83
fen, auf kurze Zeit. Denn schon unter des Letztem
Bruder Waldemar Ii. zerfiel die Macht unwieder-
bringlich; und nachdem in der Folge Waldemar Iii.
(1340 —1376) sein Reich von der gänzlichen Auflö-
sung gerettet hatte, unterwarf seine Tochter Marga-
rethe, Königin von Norwegen und von Damen, auch
Schweden 1389, und suchte alle 3 Reiche durch die
Union von Cal mar 1397 auf immer zu verbinden,
welcher Plan mühsam auszuführen war und zuletzt
(1324) ganz aufgegeben wurde.
122. Die Oströmer.
In dem Byzantinischen Reiche waren auf die Zei-
ten der Bilderstürmer Bedrängnisse von Seiten der
Bulgaren gefolgt, die 888 Macedonien eroberten, und
erst 1019 von Basilius Ii. unterworfen wurden.
Kreta und einige Besitzungen in Kleinasien hatte man
den Arabern wieder entrissen. Allein der Verfall des
Reichs, die Feigheit und Jämmerlichkeit des Volkes
wurde immer sichtbarer, wenn auch während der Kreuz-
zügcgute Regenten, wie die Comnenen Alexius, Jo-
hann und Manuel, die Gewalt noch einige Zeit zu
halten und zu heben schienen. Bald siel die feste .
Hauptstadt in die Gewalt entschlossener Abendländer, ^
die hier ein lateinisches Kaiserthum stifteten 1204,
das bis 1261 bestand, wo die Paläologen aus
Nicäa zurückkehrten.
123. Nachtheilc der Wahlverfassung für
Deutsch land.
Von anderer Art war der Verfall im Reich der
Deutschen, das jetzt so gut als ohne Oberhaupt war,
daher die Macht der Fürsten ungebührlich wuchs.
Nach Friedrichs Ii. Tode (1250) hatte dessen Sohn
6*
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Extrahierte Personennamen: Waldemar_Ii Waldemar_Iii Basilius Alexius Manuel Friedrichs
101
Kraft entwickelte. Unter dem Hause Romanow
(seit 1613) erhob es sich bereits auf Kosten Polens.
160. Die Türken.
Ungern stand noch immer unter der Abhängigkeit
von den Türken, die über Land und Meer, von der
Theiß bis Nubien herrschten. Denn Selim I. hatte
1517 Ägypten, Selim Ii. 1571 Cyprus erobert. In-
deß ward die türkische Flotte bei Lepanto 1571 von den
Spaniern bereits besiegt, und hatte den Ruf der Un-
überwindlichkeit verloren, den in der folgenden Periode
auch die Landheere der Pforte einbüßten.
16t. C u l t u r.
Der Streit in Neligionssachen belebte den Eifer in
wissenschaftlichen Forschungen, wobei insonderheit die
historischen und Alterthumsstudien sehr gewannen.
(R e u ch l i n, Erasmus, M e l a n ch t h o n, Came-
rarius, Muretus, Lipsius, Scaliger, Ste-
phanus, Gronow u. v. a.). Daneben erreichte
die schöne National-Literatur der europäischen Völker,
insonderheit die spanische (Cervantes, Lope
de Vega), portugiesische, italianische
(Ariosto, Torquato Tasso), englische (Sha-
kespeare um 1600) eine Hobe Trefflichkeit. Die
Naturwissenschaften machten große Fortschritte, be-
sonders die Astronomie durch Kopernicuö (-j- 1543),
Kcppler, Tycho de Brühe, Galilei (ff-1642).
Otto von Guerike (1650) erfand die Luftpumpe.
