§ 40. Kaiser Maximilian I. § 41. Die großen Entdeckungen. 69
stand, der das rechte Wort zu finden, die angemessene That zu vollbringen imstande war.
§ 40. Kaiser Maximilian I.
Nachdem im Jahre 1493 Kaiser Friedrich Iii., ein schlaffer, unthätiger Regent, gestorben, folgte ihm sein Sohn Maximilian I. 1493 (1493 — 1519). Von hervorragender geistiger und körperlicher bis Bildung, erweckte dieser auch beim Volke sehr beliebte Kaiser noch -) 9 einmal große Hoffnungen für die Besserung der Zustände im Reich.
Aber es zeigte sich bald, daß sein Interesse nicht sowohl diesem als der Gründung und Förderung habsbnrgischer Hausmacht galt. („Alles Erdreich Ist Ostreich Unterthan!). Dazu boten ihm vortreffliche Gelegenheit: 1. seine erste Heirat mit Maria, Tochter Karls des Kühnen (vgl. § 39) von Burgund; 2. seine zweite Heirat mit einer mailändischen Prinzessin; 3. die Heirat seines Sohnes Philipp mit einer spanischen Königstochter. —
Die große, beständig zunehmende Türkengefahr veranlaßte in diefer Zeit mehrere patriotische Männer (z. B. den Erzbischof Berthold von Mainz), auf Mittel zu sinnen, durch welche das Reich gekräftigt würde. Zunächst suchten sie ein beständiges Reichsregiment, bestehend aus Gliedern des Fürstenstandes, zu errichten. Da ihnen das nicht sogleich gelang, so brachten sie wenigstens das zuwege, daß ein ewiger Landfriede 1495 1495 angefetzt ward, in welchem für alle Zeiten die Fehden verboten wurden. Ebenfo errichtete der Kaiser ein Reichskam me r-gericht. Zur Erhaltung desselben diente eine allgemeine Reichssteuer, der gemeine Pfennig. Und um eine geordnete Verwaltung des Reiches hinfort zu ermöglichen, wurde das ganze Reich (mit Ausnahme von Böhmen und der Schweiz) in Kreise eingeteilt, deren es zunächst 6, dann 10 gab.
Auch durch andere Einrichtungen, wie z. B. die des Post-wesens, ist die Regierung Maximilians vorteilhaft ausgezeichnet.
§ 41. Die großen Entdeckungen.
Gegen das Ende des Mittelalters wurde der Schauplatz der Geschichte bedeutend erweitert durch die großen Entdeckungen. Die Portugiesen hatten es sich zur Aufgabe gestellt, da durch die Os-manen die Laudverbiuduug mit Ostindien vielfach gestört wurde, einen Seeweg nach diesem Lande zu finden. Sie richteten daher
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mehr bekannt ist, als in ihren einfachen Thatsachen. Wir folgen dieser sagenhaften Geschichte, wie sie sich im fünfzehnten Jahrhundert immer fester gebildet und doch mit dem ältesten deutschen Sagenstoff vermischt hat. Erst im sechszehnten Jahrhundert fand die überlieferte Geschichte ihre Berichterstatter, die sich vielfach nur an die wirkliche Geschichte anlehnt, ohne ihr völlig treu zu sein. Ihr gehöre zunächst ein kurzer Blick.
Die Schweiz gehörte seit Konrad Ii. zum deutschen Reiche (1033), da er sie nach dem Tode des Burgunderkönigs, Rudolf Iii., mit dem Burgunderreiche an sich riß. Später stand die Schweiz lange Zeit unter der Verwaltung der Zähringer (heute in Baden). Doch machten sich mancherlei Wirren geltend, da viele weltliche und geistliche Herren neben Freistädten und freien Landgemeinden dort Besitz hatten. Unter ihnen ragten die Habsburger hervor, und die habsburgischen Grafen im Aargau sandten Landvögte in ihre Besitzungen der Waldstätten Schwyz, Uri und Unterwalden, um die Gerichtsbarkeit auszuüben.
Kaiser Friedrich Ii. erhob Uri und Schwyz zu Reichsvogteien, wodurch sie unmittelbar unter Kaiser und Reich standen, und es erscheint natürlich, daß auch Unterwalden sich von der gräflich habsburgischen Vogtei loszumachen suchte, um unter das Reich zu kommen. Als aber Rudolf von Habsburg deutscher Herrscher wurde, war er oberster Vogt und Reichsherr zu gleicher Zeit und wählte die Landammänner (Vögte) unter den Schweizern selbst, so daß sie nur von ihresgleichen gerichtet wurden. Die Waldstätten schlossen nach seinem Tode einen ewigen Bund (1291), und Adolf von Nassau hatte ihnen die von Kaiser Friedrich Ii. verliehenen Rechte bestätigt. Albrecht J. that das freilich nicht, ließ aber gleich seinem Vater Rudolf das Land von Schweizern verwalten, und sicher knüpft sich an Albrechts Bestreben, durch persönlichen Besitz der Schweiz seine Hausmacht zu vergrößern, die sagenhafte Geschichte von der Unterdrückung des edeln Schweizervolkes und dessen Befreiung.
