I
177
erdichtet und sprach sogleich den Bann der ihn ans. Der Kaiser aber, um zu zeigen, da er es mit dem versprochenen Kreuzzuge ernstlich meine, schiffte sich bald nach feiner Wiederherstellung nach Palstina ein. Jedoch vershnte er hierdurch nicht den Papst. Dieser erlie sogar an die Geistlichen und an die Ritterorden in Palstina die strengsten Befehle, den Kaiser nicht im Geringsten zu untersttzen, weil ein mit dem Fluche der Kirche Beladener des Kampfes fr die Sache Gottes un-wrdig sei. Allein Friedrich war in dem heiligen Lande glcklicher, als man htte erwarten sollen. Er schlo mit den Sa-racenen einen zehnjhrigen Waffenstillstand, in welchem ihm Jerusalem, Bethlehem und Nazareth ausgeliefert wurden, und fetzte uch in der Kirche des heiligen Grabes die Krone eines Kniges von Jerusalem aus.*) Schnell eilte er dann nach Italien zurck, vertrieb bort die Fewbe aus feinen Besitzungen und shnte sich auch mit dem Papste aus.
Bald hierauf brach in Deutfchlanb eine Emprung unter feinem eigenen Sohne Heinrich aus, der in des Vaters Abwesenheit Deutschland verwaltet hatte. Fr seine Untreue mute er nach Italien in einen Kerker wanbern, wo er sieben Jahre nachher starb. Aus bieses traurige Ereigni folgte balb ein frhliches. Friedrich war Wittwer und warb um die fchne Jfabella, Schwester des Kniges von England. Ohne Z-gern kam der Heirathsvertrag zu Stande. Der Kaiser lie durch den Erzbischof von Kln und Herzog von Brabant mit zahlreichem Gefolge feine Braut abholen. Ueberall wurde sie in Deutschland festlich empfangen, besonders aber in Kln-Zehntausend Brger, alle zu Pferde und festlich geschmckt, polten sie feierlich ein. Auch fuhren ihr Schiffe auf trockenem Lande entgegen. Es waren Wagen, wie Schiffe gebauet, mit Flaggen und Wimpeln, die Pferde waren in Purpurdecken verhllt. In den Schiffen saen Snger und lieen zu dem
) Dadurch wurde fortan der Titel König von Jerusalem" Erbtheil des deutschen Kaisers als solchen.
Weller' Wcltgesch. Il 25. Aufl. i o
I
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Extrahierte Personennamen: Friedrich Friedrich Heinrich Heinrich Friedrich_war_Wittwer Friedrich Weller
Extrahierte Ortsnamen: Palstina Palstina Gottes Jerusalem Bethlehem Nazareth Jerusalem Italien Deutfchlanb Deutschland Italien England Brabant Deutschland Jerusalem
156
und fand so großes Wohlgefallen an diesem schönen Beweise
von Liebe und Treue, daß er um der Frauen willen alle Män-
ner begnadigte.
47. Zweiter Kreuzzug (1137).
Eben wollte Konrad nach Italien ziehen, um dort die aus-
gebrochenen Unruhen beizulegen, als auf einmal die Schreckens-
nachricht aus Asien kam: Edessa, die Hauptstadt des gleich-
namigen Fürstenthums, fei von den Saracenen erobert und zer-
stört, sechs und vierzigtausend Einwohner erschlagen worden.
Eine allgemeine Bewegung ging durch die christlichen Länder;
denn Edessa wurde als die Vormauer Jerusalems angesehen.