Non der fortschreitenden und allgemeiner verbreiteten
wissenschaftlichen Bildung zeugt auch die sehr zuneh-
mende Zahl der in dieser Periode gestifteten Universitä-
ten. — In den Künsten erreichten unsterblichen Ruhm
die Maler Raphael, Michael Angelo, Cor-
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Extrahierte Personennamen: Lipsius Gronow Vega Otto Raphael Michael_Angelo
324
3. Preußens Krheöung, 1808—1812.
Das tiefe Unglück Preußens war durch Mängel in der Verwaltung, durch die äußere Lage des Volkes und durch seine Teilnahmslosigkeit,Vsowie durch die mangelhaften Zustände des Heeres verschuldet worden. Die Betrachtung aller Patrioten lenkte sich daher darauf, die Ursachen dieser Katastrophe zu erforschen.
Alle Besseren des Volkes waren der Meinung, daß vor allem ein Mann jetzt helfen könne, der Freiherr von Stein. Er war zu Anfang des Jahres 1807 entlassen worden, weil der König sich nicht in der Lage sah, auf seine Pläne einzugehen, und wurde nun dringend aufgefordert, dem Vaterlande seine Dienste nicht zu versagen. Mit außerordentlichen Vollmachten ausgerüstet, begann Stein die Reform des Staates, als deren Idee er angab, den sittlichen, religiösen, vaterländischen Geist im Volke zu heben, ihm wieder Mut, Selbstvertrauen, Bereitwilligkeit zu jedem Opfer für die Unabhängigkeit und für die Nationalehre einzuflößen und die erste günstige Gelegenheit zu ergreifen, den Kampf für beides zu wagen.
Karl Freiherr von Stein stammte an* einem ritterlichen Geschlechte in Nassau, war anfangs im Bergfache thätig und wurde 1804 Finanzminister. Sson schlichtem, geradem Sinne, war er doch ein Mann, der Jdeeen und Ideale besaß, ohne dabei der Praxis fremd zu sein. Vor allem aber war er, was er damals fein mußte, ein Charakter.
A. Die Reformen Steins betrafen:
I. Die Lage des Landvolkes. Auf den unteren Schichten des Volkes lastete bis dahin allenthalben noch drückende Unfreiheit. Die Landbewohner waren in verschiedenem Grade von den Gutsherren abhängig. Durch das Edikt über „den erleichterten Besitz und den freien Gebrauch des Grundeigentums" erhielt jeder Einwohner des Staates die Berechtigung, Grundstücke zu erwerben; jeder Edelmann war befugt, bürgerliche Gewerbe zu treiben; Bürger und Bauern konnten ihren Stand wechseln. Eine daran sich schließende Kabinettsordre dehnte die Aushebung der Leibeigenschaft und der Erbuuterthüuig-keit der Domäneninsassen auf das ganze Staatsgebiet aus, und endlich traf der König die hochherzige Anordnung, sämtlichen Insassen seiner Domänen in Ost- und Westpreußen das volle Eigentum ihrer Grundstücke zu geben.
Ii. Das Finanzwesen. Die Regelung desselben war Steins
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Extrahierte Personennamen: Karl_Freiherr_von_Stein Karl
168
einzelne Fakultäten, später erst die Gesamtheit der Wissen, schäften (universitas litterarum!) umfaßten.
2- Die Rechtswissenschaft wurde hauptsächlich zu Bologna gepflegt und umfaßte das Studium des römischen und kanonischen Rechts. Das alte gewohnheitsmäßige Landesrecht wurde in Deutschland in dem Sachsenspiegel von Eike von Repgow und in dem Schwabenspiegel aufgezeichnet.
3. Die mittelalterliche Geschichtsschreibung erreichte in Bischof Otto von Freising ihren Höhepunkt, der eine Lebensbeschreibung Barbarossas verfaßte.
