186
Alte Geschichte.
fortgesetzte erkräftigte Tugend federte und möglich machte; sie stellte das
durch Glauben und Denken vergeblich Erstrebte in seiner Urkraft auf und
führte auf ein unmittelbares Wissen; sie öffnete das unerforschte Heilig-
thum der menschlichen Natur. Das Christenthum vereinte Morgenland
und Abendland; von einer in örtlicher Enstehung einseitigen, sich auf das
reiche prophetische Hoffnungsystem stützenden jüdischen Messias-Sectc er-
hob es sich zur allmählig wirksamen sittlichen Familien-Religion in drcy
Wclttheilen. Die Religionduldung im römischen Reiche, die Verträglich-
keit des Polytheismus mit neuen Lehren, die Allgemeinheit der griechischen
Sprache, die Zerstreuung der Juden in alle Gegenden, die bey stumpfer
Gleichgültigkeit, muthwilligem Spott und kalter Zweifelsucht in Ansehung
der verborgenen wichtigsten Angelegenheiten des menschlichen Herzens im-
mer tiefer wurzelnde Neigung zum geheimen Wunderbaren, die Standhaf-
tigkeit der Märtyrer und viele andere Umstände wirkten gemeinschaftlich
mit, daß der von Juden gehässig verleumdete und von Heiden als jüdi-
scher Fanatismus oder staatsgefährlichcr Atheismus nrißverstandene Chri-
stianismus schnell von Asien, Griechenland und Aegypten aus verbreitet
wurde; schon im dritten Jahrhundert waren Christen die bedeutendste Re-
ligionparthey im röm. Reiche; und in Erhebung des Christenthums zur
Staatsreligion durch Constantinus M. (s. §. 38) lag die, vielleicht
mit späterer eigener Ueberzeugung zusammeutreffende Anerkennung gebie-
terischer Zeitverhältnisse. Besonders wohlthätig wirkte das Christcnthum
auf Germanen; es milderte ihre Sitten, veredelte ihre Denkart und
machte sie zu fortschreitender Vervollkommnung des bürgerlichen Lebens
und der Staatsverfassung geneigt. Mag auch viel durch Menschen-Trotz
und Wahn an der Herrlichkeit der Gabe Gottes verkrüppelt und verdorben
worden seyn; das Heilige, bewahret im Tempel des kindlichen Gcmüths,
konnte nicht verdrängt werden. Der Baum Gottes, in dessen Schatten
die Menschheit Schutz gegen Sturm und Gluth der Zeiten findet, ist für
die Ewigkeit gepflanzt; die Blätter des Truges fallen ab; die Frucht
gedeiht.
1) Heilige Schriften und Lehrherkommen Richtmaaß des Glaubens. Einfache
Gebräuche vermischt s. 80? mit heidnischen und drückend vermehrt nach 315.
Beschauliches Leben, Mönche s. 330. — In des Christenthums Geschichte
zu unterscheiden: Religion u. Theologie; Cultus, Liturgie u. gesellschaftliche
Werfassnng. — Scriptores historiae ecclesiasticae gr. cura Ii. Yalesii. Pa-
ris 1659. 3 F.; ecl. G. Reading. Cambridge 1720. 3 F. — Gottfr. Ar-
nold 1699; I. L. v. Mosheim 1755 fll.; I. M. Schröckh 1768 fll.;
H. Ph. C. Henke 1788 fll.; L. T. Spittler 1782. 5te Aufl. 1812; W.
Mü nsch er 3te Aust. 1826; I. C. L. Gi esele r 1824 f.; A. Neander
1825. f. U. v. a. — J. A. Fabricii salutaris lux Evangelii loti orbi exo-
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm]]
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I. Reformation - Zeitalter.