Aber so groß auch die allgemeine Theilnahme war, so würde
dennoch ein neuer Kreuzzug nicht sobald zu Stande gekommen
sein, wäre nicht ein Mann aufgetreten, der die Seele der gan-
zen Unternehmung wurde. Das war der Abt Bernhard
von Clairvaux in Burgund. Schon in früher Jugend zeich-
nete er sich durch unermüdliche Thätigkeit und durch einen ein-
fachen, Gott ergebenen Sinn vor allen seinen Altersgenossen
aus. Gleichgültig gegen alle Ergötzlichkeit des Lebens floh er
das Geräusch der Welt und widmete sich einem beschaulichen
Leben. In einer wüsten Gegend des südlichen Frankreichs grün-
dete er das berühmte Kloster Clairvaux und lebte dort in
größter Strenge. In dieser abgeschlossenen Lebensweise entgin-
gen ihm jedoch die Angelegenheiten der Fürsten und Völker
nicht, und sobald es die Ehre Gottes erforderte, trat er ohne
Menschenfurcht öffentlich auf und ruhete nicht eher, als bis er
sein Ziel erreicht hatte. Diesen frommen und eifrigen Mann sandte
der damalige Papst Eugen Hi. an die Fürsten und Völker, um
sie zu einem neuen Kreuzzuge zu bewegen. Zuerst predigte er
das Kreuz in Frankreich. Durch seine Worte wurden Alle so
begeistert und fortgerissen, daß die von ihm schon vorräthig mit-
gebrachten und in Menge ausgestreueten wollenen Kreuze keines-
wegs hinreichten, sondern er noch seinen eigenen Mantel zu
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Extrahierte Personennamen: Konrad Konrad Bernhard
von_Clairvaux Eugen_Hi Eugen
Extrahierte Ortsnamen: Italien Asien Edessa Edessa Jerusalems Burgund Frankreichs Gottes Frankreich
285
Friedrich Iii. (Iv.)* (1439—1493), Sohn des Her-
zoges Ernst von Steiermark. Dieser hat von allen Kaisern am
längsten regiert, nämlich über 53 Jahre. Er war ein Alaun
von den schönsten Eigenschaften des Geistes und des Herzens,
allein die Zeit seiner Regierung war zu stürmisch bewegt, und
nicht immer konnte er seinen wohlmeinenden Absichten und Be-
fehlen den erforderlichen Nachdruck geben. Unter seiner Regie-
rung eroberten die Türken nicht nur Constantinopel, sondern
richteten auch ihre Berheerungszüge selbst nach Ungarn und
Krain. Der Papst forderte die Christenheit und insbesondere
die deutschen Fürsten zu einem neuen Kreuzzuge auf; auch der
Kaiser erließ an sie die dringendsten Mahnungen bei der großen
Gefahr des deutschen Batcrlandes. Vergebens! An die Stelle
der früheren Begeisterung war jetzt die niedrigste Selbstsucht
getreten, und bei der Auflösung aller gesetzlichen Ordnung war
jeder Fürst nur bedacht, für seinen eigenen Vortheil zu sorgen.
Kein deutsches Heer rückte gegen den Erbfeind der Christenheit
in's Feld, um dessentwillen im ganzen Reiche die Türlenglocke
zum Gebete rief. Der Kaiser hielt zwar Reichstag über Reichs-
tag, allein auf diesen erschienen nicht mehr die Fürsten selbst,
sondern nur ihre Gesandten, welche die kostbare Zeit mit leeren
Förmlichkeiten hinbrachten, ja sogar darüber stritten, wer am
wenigsten zu des Vaterlandes Rettung beizutragen habe. Krieg
und Fehde herrschte überall, nicht bloß an den Grenzen des
Reiches, sondern auch im Reiche selbst. Am störendsten für die
Thätigkeit des Kaisers in den Reichsangelegenheiten war lange
Zeit der Zwist mit seinem Bruder Albrecht, dem Mitbesitzer
seiner Erblande. Von dieser Drangsal wurde er zwar durch
Albrechl's Tod befreit (1463), aber in Oesterreich und den übri-
gen Ländern hörte die Unzufriedenheit mit feiner Regierung
nicht auf und veranlaßte mehrere höchst gefährliche Ausstände.
* Dieser Kaiser wird Friedrich Iii. und auch Friedrich Iv. genannt,
jenachdem Friedrich der Schöne von Oesterreich (1313 — 1330) mit ein-
gerechnet wird oder nicht.
/
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_Iii Friedrich Ernst_von_Steiermark Ernst Albrecht Albrecht Friedrich_Iii Friedrich Friedrich_Iv Friedrich Friedrich_der_Schöne Friedrich
348
82. Revolution in Griechenland.
Otto, König des neuen Staates.
