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der Einbildung des nächtlichen Wanderers Gestalt, und er sieht hier
Zwerge und dort Riesen ihr Wesen treiben, und das ist der Grund
dafür, daß es ebeu in den großartigsten und wildesten Thälern von
Sagen wimmelt. Fast jeder Felsen und jeder Schlund hat seine be-
sondere Geschichte.
Prinzessin Ilse. Hoch oben aus dem Jlsenstein stand einst-
mals das prächtige Schloß des Harzkönigs Jlsnng. Seine Tochter,
die Prinzessin Ilse, übertraf an Schönheit und Anmut alle Jung-
sraueu in weiter Runde. Unten im Thale aber, wo heute das Schloß
von Jlseuburg liegt, wohute eine böse Zauberin mit ihrer einzigen
Tochter, der garstigen Trnte. Als eines Tages ein junger Ritter,
der stattliche Rolf, aus Abenteuer ausging und durch die Harzwälder
streifte, bestürmte die rothaarige Trute ihre Mutter, die alte Zauberin,
ihr einen Liebestrank für Rolf zu brauen.
Rolf verliebte sich auch wirklich heftig in Trute, floh aber in
die Nähe von Jlfuugs Schloß, als die Hexeusäfte uach kurzer Zeit
ihre Kraft verloren.
Im frifchgrünen Tannenwalde traf er dann das wunderholde
Königskind Jlfe, und als er ihr in das liebliche, von goldenein Haar
umwallte Angesicht sah, da war es dieses Mal ohne Zauberkräfte uin
sein Herz geschehen. Nachdem er sich nun bald durch seinen edlen
Mannesmut die Gunst der reizenden Ilse erworben hatte, versprach
der König, ihn zu seinem Eidam anzunehmen.
Aber voller Wut veruahmeu Trute und ihre Mutter die Vor-
gänge, und die Alte beschloß, grausame Rache zu übeu. Sie machte
eiueu Vertrag mit dem bösen Beherrscher des Blocksberges, und dieser
sandte in der Walpurgisnacht eine mächtige Wasserflut von dem
Brocken hiuab ins Thal. Die wilden Gewässer unterwühlten den
Felsen, auf welchem Jlfungs Schloß stand, und die prächtige Burg
mit Zinnen und Türmen versank in die grauenhafte Tiese. Nur die
behende Ilse rettete sich auf die äußerste Felsspitze des Jlsensteines,
und noch heute, in nächtlicher Stille, wenn der Mond mit mattein
Scheine die Felsen im Thale beleuchtet, wandelt das einsame Königs-
kind durch die grünen Farrenkräuter und Gräser am User des rauschenden
Bergstromes, welcher ihren Namen trägt.
Sobald aber die Morgenröte anbricht, muß sie zurückkehren in
ihr versunkenes Schloß unter dein Jlsenstein, und iu alte zottige
Tannen, wie sie am Fuße oes Jlseusteins vielfach stehen, verwandelt
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8 Das Jahr 1813.
noch diese Krieger, mit welchem Jauchzen der Freude, gleich lange ersehnten Brdern, sie jede Stadt und jedes Dorf empfing. Solcher Eindruck soll durch nichts verwischt werden, was nachher die Gemter herabgestimmt und zum Gewhnlichen zurckgefhrt hat. Die schnste Blte des mensch-lichen Lebens whrt oft um so krzer, je herrlicher sie sich zeigt; aber darin bewhrt sich das gutgeartete Gemt, da es ihr Andenken rein und dankbar bewahrt.
Die Erinnerung groer Anstrengungen ist eine segensreiche Erweckung fr die Völker auf Jahrhunderte. Darum war es eine hohe Gunst des Schicksals, die dem preuischen Volke vergnnte, mit seinem Beispiele dem ganzen deutscheu Vaterlande voran zu leuchten. Es lag als das erste auf dem Wege, den von nun an der Weltbezwinger rckwrts ziehen sollte. Die anderen deutschen Stmme htten ein Gleiches gethau, wenn an sie der Ruf zuerst ergangen wre; das zeigten die Jnglinge und Männer aus Sachsen und Westfalen, ans Franken und der Schweiz, vom Rhein und von der Donau, welche Ruhe und Wohlleben verlieen, um sich sogleich an das preuische Heer anzuschlieen, da es fr Deutschlands ge-meinsame Sache heranzog; das sagte jedem einzelnen, der ihrem Beispiele nicht folgen konnte, das ungeduldige Klopfen seines Herzens bei jeder Kunde von den kmpfenden Brdern, sowie jedes stille Gebet, welches sich fr sie aus seiner Brust empordrngte; das bewies endlich ein jeder Gan und jeder Ort in allen deutschen Grenzen, sobald auch seine Reihe der Teilnahme durch Wort und Thai erschien!