Albrecht, so wird berichtet, ließ den Waldstätten sagen, sie thäten gut, sich unter den mächtigen und erblichen Schutz des Hauses Oesterreich zu begeben. Er liebe das tapfere Volk der Schweizer und wollte sie gern als seines Hauses liebe Kinder wissen. Ihm zu widerstehen, seien sie ohnedies zu schwach. Aber die Schweizer begehrten bei ihren alten Rechten und beim Reiche zu bleiben.
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Maximilian I. 221
überwältigt. Im Westen hatte Karl der Kühne, Herzog von Burgund', Elsaß und Lothringen an sich gerissen; er griff auch die Schweizer an, fand aber im Kampfe mit ihnen seinen Tod. Seine Tochter Maria war mit des Kaisers Sohne Maximilian vermählt; dieser rettete von dem burgundischen Erbe die Niederlande und die Freigrafschaft Burgund, während das eigentliche Burgund (die Bourgogne) an Frankreich kam.
b. Maximilians Persönlichkeit und auswärtige Beziehungen. Maximilian, Friedrichs Iii. Sohn und Nachfolger, war von wahrhaft königlichem Anstande und befaß eine unglaubliche Körperkraft. Er war freundlich und geistreich, in Künsten und Wissenschaften wohl erfahren, und redete fast alle damals in Europa übliche» Sprachen. In allen ritterlichen Künsten war er Meister; daneben verstand er aber auch die Kunst, Harnische zu schmieden und Geschütze zu bohren und ist oft mit dem Speer auf der Schulter vor seinen Landesknechten hergezogen. Seinen Mut bewies Maximilian bei jeder Gelegenheit: auf der Jagd, im Turniere (Reichstag zu Worms) und auf dem Schlachtfelde. Eine seiner liebsten Beschäftigungen war die Gemsenjagd, weil sie die gefährlichste ist. Da verkletterte er sich oft so, daß ihm niemand mehr zu folgen vermochte: ja, einmal konnte er nicht wieder zurückfinden und hätte verhungern müssen, wenn nicht zur rechten Zeit Bergleute herbeigeeilt wären.
Maximilian hat viele Kriege geführt, war aber in denselben nicht glücklich f er wußte den Wert des Geldes nicht zu schätzen; auch unterstützten ihn die Reichsfürsten zu wenig, so daß er einst mit Recht sagte:
„Ich herrsche über Könige; denn meine Fürsten gehorchen nur so viel, wie ihnen beliebt." Nur 0egen die Türken hatte er einigen Erfolg.
Diese suchten weiter westwärts zu bringen; Ungarn und die östreichischen Erblande beunruhigten sie bereits. Aus letzteren vertrieb sie Maximilian; bagegen mußte er bulben, daß die seit dem Untergänge der Hohenstaufen zu Republiken geworbenen norditalienischenstadte von Franzosen und Spaniern besetzt würden. Auch der Versuch Maximilians, die Schweizer wieder unter die Botmäßigkeii des Reiches zu bringen, schlug fehl. Glücklich war er borin, die Macht des Hauses Habsburg durch Heiraten zu vergrößern. Seinen Sohn Philipp vermählte er mit Johanna, der Tochter des Königs Ferbinanb von Aragonien und der Königin Isabella von Kastilien (S. 230). Aus biefer Ehe entsprossen zwei Söhne, Karl und Ferbinanb. Karl vereinigte später Aragonien und Kastilien zu dem Königreiche Spanien; er ist berselbe, welcher als deutscher Kaiser 1521 den Reichstag zu Worms abhielt. Sein Bruder Ferdinand wurde durch Heirat König von Ungarn und Böhmen.
c. Maximilians Sorge für Ruhe und Ordnung im Innern. Für die inneren Zustände Deutschlands war Maximilians Regierung von großem Segen. Schon oft war für eine Reihe von Jahren ein allgemeiner Landfrieden angeordnet: auf dem ersten Reichstage Maximilians, zu Worms, wurde der Landfrieden für ewige 1495 Zeiten festgesetzt. Jede Selbsthülfe war damit verboten, also das seit
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Maximilian.
