138 Geschichte der neueren Zeit.
Shakespeares hinwiesen. Es gelang ihnen, den in französischem Sinne geübten allmächtigen Einfluß Gottscheds in Leipzig zu brechen (Streit der Schweizer und der Leipziger). Ihr Werk vollendete dann der große Lessing.
c) Die bildenden Künste haben in dieser Periode in Deutschland keine selbständige Blüte erlebt. In der Baukunst wurde der in der Reformationszeit zu so hoher Vollendung geführte Renaissancestil zwar noch weiter gepflegt und fand auch noch einige würdige Vertreter (Schlüter zur Zeit Friedrichs I., Kuobels-dorf zur^ Zeit Friedrichs des Großen, in Berlin), aber er verlor feine Reinheit durch den Hinzutritt fremder Elemente, besonders durch das Überwiegen der Dekoration, des Ornamentes, welches als das Wichtigere an dem Bau behandelt wurde. So erzeugte sich der sog. Perrücken- oder Rokokostil (Zwinger in Dresden), welcher natürlich auch die Skulptur beherrschte. — Die deutsche Malerei sank im 17. Jahrhundert von der Höhe der Reformationszeit herab, wenn auch in der äußeren Handhabung der Kunstmittel (Technik) noch Erhebliches geleistet wurde. Das 18. Jahrhundert hat dann einen neuen Aufschwung der bildenden Künste vorbereitet, zumal durch die geläuterten Kuustaufchauungen, deren Verkünder Winckelmann wurde.
Die Musik hat im 17. und 18. Jahrhundert bei uns in höchster Blüte gestanden. Die deutsche Kirchenmusik fand ihre größten Vertreter in Johann Sebastian Bach (1685 — 1750 [„Matthäus-Passion" n. ct.]) und in Georg Händel (1684—1759 [„Messias", „Makkabäus" u. a.]), welcher letztere vorzugsweise in England gewirkt hat. Nachdem Joseph Haydn und Christoph Gluck auch der weltlichen Musik einen hohen Aufschwung verliehen, erreichte die Tonkunst ihre Vollendung in den großen Komponisten Wolfganq Amadeus Mozart (1756—1791) und Ludwig Beethoven (1770—1827).
d) Das politische Leben war in Deutschland, zumal auch durch den westfälischen Frieden, völlig entartet. Es fehlte, infolge der Schwächung der Kaisergewalt, an einem beherrschenden Mittelpunkt. Der Reichstag, welcher seit 1663 ständig in Regensburg sich befand, war ohne jedweden Einfluß auf das Leben der Nation ; seine Verhandlungen waren, gleich denen des Reichskammergerichtes in Wetzlar, schwerfällig und langwierig; feine Mitglieder, wie die Räte am Kammergericht, sehr oft bestechlich. Um
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Extrahierte Ortsnamen: Leipzig Deutschland Berlin Dresden England Deutschland Regensburg Wetzlar
64 Zweiter Teil. Das Mittelalter.
schwäbischer Abstammung (Stammburg in der schwäbischen Alp), begegnen uns die Grafen von Zollern zuerst als Burggrafen von Nürnberg. Durch persönliche Tüchtigkeit und besonders auch durch thatkräftige Unterstützung der Kaiser (z. B. Rudolfs von Habsburg) bringen sie es in dieser Stellung allmählich zu hohem Ansehen und großer Macht. Als nun Burggraf Friedrich Vi. dem Kaiser Sigismund bei dessen Kaiserwahl und ersten Regierungshandlungen wesentliche Dienste geleistet hatte, erhielt er zum Lohne dafür die Belehnung mit der Mark Brandenburg. Dieselbe wurde 1417 in feierlichster Weise am 18. April 1417 während des Konzils zu Konstanz auf dem Markte vollzogen, in Gegenwart einer auserlesenen Versammlung (Kurfürsten von Pfalz und Sachsen mit Scepter und Schwert!). Dadurch wurde Friedrich Kurfürst und Reichserzkämmerer. Er stellte nun in der Mark die unter den Luxemburgern eingerissene heillose Unordnung (räuberischer Landadel, Quitzows n. a.) ab und verharrte in seinem freundschaftlichen, helfenden Verhältnis zu Reich und Kaifer. Seine Nachfolger (Friedrich Ii.; Albrecht Achilles 1470 — 1486; Johann Cicero, Joachim Nestor n. s. w.) wußten durch eine kluge Politik und durch persönliche Tüchtigkeit die Bedingungen für eine glückliche Zukunft des Landes immer günstiger zu gestalten.