Wenden wir uns jetzt von den heillosen Wirren im We-
sten Europas hinweg nach dem Osten desselben, wo wir ein schwer-
gedrücktes christliches Volk im heißen Kampfe gegen den übermü-
thigsten Feind seines Glaubens finden. Seit 1453 schmachteten
die Griechen unter dem harten Joche der Türken und waren Be-
leidigungen und Mißhandlungen aller Art ausgesetzt. Umsonst sa-
hen sie sich schon lange nach einen Retter um, als endlich im
Marz 1821 bei einem ausgebrochenen Aufruhrs in der Wallache!
der Fürst Alexander Ppfilanti, früher russischer General,
in der Moldau auftrat und die Griechen zum Kampfe für ihre
Unabhängigkeit aufrief. Vermuthlich rechnete er bei diesem küh-
- nen Wagestücke auf die Hülfe des russischen Kaisers, allein er
irrte sich. So sich selbst überlassen, wurde er mit seinem Häuf-
lein bald überwältigt, und nun begann zugleich ein furchtbares
Blutbad gegen die Griechen in Konstantinopel, die der Sultan
Mahmud Ii. im Verdachte der Theilnahme hatte. Selbst der
Patriarch Gregor, ein zwei und siebenzigjahriger Greis, fand
kein Erbarmen; er wurde vor seiner Kirche aufgehenkt, die Kirche
aber nebst fünfzehn andern dem Boden gleichgemacht. Ver-
gebens verwendete sich der russische Gesandte für seine christlichen
Mitbrüdcr; vergebens bct Ostreich Vermittelung an. Dagegen
brach der Aufstand auch auf Morea, (dem ehemaligen Pelo-
ponnes) und den Inseln aus und verbreitete sich bald über ganz
Griechenland. Au Wasser und zu Lande entbrannte der Krieg,
und in demselben wurden sowohl von Seiten der Griechen, als
auch der Türken die empörendsten Grausamkeiten verübt. Am
glücklichsten kämpften die Griechen zu Wasser, weil sie von jeher
große Schiffahrt trieben. Mit ihren Brandern griffen sie die
feindlichen Schiffe an und steckten sie in Brand. Canaris,
Sachturis, emiaulis und mehre andere Seehelden verrichte-
ten Thaten, welche die der alten Griechen fast übertrafen. Der
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Extrahierte Personennamen: Otto Alexander_Ppfilanti Alexander Gregor Gregor Canaris
Extrahierte Ortsnamen: Griechenland Europas Konstantinopel Morea Pelo- Griechenland Sachturis
Die Uebermacht der Kirche im Zeitalter der Kreuzzüge. 499
Gepränge, mit Hosbeamtcn und Dienstmannen gleich den weltlichen Regenten, und angesehene
Standesherren, Grafen und Barone erschienen als bischöfliche Lehnsleute und Besitzer von
Erb- und Ehrenämtern.
§. 340. Im siebenten und achten Jahrhundert hatte sich im Morgenlande
eine Religionspartei, Paulicianer (Manichäer), von den Ansichten der
herrschenden Kirche losgesagt und als Secte ausgeschieden. Blutige Verfolgun-
gen führten Viele von ihnen durch Bulgarien und Jllyrien nach verschiede-
nen Gegenden des Abendlandes, wo sie unter dem Namen Katharer (= Pu-
ritaner, daher Ketzer), weil sie sich als eine auserwahlte Schaar von Heili-
gen betrachteten und auf eine Reinigung oder Vereinfachung der Kirche in Glau-
den, Cultus und Verfassung hinstrebten, unter allem Druck sich erhielten. — In
Streben und Zweck verwandt mit den Katharern, aber reiner in Wandel und
frei von Schwärmereien, war die im Abendlande entstandene Secte der Wal-
denser, die lange unbeachtet in den stillen Thälern der obern Apenninen gelebt
hatten, bis P et ru s Wa l d u s, ein reicher Kaufmann aus Lyon, der seine Güter
den Armen vertheilte, im 12. Jahrhundert ihren Ansichten größere Ausbildung
und weitere Verbreitung gab. Der Macht, dem Luxus und der Verweltlichung
des Klerus stellten die Waldenser die Lehre von der apostolischen Einfachheit und
Armuth entgegen, verwarfen die Autorität des Papstes, bestritten die durch die
Scholastiker (§. 322.) ausgebildeten Satzungen vom Opfer der Messe, von
der Ohrenbeichte, der Substanzverwandlung u. A., nahmen nur zwei Sacra-
mente, Taufe und A b en d m ah l, an und betrachteten die heilige Schrift als
einzige Quelle des Glaubens.
