128
Das ist des wilden Heeres Jagd,
Die bis zum jüngsten Tage währt,
Und oft den Wüstling noch bei Nacht
Zu Schreck und Graus vorüberfährt.
Das könnte, müßt' er sonst nicht schweigen,
Wohl manches Jägers Mund bezeugen.
Die nächtliche Heerschau
(von I. Christ. Freiherrn von Zedlitz).
Nachts um die zwölfte Stunde
Verläßt der Tambour sein Grab,
Macht mit der Trommel die Runde,
Geht wirbelnd auf und ab.
Mit seinen entfleischten Armen
Rührt er die Schlägel zugleich,
Schlägt manchen guten Wirbel,
Reveill' und Zapfenstreich.
Die Trommel klinget seltsam,
Hat gar einen starken Ton;
Die alten todten Soldaten
Erwachen im Grabe davon.
Und die im tiefen Norden
Erstarrt in Schnee und Eis,
Und die in Welschland liegen,
Wo ihnen die Erde zu heiß;
Und die der Nilschlamm decket
Und der arabische Sand,
Sie steigen aus ihren Gräbern,
Sie nehmen's Gewehr zur Hand.
Und um die zwölfte Stunde
Verläßt der Trompeter sein Grab,
Und schmettert in die Trompete,
Und reitet auf und ab.
Da kommen auf luftigen Pferden
Die todten Reiter herbei,
Die blutigen alten Schwadronen
In Waffen mancherlei.
Es grinsen die weißen Schädel
Wohl unter dem Helm hervor.
Es halten die Knochenhände
Die langen Schwerter empor.
Und um die zwölfte Stunde
Verläßt der Feldherr sein Grab,
Kommt langsam hergeritten,
Umgeben von seinem Stab.
Er trägt ein kleines Hütchen,
Er trägt ein einfach Kleid,
Und einen kleinen Degen
Trägt er an seiner Seit'.
Der Mond mit gelbem Lichte
Erhellt den weiten Plan;
Der Mann im kleinen Hütchen
Sieht sich die Truppen an.
Die Reihen Präsentiren
Und schultern das Gewehr,
Dann zieht mit klingendem Spiele
Vorüber das ganze Heer.
Die Marschäll' und Generale
Schließen um ihn einen Kreis;
Der Feldherr sagt dem Nächsten
Jn's Ohr ein Wörtlein leis'.
Das Wort geht in die Runde,
Klingt wieder fern und nah:
„Frankreich" ist die Parole,
Die Losung: „Sankt Helena!"
Dies ist die große Parade
Im elhsäischen Feld,
Die um die zwölfte Stunde
Der todte Cäsar hält.
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Entferne deinen Arm von meiner Brust!
Und wenn du einen Jüngling rettend lieben,
Das schöne Glück ihm zärtlich bieten willst,
So wende meinem Freunde dein Gemüth
Dem würd'gern Manne zu. Er irrt umher
Auf jenem Felsenpfade; such' ihn auf,
Weis' ihn zurecht und schone meiner.
Jphigenia. Fasse
Dich, Bruder, und erkenne die Gesund'ne!
Schilt einer Schwester reine Himmelsfreude
Nicht unbesonnene, strafbare Lust.
O nehmt den Wahn ihm von dem starren Auge
Daß uns der Augenblick der höchsten Freude
Nicht dreifach elend mache! Sie ist hier,
Die längst verlor'ne Schwester. Vom Altar
Riß mich die Göttin weg und rettete
Hierher mich in ihr eigen Heiligthum.
Gefangen bist du, dargestellt zum Opfer,
Und findest in der Priesterin die Schwester.
Orest. Unselige! So mag die Sonne denn
Die letzten Gräuel unsers Hauses sehm
Ist nicht Elektra hier? damit auch sie
Mit uns zu Grunde gehe, nicht ihr Leben
Zu schwererem Geschick und Leiden friste.
Gut, Priesterin! Ich folge zum Altar!
Der Brudermord ist hergebrachte Sitte
Des alten Stammes; und ich danke, Götter,
Daß ihr mich ohne Kinder auszurotten
Beschlossen habt. Und laß dir rathen, habe
Die Sonne nicht zu lieb und nicht die Sterne;
Komm', folge mir ins dunkle Reich hinab!
Wie sich vom Schwefelpsuhl erzeugte Drachen
Bekämpfend die verwandte Brut verschlingen,
Zerstört sich selbst das wüthende Geschlecht;
Komm kinderlos und schuldlos mit hinab!
Du siehst mich mit Erbarmen an? Laß ab!
Mit solchen Blicken suchte Klytämnestra
Sich einen Weg nach ihres Sohnes Herzen;
Doch sein geschwung'ner Arm traf ihre Brust.