83
13. Maximilian; 14931519.
a. Die nchsten Vorgnger Maximilians. Auf Sigismund folgte 1438 sein Schwiegersohn Mbreckt H. Von nun an blieb die.kaiser- > wrde bis zu i^rem "Trlfchen beim Hause Ostreich. /o / Albrecht starb schon im folgenden Jahre, und ihm folgte sein Vetter gjuxkxidhk (14401493). Er war seiner Aufgabe durchaus nicht gewachsen, so da das Reich nach innen wie nach auen in Verfall geriet.
Die grte Gefahr drohte durch die Diese waren__nack..^Li_
Eroberung Kleinasiens, schon im 1!. Iayryunoen nah Europa bergesetzt und htten die aan^e stliche..Hglbinsel. bis.an die Donau erobert: nur Konstantinopel mit einem kleinen Gebiete widerstand noch. S i gi s in un d erlitt 1396 bei Nikopo lis an der unteren Knau durch die Trken eine blutige Niederlage, infolgedessenjb&tiim- an sie verloren gina. Der Sultan Mohammed Ii. griff sogar Konsta.ytinopel an und eroberte es 1453
trotz heldenmtiger Verteidigung. Der letzte griechische Kaiser, Konstantin,--
fiel kmpfend auf den Wallen seiner Hauptstadt; Konstantinopel ward der tz des Sultans, die, sch ne. Sophienkirche eine Moschee. Das ganze Abenmm erschrak 5er diese Nachricht; aber zu einem aeminsamen Kampfe zur Vertreibung der Unglubigen vermochte man sich nicht auf-zraffen. Im Norden aina Holsiein.au Dnemark verloren: das deutsche ^rdensland wurde von den Polen unterworfen. Im Wmn hatte Karl J
i dtt"ku_hn*c, Herzog von.....Burgund. Elsa und Lotbringen an sich ge-
rtjien; et griff auch die Schweizer an, fand aber im Kampfe mit ihnen seinen Tod. Seine Tochte7maria war mit des Kaisers Sohne Mari-mili an vermhlt; dieser rettete von dem burgundischen Erbe dte Je1eoer l an d e und die Kr e i grafsckaft Burg u nd, während das eigentliche Burgund (die Bourgogne) an Frankreich kam.
b. Maximilians Persnlichkeit und auswrtige Beziehungen. Maxi-milian, Friedrichs Iii. Sohn und Nachfolger, war von wahrhaft kniglichem Anstnde und besa eine unglaubliche Krperkraft. Er war fmmsfich' und geistreich, in Knsten und Wissenschaften wohl erfahren und redete fast alle 'damals in Europa blichen Sprachen. In allen ritterlichen Knsten war er Meister; daneben verstand er aber auch die j^unft, Wrmfche zu schmieden und Geschtze W bohren. Seinen Mitjl, bewies Maximilian bei jeder Gelegenheit ', aus der Iafld, im Turmere (Reichstag zu Worms) und auf dem Schlachtfelde. Eine feiner"mwn" Beschftigungen war die Gemsenjagd, wen sie die gefhrlichste ist. Dabei verkletterte er sich oft so, da'ihm'niemand mehr zu folgen vermochte; ja, einmal konnte er nicht wieder zurckfinden und htte verhungern mssen, wenn nicht zur rechten Zeit Bergleute Herbeigeeilt wren.
Maximilian hat viele Kriege gefhrt, war aber in denselben nicht glcklich: er wute den Wert des Geldes nicht zu schtzen, auch unter-sttzten ihn die Reichsfrsten zu wenig, so da er eiust mit Alecht sagte: *Marsche der Könige; denn meine Fürsten gehorchen nur.soviel, wie ihnen beliebt." Nur gegen die Trken hatte er einigen Erfolg.
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Inhalt Raum/Thema: Deutsche Geschichte
472 Zweites Buch. Ii. Abschnitt: Bilder aus der Zeit der front u.stauf. Kaiser.
und Feind ihn gefallen oder im Ticino ertrunken wähnte, hatte sich Friedrich, um nicht in die Gewalt der Lombarden zu fallen, einige Tage in einem sicheren Verstecke verborgen gehalten: von dort war er jetzt, wo die Gefahr verschwunden, glücklich nach Pavia zurückgekehrt.
