Der norddeutsche Bund. Die süddeutschen Staaten. 377
traten, man übte Nachsicht, wo alten Gewohnheiten nur schwer entsagt wurde. Besonders beschwersich erschien die Einführung der preußischen Steuergesetzgebung und des Gerichtsverfahrens, auch in kirchlichen Dingen regten sich Klagen. Während die Anhänger der römischen Kirche in den Annexionen mit dem eingetretenen Wechsel zufrieden waren, äußerten sich in den lutherischen Kirchengemeinden Bedenken gegen die Autorität des unionistischen Ober-cousistoriums in Berlin. Es hatte sich überhaupt durch die lange Zerklüftung Deutschlands der Sinn für das kleine, vereinzelte Leben und die Befriedigung an staatlicher Selbständigkeit, ob sie auch nur ein Schein war, in hohem Grade ausgebildet (Particularis-mus). Die gänzliche Ueberwindung solcher Stimmungen und Gewohnheiten mußte der Zeit und dem Einfluß eines wahrhaft nationalen Geistes überlassen werden. Widerwärtig aber erschien der halb offenkundige, halb versteckte Widerstand, wie er sich unter der Bezeichnung „welfische Umtriebe" in Hannover zeigte. Diese Umtriebe waren es, welche, wie oben angedeutet ist, auch vor Verbindungen mit dem Auslande, ja dem Landesverrath nicht zurückschreckten. Preußen hatte den depossedirten Fürsten ansehnliche Entschädigungssummen zugewiesen; 16 Millionen Thaler hatte der frühere König von Hannover erhalten, für jetzt allerdings nur die Zinsen jener Summe. Denn dieser entthronte Fürst, von jeher einer übermäßigen Vorstellung von der Bedeutung seines Königthumes und seines Welfenreiches hingegeben, hielt auch jetzt in seinem Aufenthalte zu Hietzing bei Wien mit unbeugsamer Seele an der Herbeiführung seiner Wiedereinsetzung fest und wurde in Entwürfen und Bemühungen dafür nicht müde. Französische Hülfe war seine Aussicht, die Zertrümmerung des norddeutschen Bundes und die Demüthigung Preußens sein Streben. Um diese Ziele p erreichen machte er, auch in Paris, die heftigsten Anstrengungen. Seine Gemahlin, die Königin Marie, war in dem Schlosse Marienburg bei Hannover zurückgeblieben. Um diese Zeit begann man die geheime Organisation einer Welfenlegion, welche bei dem Ausbruche des erwarteten Krieges den König Georg auf den Thron zurückführen sollte. Aber der preußischen Regierung blieben solche Umtriebe nicht verborgen; die Königin Marie wurde veranlaßt, Hannover zu verlassen; die Legionäre suchten Zuflucht in den Niederlanden, mußten sich aber nach der Schweiz begeben und gingen endlich nach Frankreich. Hier hat die welfische Legion bis zum Februar 1870 bestanden; als der Exkönig aufhörte, die Unter-
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Extrahierte Personennamen: Königin_Marie Marie
Extrahierte Ortsnamen: Berlin Deutschlands Hannover Hannover Hietzing Wien Paris Marienburg Hannover Hannover Niederlanden Frankreich
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