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Die Franken bis zum Untergange der Merowinger.
das nicht aufrichtig, sondern trachtete danach, ihm das Leben zu nehmen, wie er immer könne. Munderich nun wollte nicht kommen. „Gehet," sprach er zu Theuderichs Boten, „und saget eurem Könige, ich sei ein Fürst so gut wie er." Da ließ der König sein Heer ausrücken, um den Empörer zu überwältigen und zu strafen. Als jener dies erfuhr und sah, daß er nicht stark genug war, sich im offnen Felde zu behaupten, zog er sich mito aller seiner Habe in die Mauern der Burg Vitry (in der Champagne?)
zurück und wollte sich hier verteidigen mit allen denen, die sich um ihn
geschart hatten. Das Heer des Königs zog heran, umschloß die Burg und belagerte sie sieben Tage lang. „Laßt uns," sprach Munderich zu den Seinen, „tapfer aushalten bis in den Tod und unsern Nacken nicht den Feinden
beugen." Da das Heer nun ringsum die Burg mit Geschossen bewarf
und doch nichts ausrichten konnte, meldete man es dem Könige, und dieser entsandte einen von seinen Leuten mit Namen Aregisel und trug ihm folgendes auf. „Du siehst," sprach er, „wie dieser Abtrünnige in seinem Trotze beharrt; geh also hin und versprich ihm mit einem Eide, daß er freien Abzug erhalten solle. Wenn er dann aber abzieht, so bringe ihn um und vertilge seinen Namen aus unserm Reiche!" Da ging Aregisel und that nach dem, was ihm befohlen war. Er verabredete mit seinen Leuten ein Zeichen und sprach: „Wenn ich dies sage, so stürzet aus ihn los und tötet ihn." Dann ging er in die Stadt zu Munderich und sprach zu ihm: „Wie lange willst du hier sitzen wie einer, der nicht bei Sinnen ist? Oder kannst du etwa dem Könige noch lange Widerstand leisten? Siehe, wenn er dir die Zufuhr abschneidet oder der Hunger dich überfällt, so wirst du doch notgedrungen abziehen müssen und in die Hand deiner Feinde fallen, und sie werden dich totschlagen wie einen Hund. Höre doch lieber aus meinen Rat und ergieb dich dem Könige freiwillig, auf daß du dir und den Deinen das Leben erhältst." Solche Reden machten den Munderich mürbe, und er sagte: „Ziehe ich ab, so falle ich in die Hände
des Königs, und er läßt mich töten und dazu meine Kinder und alle
Freunde, die sich um mich geschart haben." Aber Aregisel versetzte: „Sei nur unbesorgt; denn wenn du abziehen willst, gelobe ich dir mit einem Eide, daß deiner Schuld nicht gedacht werden soll, und du kannst unbesorgt sein wegen des Königs. Ja, du sollst ihm fortan ebenso wert sein wie
früher." „Wenn ich nur sicher märe," seufzte Munderich, „daß er mich
nicht umbringen ließe." Und sofort legte Aregisil feine Hände auf einen Altar und schwur, daß er sicher abziehen könne. Im Vertrauen auf diesen Schwur trat Munderich, dem die Seinen folgten, aus dem Burgthor heraus, an Aregisels Hand. Dessen Leute aber standen von fern und hatten alle ihre Augen auf jenen gerichtet. Da sagte Aregisel — und das war das verabredete Zeichen: „Was seht ihr denn so starr hieher, ihr Leute?
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92
Die Langobarden bis zum Verlust ihrer Selbständigkeit.
Als er nun in die Stadt Lodi gelangte, sandte er seinen vertrauten Freund Hunulf, einen vielgetreuen Manu, zum Könige voraus, um diesem sein Kommen zu melden. Kaum vernahm Grimwald die Botschaft, so gelobte er, dem Perthari kein Leid zuzufügen, wenn er im Vertrauen auf seinen Schutz komme. Mit dieser Antwort ritt Hunulf zu seinem Herrn zurück. Alsbald machte sich Perthari auf den Weg nach Pavia, wo der König weilte, und begab sich ohne Zögern in den Palast. Und als er vor Grimwald trat und ihm zu Füßen sinken wollte, lief ihm dieser entgegen, hielt ihn gütig zurück und küßte ihn. Da sprach Perthari: „Herr, ich bin dein Knecht. Man sagte mir, daß du frommen und christlichen Sinnes seiest, und darum, obwohl ich unter den Heiden sicher leben konnte, kam ich doch zu dir zurück, auf deine Milde vertrauend." Mit seinem gewöhnlichen Schwur versetzte der König: „Bei dem, der mich geboren werden ließ! ich will dein Vertrauen nicht täuschen. Es soll dir kein Leid widerfahren, und du sollst in meiner Nähe wohnen mit allen Ehren, die du verdienst." Darauf gab er ihm einen schönen Palast zur Wohnung, bat ihn nach der mühevollen Fahrt der Ruhe zu pflegen und ließ ihn von Staatswegen mit Speise und Trank und allem Nötigen reichlich versorgen.