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3. Ikpoffoii Mtniiflcii.
Der Kaiser Napoleon hatte die berbleibsel seines aus Rußland zurckziehenden Heeres eilend in einem Schlitten verlassen und reiste Tag und Nacht, bis er in der Nacht des 18. Dezember ganz still in Paris einfuhr. Er brachte seinen treuen Parisern das 29. Bulletin mit, worin er den Verlust von vielem Geschtz und Gepck und von 30 000 Pferden eingestand, das Heer aber doch noch stark genug angab, um die barbarischen Russen hinter ihren Grenzen zu halten. Damit indes der Verlust wieder ersetzt wrde, befahl er die Aushebung von 350 000 Mann, und als Preuens Kriegserklrung nach Paris kam, von noch andern 180 000. Und so sehr war das franzsische Volk an blinden Gehorsam gewhnt, da es willig seine Shne hergab, damit noch einmal so viel Hundert-tausende auf die Schlachtbank gefhrt wrden. Zu aller Welt Erstaunen zog schon nach wenigen Monaten die junge Mannschaft, wohlgerstet und in den ntigsten Handgriffen der Waffen gebt, der den Rhein, und auch der Mut und Eifer fehlten ihr nicht, ihres Kaisers Ruhm mit allen Krften zu behaupten. Die kriegerische Ehre treibt dieses Volk zu groen Anstrengungen, und es soll auch dein Feinde nicht verkleinert werden, was ihm an Ehre gebhrt. Aber wer mit ruhigem, klarem Auge die
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Extrahierte Personennamen: Ikpoffoii_Mtniiflcii Napoleon
Extrahierte Ortsnamen: Sachsen Westfalen Schweiz Rhein Donau Deutschlands Paris Paris Rhein
4 Das Jahr 1813.
der Mut fr Ehre und Freiheit sich regte; darum hrte er nicht die Stimme derer, welche sich von solchem kniglichen Ausgebote wenig Oer-sprachen; sie meinten, eine solche Begeisterung, die den Menschen frei-willig in den Tod fhre, werde in der Jugend nicht gefunden werden. Aber wie wurde das knigliche Vertrauen von dem treuen Volke gerechtfertigt! Noch war es nicht ausgesprochen, da der Krieg gegen die franzsischen Unterdrcker gefhrt werden solle, nur im allgemeinen hatte der König die Erhaltung des Vaterlandes als das groe Ziel hingestellt. Aber ein jedes Herz verstand das knigliche Wort und zu vielen Tausenden strmten die Jnglinge herbei, um die freiwilligen Scharen der Reiterei und des Fu-Volks zu bilden. Allein aus Berlin sammelten sich ihrer zehntausend.
^Der König that noch mehr; er verordnete eine Bewaffnung seines ganzen Volkes, indem er Landwehr und Landsturm einzurichten befahl. Es war eine traurige Verblendung der letzten Jahrhunderte gewesen, da man glaubte, nur in der groen Menge besoldeter Krieger, die gleichsam auf immer sich mit Leib und Leben dem Kriegsgewerbe verkauft htten, bestehe die Strke eines Reiches. In der alten Zeit des deutschen Volkes wurde an einen solchen Kriegsdienst auf keine Weise gedacht, sondern jeder freie Mann mit gesundem Arme war ein Krieger, und die Waffen waren von Jugend auf sein Schmuck und sein Stolz. Darum konnte auch unser Volk, vom Anfange seiner Geschichte an, mit Ehren bestehen. Germanen oder Heer- und Kriegsmnner nannten uns die alten Rmer, welche echte Tapferkeit wohl zu wrdigen verstanden. Die Waffen dieser mchtigen Rmer, welche die halbe Welt unterjocht hatten, wurden an der Tapferkeit unserer Vorfahren zu Schanden, als sie es wagten, zu uns der den Rhein zu kommen, und endlich warfen die deutschen Völker dieses uuerme-liche Reich gar der den Haufen. In nachfolgender Zeit war der deutsche Name viele Jahrhunderte lang der erste unter den Vlkern, und der Kaiser der Deutschen, obwohl er der die Fürsten, Grafen, Städte und Ritter in Deutschland nicht so viel zu sagen hatte, als jetzt der kleinste Fürst der seine Unterthanen, war in aller Welt gefrchtet und hie der mchtigste Herr in der ganzen Christenheit. Denn wenn das starke und tapfere Volk einig unter sich selbst war, wenn es mit seinem Kaiser der die Alpen nach Italien, ober gegen die Heiben, die noch an der Ober und Weichsel wohnten, ober wenn es gar weit bers Meer nach dem gelobten Lanbe zog, so erkannten alle Völker, ba in den deutschen Gauen und Wtbern, in Bergen und Ebenen, noch immer ein zahlreiches Geschlecht starker und mutiger Männer wohne.