I. Repetition (V. Periode ca. 1250—1517).
§ 33. 1250—1273 Interregnum, Zeit der Anarchie. Faustrecht und Raubrittertum. Strand- und Grundruhrecht. Selbsthilfe der Städte: rheinischer Städtebund 1254.
1273 — 1291 Rndols von Habsburg. Sein Sieg über Ottokar von Böhmen auf dem Marchfelde 1278: Begrüudung der habsbnrgi-gischen Macht in Österreich. — Rudolfs segensreiche Thätigkeit zur Beseitigung der Raubritterburgen.
1292 — 1298 Adolf von Nassau, von den Fürsten trege.i seines Strebens nach Hausmacht abgesetzt.
1298 — 1308 Albrecht I., Sohn Rudolfs, ermordet durch Johannes Parricida aus Privatrache.
1308 — 1313 Heinrich Vii., aus dem Hause Luxemburg, versucht noch einmal, den alten Glanz des Kaisertums herzustellen. Sein Zug nach Italien (Dante). Er stirbt plötzlich bei Siena.
§ 34. Zwischen Papsttum und Kaisertum bricht aufs neue Streit aus: der unter französischem Einfluß stehende Papst (babylonisches Exil der Päpste zu Avignon 1305—1377) erhebt den Anspruch, daß die Wahl des deutschen Kaisers seiner Genehmigung bedürfe. Unter König Ludwig Iv. dem Bayern (1313—1347; sein Gegenkönig Friedrich der Schöne bei Mühldorf 1322 besiegt) treten die Fürsten in dem Kurverein zu Reuse 1338 diesem Anspruch entgegen: der Papst soll gar keinen Einfluß bei der Kaiser-
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Extrahierte Personennamen: Nürnberg Rudolfs_von_Habsburg Rudolfs Friedrich_Vi Friedrich Sigismund Friedrich_Kurfürst Friedrich Friedrich_Ii Friedrich Albrecht_Achilles Albrecht Johann_Cicero Johann Joachim_Nestor Habsburg Ottokar_von_Böhmen Ottokar Rudolfs Adolf Albrecht_I. Albrecht_I. Rudolfs Johannes_Parricida Heinrich_Vii Heinrich Ludwig_Iv Ludwig Friedrich_der_Schöne Friedrich
§ 38. Die Eroberung von Konstantinopel durch die Türken. 65
wähl haben. Dieser Beschlnß wird zum Reichsgesetz erhoben durch die goldene Bulle 1356, in welcher überhaupt der Vorgang der Kaiserwahl endgiltig geregelt wird: Einsetzung des Kurfürstenkollegs! Dieses Gesetz wurde erlassen unter Kömg Karl Iv. (1347— 1378 ^„Böhmens Vater, des Reiches Erzstiefvater^). Durch ihn 1348 Gründung der ersten deutschen Universität in Prag.
§ 35. In der zweiten Hälfte des Mittelalters großer Aufschwung der Städte. Im Innern mehr und mehr der Selbstverwaltung teilhaftig, 3“L‘ ^®slhrun9 und Stärkung ihrer äußeren Interessen zu großeu Bündnissen zusammen: a) Die Hansa, Bund vorzugsweise der Küstenstädte der Nord- und Oltsee; Zweck: Förderung und Schutz des Seehandels. Gebietende Stellung der Hansa gegenüber den nordischen Reichen, b) Der rheinische Städtebund, löst sich gegen Ende des 14. Jahrhunderts mehr und mehr auf. c) Der schwäbische Städtebund entwickelt sich im Gegensatz zu den süddeutschen Landesherren zu großer Macht. Sieg über Eberhard von Württemberg bei Reutlingen 1377. Die Macht des Bundes sinkt gegen Ausgang des Mittelalters.