tz. 341. Die Albigenserkriege. In dem Maße, als diehierarchie
die Einheit der Kirche durch Zwang festzuhalten suchte und die individuelle
Freiheit des Denkens und Glaubens beschrankte, fanden die Grundsätze der
beiden Secten, Katharer und Wald enser, größere Verbreitung. Der
Süden von Frankreich, die Provence und Languedoc, wo unter einem schö-
nen, sonnenreichen Himmel sich ein wohlhabender Bürgerstand gebildet hatte,
wo freie Institutionen und republikanische Städteverwaltung Selbständigkeit
in Thun und Denken erzeugten, wo die Reste griechischer und römischer Cul-
tur, verbunden mit germanischem und spanisch-arabischem Wesen, eine eigen-
thümliche Bildung und eine Fülle heiterer Dichtung und praktischer Wissen-
schaft hervorgebracht, wo die heitere proven Malische Poesie der Trou-
badours ihre Laune und ihren satirischen Muthwillen an Bischöfen und
Priestern ausließ, war der Sitz dieser unter dem gemeinschaftlichen Namen
Albigenser (von der Stadt Alby) zusammengefaßten Secten. Gegen sie
und ihren Schützer, den reichen Grafen Raymund Vi. von Toulouse, ließ
Innocenz Iii. (nachdem seine Aufforderung zur Rückkehr in den Schooß der
Kirche erfolglos geblieben und ein päpstlicher Legat seinen Tod durch Mör-
derhand gefunden) von den Cisterciensermönchen das Kreuz predigen
und verlieh Rapmunds Güter dem harten Grafen Simon von Montfort.
Sofort zogen Schaaren wilder Krieger, vor denen fanatische Mönche mit
dem Kreuz einherschritten, in das blühende Land, zerstörten die reichen
Städte, die prunkenden Paläste, die stolzen Burgen, mordeten Schuldige
32*
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484
Das Mittelalter.
zu dem von ihnen verehrten Salomonischen Tempel gestattet war und der
jede friedliche Uebereinkunft mit den Ungläubigen als einen Verrath an der
heiligen Sache ansah) sogar über die Stadt und das heilige Grab den Bann-
strahl, so daß Friedrich Ii. ohne Messe und geistliche Ceremonie sich selbst die
Krone aufs Haupt setzen mußte. (Dadurch wurde fortan der Titel eines
Königs von Jerusalem Erbtheil der deutschen Kaiser.) Gehaßt von dem
Patriarchen, verrathen und verleumdet von den Ordensrittern, verließ endlich
Friedrich mit seinen deutschen Kriegern, die ihm allein treu geblieben, das
heilige Land, um seine italienischen Staaten wider die von dem Papste unter
Zusicherung großer Vortheile abgeschickten Feinde zu schützen. Erst als
Friedrich diese mit dem Schlüssel Petri bezeichneten Truppen siegreich aus
Apulien getrieben und sich durch einen Bund mit mehreren dem Papste
feindlich gesinnten Adelsfamilien (Frangipani u. a.) den Weg in den
Kirchenstaat geöffnet hatte, ließ sich Gregor zu dem Frieden von St. Ger-
mano 1230 und zur Lösung des Bannes bereitwillig finden. Eine persön-
liche Zusammenkunft des Kaisers mit dem Papste in Gegenwart des Groß-
meisters der Deutschherren, Hermann von Salza, befestigte die Versöhnung
beider Häupter der Christenheit.