Aber mit solcher hohen Ehre war es aus, als die Zeiten kamen, ba man whnte, ein frieblicher Brger, der sein Gewerbe, und ein Lanb-mann, der feinen Pflug fhre, brfe sich mit der Fhrung der Waffen nicht befassen; sie seien das Erbteil eines eigenen Stanbes, welcher diese Kunst allein den und den anderen eine Schutzwehr sein msse. Dafr mten ihn die anderen ernhren und drsten sich selbst der Ruhe und-Sorglosigkeit berlassen; ja, was mnnlicher Mut, Tapferkeit und Tobes-verachtnng sei, das brauchten sie selbst gar nicht in ihrer Brust zu hegen; das seien nur Tugenben des Soldaten. Aber diese Verkehrimg der mensch-
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Extrahierte Ortsnamen: Berlin Rhein Deutschland Italien
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und in die Heimat zurückkehren. Die Fürsten hofften, durch einen 1° mutlosen Antrag würde die Kampflust des Heeres nur desto mehr angefacht werden.
. Aber sie hatten sich getäuscht. Kaum sprach Agamemnon von der Rückkehr m die Heimat, wo Weiber und Kinder der Helden warteten, als das ganze Heer in hellen Jubel ausbrach. Alle stürzten zu den Schiffen, um sie ins Meer zu ziehen und zur Abfahrt bereit zu stellen.
Da gab die Göttin Athene dem Odysseus Mut in das Herz daß er sich der Menge entgegenstellte und sie durch ernste Worte auf den Versammlunbsplatz zurücktrieb. „Haltet ihr so euer Wort" sprach er, „daß ihr nicht eher von dannen ziehen wolltet, als bis ihr Troja vertilgt hättet? Hat nicht der Seher Kalchas verheißen, daß dies im zehnten Jahre geschehen werde? So harret doch noch etne kleine Weile hier aus, ihr tapfern Griechen: der Tag des aroßen Sieges ist uns nicht mehr fern."
Auch der greise Held Nestor ermahnte dringend zum Dableiben „Fuhre uns nur mutig in den Kampf," rief er dem Agamemnon zu, „wir wollen dir freudig folgen. Wer aber heimsegeln will, der mag es thun; wir wollen keinen Feigling hier zurückhalten."
Durch diese Reden ward die Stimmung des Volkes ganz umgewandelt. Alle jauchzten auf in neuer Kampfbegier. Stamm für Stamm ordneten sie sich um ihre Fürsten, und freudig zogen sie hinaus auf das Schlachtfeld. Wie im Feuerglanze leuchtete die ('■bene weithin von ihren funkelnden Waffen.
Als die Trojaner Kunde von dem heranziehenden Heere erhielten, eilten auch sie zu den Waffen. In dichten Scharen strömten sie aus den geöffneten Thoren. Draußen ordnete Hektor, des Priamos tapferer Sohn, die Reihen zur Schlacht. Dann rückten sie mit lautem Kampfgeschrei den Griechen entgegen.
6. Als beide Heere einander nahe gegenüber standen, trat ans den Reihen der Trojaner der schöne Paris hervor. Er war mit einem bunten Pantherfell bekleidet, auf der Schulter hing ihm der Bogen, an der Seite das Schwert, und zwei Lanzen schwenkte er hoch in die Luft. Kecken Mutes forderte er den tapfersten der Griechen zum Zweikampf heraus. — Als Menelaus das hörte, freute er sich wie ein hungriger Löwe, der die erwünschte Beute erblickte. Schnell sprang er in voller Rüstung von seinem Streitwagen zur Erde herab, an dem frevelhaften Räuber feines Weibes Rache zu nehmen. Paris erbleichte vor Schrecken. Als hätte er eine giftige Natter erblickt, fuhr er zurück und verbarg sich im dichtesten Gedränge seiner Genossen.