Als es nun in der Stadt ruchbar ward, daß Perthari zurückgekehrt sei, währte es nicht lange, da kamen die Bürger scharenweise in sein Haus geströmt, um ihn zu sehen und freudig zu begrüßen. Was kann eine böse Zunge nicht verderben? Es fanden sich leider allzubald einige Schmeichler, die dem Könige vorstellten, wie gefährlich es sei, wenn Perthari, noch dazu in derselben Stadt, einen so großen Anhang gewinne. Ja, sie wußten den leichtgläubigen Fürsten durch ihre Verleumdungen endlich zu überzeugen, daß Perthari ihm nach Leben und Thron trachte und daß er, der König, unfehlbar verloren sei, wenn er nicht jenen schnell aus dem Wege räume. Da vergaß Grimwald seines Eides und beschloß den unschuldigen Perthari zu töten. An demselben Abend sandte er ihm durch seine Gefolgsleute außer mancherlei Speisen auch köstliche Weine und andere Getränke, indem er hoffte, Perthari werde zuviel davon genießen und über dem Trinken nicht an feine Rettung denken. Es war aber unter den königlichen Leuten ein Mann, der früher dem Vater Pertharis gedient hatte; als dieser dem Perthari den Fußschemel hinstellte, flüsterte er ihm heimlich zu: „Hüte dich! Der König hat es auf deinen Tod abgesehen!" Perthari erschrak, aber schnell gefaßt befahl er seinem Mundschenken leise, ihm nichts als etwas Wasser in einer silbernen Schale zu reichen. Als nun die Männer Grim-walds ihn aufforderten zu trinken, ergriff er feinen Becher und sprach, er wolle ihn zu Ehren des Königs leeren, schlürfte aber nur ein wenig Wasser. Da kehrten jene zum König zurück und meldeten ihm, Perthari
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Langobarden und Heruler.
19
in schrecklicher Verblendung ihre Sinne zu verwirren begannen, und als die Fliehenden an ein weites blühendes Flachsfeld kamen, seien sie, in dem Wahn, sie hätten ein Gewässer vor sich, mit ausgebreiteten Armen hineingesprungen, um hindurch zu schwimmen/) wobei sie sämtlich vom Schwert der Feinde einen kläglichen Untergang fanden.
Als nun die Langobarden von diesem blutigen Kampfe siegreich heimkehrten, teilten sie die reiche Beute, die sie im Lager gefunden hatten. König Tato nahm Rodulfs Königsbanner, das sie „Band" nannten, sowie den Helm für sich, den der tote Herrscher im Streite gewöhnlich getragen hatte. Und seit der Zeit war die Kraft der Heruler gebrochen, so daß sie von da (eine Zeit lang) keinen eignen König mehr über sich hatten. Die Langobarden aber wurden seitdem gewaltiger; ihre Volkszahl war von den verschiedenen Stämmen, die sie besiegten, gewachsen, und sie singen jetzt an, auch ohne Not zu Kriegen auszuziehen und den Ruhm ihrer Tapferkeit allenthalben zu verbreiten. —
Sehr lehrreich ist es mit dieser Darstellung, wie sie Paulus Diakonus nach der langobardischen Volksüberlieferung giebt, Prokops Bericht zu vergleichen, der aus Erzählungen von Herulern hervorgegangen ist. Er lautet mit einigen Kürzungen folgendermaßen: Mit der Zeit wurden die Heruler mächtiger und zahlreicher als ihre Nachbarvölker, griffen sie an, besiegten sie und plünderten sie aus. Schließlich unterwarfen sie auch die Langobarden,**) welche bereits Christen waren,***) und einige andere Stämme und machten sie sich zinspflichtig. Zur Zeit des oströmischen Kaisers Anastasius (seit 491) hatten die Heruler keinen Gegner mehr, den sie hätten bekriegen können (!?) und blieben drei Jahre hindurch ganz ruhig. Länger aber konnten sie es nicht aushalten. Sie überhäuften ihren König Rodulf mit den bittersten Vorwürfen und nannten ihn einen erbärmlichen Schwächling. Rodulf wollte diese Schmach nicht ertragen und zog gegen die Langobarden aus, ohne ihnen das Geringste — etwa Verletzung bestehender Verträge — vorzuwerfen, sondern rein aus Mutwillen. Als die Langobarden dies erfuhren, schickten sie Gesandte, um die Ursache der Feindseligkeit zu erfahren;
*) Diesen altsagenhaften Zug kennt noch das Volksmärchen ,6er Hahnenbalken^, Grimm Nr. 149 und die volkstümliche Geschichte von den sieben Schwaben (s. meine zwanzig deutschen Volksbücher S. 497).