4. Die Philosophie. Dem Geiste der Zeit entsprechend wandte sich dieselbe fast nur der Theologie zu. Ihre Aufgabe, für
deren Lösung schon die Kirchenväter und auf Grund ihrer Ergebnisse und des Studiums der heidnischen Philosophie die Gelehrten Botztius, Isidor von Sevilla (f 636), Beda Venerabilis (t 735), Alkuin und Hrabanns Maurus thätig gewesen waren, erkannte man darin, den Gesamtinhalt des Glaubens in ein wissenschaftliches System zusammenzufassen. Diese christliche Philosophie bezeichnet man mit dem Namen Scholastik, und sie erhielt durch das in den Kreuzzügen wieder belebte Studium des Aristoteles einen neuen Aufschwung. Als der eigentliche Begründer der scholastischen Richtung wird indes Anselm von
Kanterbury, f 1109, angesehen, dessen Ausspruch „credo ut intelligam“ das Losungswort der Scholastiker wurde. Hiernach geht der Einsicht der Glaube voraus, den die Scholastik
mittels scharfsinniger Dialektik zum Wissen erheben will. Den Höhepunkt erreicht die Scholastik in Thomas von Aqnino, t 1274, „doctor angelicus,“ und Duns Skotus, „doctor subtilis.“ — Daneben entwickelte sich eine andere Richtung der mittelalterlichen Theologie, die Mystik. Dieselbe wendet sich an das Gemüt und erstrebt neben Abtötnng alles Sinnlichen eine lebendige Vereinigung mit Gott durch Betrachtung. Ihr bedeutendster Vertreter ist der heilige Bernhard. Beide Richtungen sind in Hugo von Sankt Viktor und Bonaventnra
vereinigt.
5. Poesie. Die Bekanntschaft mit der phantasiereichen Sagenwelt des Morgenlandes und die ritterlichen Thaten der Kreuz5
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Extrahierte Personennamen: Eike_von_Repgow Otto_von_Freising Otto Barbarossas Barbarossas Isidor_von_Sevilla Beda_Venerabilis Hrabanns_Maurus Anselm_von
Kanterbury Thomas_von_Aqnino Bernhard Hugo Viktor
Extrahierte Ortsnamen: Bologna Deutschland Bonaventnra
13 —
König Johann (Benckelßen) von Leyden, hielt sich noch eine Zeitlang gegen den ihn belagernden Bischof, wurde aber 1535 bei einem Anssall gefangen genommen und endete unter Martern. Das Täufertum wurde darauf mit Gewalt unterdrückt, lebte aber uoch in der von Menno Simonis (f 1561) gestifteten Sekte fort und wnrde auch nach England verpflanzt, wo es später noch einmal zu großer Bedeutung gelangte (Independenten).
Unglücklich eudete auch der Versuch Lübecks, die Verhältnisse des europäischer! Nordens in demokratischem Sinne umzugestalten. Der letzte Unionskönig Christian Ii.. welcher die Macht der privilegierten Stände, des Adels und der Geistlichkeit, zu brechen und seine Herrschaft auf das Volk zu stützen suchte, wurde 1523 aus Schweden durch Gustav Wasa, aus Dänemark und Norwegen durch seinen Oheim Friedrich vou Holstein verdrängt. Die neuen Herrscher führten die Reformation ein und hoben die Privilegien! der Hansa auf. Um diese wiederzugewinnen, suchte der Lübecker Bürgermeister Jürgen Wullenwever, welcher durch eine Erhebung der Demokratie 1533 in den Rat gekommen war, 1534 mit Hilfe der Demokratie in den nordischen Reichen und der Bauern den entthronten König wiedereinzusetzen. Aber die Parteinahme der deutschen Fürsten für Friedrichs Sohn Christian Iii. führte die Niederlage Lübecks und den Sturz der Demokratie herbei; Wulleu-wever selbst wurde 1537 bei Wolfenbüttel enthauptet. Damit war die wirtschaftliche und politische Unabhängigkeit der nordischen Staaten gesichert, die letzte demokratische Erhebung niedergeschlagen.
