zu führen, als hier. Schon ehe sie Kairo erreichten, wäre ein großer Theil des Heeres in einer Sandwüste fast verschmachtet, da sie mehrere Tage lang ohne Speise und Wasser zubringen mußten. Dazu kam, daß die erbitterten Mamelucken sie durch beständige Angriffe ermüdeten. Auf ihren herrlichen Pferden flogen sie plötzlich herbei; so wie sich nur ein Franzose um einige Schritte vom Haufen trennte, hieben sie ihn nieder und verschwanden eben so schnell, wie sie gekommen waren. Nur dadurch suchte Bonaparte ihnen entgegenzuarbeiten, daß er einen Haufen von Kameelen kaufte und seine Reiter darauf setzte; nun konnte man doch die schnellfüßigen Mamelucken verfolgen. Am 21. Juli 1798 erblickten die Franzosen bei Sonnenaufgang zum ersten Male die hohen Pyramiden von Kairo gegenbefahl, alles wegzunehmen und zu Gelde zu schlagen, so flehentlich auch die Einwohner baten, ihnen die theuern Andenken zu lassen, und obgleich sie ihm den Werth in baarem Gelde zu ersetzen sich erboten. Selbst von den Reliquien ließ er die Edelsteine abreißen.

2. Theil 4 - S. 43

1880 - Stuttgart : Heitz
Hinrichtung der Königin. 43 bracht werden solle. Der Kleine warf sich in die Arme seiner Mutter und bat mit Thränen und lautem Geschrei, ihn doch nicht von ihr zu trennen. Die Königin war wie vom Donner gerührt. Sie wehrte sich wie eine Löwin, der man die Jungen rauben will. Sie stellte sich vor das Bette, in welchem das Kind lag, und schwur, eher zu sterben, ehe sie sich von ihm trennte. Die Beamten drohten und schimpften; eine Stunde war darüber vergangen. Jetzt erklärten sie, sie müßten das Kind todt oder lebendig haben. Das schlug an. Elisabeth und die junge Prinzessin kleideten ihn an, weil es der Königin dazu an Kraft gebrach. Dann führte sie ihn selbst den Beamten zu, nachdem sie ihn in einem Strome von Thränen gebadet hatte; denn sie sah voraus, daß sie ihn nie wiedersehen würde. Von nun an wurde ihr und den Prinzessinnen auch alle Bedienung entzogen; sie mußten ihr Gefängniß selbst ausfegen und selbst die Betten machen. Am 2. August wurden sie unvermuthet des Morgens um 2 Uhr geweckt. Es waren Beamte, welche der Königin den Beschluß vorlasen, sie nach des Conciergerie zu bringen, einem finstern und für schwere und gemeine Verbrecher bestimmten Gefängnisse. Ohne die Farbe zu verändern, hörte sie das Urtheil an, während die Prinzessinen laut ihren Schmerz äußerten. Man durchsuchte ihre Taschen und nahm, bis auf ein Schnupftuch, alles, was sie hatte. Dann ermahmte sie ihre Tochter zur Standhaftigkeit, wies sie an, ihrer Base als ihrer zweiten Mutter zu folgen, und verließ schnell das Gefängniß. Bei ihrem Hinausgehen stieß sie sich an das Gitter, weil sie vergessen hatte, den Kopf zu neigen; als man sie aber fragte: ob sie sich weh' gethan? — erwiederte sie: „ Nein, nein! Gegenwärtig giebt es nichts mehr, was mir noch wehe thun könnte!" In der Conciergerie erhielt sie das schmutzigste, feuchteste und ungesundeste Loch; man untersagte ihr alle Arbeit, selbst das Stricken, unter dem Vor-wande, daß sie sich mit der Stricknadel das Leben nehmen könnte. Ant 13. October wurde sie vor das Revolutionsgericht gestellt. Ihr Verhör wurde, um sie zu ermatten, den Tag hindurch bis in die Nacht hinein fortgesetzt; man reichte ihr keine Nahrung und Stärkung, und vergebens bat sie dreimal um ein Glas Wasser. Aber sie antwortete besonnen und bestimmt. Am 16. October führte man sie zum Tode. Da saß sie, die Tochter Maria Theresia's und vor wenig Zeit noch mächtige Königin, auf dem Karren, der alle Ver-urtheilte hinausführte, im ärmlichen, ja zerrissenen Nachtkamisol und, obwohl erst 37 Jahre alt, zur Greisin gealtert durch Gram