**) So behauptete die herulische Ruhmredigkeit!
***) Diese Nachricht ist ganz glaublich, nur muß man sie nicht auf alle Langobarden beziehen; Paulus, der doch selbst Geistlicher war, schweigt über die Bekehrung seines Volks zum (natürlich arianischen) Christentum leider gänzlich. Sicher ist es, daß ein halbes Jahrhundert später (um 560) die Hauptmasse der Langobarden schon einige Zeit Christen waren, da ein Bischof von Trier in einem damals geschriebenen Briese die Gattin des Königs Alboin ermahnt, denselben von der arianischen Ketzerei abzubringen. Auch ist daraus, daß die beiden Töcbter König Wachos mit fränkischen Königen vermählt waren, sehr wahrscheinlich, daß jene (um 530) getauft waren.
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Langobarden und Heruler.
21
auf oströmischem Boden angewiesen; ein andrer Teil wandte sich nordwärts. Jene, vom Kaiser mit großer Freundlichkeit aufgenommen, konnten doch nicht von ihrem alten Übermut lassen. Bald gaben sie Anlaß zur Un-
zufriedenheit, indem sie ihre römischen Nachbarn mißhandelten, und Anastasius schickte ein Heer gegen sie aus. Die Heruler wurden besiegt und ein großer Teil von ihnen getötet; die Überlebenden baten um Gnade, sie wollten Bundesgenossen und Diener des Kaisers werden. Dies wurde ihnen gestattet; aber sie thaten dem Kaiser keinerlei Dienste, sondern lebten ganz für sich, wählten sich auch wieder einen König. Erst als Justinian, der 527 den Thron bestieg, ihnen gutes Ackerland in der Provinz Jllyrien*) und manche wertvolle Gaben schenkte, brachte er sie dahin, in aller Form Bundesgenossen zu werden, und zugleich das katholische Christentum anzunehmen. Von trefflicher Waffenhilfe, die nun die Herulerhelden dem
Kaiser leisteten, ist schon manches Beispiel erwähnt worden, so im Wandalen-und Gotenkriege.
Aber trotz der äußerlichen Bekehrung blieb der Sinn des Volkes unbändig und leidenschaftlich. Die meisten Heruler fielen nach kurzer Zeit wieder von den Römern ab, und das hatte folgenden Grund.**) Einst wandte sich die Wut des jähzornigen Volkes gegen den eignen König — er hieß Ochon —; sie fielen, wahrscheinlich weil er ihnen zu zahm und römisch war, über ihn her und erschlugen ihn. Aber gleich danach reute sie ihre wilde That bitter; denn sie sahen ein, daß sie ohne Herrscher und Führer im Kriege nicht leben könnten. Nach langem Hin- und Herreben beschlossen sie enblich, einen Sproß ihres alten Königsgeschlechtes zu holen von der Insel Gotlanb. Denn diese ober das schwebische Götalanb ist hier wahrscheinlich unter Thule, wie Prokop sie nennt, verstauben. Jener atibere Teil der Heruler nämlich, der sich nach der Flucht aus dem Gepibenlanbe norbwärts gewanbt hatte, war in die ältesten Wohnsitze des Volkes, an der Küste der westlichen Ostsee und auf mehreren Inseln, wo noch starke Reste des Stammes hausten, zurückgekehrt.***) Gewiß war es der Zug nach der alten Heimat und zugleich der Wiberwille, sich unter römische Oberherrschaft zu beugen, was jene Heruler mit den Angehörigen des alten Königshauses bewogen hatte, die anscheinend abenteuerliche Wanderung nach dem Norden anzutreten. Dort hatten sie offenbar frohe Aufnahme gefunden, und die
*) Genauer an der Save, in der Nähe von Singidunum (Belgrad).