§. 327. Die Kämpfe der Guelfen und Ghibellinen. Die
nächsten sechs Jahre widmete Friedrich Ii. dem Wohle seiner Staaten, der
Hebung der Bildung und der Befestigung der Kdnigsmacht. Er beförderte
Handel und Betriebsamkeit, vergrößerte und verschönerte die Städte und
erheiterte seine Muße durch italienische und deutsche Dichtkunst, durch Falk-
nerei und durch schriftstellerische Versuche über die Naturgeschichte der Vögel
und der Pferde. Unteritalien erhielt ein neues Gesetzbuch, das die
Rechte des Bürgerstandes erweiterte und denselben gegen die Gewaltthätig-
keiten der Großen sicher stellte, eine Reichsvertretung, worin städtische Abge-
ordnete neben den Baronen und Prälaten zu Rathe saßen und eine Univer-
sität in Neapel. In Deutschland unterdrückte er die Empörung seines
leichtsinnigen, durch böswillige Rathgeber verleiteten und im Umgang mit
wilden Iagdgenossen und wandernden Gauklern und Sängern verzogenen
Sohnes Heinrich, beraubte ihn seiner Würde und ließ ihn mit Weib und
Kind auf eine Burg Apuliens in Gefangenschaft abführen. lieber seinen
Genossen Friedrich den Streitbaren von Oestreich sprach er die Reichsacht aus.
Dann hielt er in Worms ein glänzendes Hochzeitsfest mit seiner schönen
Braut Isabella aus England, deren Rheinfahrt durch die ritterlichen Ehren-
dienste der jungen Bürger der rheinischen Städte zu einem festlichen Triumph-
1235- zug gemacht worden, ließ seinen jugendlichen Sohn Konrad zu seinem
Nachfolger wählen und steuerte nach Kräften der zunehmenden Anarchie und
dem kecken Raubwesen durch gesetzliche Bestimmungen über Landfrieden und
Fehdewesen. Denn da Friedrich Ii. größtentheils in Italien beschäftigt war,
so war während seiner Regierung Deutschland häufig der Schauplatz wilder
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Extrahierte Ortsnamen: Jerusalem Apulien Unteritalien Neapel Deutschland Apuliens Worms England Italien Deutschland
559
I. Frankreich und England.
werbe- und Handelsftandes, der Beförderung der Wissenschaften und der
Errichtung von königlichen Gerichtshöfen widmete, unter Ludwig dern
Heiligen (§. 333.), bei dem Frömmigkeit und Gerechtigkeit mit Klugheit
und Ritterlichkeit gepaart waren, und unter Philipp dem Schönen, der
durch seinen siegreichen Kampf wider das Papstthum (§.353.), wobei zuerst
städtische Abgeordnete zu den Reichstagen gezogen wurden,
dem französischen Königsthron ein Ansehen verschaffte, wie es bisher nur die
römisch-deutschen Kaiser besessen und seinen Nachfolgern die heilige Pflicht
auflegte, in weltlichen Dingen keine Gewalt auf Erden über sich anzuerken-
nen. Ohne religiöse Begeisterung ließ er sorglos die letzten Besitzungen der
Christen in Syrien, die hauptsächlich durch französische Thatkraft gewonnen
worden, in die Hände der Ungläubigen fallen und zerstörte den Templer-
orden, von dem eine Wiedereroberung hätte ausgehen können. Nur auf die
Größe der Nation und die Stärkung der Kdnigsmacht bedacht, riß er mit
rücksichtsloser Ungerechtigkeit von den Besitzungen des deutschen Reichs
Stadt und Gebiet von Lyon los und führte sie dem sprachverwandten
Königreich bei. In seinen zahlreichen Erlassen findet sich richterliche, gesetz-
gebende und vollziehende Gewalt vereinigt. — Nach dem Tode seiner drei
Söhne, die nach einander regierten, aber keine männlichen Erben hinter-
ließen, ging der französische Thron, in Folge des salischen, durch das
Herkommen sanctionirten, Gesetzes, das weibliche Erbfolge un-
tersagte, auf das Haus Valois über (1328).
Ludwig Viii. brachte durch seinetheilnahme an den Albigenserkrie- Frank-
gen (§. 341.) den größten Tbeil der südlichen Provinzen unter seine unmittel-
bare Herrschaft. Zwei Drittheile des Landes gelangten sogleich an die Krone, das 1223-'
letzte Drittel behielt Graf Raymund noch auf seine Lebenszeit, übertrug es aber 1226-
bei seinem Tod seiner mit des Königs dritten Sohn vermahlten Erbtochter. —
Ludwig Ix. gab zwar durch einen Friedensschluß die Lander an der Garonne ^'j’x
dem englischen König zurück, erlangte aber dafür von diesem die Anerkennung der (derhei-
französischen Lehnsherrlichkeit über Guienne und die umliegenden Orte, und die
förmliche Abtretung der Normandie und der Gebiete an der Loire. Daß der 1270.
englische König in eigener Person nach Paris kam, um die Belehnung entgegen-
zunehmen, war ein großer Sieg für die französische Königsmacht. Zur bessern
Leitung der Gerechtigkeitspflege theilte Ludwig Ix. das Reich in Gerichts-
bezirke mit königlichen Gerichtshöfen (Parlamenten), vorderen
Forum Falle von größerer Wichtigkeit und alle A p p e l l a t i 0 n e n von den G e -
richten der Gutsherren (P a t r i m 0 n i a l g e r i ch t e n ) gezogen wurden.