Die Schlacht bei Legnano mußte — das fühlte Freund und Feind —- in dem Gange der Ereignisse eine entscheidende Wendung hervorbringen; denn so wenig sie ihrem Umfange, der Zahl der Streiter und der Art des Kampfes nach eigentlich auf die Bedeutung einer Entscheidungsschlacht Anspruch machen konnte, so sehr wurde ihr doch eine entscheidende Bedeutung gegeben durch die Verhältnisse, unter denen sie eingetreten war und deren ganze eigentümliche Schwierigkeit erst durch sie recht zur Geltung gebracht wurde. So sehr nämlich die Mailänder und mit ihnen alle Lombarden triumphierten, vernichtet war die Macht des Kaiser doch noch nicht, und die Lombarden hatten doch noch keine Art von Sicherheit davor, daß nicht noch im Laufe desselben Sommers neue deutsche Heere auf ihrem Boden erscheinen und die eben gewonnenen Vorteile ihnen wieder entwinden würden, die siegreiche Schlacht bei Legnano also nur eine Wiederholung des auch in seinem Verlaufe ihr so ähnlichen Kampfes bei Carcano fein würde. So scheint man denn auch auf Seiten der Lombarden keineswegs von vornherein das Bewußtsein gehabt zu haben, einen Sieg erfochten zu haben, welcher den feit zwei Jahrzehnten geführten Kampf gegen Herrschaftsansprüche des Kaisers günstig entschied und die so lange bedrohte republikanische Freiheit für alle Zeiten sicher stellte: ja, wie man den gewaltigen Gegner bisher kennen gelernt hatte, mochte man damals im lombardischen Lager bei dem besiegten Kaiser nichts weniger voraussetzen als die Neigung, Frieden zu schließen oder gar die Bereitwilligkeit, denselben durch weitgehende Zugeständnisse zu erkaufen.
Ohne Zweifel traf diese Meinung auch völlig das Richtige. Denn so weit ans dem damaligen Auftreten Kaiser Friedrichs auf dessen Stimmungen und Absichten geschlossen werden kann, ist es als sicher anzunehmen, daß derselbe auch nach der Schlacht bei Legnano noch keineswegs von der Aussichtslosigkeit, geschweige denn gar der Unmöglichkeit ferneren Kampfes überzeugt war und durchaus nicht meinte, mit einem schleunigen Friedensschlüsse den einzig möglichen rettenden Ausweg zu wählen. Vielmehr war Kaiser Friedrich auch jetzt noch entschlossen, den Kampf fortzusetzen. In kurzer Zeit konnten die treuen Lombarden ihm neuen Rückhalt gewähren, in wenigen Wochen die deutschen Fürsten mit ihren reisigen Scharen herbeigeeilt fein und die wankende Sache des Kaisertums noch einmal stützen. In dieser Richtung augenscheinlich ging das Streben des Kaisers nach dem Tage von Legnano. Während die Lombarden auffallender Weise nichts thaten, um den soeben gewonnenen Sieg auszunutzen und erst recht fruchtbar zu machen, sondern in übermütiger Siegesfreude alles beendet wähnend heimzogen, ja nicht einmal daran dachten, den Kaiser in Pavia zu blokieren, was damals doch so leicht gewesen wäre, gelang es dem Kaiser, das seit den Verhandlungen von Moutebello schon neutral gebliebene Cremona durch ein neues Privileg (1176 Juli 29. Pavia), welches die Treue und den Gehorsam der Stadt rühmend anerkannte und alle den Cremonesen früher verliehenen Rechte und namentlich die Schenkung Cremonas und das Verbot des Burgenbaues
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Inhalt Raum/Thema: Deutsche Geschichte
12 Drittes Buch. I. Abschnitt: Bilder aus der äußeren Geschichte.
bestätigte die königlichen Lehen. Dann zog er den Rhein herab; am 24. Oktober ward er an feierlicher Stätte zu Aachen gekrönt.
Es war ein leichter und froher Zug glücklicher Ereignisse. Aber mit ihnen verknüpft sich die Erinnerung an folgenschwere, teils zum Abschluß gelangende, teils in Fluß kommende Veränderungen in der Verfassung des Reiches.
Bei der Wahl Rudolfs tritt zum erstenmal vollständig entwickelt das Kurfürstenkollegium als einziger Wahlkörper zu Tage; jede andere Beteiligung ist beseitigt, und wenn noch an Stelle des Rudolf feindlichen Ottokars von Böhmen Bayern zur Kur zugelassen erscheint, so ist doch noch unter Rudolf im Jahre 1290 Böhmen endgiltig an die vom Sachsenspiegel ihm, wenn auch unter Zweifeln, angewiesene Stelle gelangt.