**) Die hier folgende Erzählung ist schon Bd. 1, S. 68 kurz mitgeteilt worden, sann aber hier, wo wir die Schicksale der Heruler zu Ende führen müssen, nicht fehlen.
***) Sogar an der Nordsee breiteten sich Nachkommen jener daheimgebliebenen Heruler aus, von wo aus sie häufige Raubzüge nach dem Rhein, nach Gallien, ja bis nach Spanien unternahmen. Der mittelalterliche Name einer Küsteulandschaft zwischen Ems und Weser Harlingia erinnert an diese Heruler.
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Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
13. Drusus und Tiberius in Deutschland. 99
die Leichenrede hielt. Die treuen Legionen aber nannten den
Ort, wo der geliebte Feldherr gestorben war, das verfluchte
Lager und errichteten ihm zu Mainz ein Ehrendenkmal, bei
dem alljährlich an seinem Todestage Leichenspiele gefeiert wurden.
Drusus hatte in der kurzen Spanne Zeit, die ihm zu
wirken vergönnt war, Erstaunliches geleistet. Germanien,
das Land, das nur zu betreten dem großen Cäsar ein
gewagtes Werk schien, war für jetzt wenigstens zum großen
Teil ein unterworfenes Land. Kastelle waren mitten im
Urwalde erbaut, Straßen angelegt worden. Die erstaunten
Völker hielten sich ruhig; der Schrecken vor einer so un-
widerstehlichen Macht lähmte ihre Thatkraft. Nun übernahm
es der finstere, mürrische Tiberius, das Werk des früh
verstorbenen Bruders zu vollenden. In den beiden folgenden
Jahren überschritt er den Rhein und durchzog die deutschen
Westgaue, ohne daß sich etwas Bedeutendes ereignete. Nur
einen Beweis für die römische Treulosigkeit wollen wir nicht
verschweigen. Im ersten Jahre schickten alle am Rhein
wohnenden Germanenstämme Friedensboten an Tiberius, nur
die Sugambern, ein tapferes Volk zwischen Sieg und Ruhr,
schickten keine. Augustus aber hieß den Tiberius erklären, er
werde auf keinen Vertrag eingehen, wenn nicht auch die
Sugambern beiträten. Da ließen auch diese sich auf die
Bitten ihrer Nachbarn bewegen, zahlreiche Edle, darunter die
Fürsten des Volks, an Angustus, der in Lyon weilte, zu
senden und um einen billigen Frieden zu bitten. Aber sie
verfehlten ihren Zweck gänzlich: Augustus hielt die Friedens-
boten fest und verteilte sie fern von Deutschland in ver-
schiedene römische Städte. Da gaben sich die edlen Helden
selbst den Tod, aus Gram und weil sie nicht wollten, daß
ihr Volk aus Rücksicht auf sie unrühmliche Verträge schließe.
Aber den Sugambern, die sich so ihrer Fürsten beraubt sahen,
brach der Mut; sie unterwarfen sich dem Tiberius. Dieser
führte vierzigtausend von ihnen, die besten im Lande, nach
Gallien und siedelte sie am linken Rheinufer an.
Nach seinem zweiten Zug legte Tiberius, durch Zurück-
setzungen von seiten des Kaisers gekränkt, plötzlich seinen
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Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Mainz Germanien Rhein Rhein Lyon Deutschland Gallien
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Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
68 10. Aus dem germanischen Kriegsleben.