S9»
und allgemeiner Unwille über Verunstaltung des Heiligen und über Un-
sittlichkeit und schnöden Uebermuth der Geistlichen, begegneten und befreun-
deten sich in der Reformation der christlichen Kirche; unzählig Viele,
welche alle Abweichung vom kirchlichen Herkommen mißbilligten und alle
neue Lehre haßten, trugen die Grundsätze, aus welchen dieselbe geflossen
war, als Richtschnur des Lebens, in ihrem Herzen. Der kühne Tadel,
welchen Martin Luther Hfl d. 31 Oct. 1517] und Ulrich Zwingli
schon früher [s. 1516] das von menschlichen Zusätzen gereinigte Evange-
lium in seinen Kreisen verbreitend, über schamlose Ablaß-Trödeley laut
werden ließen, wurde zurvolksangelegenhekt, als P. Leo X eine gelehrte
Streitigkeit aus den Hörsälen in die kirchlichen Gerichtshöfe gezogen, und
K. Carl V eine theologische Verhandlung für Reichs - und Staatssache
erklärt hatte; so ward die Losung gegeben zu einem beharrlichen Kampfe
gegen päpstlichen Despotismus und kirchlich-theologischen Starrsinn, zu
einem Reinigungversuche des seit Jahrhunderten vielfach verunstalteten
und durch Kunstbau selbstsüchtiger Hierarchie den edelsten Bedürfnissen
der Menschheit entfremdeten Christenthums, und weniger zur Bildung als
zur engeren Vereinigung und äusseren Erscheinung einer schon lange im
Stillen vorhandenen Partey, welcher sittliche Ueberzeugung von dem, was
Gottes Wille und menschliche Bestimmung ist, mehr gilt, als menschliche
Machtentscheidung und willkührliche Befehle. Religion und Politik ver-
schmolzen, wie gewöhnlich, in einander; es traten zwey, fast über ganz
Europa verbreitete Systeme einander gegenüber und bestimmten diehand-
lungweise und die gegenseitigen Verhältnisse der ihnen ungehörigen Staa-
ten. Das vielherrige Teutschland, eben hierdurch Wiege und Schutz-
stätte der Reformation, sah die lange erstrebte freye Macht seiner Fürsten
gegen kaiserliche Obergewalt [1552; 1555; 1648] sichergestellt und den
Protestantismus zum Stützpunct gegen jedwede Beeinträchtigung seiner
freyen Bundesverfassung erhoben; Holland erkämpfte gegen Spanien
[1565; 1579; 1581 — 1609; 1621 — 1648] Freyheit des Glau-
. bens, der Verfassung und des Handels7 England brach die Machtwill-
kühr der krypto-katholischen und von theolog. Despotismus-Wahne ge-
blendeten Stuarte [ 1649] und erhob sich als Freystaat [1650 —
1659] zur Herrschaft über die Meere; in Schweden und Dänemark
erlagen [1527] Hierarchie und zuletzt auch Aristokratie dem Protestantis-
mus und neue Throne wurden auf seine Grundsätze gegründet; nach lan-
gem Kampfe entstand durch Unterdrückung der protestantischen Opposition
[1572; 1629; 1685] unumschränkte Königsmacht in Frankreich. —
Die Bevestigung und das frey-kühne Hervortreten einer öffentlichen Mei-
nung, die Annäherung der Fürsten und des Volkes, die fortschreitende
Veredlung des gesellschaftlichen Geistes und Lebens (deren Keime zuerst
TM Hauptwörter (50): [T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst]]
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Extrahierte Personennamen: Martin_Luther Ulrich_Zwingli Leo_X Leo Carl_V
Extrahierte Ortsnamen: Gottes Europa Holland Spanien England Schweden Frankreich
V. Annäherung d. europ. Staaten z. pol. Syst. Ä8l
legium zu Wien [1501] wetteiferte, und ein Reichs-Regiment [1500]
zu Augsburg bestellt und die, schon von Alb recht Ii beabsichtigte Kreis-
eintheilung [1500; 1512] beschlossen war, fehlten Gemeinwille und
Eintrachtkraft, um so wohlthätige Einrichtungen aufrecht zu erhalten.
Ein großer Theil des Bürgerstandes fühlte, was Noth that; bey der
Mehrheit der Fürsten, des Adels und des Klerus walteten Beschränktheit
der Einsicht und herkömmliche Selbstsucht vor..
E. Männert K. Ludwig Iv. Landshut 1812; F. Kurz Oesterreich unter
Friedrich d. Schönen. Linz 1818. — K. Friedrich Iii (d. h. Th. Hassel-
ba ch's) Entwurf einer magna charla für Teutschland von G. W. Böhmer.
Göttingen 1818. 8.