Eine der wichtigsten Umwälzungen in der deutschen Verfassung war damit vollzogen: aus der aristokratischen Schicht der Fürsten hatte sich eine Oligarchie, eine Landesvertretuug der fürstlichen Gewalten gegenüber dem Könige, erhoben. Unbewußt gleichsam war sie erstanden, von niemand eigentlich als Ganzes gewollt oder gar in ihren einzelnen Teilen beabsichtigt. So mußte sie wohl tiefen und elementaren Entwicklungsbedürfnissen der Zeit entsprechen. Geht man von der Thatsache aus, daß im 12. Jahrhundert, vor der Entstehung des Kurfürstenkollegs, die Königswahlen vornehmlich von allen Fürsten gethätigt wurden, so stellt sich die Entwicklung des Knr-fürstenkollegs alsbald als eine Einengung allzu weit greifender Befugnisse der Fürsten auf einen kleineren Kreis, auf die mächtigsten Mitglieder der fürstlichen Genossenschaft dar. Es war zweifellos ein Fortschritt im nationalen Sinne: die Gefahr vieler Köpfe vieler Sinne ist bei den Wahlen seitdem vermieden worden, die Ära der Doppelwahlen war fast so gut wie völlig beendet. Und wichtig für die Nation nicht minder war, daß in dem engen Kollegium die Kolonialgebiete sehr stark mit Böhmen, Brandenburg, ja teilweise auch Sachsen vertreten waren. Eine solche Vertretung entsprach der Thatsache besonders großer Territorialgewalten im Osten; sie war aber auch geeignet, den dauernden Anschluß der Kolonialgebiete an das Mutterland zu gewährleisten. Nicht minder aber erscheint die Begründung des Kursürstenkollegs als nationaler Fortschritt, insofern seine Zusammensetzung aus weltlichen und geistlichen Elementen in Betracht kommt. Nach dem Abschlüsse des Fürstenstandes im ersten Jahrzehnt Kaiser Friedrichs I. hatten die geistlichen Fürsten überwogen; sollte ihnen für die Wahl des Reichsoberhauptes dauernd die Mehrheit gebühren? Lag dann nicht die Gefahr nahe, daß kaiserliche Rücksichten überwogen, daß der König vornehmlich als künftig vom Papst zu krönender Kaiser gewählt ward, daß die staatskirchenrechtlichen Zwiste verewigt wurden? Im Kurfürstenkollegium war umgekehrt die Mehrheit auf Seiten der Laiensürsten; das nationale Interesse war gegenüber dem kirchlich-universalen gewahrt. So wurde das Kurfürstenkolleg ein wertvolles Organ der allmählichen Nationalisierung der Kaiserkrone und damit des deutschen Königtums; in diesem Sinne hat es schon bis zur Goldenen Bulle die wertvollsten Voraussetzungen einer rein nationalen Monarchie entwickelt. Und früh schon ahnte man diesen Zusammenhang. Es ist kein Zufall, wenn das deutsche Bürgertum, seit dem Zerfall des Reichs der
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Inhalt Raum/Thema: Deutsche Geschichte
14 Drittes Buch. I. Abschnitt: Bilder aus der äußeren Geschichte.
recht einzelner Fürsten zu gewissen Regierungsakten überzugehen. Und langsam grenzte sich der Kreis der zu befragenden Fürsten fast im Sinne des zukünftigen Kurfürstenkollegs ab.
An diese Entwicklung knüpften die Kurfürsten nunmehr an. Sie beschränkten die bisher nur gewohnheitsmäßig fortgebildete Berechtigung auf ihren Kreis und machten sie zugleich unverbrüchlich: drc König wurde namentlich bei Verfügungen in Sachen der Reichsfinanzen unbedingt an die Zustimmung der Kurfürsten gebunden.
Mit dem Rückforderungsrecht des seit dem Jahre 1245 verliehenen Reichsgutes wie mit der Anerkennung des kurfürstlichen Zustimmungsrechtes traten immerhin bedeutsame Änderungen der alten Verfassung des Reiches ins Leben; die finanzielle Rekonstruktion des Königtums wurde zugelassen, aber nur unter föderativer Beschränkung seiner Vollstreckungsgewalt. War nun aber anzunehmen, daß die Einforderung des seit 1245 verliehenen Reichsgutes sich ohne Widerspruch werde durchsetzen lassen? Gesetzt auch, daß die Vergabungen geringerer Reichsteile sich rückgängig machen ließen: wie stand es mit Siegel Rudolfs von Habsburg. der Rückgabe des staufischen Gutes, das an
Ludwig von Bayern gelangt war, und wie sollten die österreichischen Lande, die König Ottokar sich angeeignet - hatte, wieder eingebracht werden? König Rudolf überließ das staufische Gut dem Bayern, seinem Schwiegersohn, nnverweilt aber rüstete er sich zu einer gewaltsamen Wiedereinforderung des großen Nachlasses der österreichischen Herzöge an der Donau; er wußte wohl, daß ein Kampf mit der drohenden böhmischen Macht für ihn, wollte er anders herrschen, nicht zu vermeiden war, und er begriff, daß erst der Erwerb der österreichischen Lande seiner jungen Würde eine wirklich königliche Bedeutung werde geben können.