Die Mutter fiel! — Tritt auf, unwill'ger Geist
Im Kreis geschlossen tretet an, ihr Furien,
Und wohnet dem willkomm'nen Schauspiel bei,
Dem letzten, gräßlichsten, das ihr bereitet!
Nicht Haß und Rache schärfen ihren Dolch;
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305
„Endlich vermochte Niemand wider den Andrang der zahlreicheren, viel
stärkeren Mannschaft, Wider den Vortheil des Orts, von dem sie schossen,
Wider die Erinnerung der vorigen Schlacht. Also nachdem viele Edle Karl's
in tapferm Streite schwer verwundet gesunken waren, als im Rücken die
Flamme des Lagers aufstieg, und Karl, von Blut und Entsetzen entstellt, den
unüberwindlichen Unstern erkannte, warf. das Heer sich in die Flucht. „Nach
Luxemburg!" war der letzte Befehl."
„Die Brücke von Bouxieres hielt Campobasso besetzt. Viele fielen durch
sein Schwert, viele verloren im Strom das Leben, die meisten durch den
nachjagenden Feind. Da gegen zwei Uhr nach Mittag entschieden worden,
wüthete der Tod vier Stunden weit umher, bis Morgens um zwei Uhr.
Nicht die Zahl vieler Tausend Erschlagener, das war der.verlust, daß alle
gute Diener, alle, deren Tugend Vertrauen verdiente, und welche das Land
liebten, umkamen oder gefangen wurden."
„Den Herzog, von einem Schlag in der Schlacht noch betäubt, trug
der Strom der Flucht gegen St. Jean, sein Hauptquartier. Drei Büchsen-
schüsse von der Stadt Nancy ist unter einer kleinen Höhe ein fruchtbarer,
damals sumpfiger Grund, welchen ein Bach durchschnitt. Als Karl über den
Graben setzen wollte, fehlte dem Pferde und ihm die Kraft. Er stürzte, das
Eis brach, er kämpfte empor. Hierüber fand ihn der Feind, ohne ihn zu
erkennen, verwundete ihn durch die Hüfte, schlug das Pferd, welches ihn
fallen ließ und floh. Viel burgundischer Ade! fand hier den Tod; Niemand
war bei ihm in der letzten Noth. Er rief einen tauben Ritter, der ihn ver-
wundet, um Rettung: „Rette den Herzog von Burgund!" welches dieser
übel verstanden: „Es lebe der Herzog von Burgund!" Er hieb ihn mit der
Hellebarde durch den Kopf. Fallen sah ihn der Edelknaben einer. Als die
Schlacht sich entfernt, wurde Karl von Unbekannten unerkannt ausgezogen.
Als an den Thoren von Metz Renö von dem Feind abließ, fragte er nach
ihm. Den ganzen folgenden Tag wurde er vergebens gesucht, bis Campo-
basso durch jenen Edelknaben die Gegend erfuhr. Eben suchte ein Weib,
Karl's Wäscherin, wo einer der Leichname etwa noch den Ring anhabe. Sie
wandte auch seinen Körper: „Gott! der Fürst!" rief sie mit großem Geschrei.
Großentheils eingefroren, mit geronnenem Blut überdeckt, im Gesichte ange-
schwollen, war er weniger kenntlich, bis, nachdem er mit Wein und warmen
Wasser gewaschen worden, die gefangenen edlen Burgunder und seine Kam-
merdiener gebracht wurden. „Er ist's!" riefen sie, und weinten laut. Auch
Feinde ergriff Rührung mit Grauen."
„Er wurde zu Nancy feierlich ausgesetzt. Rens, im Trauerkleide, trat
vor ihn an der Spitze des Hofs, nahm seine Hand und sprach: „Lieber Vet-
ter! Ihr habt uns viel Unglück gemacht. Eure Seele habe Gott!"
Literaturgesch. v. Nösselt. I. 6. Aufl.
20
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Extrahierte Personennamen: Karl Karl Bouxieres Campobasso Jean Nancy Karl Karl Karl_von_Unbekannten Karl Metz Nancy
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Jphigenia auf Tauris
(von Göthe).
(Als der Zug gegen Troja unternommen ward, hatten die Griechen
den Agamemnon zum obersten Heerführer gewählt. Widrige Winde hin-
derten die Ausfahrt der in Aulis versammelten Schiffe, und der Oberpriester
Kalchas erklärte, Diana sei Schuld daran und könne nur dadurch versöhnt
werden, daß ihr Agamemnon seine Tochter Jphigenia zum Opfer bringe.