91) Die mit dem fränkischen Reiche [f. 496] und mit Teutschland
[f. 1032] in näherer Verbindung stehenden Schweizer, ein Celtisch-
Rhätischer Urstamm, behaupteten sowohl unter den Herzogen von Zarin-
gen [s. 1126;ausgest. 1218], als unter den kais. Statthaltern [s.
1209] ihre wohl begründete Rechte und Freyheiten und erhielten [1231]
von K. Friedrich Ii die Bestätigung derselben. Ihr Schirmherr und
Hauptmann Gr. Rudolph V von Habsburg [1264—1291], Erbe
d. Kyburg. Besitzungen, erwarb sich durch Vertrauen und Liebe vielum-
fassenden Einfluß, welchen zu mißbrauchen edler Sinn ihn abhielt, obgleich
er an Wiederherstellung des K. Arelat arbeitete. Sein S. Albrecht I
dagegen nährte [1298] selbstsüchtige Unterdrückung-Entwürfe und veran-
laßte mancherley Gewaltthätigkeiten und kränkende Eingriffe in das
[1291 von Uri, Schwyz und Unterwalden gesicherte] alte Herkommen.
Nach der unter Leitung wahrer Biedermänner, Werner's v. Stauf-
fachen aus Schwyz, Walther Fürft's v. Atti.nghausen aus Uri
und Arnold's v. Melchthal aus Unterwalden auf dem Rütli [d. 7
Nov. 1307] getroffenen Uebereinkunft, erhoben sich [d. 1 Jan. 1308]
gegen die Tyranney der Landvögte (Beringer v. Landenberg;
Herm. Geßler erl. durch Wilh. Tell a.bürglen, Fürst's Schw. S.)
die drey Waldorte Schwyz, Uri und Unterwalden und schlossen Ich.
7 Jan.] einen Freiheitbund. K. Heinrich Vii bestätigte [1310] ihre
Gerechtsame; sie selbst vertheidigten dieselben gegen den bey Morgarten
[d. 6 Dec. 1315] besiegten H. Leopold v. Oesterreich und beschworen
sd. % Dec.?] zu Brunnen ihren ewigen Bund, dem bald Lucern s!332],
Zürich [1351], Glarus und Zug s!352], und das oft zweydeutigcbern
[1353] beytraten. Ihre Kraft vernichtete Oesterreichs Unterjochungver-
suche bey Sempach [d. 9 Jul. 1386], wo Arnold Struthans v.
Winkelried den vaterländ. Opfertod fand, u. b. Näfels [d. 9 Apr.
1388]; an ihrem Heldenmuthe scheiterten bey Granson sd. 3 März
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Extrahierte Personennamen: Männert Ludwig_Iv Ludwig Friedrich_d Friedrich Friedrich_Iii Friedrich W._Böhmer Rhätischer_Urstamm Friedrich_Ii Friedrich Rudolph_V_von_Habsburg Albrecht_I Albrecht Walther Beringer Heinrich_Vii Heinrich Leopold_v Leopold Oesterreichs Arnold_Struthans
176
1305 seinen Sitz nach Avignon verlegte („babylonische Gefangenschaft" 1305—77) und die Päpste ihren Einfluß auf die politischen Berhält-nisse in Deutschland verloren.
2. Er strebte nach Vergrößerung seiner Hausmacht. Doch vergebens suchte er Holland und Thüringen zu gewinnen. Böhmen kam vorübergehend in seine Gewalt.
Albrecht wurde von seinem Neffen Johann Parricida 1308 ermordet.
Historisches über die Kämpfe in der Schweiz. In den sogenannten Waldstätten Schwyz, Uri, Unterwalden hatte sich ein freier Bauernstand erhalten. Seit dem 12. Jahrhunderte hatten jedoch die Grafen von Habsburg Vogteirechte in diesen Landgemeinden erworben. Aber der Freiheitssinn der Bevölkerung stellte sich ihnen entgegen, und Friedrich Ii. stellte die Reichsunmittelbarkeit wieder her. Zwar wußte Rudols von Habsburg die alten Vogteirechte wiederzugewinnen, aber nach seinem Tode traten die Waldstätte zu einer Eidgenossenschaft zusammen, deren Freiheiten Adolf von Nassau und Albrecht anerkannten. (Sagen von dem Drucke der österreichischen Vögte, vom Schwure auf dem Rütli, von Tell.)
