88
Siebenter Zeitraum.
J
Spannung zeigte sich theils beim Reichstage, theils beim
Kammergerichte und beim Reichshofrathe. So fehlerhaft
z. B. auch der julianische Kalender war, so nahmen doch
die Protestanten den verbesserten (gregorianischen) da-
mals (1582) nicht an, weil er von dem Papste bestätigt
und empfohlen ward. Eine andere Veranlassung zum Miß-
vergnügen war die Vertreibung des Churfüsten Geb-
hard von Kölln (1583), als er sich mit der Grasin
Agnes von Mansfeld vermahlte, und zum Lehrbegriffe der.
Reformirten übertrat. Der Bannspruch des Papstes über
diesen mächtigen Churfürsten des teutschen Reiches bewirkte
die Wahl eines neuen Erzbischoffs, des Prinzen Ernst von
Bayern, und die Lutheraner blieben bei dieser Absetzung
eines teutschen Churfürsten von dem Papste unthätig, weil
Gebhard sich auf die Seite der Reformirten gewendet hatte.—
Achnliche Gahrungen wogten in Sachsen, als sich auf Ver-
anlassung des Kanzlers Krell, wahrend der kurzen Regie-
rung des Churfürsten Christi an 1 (1588 ff.), der K ryp to-
calvinismus in diesem Lande auszubreiten anfing, so-
gleich aber unter der folgenden Regierung (1592 ff.) wieder
unterdrückt ward. — Eben so willkührlich war der Aus-
spruch des Reichshofraths, nach welchem dem Herzoge von
Bayern, einem nichtschwab ifchen Kreisstande, die Voll-
ziehung der Acht an der schwäbischen Reichsstadt Donau-
werth 0607) aufgetragen ward, weil dort der protestan-
tische Pöbel die Procession eines katholischen Abtes gestört
hatte. Die Stadt ward seit dieser Zeit bayrische Provinzial-
stadt. Dazu kam noch, nach dem Tode des letzten Herzogs
von Jülich (1609), der Streit über die reiche jülichsche
Erbschaft, wo, aller Widersprüche des sächsischen Hauses
ungeachtet, welches auf diese Lander die kaiserliche Anwart-
schaft erhalten hatte, Brandenburg und Pfalzneuburg von
denselben Besitz nahmen.
Selbst im Hause Oestreich traten bedeutende Miß-
verständnisse und Unruhen ein. Der mehr mit Sterndeutekunst,
Chemie und Alterthumskunde, als mit den Regierungsange-
legenheiten beschäftigte Kaiser brachte in die Rcgierungsge-
TM Hauptwörter (50): [T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg], T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst], T47: [Friedrich Wilhelm Kaiser König Iii Kurfürst Jahr Preußen Brandenburg Johann]]
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TM Hauptwörter (200): [T55: [Friedrich Kaiser Kurfürst Herzog Sachsen Johann Karl Land Bayern Wilhelm], T40: [Protestant Kaiser Kirche Katholik Reichstag Jahr Lehre Reformation Augsburger Land], T80: [Kaiser Stadt Fürst Recht Reich König Reichstag Macht Adel Fürsten], T74: [Zeit Wissenschaft Philosophie Geschichte Philosoph Werk Lehrer Schrift Sokrat Schüler], T192: [Italien Reich Gallien Volk Land Römer Donau Hunnen Jahr König]]
Extrahierte Personennamen: Agnes_von_Mansfeld Ernst_von
Bayern Ernst Gebhard
Extrahierte Ortsnamen: Sachsen Christi Bayern Brandenburg
496 Sechste Periode.
und meistens durch die hier gezogenen Männer, hoben sich
die Schulen zu St. Gallen unter dem Abte Grimald, zu
Reichenau unter Walafried Strabo, zu Weißen-
burg unter Otfried, zu Corvey unter Ansgar, und
|u Prüm unter Regino. Die angelegten Klosterbibliothe-
ken beschäftigten, besonders in der Folgezeit, freilich mehr die
Hände, als die Köpfe. — Unter wilden Stürmen, veranlaßt
durch Normänner, Slaven und Ungarn, wurden diese Keime
einer bessern Literatur zerstört, bevor sie noch zu Früchten rei-
fen konnten; auch hinderten das Faustrccht und der Raufgeisi
der teutschen Nation in diesen Zeiten die Entwickelung des
noch unmündigen Geschmacks.
