416
37. Die ungarische Revolution.
zur Last legten. Einen nachhaltigen Erfolg hätte er durch Fortsetzung
des kleinen Krieges, etwa in Siebenbürgen, nicht erzielen können,
denn es fehlte an Geld, an Munition, an Muth bei Soldaten und
Officieren, welche letztere ein ähnlicher Geist beherrschte, wie er bei
Napoleon's Marschällen in den letzten Jahren seiner Herrschaft an-
zutreffen war. Aber einen politischen Fehler beging Görgei, daß er
seine Unterwerfungs-Anträge an die Russen, unv nicht an die Oesterrei-
cher richtete, die allerdings im ungarischen Heere noch verhaßter waren,
als die Russen, besonders seit Haynau an ihrer Spitze stand. So weckte
der Neid auf den russischen Triumph die Rachsucht Haynau's, der
allen Grund hatte, gegenüber der hochmüthigen Meldung Paskewitsch's
an seinen Kaffer: „Ungarn liege zu den Füßen des Czaren", her-
vorzuheben, daß die österreichische Armee es war, welche „den Feind
in sechs Schlachten bis zur Vernichtung besiegt und auch die Unter-
werfung des Görgei'schen Corps bewirkt hat".
Ein kleiner Rest der Armee (5000 M.), so wie die Führer Koffuth,
Bem, Dembinski, Perczel und andere retteten sich auf türkisches Ge-
biet; die übrigen Heeres-Abtheilungen in Ungarn und Siebenbürgen
ergaben sich rasch nach einander theils an die Russen, theils an die
Oesterreicher. Auch die Festungen Arad, Munkücs, Peterwardein
fielen durch Capitulation in die Hände der Sieger; den längsten
Widerstand leistete Klapka in Komorn; er capitulirte erst am 27.
September unter auffallend günstigen Bedingungen, welche den
schroffsten Gegensatz bilden zu der Behandlung, die Haynau sonst den
Insurgenten angedeihen ließ.
Alsbald begann Haynau's Schreckensregiment; die Nation sah
Tausende ihrer Söhne gewaltsam dem Soldatenstande eingereiht,
Hunderte in die Verbannung, wieder Hunderte in langjähriges Ge-
fängniß wandern; unter den zahlreichen Hinrichtungen, welche die
Blutgerichte in Pesth und Arad decretirten, machte den tiefsten Ein-
druck die des Grafen Batthyüny, als deren Grund auch seine Wirksam-
keit als Premier-Minister, seine mit der Sanction des Königs und
des Palatinus vollführten Thaten verkündigt wurden. Görgei ver-
dankte sein Leben der Verwendung des Kaisers Nikolaus und des
Großfürsten Constantin.
Haynau's Grimm traf nur Personen und nicht Institutionen,
das Volk zitterte vor ihm, aber sah ihn nicht als Feind der Natio-
nalität an. Erst äls die sogenannte „Civil-Regierung" in Ungarn
ihr Amt antrat, als man das langsame Eindringen fremder Ele-
mente in das nationale Wesen, den gewaltsamen Bruch mit den alt-
gewohnten Einrichtungen beobachtete, als die österreichischen Beamten-
Colonieen in Ungarn ihren Einzug hielten, bildete sich die tiefe Kluft
zwischen dem ungarischen Volksthum und der Wiener Regierung.
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T40: [Polen Ungarn Land Rußland Preußen Stadt Donau Provinz Hauptstadt Königreich], T12: [König Paris Jahr Napoleon General Frankreich Mann Tag Kaiser Minister]]
TM Hauptwörter (100): [T8: [König Paris Regierung Minister Parlament Volk Frankreich Kammer Mitglied Verfassung], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T29: [Napoleon Heer Schlacht Preußen Franzose General Mann Armee Sieg Bluch], T67: [Kaiser Türke König Jahr Ungarn Heer Land Friedrich Kreuzzug Jerusalem], T18: [Donau Stadt Ungarn Böhmen Wien Hauptstadt Land Einw. Königreich Mulde]]
TM Hauptwörter (200): [T88: [Türke Ungarn Krieg Rußland Kaiser Sultan Wien Jahr Frieden Polen], T73: [König Paris Parlament Partei Frankreich Volk Regierung Nationalversammlung Republik Robespierre], T140: [Stadt Franzose Feind Festung Truppe Tag Mann Paris Belagerung Angriff], T155: [Soldat Krieg Heer Land Mann Truppe König Waffe Geld Feind]]
Extrahierte Personennamen: Muth Dembinski Klapka Nikolaus Nikolaus Constantin Constantin Grimm
Dritter Zeitraum: 1789—1815.