Iv. Heinrich Vii. von Luxemburg, 1308—1313. Er war
ein Lehnsträger der französischen Krone und wurde vou der geistlichen Partei gewählt.
1. Gründung einer Hausmacht. In Böhmen hatte sich eine mit der Regierung des Königs (Heinrich von Kärnthen) unzufriedene Adelspartei gebildet, welche Heinrich Vii. die Krone anbot. Dieser belehnte damit seinen eigenen Sohn Johann, den er mit einer böhmischen Prinzessin vermählte.
2. Sein Zug nach Italien. Bon den romantischen Jdecen des Rittertums durchdrungen, begeisterte sich Heinrich noch einmal für die mit der deutschen Krone sich verbindende Anschauung von der Herrschaft der Welt. Daher unternahm er einen Zng nach Italien, um dort das kaiserliche Ansehen wieder herzustellen. Bon den italienischen Patrioten, besonders von dem Dichter Dante Alighieri, begrüßt, erwarb er iu Mailand die lombardische Krone und stellte auch die Kaiserwürde nach 62jähriger Unterbrechung wieder her, 1312. Aber er konnte die Guelfeu, mit welchem Namen jetzt die republikanische Partei bezeichnet wurde, nicht unterwerfen, und als er sich zu einem Feldzuge gegen Neapel rüstete, starb er.
V. Ariedrich von Österreich, 1314—1330, und Ludwig
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Extrahierte Personennamen: Albrecht Johann_Parricida Johann Friedrich_Ii Friedrich Adolf Albrecht Albrecht Heinrich_Vii Heinrich Heinrich_von_Kärnthen Heinrich Heinrich_Vii Heinrich Johann Johann Heinrich Heinrich Dante_Alighieri V._Ariedrich_von_Österreich
Extrahierte Ortsnamen: Avignon Deutschland Holland Schweiz Schwyz Habsburg Nassau Luxemburg Italien Italien Mailand Neapel
Daß dem Menschen die Heimath doch die recht
eigentliche Welt sey, ist in neuern Zeiten auch viel-
fach anerkannt, und selbst von Seiten der Staaten Man-
ches geschehen, um die Bewohner des Landes auf die Ge-
schichte ihrer nächsten Umgebungen aufmerksam zu machen.
Königliche Behörden haben, zum Beispiel im Preußischen,
Aufforderungen ergehen lassen zur Anlegung von örtlichen
Chroniken, und es sind zur Aufbewahrung provinzieller
Denkmähler Anstalten getroffen. Der Sinn für die Erfor-
schung der Heimath hat sich in mehreren Gegenden durch
Gründung besonderer Vereine für diesen Zweck kund ge-
than, und einzelne Männer haben neuere Chroniken von
einzelnen Städten und Kreisen geliefert. Der Staatsrath
vom Kanton Waadt hat Ehrenpreise von 800, 400 und
200 Schweizersranken (L 12 Sgr.) sogar für ein hei-
mathliches Lesebuch ausgesetzt, das aus der Schwei-
zer Geschichte das enthalten soll, was für einen jungen
Bürger nöthig ist, die Verhältnisse der Eidgenossenschaft,
die Verfassung des Kantons Waadt, die Pflichten des
Waadtländer Bürgers, die gemeinnützigen Kenntnisse des
Lebens, den Waadtländischen Handel, die Gewerbe und die
ländliche Betriebsamkeit u. s. w. In Hamburg behandelt
Herr Lohse, wie seine 1824 darüber erschienenen drei
Bücher beweisen, ganz auf eine ähnliche Meise, wie ich, die
Weltkunde.
Der Pastor Behrends sagt in seiner Geschichte der
Stadt Neuhaldensleben (Königslutter 1802) in demsel-
den Sinn: „Ein zweiter Zweck, den ich mit diesem Buch
zu erreichen wünschte, war: ein vollständiges Lehrbuch der
Stadtgeschichte für die Neuhaldenslebensche Schuljugend
zu liefern. — — Denn die Begebenheiten der Vater-
stadt, wobei man seine Vorfahren handeln sieht, und den
Schauplatz aller Vorfälle täglich vor Augen hat, haben
sicherlich ein vorzüglich anziehendes Interesse für den Schü-
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98
Verfolgung
lust austoben konnte. Die beiden Apostel Petrus und Paulus
sollen bei dieser Verfolgung ihren Tod gefunden haben.