3. Theil 2 - S. 291

1880 - Stuttgart : Heitz
Richard Iii. 291 und konnte sich lange nicht von ihm losreißen. Sie hat ihn auch wirklich auf dieser Erde nie wiedergesehen. Glocester lachte vor Bosheit, als man ihm den Kleinen brachte. Nun ging er schnell an sein Werk. Zuerst ließ er den Bruder der Königin hinrichten, ohne Ursache und Verhör, sich selbst aber zum Protektor von England ausrufen, weil der König noch unmündig sei. Dann sprengte er aus, seine beiden älterer: verstorbenen Brüder, Eduard Vi. und der Herzog von Clarence (sprich Clärens), wären keine ächten Söhne seines Vaters gewesen. Das that er deswegen, damit die Kinder, die beide hinterlassen hatten, also auch der Kömgr Eduard V., als unfähig zur Regierung gelten sollten, und nun kam es noch darauf an, das Volk zu überreden, ihn an die Stelle seines Neffen zum Könige zu wählen. Dazu hatte er eine List ausgesonnen,' die aber sehr plump war. Er bestach nämlich einen Prediger, daß dieser in einer Predigt die unechte Geburt jener beiden Prinzen bewiese und dann seine, des Glocester, Vorzüge recht rühme. In dem Augenblicke wollte er in die Kirche treten, und dann hoffte er, würde das Volk gewiß gleich rufen: Es lebe König Richard! Aber es mißlang. Nachdem nämlich der Prediger schon gerufen hatte: „Seht diesen ausgezeichneten Prinzen, das Ebenbild seines vortrefflichen Vaters" u. s. w., war von Glocester noch nichts zu sehen, und als er endlich kam, mußte der Prediger die schöne Anrede noch ein Mal wiederholen. Die ganze Gemeinde merkte die List, Alle lachten und — Keiner rief. Glocester versuchte eine neue List. Der Lord Mayor (sprich Lord Mähr) oder Bürgermeister von London mußte die Bürgerschaft zusammenrufen, und nachdem ein Minister die großen Verdienste des Herzogs von Glocester auseinandergesetzt hatte, fragte er die Bürger, ob sie den Herzog zum Könige haben wollten? — Kein Laut ließ sich hören. „Wie kommt das?" fragte er den Mayor. „Vielleicht haben sie euch nicht verstanden," antwortete dieser. Der Minister wiederholte die Frage mit andern Worten, aber wieder — allgemeine Stille. „Das ist ja," sprach der Minister, „eine sonderbare Hartnäckigkeit. Man brauchte euch auch gar nicht erst zu fragen; es geschieht blos aus Güte gegen euch. Gebt aber doch eure Meinung deutlich zu erkennen!" Indessen hatten die Bedienten Glocesters und des Ministers unter die Straßenjungen Geld ausgetheilt, daß sie rufen sollten, und die riefen denn auch aus.vollen Kräften: „Es lebe König Richard!"