<rrr ^6- Gegen die Mißstände in der Kirche treten auf: in England Wrclef ca. 1360, m Deutschland (Böhmen) Huß ca. 1400. Man suchte eine Reformation an Haupt und Gliedern durchzusetzen durch große
m ®0n5tl äu ^i'a 1409' b) Konzil zu Konstanz ca. 1415 c) Konzil zu Basel ca. 1440. Keines erreicht seinen Zweck. Doch ist das Konstanzer Konzil sehr wichtig a) durch die dort vollzogene Verurteilung und Verbrennung von Huß; b) durch die von Kaiser Sigismund (1410—1437) vollzogene Belehnung des Burggrafen Friedrich von Nürnberg mit dem Kurfursteutum Brandenburg (1417).
s a 137‘ .Vorgeschichte Brandenburgs. Ursprüngliche slavische Bevölkerung durch Heinrich I. und Otto I. christianisiert (Markgras Gero und die „Nord-nlv f unter den Frankenkönigen vernachlässigte Germanifierung dieser Gebiete nimmt wieder auf ca. 1135 Albrecht der Bär aus dem Hau se
iqjfwä" rs ”Un0an Aufblühen Brandenburgs. Aussterben der Askanier 1320 (Waldemar). Zerrüttung der Mark unter den bayerischen und luxemburgischen pursten. 1356 wird Brandenburg durch die goldene Bulle Kurfürstentum. 1417 die Hohenzollern Kurfürsten von Brandenburg, Herstellung der Ordnung durch eine Reihe vortrefflicher Herrscher.
8 38. Die Eroberung von Konstantinopel durch die Türken.
Zwischen der Welt des Morgenlandes und der des Abend-lllndes hatte seit Stiftung des Mohammedanismus beständiger Widerstreit nicht aufgehört. Die Araber waren zwar von der Besitznahme Frankreichs durch Karl Martells Sieg bei Poitiers 732 abgehalten worden, doch hatten sie in Spanien festen Fuß aefakt und Jahrhunderte lang behalten, trotzdem sie in beständigem Kampfe Mit den christlichen Königen und Rittern (der Cid!) lagen.
Wychgram, Lehrbuch der Geschichte, ii. r
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134 Geschichte der neueren Zeit.
Ritterakademie und mehreren Kadettenhäusern, wurden die Offiziere (damals noch fast ausschließlich dem Adelsstand augehörig) gebildet. Bei des Königs Tode bestand das Heer aus 200 000 regelrecht ausgebildeten Soldaten.
o) Auf Recht und Gericht, die Grundlage jeder Volkswohlfahrt, hatte Friedrich ein wachsames Auge. Selbst voll unbeirrbarer Gerechtigkeitsliebe, verlangte er dieselbe von allen feinen Beamten, und er suchte sich auf zahlreichen Reisen mit eigenen Augen von der Handhabung des Rechtes in seinen Landen zu überzeugen. Das sog. „Preußische Landrecht" ist im wesentlichen noch unter Friedrich ausgearbeitet worden.
d) Geschah auch für das Unterrichtswesen, bei den geringen Geldmitteln des Staates, zunächst nur wenig, so hat doch Friedrich der Große einen Grundsatz in seinem Lande aufgestellt und durchgeführt, welcher auch für die Volksbildung von segensreichstem Einfluß war: den der unbedingten Toleranz gegen alle Religionsbekenntnisse. Indem so von einem Throne das Recht der freien Überzeugung proklamiert wurde, erfüllte sich erst der große Gedanke, welcher der Reformation zu Grunde gelegen hatte!
e) Für Kunst und Wissenschast that Friedrich sehr viel. Doch hat er in dieser Richtung leider nicht auf nationalem Boden sich bewegt: er war ganz und gar der französischen Geschmacksrichtung in den Künsten, den französischen Ideen in der Wissenschaft ergeben. In seiner Jugend war unsere einheimische Litteratur ohne bedeutenden Inhalt und voll von Geschmacksverirrung. So war es vollkommen verständlich, daß der König sich der formklaren französischen Dichtung und der leichten, schönen Prosa dieses Volkes zuwandte. Von dem später erfolgten Aufschwung unseres Schrifttums durch Lessing und Klopstock hat Friedrich keine klare Erkenntnis gehabt; wie hätte auch der vielbeschäftigte, alternde Fürst die liebgewonnenen Studien gegen neue vertauschen sollen? Von den französischen Schriftstellern, mit denen der König in nahen Beziehungen gestanden, nennen wir nur Voltaire, seinen geistvollen und witzigen Gast in Sanssouci. (Späterer Zwiespalt!)