Aus den Zeiten der Verfolgungen haben sich viele Erzählungen von
der Standhaftigkeit einzelner Christen lange von Mund zu Mund fort-
gepflanzt und in der Folge oft dazu gedient, laue und wankelmüthige
Christen in der Treue an dem Herrn zu befestigen. Die zwölf
Apostel sollen sä'mmtlich eines gewaltsamen Todes gestorben sein, mit
Ausnahme des Johannes, von welchem erzählt wird, daß er auf eine
wunderbare Weise gerettet wurde und erst in einem Alter von mehr als
hundert Jahren zu Ephesus starb. Da er schon in hohem Greifen-
alter stand und die Gemeinde, deren Bischof er war, nicht mehr durch
seine Vorträge erbauen konnte, trugen die Jünglinge den geliebten
Lehrer in die Versammlung und baten ihn, daß er noch einmal an die
Versammelten eine Rede halte. „Kindlein, liebt euch unter einander!"
so sprach er, weiter sagte er nichts. Bei einer späteren Versammlung
wurde er wieder auf den Rednerftuhl gebracht, daß man ihn sprechen
höre. Seine Rede lautete: „Kindlein, liebt euch unter einander!" Als
man ihn frug, warum er so wenig und eben nur diese Worte spreche;
gab er zur Antwort: „Weil, wenn das Eine, die Liebe, erfüllt wird,
dann Alles erfüllt ist."
Unter dem Kaiser Markus Aurelius, der von 161 — 180 re-
gierte, war nebst mehreren andern auch der Bischof Polykarp ein-
gezogen worden. Man verlangte von ihm, daß er Christum verfluche,
dann solle er die Freiheit wieder erhalten. Der ehrwürdige Greis erwie-
derte: „Sechs und achtzig Jahre diene ich ihm, und er hat mir nur
Gutes erwiesen, — wie könnte ich ihm fluchen, meinem Herrn und
Heilande?" Darauf starb er muthig den Feuertod. — In dieselbe Zeit
fällt auch das viel geglaubte Wunder mit der sogenannten Blitz- und
Donner-Armee. Als der Kaiser Mark-Aurel einen Krieg gegen die
Markomannen und Quaden führte, waren seine Heere nach langer
anhaltender Sommerhitze in Gefahr, gänzlich zu verschmachten; die
Heiden riefen zu ihren Göttern um Hülfe, aber umsonst; da warfen
auch die Christen, welche damals schon so zahlreich waren, daß Eine
Legion (d. h. eine Heeresabtheilung) nur aus christlichen Kriegern be-
stand, sich auf ihre Knie und fleheten zu Gott. Bald zeigten sich
Wolken am Himmel, ein Gewitter zog herauf und entlud sich mit zer-
störender Kraft über dem feindlichen Heere, den Römern aber sendeten
die Wolken Erquickung herab. Zwar betrachteten auch die Heiden diese
Segnungen als eine Frucht ihres Gebets und eine Gabe ihrer Götter,
aber der Christen-Legion wurde (so wird wenigstens von christlichen Schrift-
stellern erzählt) der ehrende Name Blitz- und Donner-Legion gegeben
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Extrahierte Personennamen: Apostel_Petrus Apostel Paulus Apostel Markus_Aurelius Polykarp
Huß verurtheilt
L
204
sollte er zwar losgesprochen sein, seine Freiheit sollte er aber nicht wie-
der erhalten, sondern auf immmerwährende Zeiten in einem Kerker ver-
mauert werden.