4. Theil 2 - S. 309

1880 - Stuttgart : Heitz
Colombo's erste Reise. Z09 Alle fröhlich hinaus, fielen nieder und küßten den Boden mit Inbrunst und Freudenthränen. Colombo nahm feierlich Besitz von dieser Insel. Indessen waren viele Einwohner der Insel herbeigelaufen und gafften die besondern Gäste mit Verwunderung an. Nicht viel geringer verwunderten sich die Spanier über die Eingeborenen. Diese hatten eine rothbraune Farbe, dicke, gerade, schwarze Haare, gingen ganz nackt und waren bunt bemalt. Dabei waren es gute, sauste, ganz ungebildete Menschen. Aengstlich liefen sie fort, als die Spanier an's Land stiegen. Da sie aber sahen, daß Niemand sie verfolgte, sondern ihnen freundlich gewinkt wurde, so kehrten sie zurück und erwiesen den Spaniern die tiefste Demuth. Man sah ihnen an, daß sie die Gäste für himmlische Wesen hielten. Einige warfen sich auf die Erde nieder, Andere hoben Augen und Hände gen Himmel. Colombo theilte Glaskorallen, Schellen, Nadeln, Spiegel-, Messer n. dgl. unter sie aus. Sie griffen rasch zu, und wer etwas erlangte, fühlte sich überglücklich; schon über eine Glas- oder Topfscherbe waren sie sehr vergnügt. Sprechen konnte man mit den Eingeborenen freilich nicht; aber man erfuhr von ihnen durch Zeichen, daß oft von Westen her Leute zu ihnen kämen, die mit ihnen Krieg führten, und daß ihre Insel Gnanahani heiße. „Nein!" rief der sromme Colombo, „sie soll St. Salvador (der Erlöser) heißen." Zum Austausch hatten die ehrlichen Indianer nichts als einige unvollkommene Wurfspieße ohne Eisen, baumwollene Knäuel, Papageien und Stäbe. Aber mit großer Freude sahen die Spanier, daß sie in ihren Ohren und Nasen Stückchen Goldblech hängen hatten, und als man sie durch Zeichen fragte, wo sie das Gold her hätten, zeigten sie nach Süden hin; da sei es in Ueberflnß zu finden. Daß die entdeckte Insel ein Theil eines neuen Erdtheils sei, ahuete Colombo anfangs nicht, sondern er war immer noch in dem Irrthume befangen, daß er Indien aufgefunden habe und daß der Erdtheil Asien sich so weit herum ziehe. Daher nannte er auch nachmals alle hier entdeckten Inseln Westindien, zum Unterschiede von Ostindien, weil er sie auf der Fahrt nach Westen entdeckt habe. Nach einem dreitägigen Aufenthalte fuhr Colombo weiter und zwar nach Südwesten. Er entdeckte mehrere größere und kleinere Inseln, alle aurnuthig und überall denselben Menschenschlag. Von Thieren fand mau nur Eidechsen und Schlangen, und Hunde, die nicht bellten. Die Bäume waren von den europäischen ganz verschieden und wimmelten von herrlichen, noch nie gesehenen Singvögeln.

5. Theil 2 - S. 119

1880 - Stuttgart : Heitz
Erster Kreuzzug. Einnahme von Antiochia. 119 Fall nicht gedacht und sich daher mit keinen Vorräthen versehen. Bald entstand also eine so fürchterliche Hungersnoth, wie die Geschichte nur wenige aufzuweisen hat Diejenigen, welche noch Pferde hatten, hielten sich für reich; denn sie zapften ihnen von Zeit zu Zeit Blut ab, jtm sich daran zu erquicken. Hunde, Katzen, Ratten und Mäuse waren Leckerbissen; Nesteln, Distelköpfe und Wurzeln wurden begierig verschlungen, Schild- und Schuhleder gekocht und daran genagt, ja manche stiegen in die Grüfte hinab und stillten ihren Hunger an den erst kürzlich verscharrten Leichnamen der Türken. Solche gräßliche Uebel sind Hunger und Durst, daß sie den Ekel des Menschen fast gänzlich vertilgen und ihm nur einen Gedanken lassen: den Magen zu füllen und den Gaumen zu netzen! Selbst der edle Gottfried hatte zuletzt weder ein Pferd mehr, noch Geld, ein neues zu kaufen. Die Menschen schlichen wie Schatten umher; selbst Balduin, Gras von Flandern, mußte sein Brot zusammenbetteln, und die Soldaten weigerten sich in wilder Verzweiflung, fernerhin Dienste zu thun. Jeder verkroch sich in seiner Wohnung, um hier in dumpfer Erstarrung hinzusterben. Aber plötzlich änderte sich wie durch eitlen Schlag die ganze Scene. In unbändigem Freudentaumel läuft alles durcheinander; der Geist eines neuen Lebens ergießt sich durch die ganze verödete Stadt. Alle vergessen des Hungers und verlangen nur gegen den Feind geführt zu werden. Und was hat diesen plötzlichen Wechsel hervorgebracht? Sind etwa einige Tausende von Wagen mit Zufuhr angekommen? Ist ein großes Magazin entdeckt? — Alles nicht. Man höre, was vorgegangen war. — Ein Priester ans der Provence, Peter Barthelemp, trat vor die Fürsten und bezeugte: ein sonderbares Ereigniß habe sich mit ihm zugetragen. Der heilige Andreas sei ihm in drei verschiedenen Nächten erschienen und habe ihm gesagt, daß vor dem Hochaltare der Peters-firche in Antiochia in der Erde die heilige Lanze liege, mit welcher der römische Kriegsknecht die Seite des Heilands verwundet habe. Dann habe er ihm befohlen, die Kreuzfahrer zu ermuntern, sie auszugraben; denn mit ihr würden sie siegen. Er habe den Befehl das erste und zweite Mal vernachlässigt; da sei der Heilige das dritte Mal sehr zornig erschienen und habe ihm den Tod gedroht, wenn er nicht augenblicklich die Stelle den Kreuzfürsten entdecke. Alle staunten über das Gehörte; aber erst als er einen Eid ablegte, glaubten sie ihm. Das Gerücht von der Erscheinung durchstog schnell die Stadt; die halbverhungerten Kreuzfahrer horchten hoch