Hektor schalt den Bruder mit ernsten Worten: „Unseliger Paris, nur von Gestalt ein Held, in Wahrheit aber nichts als ein Weibergeck und trügerischer Verführer! Wärest du lieber gestorben, ehe du io viel Unglück über deine Landsleute bringen konntest! Sieh nur, wie die Feinde dich Feigling verlachen! Wahrlich, du würdest kein Mitleid verdienen, wenn du, von Menelaos niedergehauen, dich auf dem Boden wälztest und der Staub deine schöne Gestalt und dein
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heilen ließ. Als Athene den Kriegsgott aus den Reihen der Trojaner entfernt sah, kehrte auch sie nach dem Olympos zurück.
Unter den Sterblichen aber dauerte das grausige Morden fort. Mehr und mehr drangen die Griechen vor, schon wichen die Trojaner gegen die Thore der Stadt zurück. Denn kein sterblicher Mann vermochte der stürmischen Kraft des unbezwinglichen Helden Diomedes zu widerstehen.
8. Da verließ Hektor die Schlacht auf einige Zeit und eilte nach Troja, um seine Mutter, die Königin Hekabe, aufzufordern, durch große Gelübde und Opfer die Huld der Göttin Athene den Trojanern wieder zuzuwenden, daß sie sich ihrer Frauen und Kinder erbarme und den schrecklichen Diomedes von der Stadt abwehre.
Die alte Königin erfüllte sogleich ihres Sohnes Bitte. Von den vornehmsten Trojanerinnen umgeben, weihte sie im Tempel der Pallas Athene die köstlichen Opfergaben: doch die Göttin versagte dem Flehen der Frauen die Gewährung.
Hektor war unterdessen in das Haüs des Paris gekommen. Er fand den Bruder im Frauengemach, wußte ihn aber durch Scheltworte dahin zu bringen, daß er sich zu rüsten und mit in den Kampf zu ziehen versprach.
Wahrend Paris sich wöffnete, eilte Hektor in sein Haus, um nach seinem Weibe und Söhnlein zu schauen. Aber Ändromache war nicht daheim. Sie war nach dem Thore geeilt, um dort von einem Turme aus das Schlachtfeld zu schauen, denn sie hatte gehört, daß die Trojaner in Bedrängnis wären. — Als aber Hektor ihr nacheilte, kam sie ihm unterwegs schon entgegen. Mit stillem Lächeln betrachtete der Vater feinen Knaben; Ändromache aber trat dem Gatten unter Thränen zur Seite, ergriff feine Hand und sprach: „Böser Mann, gewiß bringt dein Mut dir noch den Tod. Ach, gedenke doch meiner und deines lallenden Kindes und bleibe hier! Den Vater und sieben Brüder hat mir schon der Krieg getötet: du bist mir je|t alles. Erhalte mir dein Leben, ohne welches auch das meinige mir ohne Wert ist." Liebevoll antwortete Hektor: „Wohl fühl ich all das Weh deines Herzens, aber mich jammert auch das Elend meines Volkes. Schämen müßte ich mich ja vor den Männern und Frauen Trojas, wollte ich wie ein Feiger innerhalb der Mauern weilen. Mein Mut treibt mich, in den vordersten Reihen zu streiten. Zwar weiß ich, daß der Tag kommen wird, wo Troja in den Staub sinkt und Priamos samt all feinem Volke: aber all dieses geht mir nicht so tief zu Herzen, als wenn ich bedenke, daß dich deremst einer der erzgepanzerten Griechen als Sklavin mit sich schleppen wird. Möge der Grabhügel mich decken, ehe mir dein Jammergeschrei in das Ohr dringt." Dann streckte er die Arme nach dem Knäblein aus. Das Kind aber schrie, denn es fürchtete sich vor dem flatternden Helmbufch. Da kgte der Vater den Helm auf den Boden; dann küßte er das liebe Böhnchen, schaukelte es sanft in den Armen und flehte zum Himmel empor: „O ihr Götter, laßt diesen Knaben heranwachsen zu einem kraftvollen Helden und mächtigen Fürsten in Troja, und wenn er einst heimkehrt aus dem Streit, dann möge
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das Volk ausrufen: Der ist noch tapferer als sein Vater." Nach diesen Worten gab er das Kind der Mutter, streichelte ihr die Wange und sprach: „Armes Weib, gräme dich doch nicht allzu sehr! Nichts werden die Feinde über mich vermögen, wenn es nicht Beschluß der Götter ist: seinem Schicksal aber ist noch kein Sterblicher entronnen. Gehe zurück ins Haus und überwache die Dienerinnen. Das Geschäft des Krieges aber gebührt Trojas Männern und mir vor allen am meisten."