er eintreten möchte. Freiwillig lud er die Pflicht aus sich,
diesem Herrn sich zu allen Diensten, die eines freien Mannes
würdig waren, hinzugeben. Ein feierlicher Vertrag wurde
vor der versammelten Landesgemeinde abgeschlossen, wobei der
Mann durch Handschlag den Treueid leistete, der Herr dem
Manne Speer und Schild darreichte. Von diesem Tage an
folgte er seinem Herrn und saß unter den übrigen Mannen
in der großen Halle des Herrn, der nun sein „Wirt" war;
denn diesem lag die Sorge ob für Lebensunterhalt und Aus-
rüstung seiner Bankgenossen. Er als der „Alte" spendete
seinen „Degen" d. h. Knaben, Speise und Trank, Obdach
und Kleidung, und beschenkte sie für treue Dienste mit
Waffen, Rossen und Armringen. Im Frieden bildeten sie
sein stattliches Geleite zum Thing und zur Jagd und auf
Reisen zu befreundeten edlen Herren. Auch als vertraute
Boten, als Herolde, Sänger, Truchsessen oder Rossebändiger
versahen sie wichtige Dienste. Aber sie zehrten dafür auch
von des Wirtes Gut, zechten mit ihm von seinem Met und
Bier und lärmten bei seinen Gelagen. Brach Krieg oder
Fehde aus, so zogen dieselben Bankgenossen mit dem Wirte
auf ihren flinken Rossen in den Kampf. Sie waren seine
Leibwache, sein Heergesinde, das einzig darauf bedacht war,
den Herrn zu schirnien im wilden Handgemenge und es ihm
gleichzuthun an Heldenmut und gewaltigen Thaten. Nicht ohne
den Herrn durften sie aus dem Felde heimkehren. Fiel er
von Feindes Hand, so suchten die Mannen seinen Tod zu
rächen, und eine hohe Ehre und ein erwünschtes Los war es,
in solchem Rachekampf selber das Leben zu lassen. Mit
großem Geleite ritt dann, nach dem Glauben aller, der Herr
zu Walhalls Thoren ein. Geriet aber der Wirt in die
Gewalt der Feinde, so folgten ihm auch seine Degen, wenn
sie ihn nicht befreien konnten, in die Gefangenschaft. Wer
seinen Herrn im Streite verließ oder ohne ihn heimkehrte,
der war ehrlos und schmachbedeckt für das ganze Leben und
endete meist mit eigner Hand sein schimpfliches Dasein.
Ruhm und Beute kam nicht den Gefolgsmannen, sondern
dem Herrn zu gut. Aber dieser hatte die Pflicht, Dank und
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Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
70 10. Aus dem germanischen Kriegsleben.
zum Kriegsdienst berechtigt und verpflichtet war, so war das
Heer nichts andres als das ganze Volk in Waffen, natürlich
nur der männliche und freie Teil desselben, und daher be-
deutet das Wort „Volk" ursprünglich nichts andres als Heer.
Leibeigne und Hörige zählten im Staate nicht mit und waren
deshalb auch von der Heeresfolge ausgeschlossen. Weiber und
Kinder aber blieben oft genug in unmittelbarer Nähe der
Kämpfenden. Ihr Zuruf, ihr Jauchzen und Wehgeschrei
spornte die Helden zu übermenschlichen Thaten. Brachten die
hochherzigen Frauen ihnen doch sogar mitten ins Schlacht-
gewühl, wenn es not that, Speise und ermunternden Zuspruch.
Krieg konnte gewöhnlich nur aus dem großen Volksthing
beschlossen werden. Wenn es aber galt, das Land vor einem
unerwarteten Angriff zu schützen, so eilten schnelle Boten aus
der zunächst bedrohten Gegend von Gau zu Gau, unl die
Gefahr zu melden und die Wehrhaften zu den Waffen zu
rufen. Dann wurden die Dörfer und Höfe verlassen, die
Feldfrüchte soviel als möglich in die Tunge versteckt; Kinder,
Weiber und die meist bewegliche Habe in den Wäldern ver-
borgen, die durch Verhaue noch unwegsamer gemacht wurden.
Alle Waffenfähigen aber sammelten sich schleunigst unter ihren
Gaufürsten an bestimmten Orten, um von da aus gegen den
Feind zu ziehen. War die Gefahr nicht so dringend, so
wartete man gern die heiligen Zeiten des vollen oder neuen
Mondes ab, die für alle Kriegsuuternehmungen als besonders
günstig galten.
Unter den Augen der Schlachtgötter zog man wie zu
einem Feste in den Kampf. Heilige Zeichen, meist Tierbilder,
wurden an Stangen dem Heereszug vorangetragen. Es er-
klangen die grausen Töne der Stierhörner und Drommeten,
vor allem aber der feierliche, wilde Schlachtgesang, den man
Barditus d. h. Bartgesang nannte, wobei die Schilde vor
den Mund gehalten und gewaltige Töne hineingesungen wur-
den. Offenbar waren es Lieder, in denen die kriegerischen
Götter gepriesen und um ihren Beistand angefleht wurden.