In Italien und in Frankreich konnten die Wissen-
schaften so wenig, wie in Teutschland, während mehrerer Iahr-
' Hunderte zu einer freiern Gestalt und Form sich emporheben;
Unwissenheit und blinder Religionseifcr hinderten gleich stark
das Studium der ehrwürdigen Ueberreste eines gebildeten
Alterthums. Die aus den Zeiten der Imperatoren herrühren-
den Institute in Italien gingen ein unter dem Andränge der
Barbaren, besonders während der Herrschaft der Langobar-
den; nur der Mönchsgeist ward genährt, weil in den klö-
sterlichen Cohortcn die Inhaber des päpstlichen Stuhles ihre
rüstigsten Streiter fanden, und selbst die strenge Reformation
des klösterlichen Lebens, wie sie zuerst Odo in seinem Kloster
zu Clügny (9zo) einführte, zu bald wieder verfiel.
388.
Philosophie und Theologie.
Von Spanien aus, wo damals die arabische Literatur
ihre schönste Blüthe trieb, kam ein neues wissenschaftliches
Leben nach Frankreich. Aristoteles, den die Araber in
Syrien kennen gelernt und dem sie willig gehuldigt hatten,
wurde schon damals in den Klosterschulen, doch noch nicht so
ausschließend, wie in der Folge, betrieben. Da die Dialek-
tik ihre Stelle unter den sieben freien Künsten während des
Mittelalters behauptete, und die Philosophie, so wie alle Wis-
senschaften, blos von dem geistlichen Stande bearbeitet wur-
de; so läßt es sich erklären, wie die Philosophie des Mit-
telalters
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Extrahierte Personennamen: Walafried_Strabo Otfried Ansgar Aristoteles
Extrahierte Ortsnamen: Reichenau Corvey Ungarn Italien Frankreich Teutschland Italien Spanien Frankreich Syrien
352
Sechster Zeitraum.
langer, weil sie zünftig, mit Gebrauchen, Statuten und
Gesetzen, zusammentraten. Zn den vorzüglichern Meister-
sängern gehörten Heinrich von Meißen, mit dem Bei-
namen Frauen lob, Hans Rosenblüt, und spater
Hans Sachs. Im Ganzen verlor die Dichtkunst unter
den Meister sau gern ihren frischen Geist. Erst kurz vor
dem Zeitalter der Kirchenverbesserung erhielt die teutsche
Sprache einen neuen Umschwung, der spater hauptsächlich
von der Bibelübersetzung ausging.
391.
Mathematische Wissenschaften.
Die mathematischen Wissenschaften belebte Ger-
bert unter den Teutschen von neuem; allein die Astrono-
mie blieb auf die Berechnung des Kirchenkalenders ein-
geschränkt, und schwärmerische Vorherverkündigungen der
Zukunft standen gewöhnlich mit dem astrologischen Aber-
glauben in Verbindung. — Die Tonkunst hatte Papst
Gregor der Große zu einem wesentlichen Bestandtheile des
öffentlichen Gottesdienstes erhoben, und sie zur Bedingung
der Uebernahme eines kirchlichen Amtes gemacht. Dadurch
ward diese Kunst den noch rohen Völkern etwas bekannter
und von der Geistlichkeit gepsiegt. Guido von Arezzo,
ein italischer Mönch, erfand das Notensystem ums Jahr
1028, vermittelst dessen die Töne durch Puncte aufgezoge-
nen Linien bezeichnet wurden.
. 392.
A u f k l a r u n g. Ho ch sch u l e n.
Die seit den Ieitell der Kreuzzüge allmahlig für den
europäischen Westen eintretende höhere Aufklärung verkün-
digte sich in deutlichen Spuren. Die Grundsätze Arnolds
von Brescia, die Meinungen der Waldenser, die
Lehren Wicliffs und seines Nachfolgers Huß, bereiteten
langsam die große Veränderung vor, welche im folgenden
Zeitraume mit der Begründung und Verbreitung der Kirchen-
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Extrahierte Personennamen: Heinrich_von_Meißen Heinrich Hans_Rosenblüt Hans_Sachs Gregor Guido_von_Arezzo