Dann ging er. Andromache aber sah ihm noch lange nach, und heiße Thränen flössen ihr von den Wangen. — Am Thore traf Hektor seinen Bruder Paris, der sich unterdes auch gerüstet hatte, und schnellen Schrittes eilten sie beide zum Kampfplatz.
9. Als Hektor wieder auf dem Schlachtfelde erschien, trat er alsbald zwischen die kämpfenden Heere. Sogleich ruhte der Streit auf beiden Seiten. Hektor aber rief mit lauter Stimme: „Höret mich, Trojaner und Griechen! Unser Schwurbündnis haben die Götter vereitelt, und unser Zwist ist nicht geschlichtet worden, wie wir es hofften. So wollen wir denn einen neuen Zweikampf bestimmen, der dem weiteren Blutvergießen jetzt ein Ende mache. Wohlauf, ihr Griechen, sendet den tapfersten eurer Helden her, um mit mir zu kämpfen! Überwindet er mich, so möge er meine Waffen und Rüstung mit sich zu den Schiffen nehmen, meinen Leichnam aber liefere er den Trojanern zurück, damit ihm die Ehre des Scheiterhaufens erwiesen werden kann. Dasselbe verspreche ich meinem Gegner, falls die Götter mir den Sieg gewähren."
Da traten neun der Griechenhelden hervor und erboten sich zu dem Kampfe. „So möge das Los entscheiden, wer zu dem ruhmvollen Streite der tauglichste ist," sprach der weise Nestor. ‘ Jeder warf ein Los in den Helm Agamemnons, Nestor schüttelte, und heraus sprang das Los des gewaltigen Ajas. Freudig waffnete sich der Held, und bald stürmte er mächtigen Schrittes dem harrenden Hektor entgegen. Die Griechen frohlockten bei seinem Anblick, die Trojaner aber zitterten, als er daher kam, in der Linken den ehernen Schild, der mit sieben Stierhäuten bezogen war. „Jetzt sollst du erfahren," sprach er drohend zu Hektor, „daß es im Heere der Griechen noch Helden giebt, wenn auch der löwenherzige Achilleus müfftg bei den Schiffen liegt. Wohlan, beginne den Kampf!"
Hektor entsandte in hohem Schwünge die Lanze. Sie fuhr dem Ajas in den Schild, durchdrang sechs der ledernen Schichten und ermattete erst in der siebenten Haut. Jetzt sauste die Lanze des Ajas durch die Lust: sie fuhr durch Hektars runden Schild und durchschnitt seinen Leibrock; doch drang sie ihm nickt ins Fleisch, da er sich geschickt zur Seite bog. Hieraus zogen beide die Lanzen aus den Schilden und rannten damit wie blutgierige Löwen aufs neue gegen einander. Hektor stieß mitten aus den Schild des Ajas, aber feine Lanzenspitze bog sich krumm und durchbrach das Erz nicht. Ajas jedoch durchbohrte den Schild des Gegners und verwundete ihn am Halse, daß das Blut ihm auf den Panzer rann. Gleichwohl ließ Hektor nicht ab vom Kampfe. Er wich nur ein wenig
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Der alte Nestor aber erinnerte den Agamemnon an den noch fortdauernden Zwist mit Achilleus. Agamemnon bekannte: „Es ist wahr, ich habe gegen den tapfern Sohn des Peleus gefehlt; aber ich will mein Unrecht gern gut machen." Und er versprach, dem Achilleus die reichsten Geschenke zu bieten, wenn er von seinem Zorn ablassen wollte. Mit dieser Botschaft wurden sogleich Ajas und Odysseus nach dem Zelte des Achilleus abgesandt.
Sie fanden ihn, wie er auf der Leier spielte und dazu die Siegesthaten der alten Helden sang. Bei ihm saß sein unzertrennlicher Freund Patroklos und horchte dem mächtigen Liede. Aus das freundlichste wurden die Boten von Achilleus aufgenommen, und Patroklos trug einen großen Krug Weines herbei,'sie zu bewirten. Als sie aber ihren Auftrag ausrichteten und ihn baten, zu dem Heere zurückzukehren, erwiderte der grollende Held: „Seitdem Agamemnon mich so bitter gekränkt hat, gelüstet mich nicht mehr nach dem Kampfe. Morgen schon ziehe ich meine Schiffe ins Meer und rüste sie zu der Heimfahrt. Zu Hause finde ich so viel Güter aufgehäuft, daß ich der Geschenke des verhaßten Agamemnons nicht bedarf. Auch euch anderen rate ich: segelt ab mit euren Schiffen, ehe Hektor sie verbrennt. Das hohe Troja, das von Zeus mächtig beschützt wird, werdet ihr doch nimmer bezwingen."