Er war der kräftigste Begründer eines geordneten Rechtszustandcs. „Gerechtig-
keit zu handhaben galt ihm für die vornehmste und zwar für die von der Religion
gebotene Pflicht eines Fürsten." Das Verdienst und die Ueberlegenheit der Richter
und die Gerechtigkeit Ludwigs, „der die Berücksichtigung der fremden Rechte so
gut wie der eigenen einscharfte," verschafften dem königlichen Gerichtshöfe überall
Eingang. Das Verbot des g e ri cht lich en Z w e i k a mp fs , die allmähliche
Einführung des Justinianeischen Rechts und die Begründung des Brief- lipviii.
adels, wovon unter seinem Sohn Philipp Iii. das erste Beispiel vorkommt,
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Extrahierte Ortsnamen: Frankreich England Syrien Lyon Albigenserkrie-_Frank- Paris
6. Ungarn.
601
Sprache und Einrichtungen beibehielten. Sie haben das Land durch Fleiß
und Ausdauer aus einer Wüste in einen blühenden Landstrich mit reichen
Städten und wohlhabenden Dörfern umgeschaffen und sich ihre großen Frei-
heiten — eigene Gerichtsbarkeit, freie Wahl der Beamten und Geistlichen
u. dergl. gegen alle Anfechtungen kräftig gewahrt. Im 13. Jahrhundert er- ,222
zwangen die Großen (Magnaten) von König Andreas Ii., dem Kreuz- Andreas
fahrer (§. 325.), einen Freibrief („die goldene Bulle"), der dem Adel 1205—
und Klerus wichtige Rechte (darunter Steuerfreiheit und persönlichen
Schutz gegen richterliche Willkür) zusicherte und (wie in England die magna
charta [§. 373.]) die Grundlage zu Ungarns freier Verfassung bildete. Eine
Verletzung des „goldenen Privilegiums" durch den König berechtigte den Adel
zu gewaffneter Widersetzlichkeit. Die bald nachher erfolgten grausenhaften
Verheerungen der Mongolen (§. 332.) nach der Schlacht auf dem Mo- 1241.
hyfelde entvölkerten das Land so sehr, daß nach ihrem Abzug König
Bela Iv. gerathen fand, deutsche und italienische Kolonisten herbeizurufen, ^35-70.
was die Gründung von Städten (Ofen 1245), die bessere Bebauung des ®te^an
Bodens, die Anlegung von Weinbergen, die Benutzung der Bergwerke u. dgl.^O]^
zur Folge hatte. Auf ihn folgten noch drei Könige aus dem Herrscherhause
Arpads, Stephanv., Ladislaus der Cumane und Andreas Iii. der Venetianer. )>>-
?#) Ungarn als Wahlreich.
1301.
tz. 406. Als mit Andreas 111. die arpadische Dynastie ausstarb,
wankte der Thron einige Jahre bis Karl Robert von dem zu Neapel6 V^J,08
regierenden Hause Anjou (§. 391.) ihn befestigte und gesichert seinem u
Sohne Ludwig dem Großen hinterließ. Unter diesem als Kriegs h eld^Große
und Regent gleich ausgezeichneten König gelangte Ungarn auf den Gipfel
äußerer Macht und innerer Cultur. Ludwig erwarb die Krone von Polen,
dehnte Ungarns Grenzen an der Niederdonau über Bulgarien, die Wa-
lachei u. a. O. aus und zwang die Venetianer zu einem jährlichen Tribut.
Sein Reich berührte die Küsten des schwarzen, adriatischen und baltischen
Meers und begriff Völker von sehr verschiedenen Sitten, Sprachen und
Culturstufen in sich; aber so groß war sein Herrschergeist, daß er an der
Mündung der Weichsel wie an der Save gleich geliebt und gefürchtet war.