354 Siebente Periode.
das sich im Mittelalter anfgethürmt hatte. Wenn gleich
di? Reformatoren nicht selbst für Philosophie thätig waren;
so weckte doch ihr Prüsungsgerst den echten Sinn philoso-
phischer Forschung. Die wredecauflebenden Wissenschaften
in Italien und die daselbst unter günstigen Verhältnissen
hergestellte platonische Philosophie veranlaßte, daß sich die
Herrschaft des Aristoteles allmahlig verminderte. So ab-
geneigt anch Luther der aristeteilsch-scholastischen Philo-
sophie war; so machte doch Melanchthou noch immer
eine lebhafte Anwendung von derselben auf das dogmatische
System. Allein der ganze Charakter der Reformation und
der neu erwachte und allgemein sich verbreitende Geist der
Prüfung und Forschung religiöser Wahrheiten, war der Um-
bildung der bis dahin herrschenden philosophischen Methode
vortherlhaft, wenn gleich die steife Anhänglichkeit an den
kirchlichen Lehrbegriff, die beständigen Fehden zwischen den
getrennten Kirchen, und die heftigen Streitigkeiten inner-
halb der protestantischest Kirche selbst, die schnellere und
weitere Verbreitung einer verbesserten und reinern Philoso-
phie in dem letzten Drittheile des sechszehnten und wah-
rend des siebzehnten Jahrhunderts beschrankte. Sogar die
Theosophie und Mystik fand in den drei letzten Jahr-
hunderten an dem Theophrustus Paracelsus (s 1541),
Valentin Weigel (f 1588), Jacob Böhme (f 1624),
Fludd (f 1637), und Swedenborg (t 1772) ihre An-
hänger und Verbreiter, und noch das Ende des achtzehn-
ten Jahrhunderts gefiel sich in den Verirrungen der Ro-
senkrenzer, der Magnetiseure, und einer armseligen Poesie,
die leichtsinnig der bereits erreichten Klassicität vergaß,
mit angeblichen Wundern und Thaten der Heiligen der Kir-
che spielte, und ihre Dürftigkeit hinter frömmelnde Gefühle
zu verbergen suchte.
588.
» Fortsetzung.
Dagegen brachen ausgezeichnete Männer in der Phi-
losophie sich eine neue eigenthümliche Bahn. So führte
Franz Baco von Verulam (f 1626) die Philosophie auf
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg]]
TM Hauptwörter (100): [T25: [Wissenschaft Kunst Zeit Sprache Geschichte Schrift Buch Werk Jahrhundert Erfindung], T52: [Mensch Leben Volk Gott Geist Zeit Religion Mann Glaube Herz], T90: [Luther Kirche Lehre Schrift Wittenberg Papst Kaiser Reformation Jahr Konzil], T30: [Periode Abschnitt erster zweiter Zeitraum dritter Jahr Kapitel Sonne Planet], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
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Extrahierte Personennamen: Valentin_Weigel Jacob_Böhme Swedenborg Franz_Baco Franz
Von Karl b. Frank, b. a. d. Entd. v. Amerika. 519
stark das Studium der ehrwürdigen Ueberrefte eines gebilde-
ten Alterthums. Die aus den Zerren der Imperatoren
herrührenden Institute in Italien gingen unter dem Andran-
gs der Barbaren während der Herrschaft der Ostgochen und
Langobarden ein; nur der Mönchsgeist ward genährt,
da in den klösterlichen Cohvrten die Inhaber des päbstljchen
Stuhles ihre rüstigsten Streiter fanden, und selbst die
strenge Reformation de6 klösterlichen Lebens, wie sie zuerst
Odo in seinem Kloster zu Clügny (930) einsührle, zu bald
wieder verfiel.
Von Spanien aus, wo damals die arabische Literatur
ihre schönste Blühte trieb, kam ein neues wissenschaftliches
Leben nach Frankreich- Aristoteles, den die Araber in
Syrien kennen gelernt und dem sie willig gehuldigt harten,
wurde itzt auch in den Klosterschulen, obgleich nicht so aus-
schließend, betrieben, wie in der Folge. Da die Dia-
lektik ihre Stelle unter den sieben freien Künsten während
des Mittelalters behauptete, und die Philosophie, so wie
olle Wissenschaften, blos von dem geistlichen Stande bearbei-
tet wurde; so läßt es sich erklären, wie die Philosophie
des Mittelalters ausschließend tm Dienste der Theolo-
gie stand, und die Gewandtheit in Dialektik und Polemik
zugleich den Ruf eines großen Philosophen bewirkte. Ob es
nun gleich unter den scholastischen Philosophen in der That
Männer von seltenen Fähigkeiten gab; so blieb doch ihr Anbau
und ihreanwendung der Philosophie einseitig und beschränkt;
denn abgerechnet, daß sie von dem wirklichen Leben völlig ge-
trennt wurde, bestand sio größtentheils ln logischen Uebnngen, die
nickt selten zur Sophistik führten und in Spielereien ausarteten.
Schon Johann Scotus Erigena fl- 836), und noch
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg]]
TM Hauptwörter (100): [T25: [Wissenschaft Kunst Zeit Sprache Geschichte Schrift Buch Werk Jahrhundert Erfindung], T58: [Kloster Jahr Mönch Kirche Schweiz Bischof Abt Zürich Bonifatius Bern], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume]]
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Extrahierte Personennamen: Karl_b Karl Frank Johann_Scotus_Erigena Johann
Extrahierte Ortsnamen: Amerika Italien Spanien Syrien