Die beiden Abgesandten kehrten zu der Versammlung der Fürsten zurück. Als diese des Achilleus Antwort vernahmen, verstummten sie, und schwere Sorge um das, was die nächsten Tage bringen würden, überkam ihre Herzen.
11. Am nächsten Morgen begann der Kampf von neuem, und von Agamemnon und Hektor geführt, stürmten die Völker wieder gegen einander. Furchtbar war das Getümmel, furchtbar das Gemetzel; wie Wölfe tobten die Streiter.
Wieder neigte sich der Sieg auf die Seite der Trojaner. Die meisten der Griechenfürsten müßten sich verwundet in das Lager zurückbegeben. Selbst Agamemnon, Diomedes und Odysseus kamen nicht ohne Wunden davon. Vergeblich bemühte sich Ajas, dem andrängenden Feinde zu wehren; auch er mußte endlich vor der Übermacht fliehen.
Schon bis zur Mauer des griechischen Lagers waren die Trojaner vorgedrungen; schon begannen sie den Graben zu durchschreiten, und schon unterwühlten sie' den Grund der Mauer und klommen an dieser in die Höhe. Plötzlich krachte auch das wohlverriegelte Thor aus unter der Wucht eines riesigen Felsblockes, den der gewaltige Hektor dagegen geschleudert hatte. Furchtbar stürmten nun die Feinde durch das Thor und Über die beschädigte Mauer herein. Entsetzen kam über die Griechen: in wirren Haufen flohen sie nach ihren Schiffen zurück.
Ajas sprang von einem Schiffsverdeck auf das andere, eine zweiundzwanzig Ellen lange Schifferstange in den Fäusten schwingend, und schrie mit schrecklicher Stimme zu den Griechen hinab, daß sie stand hielten. Aber wie ein grimmiger Adler auf einen Schwarm von Kranichen losschießt, so stürzte Hektor geradeswegs
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Sieger setzte er Rosse, Maultiere, mächtige Stiere, Sklavinnen, Trinkschalen und Harnische, dazu lauteres Gold als Preise aus. Die Spiele bestanden in Wagenrennen, Faustkampf, Ringen, Schnelllauf, Bogenschießen und Spe'erwurs.
Aber noch immer war der Schmerz des Achilleus um den Tod des Patroklos nicht gestillt. Schlaflos verbrachte er einen Teil der Nacht auf seinem Lager; dann sprang er plötzlich auf und eilte im Dunkel nach dem Meeresstrande, wo er lange unstät umherschweifte. Am frühen Morgen kehrte er zurück, schirrte seine Rosse vor den Wagen, band Hektors Leichnam wieder hinten «daran und schleifte ihn dreimal um des Freundes Grabhügel. Doch Apollon, der Schutzgott des toten Trojanerhelden, bewahrte den Leib vor aller Entstellung. — So mißhandelte Achilleus auch an den folgenden Tagen den erschlagenen Hektor.
Der greise Priamos saß unterdessen voll Trauer und Herzeleid in seinem Palaste. Unaufhörlich weinte er um den geliebten Sohn. Da hatten die Götter Mitleid und gaben dem unglücklichen Manne Mut ins Herz, daß er sich entschloß, in das Lager der Griechen zu gehen und mit reichen Geschenken Hektors Leiche von Achilleus auszulösen. Von Hermes, dem Götterboten, geleitet und beschirmt, fuhr er bei einbrechender Nacht unbemerkt mitten durch das griechische Lager vor das Zelt des Peliden. Dieser faß nach beendeter Abendmahlzeit am Tische und schaute düster vor sich nieder, jobaß er des eintretenden Greises nicht sogleich gewahr ward. Da umschlang ihm auf einmal der alte König die Kniee und küßte ihm die Hände, die ihm so viele Söhne erschlagen hatten. „Göttergleicher Achilleus," sprach er flehend, „gedenke deines Vaters, der alt ist wie ich, vielleicht auch bedrängt von feindlichen Nachbarn, in Angst und ohne Hülfe. Aber er weiß doch, daß ihm noch ein tapferer Sohn lebt, und von Tag zu Tage darf er die Hoffnung nähren, ihn aus dem Lande der Trojaner heimkehren zu sehen. Ich jedoch bin ganz ohne Trost. Fünfzig Söhne hatte ich, als ihr in mein Land kamt; der meisten von ihnen bin ich in diesem Kriege beraubt worden und zuletzt durch dich des einzigen, der die Stadt und uns alle noch zu schirmen vermochte. Für ihu, sür meinen Hektor bin ich zu dir gekommen, um ihn loszukaufen mit reichem Löfegelde. Scheue die Götter, Achilleus, gedenke des eigenen Vaters und erbarme dich mein! Muß ich doch dulden, was noch kein Sterblicher erduldet: denn ich drücke die Hand an meine Lippen, die meine Kinder gemordet hat."