6. Theil 1 - S. 282

1880 - Stuttgart : Heitz
282 Alte Geschichte. 3. Periode. Römer. Bei diesem wüsten Leben wurde natürlich an Geschäfte gar nicht gedacht, und da Kleopatra nach Alexandrien zurückging, folgte ihr Antonius, der schon nicht mehr ohne sie leben zu können glaubte, bald darauf nach, und da wurden denn die Schwelgereien wieder fortgesetzt. Uebrigens glaube man nicht, daß sich Kleopatra viel aus Antonius machte. Sie war viel klüger als er, und machte sich oft förmlich lustig über ihn. Blos weil er so viel im römischen Rüche zu sagen hatte, ging sie ihm so nach. Einmal angelten sie im Nil und Antonius fing nichts. Er ärgerte sich darüber, daß ihn Kleopatra auslachte, und schickte daher Taucher unter das Wasser, welche schon gefangene Fische ihm an den Angelhacken stecken mußten. Kleopatra merkte das bald, war aber still und lud ihn ein, am folgenden Tage das Vergnügen fortzusetzen. Er kam und warf wieder die Angel aus; die Taucher waren wieder bei der Hand; aber Kleopatra hatte sie bestochen, einen eingesalzenen Fisch anzustecken. Sobald er nun die Angelschnur sich bewegen sah, zog er sie geschwind heraus und — wurde ausgelacht. „Mein lieber Antonios," sagte darauf Kleopatra, um den Spaß zu versüßen, „überlaß uns künftig das Angeln und fange du dafür lieber Städte, Völker und Reiche." — Dergleichen Thorheiten mußten ihn der klugen Frau natürlich verächtlich machen. Was mußte sie von seinem Verstände denken, wenn er — und das war sein Lieblingsvergnügen — verkleidet in Alexandrien umherlief und die gemeinen Leute/die vor den Thüren oder an den Fenstern saßen, neckte, oder in Sklavenkleidung des Nachts umherstrich, Alle, die ihm begegneten, anpackte und ihnen irgend einen Streich spielte? Dabei wurde er gewöhnlich ausgeschimpft oder bekam gar Schläge; aber das machte ihm gerade recht viel Spaß. Und das war ein Mann, der das halbe römische Reich regieren sollte! Aus der Sorglosigkeit, in welche ihn Kleopatra eingewiegt hatte, fuhr er plötzlich auf, als er hörte, daß Octavius indessen in Rom fleißig an der Vergrößerung seiner Macht arbeitete und daß es bald so weit kommen würde, daß er auch ihn verdränge. Er nahm also Abschied von ihr und reiste nach Italien ab. Die erste Nachricht, die er hier erhielt, war die vom Tode seiner Frau, Fulvia. Bei seinem großen Leichtsinne tröstete er sich bald; wie hätten sich auch zwei Leute, die beide so lasterhaft waren, einander recht herzlich lieben können! Mit Octavius versöhnte er sich wieder; beide schlossen in Brundusium einen Vertrag, und um diese neue Freundschaft durch ein neues Band zu befestigen, heirathete Antonius