Inzwischen wurde der Kaiser durch die Plünderungen der türkischen Flotte an der Küste von Neapel zu einem Zuge gegen Chaireddin Barbarossa nach Tunis 1535 genötigt, wo er Goletta und ^uuis einnahm und tausende von Christensklaven besreite. Nach seiner Rückkehr beschäftigte ihn auf längere Zeit der dritte Krieg mit Franz I (1536—1538), welcher nach Sforzas Tode wiederum Ansprüche aus Mailand erhob. Auch später hinderte ihn trotz des Abschlusses eiites katholischen Bündnisses zu Nürnberg die drohende Haltung der Türken an bewaffnetem Einschreiten gegen die Protestanten. Vergebens suchte er durch Religionsgespräche (Regensburg 1541) eine Einigung herbeizuführen, die Gegensätze waren bereits zu schroff geworden. Dagegen gelang es ihm,
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Extrahierte Personennamen: Johann Menno_Simonis Christian_Ii Gustav_Wasa Gustav Friedrich Friedrich Friedrichs Christian_Iii Barbarossa Barbarossa Christensklaven Franz_I Franz
— 84 —
aus dem Großgrundbesitz, kam zu einer größeren Bedeutung. Die Bauern, anfangs teils vollfrei, teils frondend, teils unfrei, gerieten durch die Saft dei Abgaben und das herrschende Jagdrecht immer mehr in Unfreiheit. Die Geistlichen waren meist Abendländer, die Bürger der Städte vielfach Deutsche, namentlich in dem allmählich ganz germanisierten und mit dem Reiche vereinigten Schlesien.
Die Normannen in Nordeuropa bewahrten am längsten von allen germanischen Völkern die altgermanische Verfassung; das Feudalsystem fand bei ihnen keinen Eingang. Später entstanden drei gesonderte Reiche, Dänemarck, Schweden und Norwegen. Durch ihre Wikingerzüge wurden die Normannen der Schrecken ganz Europas; anfangs nur plündernd, gründeten sie später dauernde Niederlassungen. So wurden die Normandie (911 Rollo), England anfangs vorübergehend (Kanut der Große, f 1035), dann dauernd (Wilhelm der Eroberer 1066), Unteritalien (die Söhne Tankreds von Hanteville 1016), Rußland (Runs 862) und Island von ihnen besiedelt. Das Christentum und die Ansänge der abendländischen Kultur erhielten die Normannen in Nordeuropa vom deutschen Reiche, von dem sie anfangs politisch und kirchlich, länger noch wirtschaftlich abhängig blieben.
Dritte Periode:
Die Auflösung von Staat und Kirche des Mittelalters und die Neugestaltung Europas durch die Bildung nationaler Staaten.
1. Die Zerrüttung des deutschen Reiches.
Mit dem Untergange der Hohenstaufen war auch die Idee des kaiserlichen Universalstaates zu Falle gebracht, und das deutsche Reich mußte die Führung unter den Nationen an Frankreich abgeben. Um aber eine weitere Ausdehnung des französischen Einflusses, welcher bereits in Burgund und Italien überwog, zu verhindern, betrieb Papst Gregor X. nach dem Tode Richards von Cornwallis bei den Kurfürsten eifrig die Wahl eines neuen deutschen Königs. In dem Bestreben, durch die Erhebung eines schwachen Herrschers ihre eigene Macht zu befestigen, wählten diese
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Extrahierte Personennamen: Rollo Wilhelm Tankreds Gregor_X Gregor Richards_von_Cornwallis
Extrahierte Ortsnamen: Schlesien Nordeuropa Schweden Norwegen Europas England Unteritalien Island Nordeuropa Europas Frankreich Burgund Italien
Karls V. Ausgang.
53
gierung, jetzt, da er sich ausruhen will, so weit gebracht ist, daß selbst die Diener ihn verlassen haben und er dir, der ihm sonst gedient hat, selbst dient und das Licht vorträgt." Auch den ausbedungenen Jahrgehalt zahlte ihm Philipp höchst unordentlich aus, so daß Karl manchmal an den für seine kleine Hofhaltung erforderlichen Geldmitteln Mangel litt.