Agamemnon schickte sich an, das Opfer zu bringen; im entscheidenden Augen-
blicke aber ward Jphigenia von der Göttin in einer Wolke nach Tauris
entrückt. Die Griechen segelten ab; Klytämnestra aber, Agamemnon's Ge-
mahlin, konnte diesem seine Opferbereitwilligkeit nicht vergeben, und aus
Zorn über ihn schenkte sie in seiner Abwesenheit den Werbungen des Aegisth
Gehör, welcher ihn mit Hilfe Klhtämnestra's bei seiner Rückkehr ermordete.
Orestes, der Sohn Agamemnon's, zum Manne herangewachsen, erschlug
die Mutter und ward zur Strafe der Blutthat von Furien verfolgt, so daß
er nirgends Ruhe finden konnte. Auf Befragung des Delphischen Apollo
ward er beschieden, daß er nur dann Ruhe finden könne, wenn er die
Schwester aus dem Taurischen Tempel entführte und nach Griechenland
brächte. Da er nicht wußte, daß seine eigene Schwester dort als Priesterin
der Diana lebte, so konnte er nur denken, daß Apollo damit das berühmte
Götterbild seiner (Apollo's) Schwester Diana meinte.
Er reist mit seinem Freunde Phlades nach Tauris, wo sie, von den
Einwohnern gefangen, der Sitte gemäß geopfert werden sollen. Jphigenia,
die Priesterin, soll das Opfer vollziehen und erkennt den Bruder.)
Dritter Akt. Erster Auftritt.
Jphigenia. Orest.
Jphigenia. Unglücklicher, ich löse deine Bande
Zum Zeichen eines schmerzlichern Geschicks.
Die Freiheit, die das Heiligthum gewährt,
Ist, wie der letzte lichte Lebensblick
Des schwer Erkrankten, Todesbote. Noch
Kann ich es mir und darf es mir nicht sagen,
Daß ihr verloren seid! Wie könnt' ich euch
Mit mörderischer Hand dem Tode weihen?
Und Niemand, wer es sei, darf euer Haupt,
So lang' ich Priesterin Dianens bin,
Berühren. Doch verweigr' ich jene Pflicht,
Wie sie der aufgebrachte König fordert,
So wählt er eine meiner Jungfrau'n mir
Zur Folgerin, und ich vermag alsdann
Mit heißem Wunsch allein euch beizustehn.
O werther Landsmann! Selbst der letzte Knecht,
Der an den Herd der Vatergötter streifte.
Ist uns in fremdem Lande hoch willkommen:
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O, wenn vergoßnes Mutterblutes Stimme
Zur Höll' hinab mit dumpfen Tönen ruft:
Soll nicht der reinen Schwester Segenswort
Hilfreiche Götter vom Olympus rufen?
Orest. Es ruft! Es ruft! So willst du mein Verderben
Verbirgt in dir sich eine Rachegöttin?
Wer bist du, deren Stimme mir entsetzlich
Das Innerste in seinen Tiefen wendet?
Jphigenia. Es zeigt sich dir im tiefsten Herzen an:
Orest, ich bin's! Sieh' Iphigenien!
Ich lebe!
Orest. Du!
Jphigenia. Mein Bruder!
Orest. Laß! Hinweg!
Ich rathe dir, berühre nicht die Locken!
Wie von Kreusa's Brautkleid zündet sich
Ein unauslöschlich Feuer von mir fort.
Laß mich! Wie Herkules will ich Unwürd'ger
Den Tod voll Schmach, in mich verschlossen, sterben
Jphigenia. Du wirst nicht untergehn! O daß ich nur
Ein ruhig Wort von dir vernehmen könnte!
O löse meine Zweifel. Laß des Glückes,
Des lang' erflehten, mich auch sicher werden.
Es wälzet sich ein Rad von Freud' und Schmerz
Durch meine Seele. Von dem fremden Manne
Entfernet mich ein Schauer; doch es reißt
Mein Innerstes gewaltig mich zum Bruder.
Orest. Ist hier Lyäens Tempel? und ergreift
Unbändig-heil'ge Wuth die Priesterin?
Jphigenia. O höre mich! O sieh' mich an, wie mir
Nach einer langen Zeit das Herz sich öffnet,
Der Seligkeit, dem Liebsten, was die Welt
Noch für mich tragen kann, das Haupt zu küssen;
Mit meinen Armen, die den leeren Winden
Nur ausgebreitet waren, dich zu fassen!
O laß mich, laß mich! Denn es quillet heller
Nicht vom Parnaß die ewige Quelle sprudelnd
Von Fels zu Fels in's gold'ne Thal hinab.
Wie Freude mir vom Herzen wallend fließt.
Und wie ein selig Meer mich rings umfängt.
Orest, Orest! Mein Bruder!
Orest. Schöne Nymphe,
Ich traue dir und deinem Schmeicheln nicht.
Diana fordert strenge Dienerinnen
Und rächet das entweihte Heiligthum.
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