7. Theil 1 - S. 304

1880 - Stuttgart : Heitz
304 Alte Geschichte. 4. Periode. Römer. nichts angenommen und sich dann schnell wegbegeben hatte. Seitdem haßte er sie noch mehr als zuvor und ging auf des Sejanus Absichten ein. Er verbannte Agrippina nach der Insel Pandataria; ihr ältester Sohn, Nero, wurde nach der Insel Ponza (an der Küste von Neapel, verwiesen, und der zweite, Drusus, in ein unterirdisches Gefängniß gesetzt. Nur der dritte Sohn, Cajus Caligula, der sein Liebling war, weil er sich in seine Gemüthsart zu schicken wußte, wurde geschont. Nach zwei Jahren starb Agrippina, indem sie sich selbst zu Tode hungerte; Drusus dagegen wurde von Tiberius zum Hungertode verurtheilt. Da der arme Jüngling nichts zu essen bekam, so erhielt er sich noch neun Tage von den Kräutern, mit denen seine Matratze ausgestopft war, bis er endlich dem Hunger elendiglich erlag. Nero war schon früher auf Tiberius' Befehl umgebracht worden. Daß Tiberius im höchsten Grade mißtrauisch war und sich von Jedem immer des Schlimmsten versah, versteht sich von selbst. Nur einem einzigen Manne traute er ganz, jenem Sejanus, den er daher auch zum Obersten seiner Leibgarde, der Prätorianer, machte, und der sich acht Jahre lang in seiner Gunst erhielt. Dieser Sejan war auch ein höchst böser, verworfener Mensch. Um in Rom nach Willkür schalten zu können, beredete er den Kaiser, lieber Rom zu verlassen und sich in einer angenehmen Gegend auszuhalten, wo er ungestörter seinen Lüsten nachhängen könnte und vor Meuchelmord sicherer sei. Das schien dem Tiberius nicht übel; er verließ wirklich Rom und wählte die Insel Capreä (jetzt Capri), Neapel gegenüber, wo er sich 12 kostbare Paläste einrichtete und nur seinem Vergnügen leben wollte. Diese Insel eignete sich ganz für seinen mißtrauischen Sinn. Ueberall von schroffen Felsenwänden umgeben, hat sie nur einen einzigen Zugang, der leicht übersehen werden konnte, und es wurde streng verboten, daß Keiner sich unterstehen sollte, ohne seine Erlaubniß nach Capri zu kommen. Einmal kam ein armer Fischer, der einen vorzüglich schönen Fisch gefangen hatte, nach der Insel und kletterte eine der Felsenwände hinauf, um ihn dem Kaiser zu überreichen. „Unglücklicher, wie kommst du hierher?" schrie ihn Tiberius an, als er ihn erblickte, und befahl sogleich, ihm mit dem Fische und den harten Schalen eines Seekrebses so lange das Gesicht zu reiben, bis die Haut abspränge. Indessen regierte Sejan in Rom auf die allertyrannischste Weise. Hat je ein Mann seine Gewalt gemißbraucht, so war er

8. Lehrbuch zur Kenntniß der verschiedenen Gattungen der Poesie und Prosa für das weibliche Geschlecht, besonders für höhere Töchterschulen - S. 216