In San Juste lebte er in einem freundlichen Wohnhause, welches er sich neben dem Kloster hatte bauen lassen, ganz einsam, und brachte den Tag abwechselnd mit Beten, Drechseln, Uhrmachen und Gartenarbeit zu. Endlich kam er auf die sonderbare Idee, noch bei seinem Leben ein feierliches Todtenamt halten zu lassen, als wenn er gestorben wäre. Er legte sich in einen offenen Sarg und ließ diesen von den Mönchen in die schwarz ausgeschlagene Kirche tragen, Trauerlieder singen und Seelenmessen lesen. Rings umher brannten Wachskerzen und eine Trauermusik hallte schwer-müthig durch das hohe Kirchengewölbe. Das alles machte einen tiefen Eindruck auf sein Gemüth, daß er wenige Tage darauf (1558) wirklich starb.
Noch ist zu erwähnen, daß unter seiner Regierung der nachher so berüchtigte Orden der Jesuiten entstanden ist, von einem spanischen Ritter, Ignaz von Loyola, gestiftet. Die Einrichtung dieses Ordens, dessen Ausgabe hauptsächlich die Bekämpfung der Reformation war, war ungefähr folgende: ein General stand an der Spitze: ihm mußten die Mitglieder, zu denen man nur entweder sehr listige, oder gelehrte, oder reiche, oder mächtige Männer nahm, nicht nur streng gehorchen, sondern auch von allem, was sie erfuhren, Nachricht geben. Der Orden kämpfte zum Theil mit Waffen, welche er der Reformation selbst entlehnt, aber zu seinem Gebrauch umgeformt hatte. Er erklärte die Verbesserung des Volkslebens durch das Christenthum für seine Hauptausgabe, welche durch eine Neubelebung der kirchlichen Heilsanstalten erreicht werden müsse. Wo sie als Priester Eingang fanden, wurde der alte kirchliche Schlendrian stets verlassen. Dafür brachten sie einen zweckmäßigen, geordneten und dabei doch das Volk sinnlich mehr noch wie früher ergreifenden Gottesdienst mit kluger Vermeidung alles Anstößigen, häufiges Predigen in der Landessprache, pflichteifrige Verwaltung der Sacramente; besonderes Gewicht aber legten sie auf eine sorgfältige Handhabung der Beichte.
Mit der Kirche setzten sie die Schule in engste Verbindung und zwar nach einem umfassenden Maßstabe: indem der ganze
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Extrahierte Personennamen: Karls_V. Philipp Philipp Karl Karl Ignaz_von_Loyola
Friedrichs des Großen Verwaltung.
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und daraus entstandene Seuchen ihr Leben verloren. Eine nützliche Warnung, auch im größten Ueberflusse mit unsern Vorräthen nicht verschwenderisch umzugehen; denn solcher Uebermuth bleibt nie unbestraft. Jetzt ließ Friedrich seine Magazine öffnen und verkaufte sein Korn zu billigen Preisen. Daher kam es, daß in Preußen kein Mensch durch Hunger umkam. Aber er that noch mehr. Er theilte seine Vorräthe auch dem benachbarten Sachsen mit und wurde so der Wohlthäter und Erhalter seiner Nachbarn. Mit Freude zog er fremde Colonisten in sein Land; im Magdeburgischen allein ließen sich 2000 neue Familien nieder. Städte, welche im Kriege abgebrannt waren, erhielten Summen zum Wiederaufbau, z. B. Landshut 200,000 Thaler, Striegau, Halle und Halberstadt jede 40,000 Thaler, und in Oberschlesien wurden 213 neue Dörfer angelegt. Jährlich pflegte er in verschiedenen Provinzen Musterungen vorzunehmen. Bei der Gelegenheit erkundigte er sich genau nach allem, was ihm auffiel. So schnell auch sein Reisewagen über die Landstraße hinflog, so mußten doch die Landräthe und Dorfschulzen nebenher reiten und ihm über alles, was er wissen wollte, Auskunft geben, und wehe dem, den er auf einer Gewissenlosigkeit oder Nachlässigkeit ertappte!