Durch seine italienischen Kriegszüge (§. 391.) wurden die Ungarn mit den
Vortheilen der Civilisation vertraut und folgten nun gerne seinen Anord-
nungen. Die Hügel um Tokay wurden mit Reben bepflanzt, die Gesetz-
gebung erhielt treffliche Verbesserungen, die Bürger und Bauern wurden
gegen Druck und Willkür sicher gestellt; Bildungsanstalten (Universität in
Fünfkirchen) traten ins Leben. — Nach Ludwigs Tod wurde Ungarn aber-
mals die Beute wüthender Parteien und Thronkämpfe, bis sich zuletzt sein
Schwiegersohn, der deutsche Kaiser Siegmund, mehr durch Nachgeben
als Kraft, sowohl gegen die Großen, die ihn sogar einige Monate gefangen
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602
Das Mittelalter.
hielten, als gegen die Osmanen und andere Feinde, behauptete und bei seinem
1437- Tode die ungarische Krone seiner zuerst mit A l bre ch t v o n Oeftreich, dann
mit Wladislav von Polen vermahlten Tochter Elisabeth hinterließ.
Unter Siegmund erhielt die Nationalreprasentation ihre Aus-
bildung. Vier Stande, Prälaten, hoher und niederer Adel und
Stadteabgeordnete sollten über Noth und Nutzen des Reichs berathen und
beschließen; die beiden erstem führen den Namen Magnaten, wahrend unter
der Benennung Stande meistens nur die beiden letzrern verstanden werden.
1444. §. 407. Nachdem Wladislav in der Schlacht von Varna
(§. 413.) wider die osmanischen Türken gefallen, führte der heldenmüthige
Hunyad (Woiwode von Siebenbürgen) die Reichsverwesung von Ungarn
für Alb rechts minderjährigen Sohn Ladislaus (Posthumus) und be-
1436. kämpfte zuerst die streitbaren Osmanen mit Glück und Ruhm. Nach seinem
Tode verhängte der undankbare, mit Mißtrauen erfüllte König schwere Ver-
folgungen über dessen Geschlecht, das er ganz ausgerottet haben würde, wäre
i4.>7. er selbst im nächsten Jahr ins Grab gesunken. Nun führte die unga-
Matthi'as rische Nation Hunyads kräftigen Sohn Matthias Corvinus aus dem Ker-
1438-90. ker auf denthron, wo er sich während einer 32jährigen ruhmvollen Regierung
als würdigen Nachfolger Stephans des Heiligen und Ludwigs des
Großen bewies. Matthias glänzte in den Künsten des Krieges wie des
Friedens und alle seine Handlungen tragen eine großartige Prägung. Er
hielt die Macht der Osmanen in Schranken und entriß ihnen Bosnien;
er zwang Friedrich Iii. zur Flucht aus Wien und zu beträchtlichen Abtre-
tungen in den ostreichischen Staaten; er brachte Mähren, Schlesien und die
Lausitz auf einige Zeit an Ungarn und verbesserte das Kriegswesen. Seine
„schwarze Legion" war der Schrecken seiner Feinde. — In Ofen (Buda)
und Preß bürg wurden durch ihn neue Universitäten gegründet, mit großen
Kosten eine herrliche Bibliothek angelegt und die Cultur des Volks durch
Herbeiziehung fremder (besonders italienischer) Gelehrten und Künstler, Buch-
drucker und Baumeister, Gärtner, Oekonomen (Ackerbauverständiger) und
Gewerbsleute nach allen Seiten gehoben. Dabei sicherte er den Landfrieden
und handhabte Recht und Gerechtigkeit mit solcher Kraft, daß sein Name noch
lange im Munde des Volkes fortlebte. („Matthias ist tobt, die Gerechtigkeit
kj 1493 ward mit ihm begraben.") — Unter seinen Nachfolgern Wladislav von
Ludwig' Böhmen und dessen Sohn Ludwig Ii. gingen alle diese Vortheile wieder ver-
1516-^6 ^oren. Die Türken eroberten Bosnien und erstürmten Belgrad; schimpf-
liche Friedensschlüsse und Verträge lösten die westlichen Erwerbungen wieder
von Ungarn los; die Fehden zwischen dem Adel und den Prälaten brachen