§ 135. Noch einmal wurde er vor die Versammlung geführt, in
welcher auch der Kaiser Sigismund, von den Reichssürsten umgeben,
anwesend war. Zunächst wurde eine Anzahl Lehren des Wiclef (wol
gegen sechzig) vorgelesen und verdammt. Darauf kam die Reihe an die
husst'tischen Lehren. Als der erste ihn betreffende Punkt vorgelesen und
verdammt worden war, wollte Huß einige Einwendungen machen, doch
er wurde sogleich zum Schweigen verwiesen. Da kein Mensch ihn hö-
ren mochte, so siel er nieder auf seine Kniee, schüttete sein Herz im
Gebete vor Gott aus und empfahl seine Sache dem gerechtesten Rich-
ter. Nach dem Verlesen sprach er noch einmal offen aus: „er sei selbst
frei und ungezwungen auf diesem Concil erschienen, um seine Unschuld
zu bezeugen, und Jedem, der es begehre, Rechenschaft von seiner Lehre
zu geben; ohne Furcht sei er gekommen, im Vertrauen auf das Wort,
das der Kaiser ihm gegeben." Dabei richtete er sein Auge starr auf
den Kaiser Sigismund, der darob erröthete; denn sein Gewissen war
durch den Zuspruch der geistlichen Herren doch nicht ganz beschwichtigt
worden, es sagte ihm, wie unrecht es sei, ein gegebenes Wort zu brechen.
Rasch wurde nun zum Urtheil geschritten. Sämmtliche Bücher des
Huß sollen dem Feuer überliefert werden, — so lautete der erste Ur-
theilsspruch, und der zweite: Huß selbst als ein hartnäckiger Ketzer müsse
gestraft werden, wie ihm gebühre. Darauf nöthigte man ihn, das Prie-
ftergewand, welches zu diesem Behufe schon bereit lag, anzuthun; dann
rissen sie ihm diese priesterlichen Kleider wieder vom Leibe und schnitten
ihm mit einer Scheere die Haare ad. Bei diesem Ungestüm der Feinde
erinnerte Huß oft daran, wie die Kriegsknechte einst mit dem Heilande
gehandelt, wie auch sie im königlichen Gewände ihn verspottet. Feier-
lich wurde dann erklärt: „dieser Mensch ist des Priesterthums ledig und
das heilige Concil übergiebt ihn als von der Kirche und aus dem Tem-
pel Gottes verstoßen, dem Arme des weltlichen Richters." „Seine Seele,"
so riefen Andere dazwischen, „übergeben wir dem Teufel." „Ich aber,"
so antwortete Huß, das Auge zum Himmel emporgerichtet, „ich em-
pfehle sie meinem Herrn Jesu Christo." Man brachte jetzt eine große
von Papier gefertigte Mütze, die mit Teufeln bemalt war und die Um-
schrift hatte: „Das ist ein Erzketzer." Als ihm dieselbe aufgesetzt ward,
sprach er: „Auch Jesus Christus ist für mich Elenden,'mit einer noch
viel mehr drückenden Dornenkrone geschmückt, zu einem schmachvollen
Tode gegangen." Noch an demselben Tage wurde das Todesurtheil
vollstreckt. Die Gerichtsdiener führten ihn hinaus auf einen Anger vor
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Jesuiten.
259
gab man sich der Hoffnung hin, daß die neuen Ordensbrüder dem
Werke der Protestanten förderlich werden könnten. Auch manche Ka-
tholiken, vom Schein geblendet, waren dieser Meinung und nicht ohne
große Besorgniß für ihre Kirche. Arge Täuschung und Verblendung!
Bald genug erkannte man die Jünger Loyola's; aber es war den Pro-
testanten schwer, sich gegen ihre List und gegen den Einfluß, welchen
sie auf Fürsten und Völker ausübten, zu verwahren. Die Jesuiten
waren es, welche Mißtratten zwischen Oberherren und Unterthanen zu
wecken wußten; sie waren es, welche verderbliche Kriege anfachten oder
nährten; sie waren es, welche in Friedenszeit den Evangelischen ein
Vorrecht nach dem andern aus den Händen wanden. Sie strebten
auch nach weltlichem Besitz und dieses Streben blieb nicht erfolglos.