Ein Mann, welcher ihn genau kannte, schildert Friedrichs Charakter mit folgenden Worten: „Wahrheit, Offenheit, Biederkeit, eine natürliche Neigung, in allen Fällen gerecht und edel zu handeln, feuriger Trieb, sich in allem, was brav und gut war, auszuzeichnen und die Achtung der Menschen von einigem Werthe zu verdienen, waren von früher Jugend an die Grundzüge seines Charakters. Verstellung und Schleichwege waren ihm sehr zuwider und er hatte eine große Abneigung gegen allen Trug, Schein, Lüge und affectirtes Wesen. Er liebte in allen Dingen das Gerade und Einfache, Bestimmtheit in den Ideen, Kürze und Klarheit in dem Vortrage anderer, und er strebte, diese Tugenden selbst zu haben. Wortschwall, weitschweifige Reden, äußerer Prunk und unnütze Ceremonien waren ihm sehr zuwider." Hart, grausam und rachsüchtig war Friedrich nie, so leicht er auch auffahren konnte. Auch bei großen Vergehungen hat er nie harte Strafen ausgeübt, eher zu große Gelindigkeit bewiesen. Einem Kammerhusaren, der eingestehen mußte, die ihm anvertraute Privatkasse fast ganz ausgeleert zu haben, gab er das wenige, was noch darin war, noch dazu und entließ ihn dann mit den Worten: „ Nun lauf, daß du aus dem Lande kommst; sonst hängen sie dich."
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Extrahierte Personennamen: Friedrichs Friedrich Friedrich Friedrichs Friedrichs Friedrich Friedrich
62
Neueste Geschichte. 1. Periode. Frankreich.
durch Bajonnetstiche getödtet. Welche Barbarei! Aber die Strafe blieb nicht aus. Die Nachricht von dieser schauderhaften That durchflog schnell das Land und entflammte den Haß seiner Feinde bis zur Wuth. Auch verbreitete sich von dem Tage an die Pest im französischen Heere und richtete in demselben große Verwüstungen an. Jetzt belagerte Bonaparte die Stadt Acre. Acht Mal ließ er seine Soldaten gegen die Mauern und Thürme Sturm laufen; aber der alte Dghezzar-Pascha vertheidigte, von der englischen Flotte unter Sidner, Smith unterstützt, die Stadt so gut, daß alle Versuche gegen sie scheiterten. Schon näherten sich mehrere türkische Heerhaufen, um sie zu entsetzen, und die Franzosen, der großen Beschwerde überdrüssig, fingen an zu murren. So ungern auch Bonaparte sich dazu entschloß, so mußte er doch nun umkehren, nachdem er noch einmal einen wüthenden Blick auf den verhaßten Steinhaufen, der ihm den Kern seines Heeres gekostet, geworfen hatte. Seine Kanonen konnte er nicht mitnehmen und ließ sie daher ins Meer stürzen. Es fehlte selbst den Wagen an Pferden, die vielen Hundert Kranken fortzuschaffen. Da ließ er die Unheilbaren durch Opium rasch aus der Welt schaffen, damit sie nicht den*Feinden in die Hände fielen. Eine fürchterliche Menschlichkeit.*) Auf dem Rückwege zerstörten die Franzosen alle Häuser, die ihnen erst Obdach gegeben hatten, mit empörendem Muthwillen, und langten endlich, um die Hälfte geschwächt, in Kairo wieder an.