1877 - Stuttgart : Heitz
216 haben gegessen; nun, folgt hieraus nicht, daß, wer nicht ißt, auch nicht stirbt? He? Nickel. Närrisch genug! Aber wer kann denn dafür, wenn einen ein unsterblicher Hunger quält? Nein, nein! ich will lieber sterben und essen, bis ich einmal wieder von den Würmern gefressen werde. Jobsen. Du bist doch eine sehr gemeine Seele, Nickel! Jetzt könntest du auf einmal ein König werden. Nickel. Ein König? Der Tausend! Jobsen. Ein Philosoph, ein großer Mann, Sagt' einst, ich weiß nicht wo und wann: Ein Weiser brauche wenig. Ein andrer Mann von gleicher Art, Mit grauem Kops und weißem Bart, ^ Nennt nun den Weisen einen König. Siehst du das ein, Einfaltspinsel? Der, welcher wenig ißt, ist ein Wei- ser; ein Weiser ist ein König; wenn du also gar nicht äßest, so könntest du •— ein Kaiser werden. Nickel. Ei Kaiser hin, Kaiser her! Ich wollte, daß das Geraisonnire ein Ende hätte! Jobsen. Nu, nu! Lene soll gleich ein Dutzend gebackene Aepsel kochen. •— He, Lene! ist der Draht bald fertig? — Spinne, sag' ich, spinne! Lene. Gleich, Zeckel! Werd' ich erst Madame heißen. Und auf's Neue vornehm sein, So mag sich Zeckel die Krause zerreißen, Und: „Lene, spinn'! Lene, spinn'!" heiser sich schrei'n. Dann schickt sich Spiel, Singen und Tanzen für mich. Pfui! Spinnen? Ja, das reimte sich!

9. Lehrbuch zur Kenntniß der verschiedenen Gattungen der Poesie und Prosa für das weibliche Geschlecht, besonders für höhere Töchterschulen - S. 179

1877 - Stuttgart : Heitz
179 Qualen überliefern, als wenn ich noch jung und rathlos wäre, wie damals. Küster, Ihr könnt nicht so ruchlos sein, mir meinen armen Schelm und Schächer verrathen zu wollen." „Gebt Euch zusrieden," sagte der Küster gerührt, „ich verspreche Euch, nichts zu sagen. Es war ja auch möglich, daß ich ihn nicht sah, daß ich ihn nicht erkannte; ich habe mich auch wohl geirrt, und der Leidende ist ein ganz anderer. Es ist finster bei Euch, meine Augen sind nicht die besten." „Recht!" rief die Alte, „wir wollen uns beide recht tüchtig etwas vor- lügen, um nur gute, milde Christen zu bleiben, um uns durch die Wahrheit nicht zu Henkersknechten zu machen. Ihr seid besser, Herr Wundrich, als ich geglaubt habe. Haltet Euch wacker, und ich werde Euch immer danken." Jetzt nahm der Küster von der Alten, die mehr beruhigt schien, Abschied. Die Alte begleitete ihn, und als sie auf den Gang kamen, lief die Ziege vom Hofe zu ihnen, und drängte sich schmeichelnd an Gertrud. Diese machte die Hausthüre auf, um den Besuch zu entlassen; aber obgleich die Alte ihre Ziege bei den Hörnern festhielt, so sprang diese doch vor dem Küster vorbei und auf die Straße hinaus. Die alte Frau lief ihrer Ziege nach, rief und lockte, nannte sie mit den zärtlichsten Namen, und der Küster half, so gut er konnte. Das Haus ward verschlossen, aber die Ziege war schon in die nächste Gasse gerathen, und die Alte winkte dem Geistlichen, ihr zu folgen und den Flüchtling einsangen zu helfen. Der Küster wurde immer verlegener. Er wollte der Alten, die ihm als eine fromme, fast heilige Frau erschien, nicht einen Dienst versagen, und doch fürchtete er, in dieser Treibjagd lächerlich zu erscheinen, da sich schon einige junge Buben aus den Häusern versammelten, um der Alten und ihrer Ziege nachzulaufen. Seine Gutmüthigkeit siegte dennoch über seine Aengst- lichkeit, und er rannte in die andere Gasse, um die Ziege der schreienden Alten entgegen zu scheuchen. Die kluge Ziege aber, als wenn sie diesen Kriegsplan begriffe, rannte wieder in eine andere Nebengasse, um diese Ab- sicht zu vereiteln. Da ein Halloh in diesem abgelegenen Viertel der Stadt ertönte, sammelten sich immer mehr der müßigen Jungen, die theils der Alten, theils der Ziege nachliefen. Am schlimmsten aber wurde es, als eine ganze Schule aus einem finstern Hause brach und den Tumult zur Reise brachte. Einige der größern Jungen kannten die alte Getrud und schrieen: Hexe! Hexe! Andere riefen: Ihr Kobold, die Ziege ist ihr weggelaufen! Halloh! Halloh! Andere riefen dazwischen: Der Beschwörer, der Hexenmann ist auch gekommen! Auf sie drein! auf die Sünder! — Der Küster wollte sich in Autorität setzen und rief: „Still, ungezogene Bengel! Ich bin der Küster von der Kathedrale! Die fromme Gertrud ist eine stille, wohlthätige, heilige Frau! Ich werde Euch, boshaftes Gesindel, der Strafe überliefern!" Das Getümmel aber war schon so laut geworden, daß seine Ermah- nung wie sein zürnendes Wort erfolglos verhallte. Einer von den Buben warf mit Obst nach der alten Frau; der Apfel flog tönend an ihren Rücken, und ein allgemeines Gelächter jubelte. Hieraus griffen einige zu Steinen, und Wundrich wie Gertrud wurden von größeren und kleineren getroffen. 12 *