Diese Worte drangen dem edlen Achilleus tief ins Herz. Sanft faßte er den Greis bei der Hand, und Thränen der Wehmut entflossen seinen Augen um den abwesenden Vater und um den dahingeschiedenen Freund. Endlich ermannte er sich wieder, hob den Greis auf und sprach zu ihm tröstende Worte. Darauf eilte er hinaus vor die Zeltthüre, ließ die Lösegeschenke vom Wagen des Priamos nehmen und befahl den Dienern, daß sie den Leichnam Hektors wüschen, salbten und in reine Decken hüllten. Er selbst legte ihn ans ein untergebreitetes Lager und ließ ihn dann aus den Wagen heben.
Westermann, Unterstufe des Geschichtsunterrichts. g
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Zauberin Kirke. Ilm das Haus her lagen Wölfe und Löwen; die sprangen beim Anblicke der fremden Männer auf und kamen, freundlich mit ihren langen Schweifen wedelnd, zu ihnen heran: es waren, wie sich später herausstellte, lauter Menschen, die durch die Kraft der Zauberin in Tiere verwandelt worden waren.
Als die Griechen bei dem Palast angekommen waren, scholl ihnen lieblicher Gesang entgegen: Kirke, in ihrem Gemach am Webstuhl beschäftigt, sang zu ihrer Arbeit ein reizendes Lied. Lauschend standen die Männer eine Weile da; dann gaben sie durch Rufen ihre Ankunft kund. Sofort öffnete sich die strahlende Pforte und die schöngelockte Nymphe lud mit freundlichen Worten die Fremden zum Eintritt in das Haus. Diese folgten der Einladung und tranken von dem Wein, in den Zauberkräuter gemischt waren. Alsbald berührte Kirke sie mit dem Stabe und sie waren in borstige Schweine verwandelt, nur der menschliche Verstand war ihnen geblieben. Die Zauberin ließ sie nun von ihren Dienerinnen in Ställe sperren, wo ihnen Eicheln und Buchnüsse zur Nahrung vorgeworfen wurden. Nur einer von ihnen, der außerhalb des Palastes stehen geblieben war, entfloh und brachte dem Odysseus die schreckliche Kunde.
Sogleich machte sich dieser auf den Weg. Nicht fern von dem Palaste begegnete ihm der Gott Hermes in der Gestalt eines zarten Jünglings.' Der gab ihm ein Wunderkraut, um ihn gegen den Zauber der Kirke zu schützen. Zugleich erteilte er ihm noch den Rat, in dem Augenblicke, wo die Zauberin ihn mit ihrem Stabe berühren würde, mit dem Schwert auf sie einzudringen, als wollte er sie ermorden. Darauf verschwand der Gott zu den Höhen des Olympos.
Odysseus aber begab sich nach dem Palaste der Kirke, wo er freundliche Aufnahme fand. Die Nymphe führte ihn zu einem prächtigen Sessel und reichte ihm in goldener Schale ihren Zaubertrank. Als der Held die Schale ohne Zögern geleert, berührte sie ihn mit ihrem Stabe und sprach: „Nun fort mit dir zu deinen Genossen in den Schweinestall!" Aber Odysseus blieb unverwandelt und drang mit gezücktem Schwert auf die Zauberin ein. Diese warf sich zitternd zu seinen Füßen und rief: „Wer bist du, Gewaltiger, daß du der Kraft meines Zaubers widerstehst? Bist du vielleicht Odysseus, von dem mir Hermes verkündet hat, daß er ans seiner Rückfahrt von Troja hier einkehren werde? O, dann stecke dein Schwert in die Scheide und laß uns Freunde sein." — „Ich bin Odysseus," erwiderte dieser, „aber ich werde mein Schwert nicht eher einstecken, als bis du mir feierlich schwörest, daß du keine Tücke mehr gegen mich ersinnen willst und mir die trauten Gefährten aus ihrer Schmach erlösest."