Schuttwolken das Jammergeschrei der Verstümmelten und Sterbenden hervor. Der Muth entsank auch den Tapfersten. Die Avantgarde (der Altenburger und Gothaer) wurde vom Hauptcorps (das nach Sterzing zurückzog) abgeschnitten und mußte nach kurzem, blutigem Handgemenge die Waffen strecken. Im Munde des Volkes heißt die Thalschlucht zwischen Oberau und Mittewald noch jetzt die „Sachsenklemme".
Als der Marschall Lefebvre in Innsbruck vou diesem Unglück Rouyer's hörte, eilte er selbst nach Sterzing! doch der Widerstand der Natur war nicht geringer als der der Vertheidiger. Man kam nicht ülfer Mauls hinaus. Daher beschloß er eine Diversion gegen Südtirol durch das Oberinntbal, um durch den Finstermünzpaß ins Vintschgau nach Meran und Bozen vorzudringen und die Bauern im Rücken anzugreifen. Aber diese Colonne (1400 M.) mürbe an der Pontlatzer Brücke (2 Stunden von Landeck, bei welcher der tiroler Landsturm auch 1703 das b(tierische Heer vernichtet hatte) von den auf den Höhen (wie bei Mittewald) aufgeschichteten Steinmassen, die meist von Weibern in den Hohlweg herabgestürzt wurden, erreicht, zum Theil vernichtet, zum Theil gefangen. Nachdem dieser Plan mißlungen, kehrte auch der (bei Sterzing fast eingeschlossene) Marschall unter großen Gefahren (er selbst zu Fuß zwischen der Reiterei, in der Uniform eines gemeinen Soldaten) über den Brenner zurück nach Innsbruck. Inzwischen hatte Hofer immer neue Kämpfer ans dem Süden des Landes herbeigerufen, und zwar meist geschulte Schützen-Compagnieen — ein ganz anderes Element. Als er sich an der Spitze von 18,000 M. sah, war er entschlossen, die Offensive zu ergreifen und den Feind entweder ganz einzuschließen oder doch wenigstens zum Abzüge zu nöthigen. Der Angriff geschah (13. Aug.) am Berge Jsel, genau auf demselben Schlachtfelde, wo man am 29. Mai gesiegt hatte; aber der Charakter der Schlacht war weit weniger entschieden wie damals. Dieselbe dauerte vom frühen Morgen bis zum späten Abend und verschaffte Lefebvre einen leidlichen Rückzug durch das Unterinnthal, nicht ohne neue Gefechte mit Speckbacher. Noch einmal zog der Sandwirth aus Pasfeyr — am Napoleonstage — in Innsbruck ein; jetzt unterzeichnete er seine Befehle als „Ober-Commandant in Tirol" und regierte von der Hofburg aus in Ruhe das Land, bis nach zwei Monaten der Wiener Friede (f. S. 676) dem kurzen Traume der Selbständigkeit ein tragisches Ende bereitete.
Während dieser wunderlichen Bauernregierung in Innsbruck versuchten Speckbacher und der Capuciner Haspinger noch die Offensive fortzusetzen, um nicht bloß die weit ausgedehnte Grenze zu sichern, sondern auch die wichtigen Pässe nach Salzburg zu gewinnen und wo möglich das strategisch so bedeutende Salzburg selbst zu erobern. Hofer war damit wenig einverstanden, vielleicht mehr, weil die Sache über seinen Gesichtskreis ging, als weil er den Mißerfolg voraussah.
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T44: [Alpen See Stadt Schweiz Italien Meer Berg Insel Fuß Inn], T12: [König Paris Jahr Napoleon General Frankreich Mann Tag Kaiser Minister]]
TM Hauptwörter (100): [T93: [Alpen See Schweiz Rhein Berg Bodensee Fuß Italien Schweizer Paß], T67: [Kaiser Türke König Jahr Ungarn Heer Land Friedrich Kreuzzug Jerusalem], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T51: [Armee General Schlacht Franzose Truppe Mann Feind Heer Metz Preußen], T19: [Feind Pferd König Mann Soldat Reiter Uhr Wagen Kanone Offizier]]
TM Hauptwörter (200): [T17: [Uhr Feind Truppe General Schlacht Armee Napoleon Kampf Angriff Stellung], T90: [Alpen See Schweiz Inn Rhein Bodensee Gotthard Paß Rhone Italien], T155: [Soldat Krieg Heer Land Mann Truppe König Waffe Geld Feind], T167: [Fest Tag Kirche Jerusalem Spiel Stadt Hofer Volk Jahr Zeit], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen]]