König Ottokar, lange Zeit hindurch Günstling der Kurie, glaubte auch tmch der Wahl Rudolfs sich noch päpstlicher Unterstützung sicher. In diesem Sinne schrieb er dem Papst Gregor X. geringschätzig über die Person des neuen Königs: man habe irgend einen minder geeigneten Grafen zur Krone befördert.
Rudolf seinerseits war nicht im Zweifel darüber, daß die Haltung der Kurie für den Erfolg feines Vorgehens gegen Böhmen von größester Bedeutung seilt müsse. Ob er auch einsah, wie sehr dem Papste bei der allgemeinen Weltlage daran liegen mußte, gerade ihn als den rechtmäßig gewählten Herrscher im ungestörten Besitz der Königsgewalt zu wissen? Jedenfalls kannte er die Kreuzzugsgedanken des Papstes. Er gab daher seinem Kanzler, der die Kurie die in würdigem Tone gehaltene Anzeige der Wahl und die Bitte um Verleihung der Kaiserkrone überbringen sollte, die Vollmacht mit auf den Weg, sich mündlich dahin zu äußern, der König werde sich zu einem Kreuzzug ins Heilige Land bereit finden lassen; auch nehme er in Aussicht, die der Kurie weiten Landbesitz überweisenden Privilegien früherer Kaiser, vor allem Friedrichs Ii., zu bestätigen.
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Inhalt Raum/Thema: Deutsche Geschichte
26 Drittes Buch. I. Abschnitt: Bilder aus der äußeren Geschichte.
Kaiser Friedrichs Ii., und bat, der Gewalt jener Grafen entzogen und reichs-frei zu werden. Was jener gestattete, um einen Anhang gegen den eigenen Vater zu gewinnen, bestätigte dieser nicht nur Uri, sondern auch Schwyz 1240, um Hilfe zur Bekämpfung jenes und des Papstes zu bekommen. Die Leute von Sarnen machten sich von selbst frei, und vergebens suchte der Papst auf Bitten der Habsburger sie wieder unter das alte Joch zu zwingen: sie blieben reichsfrei d. h. sie standen unmittelbar unter dem Könige und dursten sich ihre Grafen selbst wählen. Als nun der mächtigste Habsburger 1273 König wurde, bestätigte er Uri zwar sein Privilegium und gestattete ihm, den eigenen Landammann als königlichen Vogt anzunehmen, erklärte aber Schwyz als seiner Familie unterthänig. Je milder seine Herrschaft gewesen war, um so mehr fürchtete man, daß sein Sohn Albrecht gewaltsam verfahren werde; daher kam im August 1291 zwischen den Bewohnern der drei Waldstätte ein Bund zu stände, in dem sie sich gelobten, einander gegen jede Unbill beizustehen. Andererseits schlossen Uri und Schwyz wenige Monate später auf drei Jahre einen ähnlichen Bund mit Zürich. Von jetzt an mußten die Bewohner der Waldstätte, je nach den Verhältnissen, sich demütig fügen, aber sie suchten Freibriefe zu erlangen. Adolf von Nassau gab Uri und Schwyz solche, als er zu dem Kampfe gegen Albrecht rüstete; dieser verweigerte sie; doch ist von irgend einer grausamen oder auch nur gewaltsamen Handhabung des Vogteirechtes in der Geschichte nichts bekannt. Freilich bestätigte Heinrich Vii., ehe er nach Italien zog, jene früher gegebenen Freiheiten von neuem, und Unterwalden blieb ebenfalls reichsfrei; aber schon auf dem Römerzuge gab er Leopold von Österreich, als dieser ihm das ihm zugefügte Unrecht klagte, die Zusage, daß er nach der Heimkehr die Angelegenheit gründlich untersuchen und ihm zu seinem Rechte verhelfen werde. Allein er kehrte nicht wieder, vielmehr gab der erbitterte Kampf der Wittelsbacher mit den Habsburgern nach seinem Tode den Schweizern Gelegenheit, sich im Bunde mit jenen ihre Freiheit durch das Schwert zu sichern. Seitdem fehlte es nicht an Übergriffen auf beiden Seiten und an jenem nachbarlichen Haß, der sich durch Jahrhunderte vererbt und ungefähr seit 1470 zu einer sagenhaften Entstellung der Thatsachen geführt hat, die wegen ihres eigentümlich poetischen Reizes fast drei Jahrhunderte lang für Geschichte gegolten hat und aus diesem Grunde selbst in einer heutigen Weltgeschichte immer noch neben der nüchternen und weniger anmutigen Wahrheit ihre Stelle finden muß. Sie folgt deshalb hier in der Gestalt, welche sie von der ersten Erwähnung im „weißen Buche von Sarnen" (um 1470) bis zu Aegidius Tschudis Helvetischer Chronik (Tschndi starb 1572) erlangt hat. Dem letzteren haben fast alle späteren Darsteller, historische und poetische, ihren Stoff entnommen.