Hoch oben über dem Gewoge des Kampfes sah der begeisterte
Blick des Kriegers die Walküren reiten, die gewappneten, Herr-
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Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
36. Totila, der große Gotenheld.
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unter Waffen. Narses hatte einen Hügel besetzen lassen, den
der König ihm wieder zu entreißen wünschte. Aber durch die
Gunst des Orts geschützt schlugen die kaiserlichen Reiter einen
Angriff der Goten nach dem andern zurück, so daß Totila
endlich von dem vergeblichen Bemühen abstand. Daraus ruhte
der Kampf eine Weile. Narses wagte trotz seiner bedeutenden
Übermacht nicht anzugreisen. Doch hielten beide Feldherren ihre
Heere in Bereitschaft. Auf der einen Seite ließ Narses goldene
Armringe und andre Kleinodien auf Stangen herumtragen
und seinen Truppen zeigen, um die seilen Soldknechte durch
solche Lockungen zur Tapferkeit auzuregen, indem er sie zugleich
auf ihre gewaltige Überzahl und ihre weit bessere Bewaffnung
hinwies. Bor der kleinen Schar seiner Helden aber ritt Totila
die Reihen entlang und rief den treuen Mannen zu: „Zum
letzten Male, liebe Volksgenossen, richte ich heute Worte der
Aufmunterung an euch; denn dieser Tag muß der Goten
Schicksal entscheiden. Zusammengeschmolzen durch endlose
Kämpfe und Leiden, sind wir doch von höherem Mute beseelt
als jene dort. Sie sind um Geld gedungen und kämpfen um
Geld. Wir aber müssen heute alles in die Wage legen,
Glück, Ehre, Leben. Denn Flucht bedeutet für uns Unter-
gang. Wohlan, so streitet, eures Ruhms und eurer Ahnen
wert!" Nach diesen Worten ritt der Held aus einem pracht-
vollen Roß allein in den Raum zwischen den beiden Heeren,
um Zeit zu gewinnen und zugleich den Gegnern zu zeigen,
was für ein Mann er sei. Er hatte Kunde erhalten, die
2000 Goten unter Teja seien schon ganz in der Nähe, und
vor ihrer Ankunft wollte und konnte er die Schlacht nicht
beginnen. So sprengte er in goldstrahlender Rüstung, mit
purpurrotem, wehendem Helmbusch, herrlich anzuschauen, zwischen
die Heere und begann nach altem Germanenbrauch ein Waffen-
spiel. Zuerst spornte er sein Roß zu den zierlichsten Wen-
dungen und Sprüngen; dann warf er, in gestrecktem Galopp
dahinjagend, feinen Speer hoch in die Luft und fing ihn,
wenn er wirbelnd niedersank, bald mit der rechten, bald mit
der linken Hand, kunstvoll wechselnd, in der Mitte auf. In
stummer Bewunderung sahen selbst die Feinde zu, wie so der
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Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
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11. Die Kimbern und Teutonen.
Bewaffnete Männer schlossen als Nachhut die schier endlose Schar.
Keine gebahnten Wege lagen vor ihnen, darum stockte der Zug
ofr. Abends wurden die Wagen zum Ringe zusammen-
geschoben. Hinter der Wagenburg schlummerten die Müden
ruhig; denn treue Wächter und riesige Hunde beschützten die
Schläfer. Bei Regen und in der rauhen Jahreszeit konnte
man gar nicht wandern: dann erbat oder erzwang man sich
die Gastfreundschaft des Volkes, durch dessen Land man eben
zog. In Schleswig-Holstein hatte sich den Wanderern so-
gleich ein zweites Volk angeschlossen, die den Kimbern benach-
barten Teutonen, die wahrscheinlich ein gleiches Los ge-
troffen hatte. Dadurch stieg die Anzahl der Völkermasse
aus etwa eine halbe Million.