Der Orden ward reich, gründete Niederlassungen in fernen Ländern
(besonders in Süd-Amerika), knüpfte Handelsverbindungen an und
wußte neben der Verkündigung des Christenthums unter den Heiden auch
Handelsvortheile ins Auge zu fassen. In den Schulen der Jesuiten
wurde mit äußerster Strenge auf Sittlichkeit gehalten; jeder einzelne
Jesuit, der niedrigste Bruder wie der höchste, suchte vor der Welt stets
in voller Herzenslauterkeit zu erscheinen. Und doch war ihr Streben
nicht lauter. Am meisten ist es Ein Grundsatz ihrer Sittcnlehre, der
oft angefochten worden: „der Zweck heiligt das Mittel," d. h.
wer einen guten Zweck verfolgt, darf zur Erreichung desselben kein Mit-
tel scheuen, wäre es auch sonst verwerflich. Dies ist eine gefährliche
Lehre, die alles sittliche Streben erlahmt oder in eine verkehrte Rich-
tung treibt. Aber es waren unter ihnen noch ganz andere Grundsätze
herrschend, welche mit dem Geiste der Lehre Jesu nicht übereinstimm-
ten. Deshalb fand das Treiben der Jesuiten Anstoß, nicht bloß bei
den Evangelischen, sondern auch in der katholischen Kirche selbst. Ei-
ner der ersten Ordensgeneräle hatte ein wahres prophetisches Wort ge-
sprochen, in welchem er die Geschichte des Ordens bildlich darlegt:
„Wie Füchse, sagte er, haben wir uns eingeschlichen, wie Wölfe regie-
ren- wir, wie Hunde wird man uns vertreiben, wie ein Phönix *) wer-
den wir uns verjüngen." In der That sind sie vertrieben worden.
Nach ungefähr 200jährigem Bestehen wurden sie aus Frankreich und
Spanien verjagt. Im I. 1773 erklärte selbst der Papst Gregor Xiv.
*) Der Phönix ist ein fabelhafter Vogel. Die Aegyptec erzählten: wenn
er alt werde, bereite er sich ein Nest von wohlriechenden Kräutern,
setze sich hinein und zünde es an, daß er zu Asche verbrenne; aus der
Asche aber schwinge er sich dann wie neu geboren und jugendlich gekräf-
tigt wieder empor.
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Extrahierte Personennamen: Gregor_Xiv Gregor
Extrahierte Ortsnamen: Süd-Amerika Christenthums Frankreich Spanien
Solon und Krösus.
29
Folgendes: „Ja, dieser Tellus sah sein Vaterland in herrlicher Blüthe;
er sah um sich seine Kinder aufwachsen, schone und wohlgeartete Kin-
der; und von ihnen allen sah er Enkel; den Schmerz, eins der Sei-
nen durch den Tod zu verlieren, kannte er nicht. Er war schon in
hohen Jahren, da zogen die Athener aus zur Schlacht, Tellus mit ih-
nen; ec kämpfte, die Feinde wichen vor ihm, aber er starb den rühm-
lichen Tod fürs Vaterland. Wo er gefallen war, da begruben ihn
seine Mitbürger auf öffentliche Kosten und ehrten ihn hoch. Er war
der glücklichste, Tellus der Athener." Dem Krösus gefielen die Worte
Solons nicht ganz, doch frug er wieder, um ihm Gelegenheit zu ge-
den, auch ihn zu preisen: „Aber nach jenem — wen hältst du denn
da für den Glücklichsten?" „Die Brüder Kleobis und Biton" war
die Antwort. Krösus kannte dieselben eben so wenig, als den Tellus;
aber Solon erzählte ihm: „Kleobis und Biton waren Söhne einer
Priesterin aus Argos, die in den Wettkämpfen vor allen Griechen den
Preis davon trugen. Einmal feierten die Argiver ein Fest, zu welchem
auch die Priesterin im Tempel erscheinen mußte. Da die Zugthiere,
welche vor den Wagen gespannt werden sollten, nicht zur rechten Zeit
vom Felde kamen, so fuhren die beiden Jünglinge selbst ihre Mutter
in den Tempel. Die Männer aus Argos, als sie solches sahen, rühm-
ten die Jünglinge, weil sie eine so große Liebe zu ihrer Mutter an den
Tag legten: die argivischen Frauen priesen die Mutter, weil sie solche
Kinder habe; die Mutter aber, voll hoher Freude über die schöne That
ihrer Söhne, trat vor das Bild der Göttin im Tempel und flehete,
sie möchte ihren Söhnen schenken, was Göttergunst nur immer den
Menschen Gutes geben könne. Die Jünglinge entschlummerten, nach-
dem die Opfer dargebracht waren, im Heiligthum, und wachten nicht
wieder auf. So zeigten die Götter selbst, daß das höchste Gut dem
Menschen sei, nach ruhmvollem Leben sanft zu entschlummern." Als
Solon diese Erzählung geendet hatte, rief der König, gewohnt, nur
sein Glück preisen zu hören, in heftigem Unwillen aus: „Aber wie?