Aus der Zeit von 1763—1786, welche Friedrich, wie erwähnt, hauptsächlich der Wohlfahrt seiner Länder widmete, ragen nur noch zwei Ereignisse von allgemein europäischer Bedeutung hervor:
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Extrahierte Personennamen: Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich_der_Große Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich
§ 31. Wissenschaft, Litteratur und Kunst. 53
der Donau (Augsburg, Passau, Wien) u. v. a. Hier erhob sich ein Wohlstand, der die Sitten milder machte und den Wissenschaften und Künsten eine Heimstatt bereitete. Eine natürliche Folge des Reichtums der Bürger war seit dem 13. Jahrhundert auch das Wachsen ihrer Macht. Die Städte nahmen allmählich neben dem Adel und dem hohen Klerus eine entscheidende Rolle in den Angelegenheiten des Reiches ein, zumal als sie sich, wie wir unten sehen werden (vgl. § 35), zur Vertretung ihrer Rechte in Bünde zusammenthaten. Auch gegenüber den Landesherren machten die Städte immer mehr ihre Selbständigkeit geltend (Stadtrat, Schöffen rc.).
Gegenüber dem eintönigen Leben auf dem Lande und den einsamen Ritterburgen entwickelte sich in den Städten eine reichere Geselligkeit und eine lebhafte Pflege heiteren Lebensgenusses, wie sich das z. B. in den Volksfesten zeigt, deren Schauplatz die Städte bereits unter den Hohenstaufen waren (vgl. Reichstage von 1184 und 1235 zu Mainz).
§ 31. Wissenschaft, Litteratur und Kunst.
1. Das erdkundliche Wissen, bis dahin sehr gering, wurde durch die Kreuzzüge bedeutend vermehrt, indem nun in größerem Maße den europäischen Völkern das Anschauen des Orientes ermöglicht wurde; mehr aber noch bedeutet es, daß der Trieb nach Entdeckung und Erforschung der durch die Kreuzzüge selbst noch nicht berührten Länder sich erzeugte. Es folgen sich zahlreiche Reisende, welche, etwa wie man heute Afrika kennen lernt, Asien erschlossen. Das ferne Wunderland Indien trat mehr und mehr in das Interesse des Abendlandes ein. Von den großen Reisenden sei hier vor allen der mutige Veuetiauer Marco Polo erwähnt. — Aber auch andere Wissenschaften, wie die Arzneikunde, die Astronomie, die Naturkunde überhaupt, erhielten einen mächtigen Antrieb durch das Bekanntwerden des großen Fortschrittes, zu dem manche orientalische Völker es in ihnen gebracht hatten.
2. In gleicher Weise erhielt auch die Litteratur zur Zeit der Kreuzzüge einen gewaltigen Aufschwung. Zunächst freilich trat eine Blüte derselben in Frankreich ein, wo die Dichtung ganz in weltliche Hände überging. Hier erhielten die alten Sagen von König Karl und seinen Paladinen, sowie von König Artus und seiner Tafelruude die erste Ausgestaltung (Trouveres), gleichwie auch durch die Troubadours in Südfrankreich das Vorbild
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Extrahierte Personennamen: Marco_Polo Karl Karl König_Artus
Extrahierte Ortsnamen: Donau_(Augsburg Passau Wien Mainz Afrika Asien Indien Frankreich
— 82 —
machten. An seine Thür schrieben sie: „Joachimcheu, hüte dich; sangen wir dich, so hangen wir dich!" Sie legten ihm einen Hinterhalt, er aber entging ihnen durch die Warnung eines treuen Bauern. In einem Jahre ließ er 70 dieser Räuber hinrichten. Ein Oheim warnte ihn, also gegen den Adel seines eigenen Landes zu wüten. Ihm antwortete er: „Nicht adeliges, sondern nur Schelmenblut habe ich vergossen. Wären diese redliche Edelleute gewesen, so hätten sie keine Verbrechen begangen!" In Berlin gründete er das Kammergericht, das in Streitsachen den letzten und höchsten Spruch fällte. Die Juden verfolgte er grausam und jagte sie aus dem Lande. Lnthern und seinem Werke war er feind. Trotzdem breitete sich die neue Lehre in seinem Lande aus, und sogar die Knrfüstin Elisabeth bekannte sich heimlich dazu. Sie mußte aber vor dem Zorn ihres Gatten bei Nacht und Nebel nach Sachsen fliehen. Hier lebte sie in fleißigem Verkehr mit Luther bis nach dem Tode ihres Mannes. Ihre Söhne holten sie dann zurück und traten beide zur evangelischen Kirche über, Kurfürst Joachim Ii. im Jahre 1539. Sein Wahlspruch war: „Allen wohlzuthun ist Fürstenart." Durch einen Erbvertrag mit den schlesischen Herzögen erwarb er das Recht auf Schlesien, das später Friedrich der Große zur Geltung brachte. Auch die Erwerbung Preußens bereitete er vor.