Land zu finden, wo es auch sei, wenn es nur zur Er-
nährung hinreichte, das war das allgemeine Sehnen dieser
gewaltigen Schar. Aber es war schwer zu befriedigen. Denn
wo die Wandrer hinkamen, da fanden sie bereits bewohnte
Gegenden. Sie baten dann um friedlichen Durchzug oder,
wenn der Winter bevorstand, um Gastfreundschaft. Fanden
sie gütliches Entgegenkommen, so boten sie dafür das. was
sie zu bieten hatten: Waffenhülse gegen alle Feinde. Wurde
diese angenommen, so mag sich wohl der Aufenthalt auf Jahres-
frist oder noch länger ausgedehnt haben. Zuletzt aber nötigte
doch immer wieder der Mangel an Lebensunterhalt zum
Weiterwandern. Jahr auf Jahr verging, ohne daß die Ob-
dachlosen ihre Hoffnung erfüllt gesehen hätten. Endlich er-
reichten sie die Donau, etwa in der Gegend des heutigen Preß-
burg; von hier wandten sie sich südwestlich und gerieten in das
Alpenland, das von einem keltischen Volke, den Tauriskern,
bewohnt war. Diese ließen die starken Germanen wohl oder-
übel durch ihr Land ziehen, doch von andrer Seite wurde ein
Halt geboten. Es war im Jahre 113 vor Christus, als die
ungeheure Völkerwoge sich den krainischen Alpenpässen näherte,
die den Weg nach Italien öffnen. Hier stand aber der rö-
mische Konsul Papirius Carbo, der aus die Kunde vom
Anrücken jener mit einem starken Heere herbeigeeilt war, um
den Heimatlosen den Eintritt zu wehren. Ja, er verbot
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Voll Begeisterung antworteten die Christen: „Gott will es!" Der Landmann verließ seinen Acker, der Handwerker seine Werkstätte, der Kaufmann sein Geschäft, denn ein jeder wollte seine Kräfte dem Dienste Gottes weihen. Als gemeinsames Zeichen hefteten sich alle ein rotes Kreuz auf die Schulter, daher die Namen Kreuzfahrer und Kreuzzüge.
Eroberung Jerusalems. Unter dem französischen Fürsten Gottfried von Bouillon brach das Hauptheer, bestehend aus einer halben Million Menschen, nach dem heiligen Lande auf. Nachdem die Kreuzfahrer bei Konstantinopel nach Asien übergesetzt waren, führte sie der Weg über die öde, wasserarme Hochebene Kleinasiens. Die den Deutschen ungewohnte Sonnenglut des Morgenlandes erschlaffte ihre Kräfte, dazu wurden sie von Hunger und Durst gepeinigt und von Seuchen dahingerafft. Nach mehrjährigem Kampfe mit den Türken erreichten die Kreuzfahrer endlich die heilige Stadt. „Jerusalem, Jerusalem!" so ertönte es wie aus einem Munde, und dankerfüllt fielen sie auf ihr Angesicht und küßten den Boden des heiligen Landes. Aber harte Kämpfe standen ihnen noch bevor, denn die Stadt wurde von den Türken tapfer verteidigt. Nach vierwöchentlicher Belagerung mußte sich die Stadt endlich ergeben, und mit dem Rufe: „Gott will es!" drangen die Scharen der Kreuzfahrer durch die erstürmten Thore Jerusalems. Der Rachedurst ließ die Eroberer leider ganz vergessen, was sich für sie als Christen geziemt hätte. Mit unmenschlicher Grausamkeit wüteten sie gegen ihre Feinde und schonten weder Greise, Weiber noch Kinder. Gottfried von Bouillon wurde zum Könige von Jerusalem gewählt. Als man ihm aber die Königskrone anbot, schlug er sie mit den Worten aus: „Wie sollte ich da eine goldene Krone tragen, wo mein Heiland eine Dornenkrone getragen hat." Er nannte sich Beschützer des heiligen Grabes. Nach seinem Tode nahm sein Bruder Balduin die Königskrone von Jerusalem an.
Einwirkung der Kreuzzüge auf Handel und Gewerbe.
Im Laufe der folgenden Jahrhunderte wurden noch sechs andere Kreuzzüge unternommen. Obwohl nun die von den Christen eroberten Länder fast alle wieder an die Türken verloren gingen, so sind die Kreuzzüge dennoch besonders für die Entwicklung von Handel und Gewerbe von der größten Bedeutung gewesen. Vor den Kreuzzügen standen sich Abendland und Morgenland fremd gegenüber. Erst durch die Kreuzzüge wurde eine Verbindung zwischen beiden hergestellt. Die Kreuzfahrer fanden in den bis dahin unbekannten Ländern manche Erzeugnisse der Natur und Kunst, die ihnen äußerst nützlich und begehrenswert erschienen. In der Heimat angelangt, berichteten sie ihren Landsleuten von den unbekannten Schätzen, und so wurde das Morgenland allmählich nicht nur ein Ziel der Kreuzfahrer, sondern auch der Kaufleute. Die wichtigsten
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