hältst du mich denn nicht auch für glücklich?" „O Krösus, so sprach
der weise Solon, du bist sehr reich und bist ein König vieler Men-
schen; aber glücklich kann ich dich nicht eher nennen, bis ich weiß, daß
du dein Leben glücklich beschlossen hast; denn Manchen, dem die Gott-
heit lange hohes Glück gewährte, hat sie später zu Grunde gerichtet,
und vor dem Tode ist niemand glücklich zu preisen." Diese
Rede gefiel dem Könige nicht, auch ward durch sie der Stolz auf sei-
nen Reichthum und seine Macht nicht gebeugt, denn wem Alles ge-
lungen ist in seinem Leben, der glaubt gar leicht, ihm könne auch fer-
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I
40 Die olympischen
fiel sie, wenn die Dämpfe der Höhle sie durchdrungen hatten, in Zuckun-
gen; wild rollten die Augen, es sträubte sich das Haar, der Mund
schäumte und in diesem Zustande stieß sie einzelne unzusammenhängende
Laute aus, in denen man die Kundgebung der Gottheit zu finden meinte.
Die Priester nahmen diese Worte auf und deuteten sie zu einer voll-
ständigen Antwort auf die vorgelegten Fragen. Eine solche Antwort
nannte man einen Orakelspruch oder auch, gleichnamig mit dem
Orte, wo sie ertheilt wurde, ein Orakel. Die Orakelsprüche waren
für das Volk von höchster Bedeutung und wurden, ehe man zu einem
wichtigen Vorhaben schritt, gewöhnlich erst eingeholt.
Die olympischen Spiele.
§ 26. Der Gottesdienst der Griechen war im Allgemeinen ein
festliche?, heiterer; oft stand er mit feierlichen Spielen in Verbindung.
Am bedeutendsten waren die Spiele, welche aller vier Jahre, dem Zeus
als dem obersten Gotte zu Ehren, in Olympia (auf dem Peloponnes)
angestellt wurden, die olympischen Spiele genannt. Wenn die
Zeit derselben herannahete, kamen aus allen griechischen Staaten, aus
allen Ländern Europa's, Asiens und Afrika's, in denen sich Grie-
chen niedergelassen hatten, Kämpfer und Zuschauer nach Olympia.
Dies war ein Freuden-Fest für das ganze Land, das jeden Krieg, und
wäre er auch mit dem brennendsten Eifer geführt worden, für die Tage
der Feier unterbrach. In der Nacht vor dem Beginn der Spiele wur-
den Opfer dargebracht und Gesänge zu Ehren der Götter erschollen.
Mit Aufgang der Sonne begannen die Spiele. Eine ringsum ver-
zäunte und mit Schranken umschlossene Ebene trennte die Kämpfer von
den Tausenden der Zuschauer, die auf den vielen Hügeln, welche den
Kampfplatz umgaben, sich ausgebreitet hatten; innerhalb der Schranken
aber saßen die Kampfrichter, welche den Siegern die Preise zuerkann-
ten. Mit dem Wettkampf wurde begonnen. Die Streiter, Athleten
genannt, traten auf und schwuren bei den Göttern, daß sie zehn Mo-
nate lang auf den Kampf sich vorbereitet hätten. Dann erschien ein
Herold, der mit lauter Stimme, daß weithin das versammelte Volk
seine Worte vernehmen konnte, frug: „ob Jemand einem dieser Kämpfer
vorwerfen könne, daß derselbe je die Fesseln getragen oder ein unzie-
mendes Leben geführt habe"; denn nur freie Männer, nicht Sklaven,
durften auf dem Kampfplatze erscheinen, und wer anstößigen Wandels
war, wurde nicht zugelassen. Folgte auf des Herolds Wort ein allge-
meines Schweigen des Volkes, so begann der Wettlauf.. Wel-
cher der Kämpfer zuerst am Ziele anlangte, den bezeichneten die Kampf-
richter als Sieger und laut verkündigten dies die Herolde; die Zu-
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