11. Wie Luther in seiner Familie lebte. Luther verheiratete sich 1525 mit Katharina von Bora und führte mit ihr ein glückliches Eheleben. Er rühmte selbst: „Mir ist's, gottlob, wohlgeraten, denn ich habe ein frommes und getreues Weib!" In seinem Testamente bezeugte er seiner Käthe, „daß sie ihn allezeit lieb und wert gehalten habe". Luther wohnte in dem Augustinerkloster, das ihm der Kurfürst schenkte, als es die Mönche verlassen hatten. Käthe war eine fleißige und sparsame Hausfrau. Sie baute den Garteu, mästete alljährlich ein Schwein, hielt Kostgänger und vermehrte die Einnahmen, wo es ging. Und das war nötig, denn Luther war sehr gastfrei und freigebig,' fein Einkommen aber gering, da er von seinen Büchern nie einen Gewinn nahm. Kein Armer ging nngespeist und nnbeschenkt aus seiner Thür. Weil er alles für andere that, fehlte es ihm oft selbst an dem Nötigsten. Durch Geschenke half ihm oft der Kurfürst aus dieser und jener Verlegenheit. Seine Kinder lieble Luther gar zärtlich, aber streng erzog er sie in der Zucht und Vermahnung zum Herrn. Sein liebes Söhnlein Hans, dem er den lieblichen Brief von dem schönen Garten schrieb, durfte einmal drei Tage nicht vor fein Angesicht kommen. „Ich will lieber einen toten als einen ungeratenen Sohn!" sagte er. Groß war sein Schmerz, als seine vierjährige Magdalene auf dem Sterbebette
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Extrahierte Personennamen: Elisabeth Joachim_Ii Friedrich Katharina_von_Bora Hans
— 108 —
ja einmal mußte sie sich von einer Bettlerin in den Kot stoßen lassen. Alles ertrug sie geduldig und ohne Murren. Später reuete ihren Schwager seine Härte, und er rief die unglückliche Frau zurück. Sie aber sehnte sich nicht nach fürstlicher Pflege, sondern zog nach Marburg an der Lahn und lebte da still und einsam ihrem Gott und ihren Nächsten. Alle ihre Habe gab sie den Armen und behielt nur ein graues Kleid, darin man sie begraben sollte. Auf dem Totenbette tröstete sie die Umstehenden und ist dann in Gottes Frieden dahingefahren.
4. Friedrich Barbarossa im Kyffhäuser.
1. Wie die Kyffhänsersage entlkand. Der Kyffhäuserberg liegt an der „goldenen Aue", südlich vom Harzgebirge, und trug ehedem eine kaiserliche Pfalz oder Burg. Der Name Kyffhäuser bedeutet „Häuser auf der Kippe". Ein alter Turm ist der einzige Rest aus alter Zeit. Jetzt wird dem Kaiser Wilhelm I., dem Weißbart, auf dem Berge ein großes Denkmal errichtet, weil er das deutsche Reich erneuert und die lange Zwietracht geendet hat. Vor mehr als 700 Jahren herrschte in Deutschland gar gewaltig der Kaiser Friedrich Barbarossa. Die Stammburg seines edlen Geschlechts war die Burg Hohenstaufen in Schwaben, nicht weit von der Zollernburg. Wegen seines rötlichen Bartes wurde der Kaiser in Italien Barbarossa oder Rotbart genannt. Er zog siebenmal über die Alpen nach Italien, um dort die widerspenstigen Städte zu unterwerfen. Mehr als einmal geriet er in Lebensgefahr. Als Greis unternahm er (1190) einen Kreuzzug in das heilige Land, um Jerusalem und die andern heiligen Orter aus den Händen der Türken zu befreien. Siegreich drang er vor. Aber zum großen Jammer seines Heeres ertrank er in einem Flusse und ward im fernen Lande begraben. Das deutsche Volk glaubte nicht an den Tod des herrlichen Helden und hoffte in den traurigen Zeiten, die nach ihm kamen, immer auf seine Wiederkehr. Einer erzählte dem andern, er sei nicht gestorben, sondern säße verzaubert in einem unterirdischen Schlosse des Kyffhäuserberges. Er stütze sein Haupt auf einen Marmortisch. Sein Bart sei durch und um den Tisch gewachsen. Seine Ritter stünden schlafend umher, und seine Tochter lltchen hüte das verzauberte Schloß. Zuweilen zwinke der Kaiser mit den Augen und schicke einen Zwerg hinauf, damit er nachsehe, ob die Raben noch kreischend um den Berg flögen. Sei dies der Fall, dann müsse er wieder hundert Jahre weiter schlafen. (Vergleiche Rückerts Lied: „Der alte Barbarossa —" und Geibels „Tief im Schlosse des Kyffhäuser —".)