Jetzt wurde die Lage der Franzosen immer schlimmer. Von allen Seiten vom Feinde umgeben, vom Vaterlande abgeschnitten näherten sich nun noch obendrein englische und türkische Heere, um ihnen den Garaus zu machen. Bonaparte hatte indessen erfahren, wie es in Frankreich stand. Er wußte, daß er auf keine Unterstützung von dort rechnen konnte, daß die bestehende Regierung in Frankreich verhaßt sei und daß die französischen Heere in Deutschland und Italien nichts als Niederlagen erlitten hätten. Schnell
*) Gleichwohl hat die Geschichte bei dieser Gelegenheit auch einen Zug echter Seelengröße von Napoleon zu erzählen. Ehe er nämlich zu jenem oben erzählten äußersten Mittel griff, hatte er den Versuch gemacht, die pestkranken Soldaten von der Furcht vor einem unvermeidlichen Tode zu befreien, welche diesen erst recht beförderte. Er begab sich gegen den Rath seiner Freunde in den Saal, wo die Pestkranken lagen, und berührte mehrere von ihnen, indem er ihnen Muth einsprach. Mindestens beweist diese That, welche von keiner Pflrcht geboten war, welche Vorstellungen er von seiner Bestimmung haben mußte und wie furchtlos sein Inneres war.
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Extrahierte Personennamen: Smith Napoleon Muth
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Kairo Frankreich Frankreich Deutschland Italien
422
Neueste Geschichte. 3. Periode.
einen vom Fanatismus ihrer Ideen, die andern von bloßer Rauflust hergeführt. Denn in diesem Volkskriege gegen die Deutschen wurden alle Leidenschaften aufgestachelt, alle Mittel für erlaubt gehalten, auch Meineid und Verrath, und die dem Meuchelmord ähnliche Tücke. Wenn auch die Geschichte, wie wir oben andeuteten, der patriotischen Hingebung Frankreichs ihre Anerkennung nicht versagt, so ist doch jene Hingebung gar häufig durch häßliche Züge entstellt und herabgewürdigt worden. Einer der schlimmsten Vorfälle dieser Art war die Treulosigkeit bei der Uebergabe von Laon, 9. Septbr. Als die deutschen Truppen zufolge der Capi-tulation in die Citadelle einmarschirten, wurde ein Pulvermagazin in die Luft gesprengt und ein großer Theil der Mannschaft ge-tödtet.
Solchem Widerstände entsprachen auf deutscher Seite die Anstrengungen und Leistungen der Truppen, die Besonnenheit der Heerführung und die Opfer Willigkeit daheim im Vaterlande. In den unerhörten Beschwerden und Drangsalen des Belagerungskrieges vor Paris und Metz während der herbstlichen und winterlichen Jahreszeit zeigten sich die deutschen Krieger ebenso bewundernswürdig, wie in dem Gewühl großer Schlachten. Immer neue Kriegsfchaaren zogen nach Frankreich, und viel Heermaterial, besonders schweres Belagerungsgeschütz nebst unermeßlichen Muni-tionsvorräthen mußte vor Paris hingeschafft werden. Nicht minder großartig wär der Wetteifer liebevoller Fürsorge im Vaterlande, um den im Felde stehenden Truppen die Beschwerden des Kriegslebens zu lindern und zu erleichtern; besonders herrlich aber der Eifer helfender Liebe in der Pflege der verwundeten und erkrankten Krieger. Noch niemals, so lange es Kriege giebt, hat ein ganzes Volk in so reicher und opferwilliger Theilnahme und Barmherzigkeit sich gezeigt, wie in diesem Kriege das deutsche Volk.
In den ersten Wochen der Belagerung von Paris geschah nichts Entscheidendes. An einen Sturm auf die Forts, der nur mit ungeheuren Opfern hätte Erfolg haben können, wurde in der deutschen Heerführung nicht gedacht; die Herbeischaffung der großen Belagerungsgeschütze war unsäglich schwierig und brauchte viel Zeit; man hoffte Paris mit seiner Einwohnerzahl von fast 2 Millionen in nicht langer Zeit durch Hunger zu bezwingen. Aber es erwies sich das als eine Täuschung. Wenn auch von einer wirklichen Verproviantirung nicht die Rede sein konnte, so war die Hauptstadt doch mit einer Menge von Lebensrnitteln versehen und nicht
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Extrahierte Ortsnamen: Frankreichs Laon Paris Frankreich Paris Paris