Die Bewohner der Waldstätte, heißt es, waren von Alters her frei und unabhängig, doch hatten sie sich freiwillig dem Reiche untergeordnet, damit der Kaiser sie schütze und bei ihnen die höchste Gerichtsbarkeit ausübe. Als er jedoch in einem Streite der Schwyz er mit dem Kloster Einsiedeln unrechtmäßig gegen jene entschied, sagten die Waldleute sich vom Reiche los und stifteten einen Bund zu gemeinsamer Abwehr aller Unbill. Von jetzt an wählten sie sich aus dem benachbarten Adel einen Schirmvogt, der
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Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Deutsche Geschichte
38 Drittes Buch. I. Abschnitt: Bilder aus der äußeren Geschichte.
gerichts in Schweizer Angelegenheiten nahmen die Eidgenossen für die zu einem Schadenersatz verurteilte Stadt St. Gallen Partei und erstritten 1499 im Bunde mit den Graubündnern gegen Maximilian und den schwäbischen Bund den Abschluß des Friedens zu Basel, durch welchen sie von Reichssteuern und den Entscheidungen des Reichsgerichts für immer losgesprochen wurden. Nur als „Verwandte" des Reiches sollten sie noch gelten, thatsächlich waren sie vollkommen unabhängig. Sie gehörten nicht mehr zu Deutschland, sondern zum Auslande.
3. Kart Iv. von Mhrnen.
L. Stacke, Deutsche Geschichte. 1. Band. 5. Aufl. Bielefeld und Leipzig 1892.
Unter den späteren deutschen Königen nimmt Karl Iv. eine hervorragendere Stelle ein. Schon zu Lebzeiten seines Vorgängers, Ludwigs von Bayern, war er gewählt worden, und es wäre zum Bürgerkriege gekommen, wäre nicht Ludwig der Bayer plötzlich gestorben.
Der Tod Ludwigs des Bayern hatte keineswegs die Anerkennung seines Gegners zur unmittelbaren Folge. Allerdings konnte die bayrische Partei nicht verhindern, daß Karl eine Art von Huldigungsreise durch das Reich machte und auch wirklich von mehreren Reichsstädten, die gern vom päpstlichen Interdikt befreit sein wollten, als rechtmäßiger König anerkannt wurde; dann aber ermannte sie sich und schritt in Oberlahnstein zu einer neuen Königswahl. Indes fand sich unter Karls Gegnern kein einziger, der hochherzig genug gewesen wäre, seine Person und seinen Besitz an die gute Sache zu wagen. Wie in der Zeit der tiefsten Erniedrigung Deutschlands kam man überein, einem fremden Fürsten, dem kriegstüchtigen Eduard Iii. von England die Krone anzubieten. Während man von dieser Seite eine Gesandtschaft nach England fertigte, ließ Karl durch den Markgrafen Wilhelm von Jülich dem König die Annahme jenes Antrages dringend widerraten. Bis die Antwort eintraf, mußten beide Parteien Ruhe halten, und Karl hielt es für geraten, in seinem gesicherten böhmischen Lande die Entscheidung abzuwarten.
Er wendete diese Wartezeit, wie man zugeben muß, in vortrefflichster Weise zur Hebung seines Erblandes an. Er gab den Befehl, die Hauptstadt Prag durch umfangreiche Bauten zu erweitern und stiftete am 7. April 1348 auf Grund eines päpstlichen Freiheitsbrieses eine Universität, die erste dieser wichtigen Kulturstätten in Deutschland. Etwas später ordnete er die Erbauung eines neuen königlichen Schlosses an, das an der Berann in einer waldreichen Gegend aufgeführt wurde, den Namen Karlstein empfing und nachmals besonders zur Aufbewahrung der böhmischen Kronschätze und der Kostbarkeiten des Königs diente.
Außerdem suchte er die Zahl seiner Anhänger zu vermehren und schloß mit dem österreichischen Herzoge Albrecht, welcher in der Opposition zu dem bayrischen Hause verharrte, ein Freundschafts- und Familienbündnis: seine Tochter Katharina ward mit dem österreichischen Prinzen Rudolf verlobt.