Kirke gelobte es. Dann ging sie mit Odysseus hinaus in den Stall, trieb die Schweine heraus und bestrich sie mit einem Saft. Sogleich legten die Tiere die borstige Hülle ab und wurden wieder zu Männern. Darauf wurden sie gebadet, mit Öl gesalbt und herrlich gekleidet. — Nun begann auf der Insel ein fröhliches Leben, da Kirke und ihre Dienerinnen nur darauf bedacht waren, ihren
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gefürchtet, so glückliche Tage verlebt hatte. Während er in Nachdenken versunken dasaß, kam noch ein Bettler, namens Iros, in den Saal, der schon seit längerer Zeit gewohnt, hier täglich mit dem besten Erfolg einzusprechen. Er ward unwillig, einen andern Bettler an seinem Platze zu sehen, stieß den Odysseus zurück und drohete ihm mit Faustschlägen. „Laßt die Bettler kämpfen," riefen die Freier, „das wird ein ergötzliches Schauspiel sein!" — „Dem Sieger einen fettgebratenen Ge'ißmagen!" riefen wieder einige. Iros jedoch, so sehr ihn nach der fetten Wurst gelüstete, hätte gern auf den Zweikampf verzichtet, wenn die Freier ihn nicht durch Drohungen gezwungen hätte. So erhoben beide ihre Arme zum Angriff. Zuerst schlug Iros auf den Gegner los und traf ihn auf die rechte Schulter. Aber sogleich erhielt er von Odysseus einen so kräftigen Faustschlag an die Kinnlade, daß ihm ein dunkler Blutstrom aus dem Munde schoß und er mit jämmerlichem Geschrei zu Boden stürzte. Odysseus schleifte ihn in den Hof hinaus und setzte ihn dort in eine Ecke.
Die Freier setzten ihr Gelage bis zum späten Abend fort. Obgleich Odysseus den Faustkampf so rühmlich bestanden, so konnten sich doch die übermütigen des Spottes gegen ihn nicht enthalten. Namentlich Antinoos und Eurymachos, die vornehmsten unter ihnen, verübten gegen ihn den rohesten Mutwillen. Endlich ermahnte Telemachos die Schwelger zum Aufbruch, da die Stunde der Nachtruhe gekommen, und ein jeglicher ging in seine Wohnung. — Als die Freier fort waren, trugen Odysseus und Telemachos alle Waffen, die an den Wänden des Saales hingen, hinweg in ein anderes Gemach. Dann begab sich der Jüngling zur Ruhe; Odysseus aber erwartete seine Gattin Penelope, was sie ihm durch den treuen Eumäos hatte ankündigen lassen.
Schön wie die holde Göttin Aphrodite trat sie in den Saal. Tiefbewegt stand der vielgeprüfte Held der geliebten Gemahlin nach der langjährigen Trennung gegenüber, aber er durfte sich ihr dennoch nicht entdecken, wenn er nicht alles aufs Spiel setzen wollte. Er suchte sie durch eine erdichtete Erzählung zu trösten, die er mit dem feierlichen Eidschwur schloß, daß der Entsernte in kurzer Frist heim-gelangen und an den Freiern Rache nehmen werde.
13. Als die rosensingrige Morgenröte den neuen Tag heraufführte , füllten sich die weiten Hallen der Königsburg wieder mit
den ungebetenen Gästen. Aufs neue begann der Schmaus. Odysseus,
den Telemachos an einen besonderen Tisch gesetzt hatte, war neuen Mißhandlungen durch die übermütigen Freier ausgesetzt. — Am Nachmittage trat Penelope, von ihren Dienerinnen begleitet, in den Saal. Sogleich ward es still in der lärmenden Schar, und die
Fürstin sprach: „Höret mich an, ihr Freier, und vernehmet das
Probestück, das der bestehen muß, welcher mich als Gattin erlangen soll. Hier ist der Bogen des Odysseus. Ihm war es ein Leichtes, mit demselben einen Pfeil durch die Locher von zwölf hinter einander aufgestellten Äxten zu schießen. Wer von euch das Gleiche leistet, dem werde ich als Gemahlin folgen in sein Haus,
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