10. Lehrbuch zur Kenntniß der verschiedenen Gattungen der Poesie und Prosa für das weibliche Geschlecht, besonders für höhere Töchterschulen - S. 201

1877 - Stuttgart : Heitz
Soi Der Ungebildete findet mehr Vergnügen an solchen Lustspielen, die allgemein verständlich sind, die Charaktere als Carieaturen darstellen und lokale Witze anbringen. Dergleichen Lustspiele pflegt man Gallerte stücke zu nennen. Eine Abart des Lustspiels ist die Posse, die recht eigentlich darauf ausgeht, Lachen zu erregen, und sich daher grelle Ueber- treibungen erlauben darf. Hier von beiden eine Probe. Aus Lorenz Stark (von Engel, Professor in Berlin, gest. 1802 in Parchim). (Ein angesehener, alter, braver Kaufmann, Lorenz Start, war gegen eine junge Kaufmannswittwe, Madame Lyk, sehr eingenommen, weil ein einfältiger Kaufmann, Specht, ihm erzählt hatte, daß sie durch Eitelkeit ihren verstorbenen Mann zu Grunde gerichtet habe. Des alten Stark Schwiegersohn, Dr. Herbst, sucht diesem vergebens sein Vorurtheil zu benehmen. Da tritt Specht ins Zimmer des Stark, um diesem ein erhaltenes Darlehn Zurückzuzahlen.) (Specht setzt mit wichtiger Miene einen großen Beutel mit Geld auf den Tisch.) Stark. Ei potz! potztausend! das ist ja gewaltig viel Geld! Das ist ja ein Reichthum, wie des Mannes im Evangelium! Wo hat Er das Alles her? Specht. Hehehe! liebster, bester Herr Stark! Wie Sie doch immer so gern spaßen! — Reichthum? Daran fehlt viel. Lieber Gott! — Aber man thut denn das Seinige, und wenn ein Körnchen zum andern kommt, sagte einmal der Herr Pathe, und immer neue Körnchen dazu — Stark. Ja, sieht Er? Da wird am Ende ein Haufen; das ist ganz richtig. (Specht zählt da? Geld auf, Stark thut es wieder in den Sack.) Herbst. Run, weil ich sehe, daß Sie mit Ihrem Geschäft fertig sind, mein Herr Specht — wie geht's Ihnen? Wie befinden Sie sich? Specht (unter tiefen Verbeugungen). Ich danke tausendmal für gütige Nachfrage: ich bin wohl. Herbst. Und zu Hause? Die Frau Liebste? Die Kinder? Specht. Alles, alles wohl, mein Verehrtester Herr Doktor. Herbst. Nun das ist schön; das freut mich.— Wie sieht's denn jetzt in Ihrer Nachbarschaft aus? Was macht Madame Lyk? Specht. Hehehe! Die lebt denn immer so fort, ganz im Stillen, wie's einer Wittwe denn auch nicht anders ziemt; ganz im Stillen. Herbst. Vormals war es dort nicht so stille. Da war gewaltiger Lärm. Specht. Ach das sagen nur der Herr Doktor noch einmal! Lärm bei Nacht wie bei Tage. Keinen Augenblick hatte man Ruhe. — Das war ein Geschreis, Gefahre, Gelaufe, Getümmel, und wenn Ball oder Maskerade
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