Inzwischen war auch die Antwort des englischen Königs eingetroffen.
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Extrahierte Personennamen: Maximilian Maximilian L._Stacke Karl_Iv Karl Ludwigs_von_Bayern Ludwigs Ludwig_der_Bayer Ludwig Ludwigs Karl Karl Karls Eduard_Iii Eduard Karl Karl Wilhelm Karl Karl Albrecht Albrecht Katharina Rudolf Rudolf
Extrahierte Ortsnamen: Basel Deutschland Bielefeld Leipzig Oberlahnstein Deutschlands England England Deutschland Karlstein
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6. Der erste Hohenzoller in der Mark Brandenburg. 73
von dieser, noch von jenem spricht die Urkunde mit irgend einem Wort, und es versteht sich, daß König Sigmund sich 1411 nicht mit einer Summe begnügt haben würde, die um das Fünffache geringer ist als diejenige, welche er vom Markgraf Jobst 1388 erhalten hat. Die Übertragung der Marken an die Hohenzollern ist vielmehr sachlich nichts andres, als die durch König Sigmund kraft königlichen Rechts erfolgte Ausleihung eines Kurlandes, auf das der Landesherr Markgraf Sigmund Verzicht geleistet hat; nur daß sich der König Sigmund aus Rücksicht für die Verwandten des Markgrafen Sigmund die Ausübung des Kurrechts noch vorbehält, die feierlichen Belehnungsformen zunächst noch hinausschiebt. —
Beinahe ein volles Jahr nach der Berufung Friedrichs sollte noch vergehen, ehe der erste Fürst aus dem Hause der Hohenzollern die Mark betrat. Am 21. oder 22. Juni 1411 ritt Burggraf Friedrich Vi. von Nürnberg, gefolgt von den Herzogen Rudolf und Albrecht von Sachsen,
dem Grafen von Schwarzburg und einer Anzahl fränkischer Ritter, unter
denen der Graf von Hohenlohe hervorragte, in die Stadt Brandenburg ein.
Noch vor der Ernennung hatte zwar König Sigmund den Edlen Wend von Jleburg in die Marken gesandt, und Friedrich hatte diese Sendung
Weuds als seines Unterhauptmannes noch zweimal wiederholt, damit derselbe die Huldigung für ihn einnehme und die Einlösung der verpfändeten Güter und Rechte beginne. Aber so fcharf und bestimmt Sigmunds und Friedrichs Geleitsbriese Gehorsam verlangten, so wenig konnte der Unterhauptmann ohne kriegerische Unterstützung, wie er war, solchen erzwingen. Man lachte vielmehr aller Befehle und verweigerte jede Herausgabe der Pfänder. „Gulde it Haut oder Fut, wy hebben die Schlote in vnser Hut, Hy schal vns nicht verjagen." Man verhöhnte den Burggrafen als „Tand von Nürnberg", und meinte, Kaspar Gans sei Markgraf genug, oder man hielt sich wohl noch an Herzog Suantibor von Pommern als den rechten, von Markgraf Jobst eingesetzten Landeshauptmann.
Es war in der That die höchste Zeit, daß der neue Landesherr sich frei machte von den Geschäften des Königs und selbst in den Marken erschien. Denn ohne die persönliche Anwesenheit des Landesherrn mußte in der That die Meinung entstehen, daß seine Ernennung eine so folgenlose fein werde wie die Jobstens und seiner Statthalter gewesen war. Und dem Burggrafen huldigen, ihm, der als erste Forderung die Einlösung der landesherrlichen Schlösser und Rechte stellte — was hieß es anders, als den eigenen Reichtum, die eigene Macht, das so trefflich begründete eigene Ansehen untergraben? Generationen hindurch war man aufgewachsen, ohne eine Obrigkeit zu fühlen, und sicher hatte man sich nur nach Maßgabe der eigenen Kräfte gefühlt. Sollte die Idee der Obrigkeit von neuem in den Vorstellungen der Menschen Platz greifen, so mußte diese erst wieder ihren Berns erfüllen, erst ein Verständnis ^ für diesen Beruf, das Gefühl staatlicher Zusammengehörigkeit in der Brust des Menschen wieder erwecken.
Burggraf Friedrich nun besaß den politischen Scharfblick und den staats-männischen Takt für die Bedingungen, unter denen in der Mark ein Staat geschaffen werden konnte, und wenn die Herstellung des Friedens der Zweck bei der Übergabe der Mark an ihn war, so ergab sich ihm, daß auch die
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