2. Wie zwei Soldaten den Turm erstiegen. Der Turnt, in dem der Kaiser unten schlafen soll, hat keinen Eingang. Nur oben sieht man zwei offene Luken, zu denen man auf vorspringenden Steinen emporklettern kann. Zwei Soldaten wollten den alten Kaiser gern einmal sehen. Aus Tille da stiegen sie auf den Berg und kletterten zu den Luken empor, aber sie fanden sie mit eisernen Läden geschlossen. Unverrichteter Sache kehrten sie um. Als aber die Leute in Tilleda von den Läden hörten, da riefen sie: „O ihr Thoren! Hättet ihr die Läden ausgehoben und mitgenommen, so wären sie zu Gold geworden!" Eilig liefen die Soldaten wieder auf den Berg, aber die Läden an den Luken waren verschwunden.
3. Wie der Kirt von Wennnngen Geräte borgte. Der Hirt in Nennungen wollte Hochzeit machen, hatte aber kein Tischgerät dazu. Da
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_Barbarossas Friedrich Barbarossas Heinrich_I. Heinrich_I. Hedwig Heinrich_Ii Heinrich Johann_von_Böhmen Johann Johann Kasimir_Ii Karls
338
Auf den hier wie in Deutschland sich regenden nationalen Einheitsgedanken wurde keine Rücksicht genommen, f) Die „ewige" Neutralität der Schweiz wurde anerkannt.
Zweiter Abschnitt.
Entwickelung ntr Einheit, 1815—1871.
Allgemeiner Gharakter der Zeit.
Mit Beginne des 19. Jahrhunderts machte sich auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens ein ähnlicher Umschwung geltend, wie zur Zeit der Reformation. Reue Jdeeen bestimmten fortan den Gang der Geschichte. Entscheidend hierfür waren folgende Ereignisse:
1. Tie Losreißung der nordamerikanischen Kolonieen von England. In der Union hatte sich ein Staat ohne die Grundlage historischer Erinnerungen gebildet, der die Jdeeeu der Revolution praktisch ausführte und in die Förderung der materiellen Interessen den Schwerpunkt seiner Entwickelung legen konnte. Es bildete sich hier eine bedeutende Industrie; Kolonialgewächse wurden in Menge angebaut, der Handel erhielt einen ungeheuren Aufschwung. Die Paeisic-Bahu zog auch den großen Ocean in den Seeverkehr hinein. Dieser Aufschwung Amerikas blieb nicht ohne Einfluß auf Europa.
2. Die französische Revolution. Die segensreichen Jdeeen derselben durfte eine weise Regierung nicht mehr verleugnen (cf. die Reformen Steius in Preußen). Das Selbstvertrauen der Völker war gestiegen, und es machte sich bei ihnen das Streben nach Teilnahme an der Gesetzgebung und Regierung geltend. Daher wurden nach und nach in den Staaten konstitutionelle Verfassungen eingeführt. Der Bürger erhielt ferner für feine Gewerbsthätigkeit freie Bewegung, die Aufhebung der Leibeigenschaft hatte viele Tausende Arbeiter geschaffen, die nun Freude an der Thätigkeit hatten und, da sie ihren Besitz wachsen sahen, auch den Verbrauch aller Gegenstände vermehrten.
3. Der Aufschwung der Naturwissenschaften. Mit dem Ende des vorigen Jahrhunderts beginnt auch ein neues Zeitalter der Entdeckungen, das die allgemeine Bildung vermehrte und den Wettkampf der Intelligenz ins Unglaubliche steigerte. Die billige und massenhafte Herstellung aller Produkte wurde das Ziel der Industrie und ermöglichte dem Armen ihm bisher unbekannte Genüsse. Die Dampf-
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