416
37. Die ungarische Revolution.
zur Last legten. Einen nachhaltigen Erfolg hätte er durch Fortsetzung
des kleinen Krieges, etwa in Siebenbürgen, nicht erzielen können,
denn es fehlte an Geld, an Munition, an Muth bei Soldaten und
Officieren, welche letztere ein ähnlicher Geist beherrschte, wie er bei
Napoleon's Marschällen in den letzten Jahren seiner Herrschaft an-
zutreffen war. Aber einen politischen Fehler beging Görgei, daß er
seine Unterwerfnngs-Anträge an die Russen, und nicht an die Oesterrei-
cher richtete, die allerdings im ungarischen Heere noch verhaßter waren,
als die Russen, besonders seit Haynau an ihrer Spitze stand. So weckte
der Neid auf den russischen Triumph die Rachsucht Haynau's, der
allen Grund hatte, gegenüber der hochmüthigen Meldung Paskewitsch's
an seinen Kaiser: „Ungarn liege zu den Füßen des Czaren", her-
vorzuheben, daß die österreichische Armee es war, welche „den Feind
in sechs Schlachten bis zur Vernichtung besiegt und auch die Unter-
werfung des Görgei'schen Corps bewirkt hat".
Ein kleiner Rest der Armee (5000 M.), so wie die Führer Kossuth,
Bem, Dembinski, Perczel und andere retteten sich auf türkisches Ge-
biet; die übrigen Heeres-Abtheilungen in Ungarn und Siebenbürgen
ergaben sich rasch nach einander theils an die Russen, theils an die
Oesterreicher. Auch die Festungen Arad, Munkäcs, Peterwardein
fielen durch Capitulation in die Hände der Sieger; den längsten
Widerstand leistete Klapka in Komorn; er capitulirte erst am 27.
September unter auffallend günstigen Bedingungen, welche den
schroffsten Gegensatz bilden zu der Behandlung, die Haynau sonst den
Insurgenten angedeihen ließ.
Alsbald begann Haynau's Schreckensregiment; die Nation sah
Tausende ihrer Söhne gewaltsam dem Soldatenstande eingereiht,
Hunderte in die Verbannung, wieder Hunderte in langjähriges Ge-
fängniß wandern; unter den zahlreichen Hinrichtungen, welche die
Blutgerichte in Pesth und Arad decretirten, machte den tiefsten Ein-
druck die des Grafen Batthyüuy, als deren Grund auch seine Wirksam-
keit als Premier-Minister, seine mit der Sanction des Königs und
des Palatinus vollführten Thaten verkündigt wurden. Görgei ver-
dankte sein Leben der Verwendung des Kaisers Nikolaus und des
Großfürsten Constantin.
Haynau's Grimm traf nur Personen und nicht Institutionen,
das Volk zitterte vor ihm, aber sah ihn nicht als Feind der Natio-
nalität an. Erst als die sogenannte „Civil-Regierung" in Ungarn
ihr Amt antrat, als man das langsame Eindringen fremder Ele-
mente in das nationale Wesen, den gewaltsamen Bruch mit den alt-
gewohnten Einrichtungen beobachtete, als die österreichischen Beamten-
Colonieen in Ungarn ihren Einzug hielten, bildete sich die tiefe Kluft
zwischen dem ungarischen Volksthum und der Wiener Regierung.
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T40: [Polen Ungarn Land Rußland Preußen Stadt Donau Provinz Hauptstadt Königreich], T12: [König Paris Jahr Napoleon General Frankreich Mann Tag Kaiser Minister]]
TM Hauptwörter (100): [T67: [Kaiser Türke König Jahr Ungarn Heer Land Friedrich Kreuzzug Jerusalem], T8: [König Paris Regierung Minister Parlament Volk Frankreich Kammer Mitglied Verfassung], T29: [Napoleon Heer Schlacht Preußen Franzose General Mann Armee Sieg Bluch], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T18: [Donau Stadt Ungarn Böhmen Wien Hauptstadt Land Einw. Königreich Mulde]]
TM Hauptwörter (200): [T88: [Türke Ungarn Krieg Rußland Kaiser Sultan Wien Jahr Frieden Polen], T73: [König Paris Parlament Partei Frankreich Volk Regierung Nationalversammlung Republik Robespierre], T140: [Stadt Franzose Feind Festung Truppe Tag Mann Paris Belagerung Angriff], T155: [Soldat Krieg Heer Land Mann Truppe König Waffe Geld Feind]]
Extrahierte Personennamen: Muth Dembinski Klapka Nikolaus Nikolaus Constantin Constantin Grimm