ungehindert aus; „ein Feldzug gegen die Türken verwandelte sich in einen
Aufstand der Bauern, in Morden und Sengen gegen Städte und Schlösser
der Edelleute bis die Bauernheere endlich gesprengt und deraufruhr in einem
Blutbade ersäuft war." Dabei wurde die Königsmacht durch eine Capitula-
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Extrahierte Personennamen: Elisabeth Siegmund Ladislaus Matthias_Corvinus Ludwigs Matthias Friedrich_Iii Friedrich Ludwig' Ludwig Ludwig_Ii Ludwig
Die Begründung der neuen Zustände unter Karl V. 331
unermüdlicher Thatkraft; groß im (Labinet als kluger Ordner der Staats-
geschäfte und tapfer im Felde als Führer der Heerschaaren. Alle Fä-
den der Politik hielt er in seiner Hand und lenkte sie nach seinen in
schweigsamer Seele verschlossenen Plänen, bei deren Ausführung ihm
jedes Mittel selbst Falschheit und Wortbrüchigkeit dienen mußte. In
minderjährigem Alter war er schon Herr der reichen Niederlande,
die ihm als väterliches Erbe zugefallen, als Jüngling gelangte er (nach
dem Tode seines mütterlichen Großvaters Ferdinands des Katholischen)
zu dem Besitz der vereinigten spanischen Monarchie mit dem
reizenden Königreiche Neap el und Sicili en, den neuentdeckten Län-
dern A m e r i k a' s und den fruchtbaren Inseln W e st i n d i e n s, und als
angehender Mann erbte er die habsburgisch-östreichischen Staa-
ten (die er seinem Bruder Ferdinand zur Verwaltung und dann
zum Besitz überließ) und ward durch die Wahl der Kurfürsten der
Nachfolger seines Großvaters Maximilian auf dem deutschen Kai-
serthron. Mit Recht konnte er also sagen, daß die Sonne in
seinem Reiche nie untergehe.
§. 411. In allen diesen Staaten standen dem Monarchen feind-
liche Mächte gegenüber, zu deren Bezwingung verschiedene Kräfte und
Mittel erforderlich waren. In den Niederlanden bewachte ein
mißtrauischer, von stolzem Zunftgeist durchdrungener Bürgerstand jede
Handlung des Landesherrn, damit kein Eingriff in ihre Gerechtsame
geschehe, und war stets bereit, alter Sitte gemäß sich bei der ersten
Gelegenheit um die Fahne des Aufruhrs zu schaaren und mit Schwert
und Armbrust zu streiten; in Spanien konnte der hochfahrende Sinn
des mächtigen Feudaladels und die trotzige Kraft eines freien Bürger-
standes nur mit Gewalt unterdrückt werden und drohten, auch nach
der Vernichtung der ständischen Rechte, zum Aufruhr loszubrechen;
in Unteritalien undsicilien wurden die schönen Fluren von den
Osmanen und den nordafrikanischen Seeräubern (Corsaren) heimge-
sucht, die Handel und Wandel störten und gefangene Christen in Scla-
verei schleppten; an der Gränze der östreichischen Staaten wüthete
das Schwert der Türken und die ungestümen Ianitscharen brannten
vor Verlangen, den Halbmond auf den Zinnen von Wien aufzupflan-
zen; in Deutschland fürchteten die zahlreichen Fürsten und Edlen
die Rückkehr eines kräftigen Kaiserregiments, wodurch sie ihrer ange-
maßten oder erworbenen Besitzungen und Rechte verlustig gehen könn-
ten und suchten ihm daher bei der Krönung durch einen beschränkenden
Vertrag (Capitulation) die Hände zu binden. Die größten Verwicke-
lungen jedoch führte die religiöse Spaltung herbei, wobei seine
1316.
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T31: [König Ludwig Karl Sohn Maria Frankreich Kaiser Tod England Philipp]]
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Extrahierte Personennamen: Karl_V. Karl_V. Ferdinands Ferdinand Maximilian Maximilian
Extrahierte Ortsnamen: Niederlanden Spanien Unteritalien Wien Deutschland