64 Zweiter Teil. Das Mittelalter.
schwäbischer Abstammung (Stammburg in der schwäbischen Alp), begegnen uns die Grafen von Zollern zuerst als Burggrafen von Nürnberg. Durch persönliche Tüchtigkeit und besonders auch durch thatkräftige Unterstützung der Kaiser (z. B. Rudolfs von Habsburg) bringen sie es in dieser Stellung allmählich zu hohem Ansehen und großer Macht. Als nun Burggraf Friedrich Vi. dem Kaiser Sigismund bei dessen Kaiserwahl und ersten Regierungshandlungen wesentliche Dienste geleistet hatte, erhielt er zum Lohne dafür die Belehnung mit der Mark Brandenburg. Dieselbe wurde 1417 in feierlichster Weise am 18. April 1417 während des Konzils zu Konstanz auf dem Markte vollzogen, in Gegenwart einer auserlesenen Versammlung (Kurfürsten von Pfalz und Sachsen mit Scepter und Schwert!). Dadurch wurde Friedrich Kurfürst und Reichserzkämmerer. Er stellte nun in der Mark die unter den Luxemburgern eingerissene heillose Unordnung (räuberischer Landadel, Quitzows n. a.) ab und verharrte in seinem freundschaftlichen, helfenden Verhältnis zu Reich und Kaifer. Seine Nachfolger (Friedrich Ii.; Albrecht Achilles 1470 — 1486; Johann Cicero, Joachim Nestor n. s. w.) wußten durch eine kluge Politik und durch persönliche Tüchtigkeit die Bedingungen für eine glückliche Zukunft des Landes immer günstiger zu gestalten.
I. Repetition (V. Periode ca. 1250—1517).
§ 33. 1250—1273 Interregnum, Zeit der Anarchie. Faustrecht und Raubrittertum. Strand- und Grundruhrecht. Selbsthilfe der Städte: rheinischer Städtebund 1254.
1273 — 1291 Rndols von Habsburg. Sein Sieg über Ottokar von Böhmen auf dem Marchfelde 1278: Begrüudung der habsbnrgi-gischen Macht in Österreich. — Rudolfs segensreiche Thätigkeit zur Beseitigung der Raubritterburgen.
1292 — 1298 Adolf von Nassau, von den Fürsten trege.i seines Strebens nach Hausmacht abgesetzt.
1298 — 1308 Albrecht I., Sohn Rudolfs, ermordet durch Johannes Parricida aus Privatrache.
1308 — 1313 Heinrich Vii., aus dem Hause Luxemburg, versucht noch einmal, den alten Glanz des Kaisertums herzustellen. Sein Zug nach Italien (Dante). Er stirbt plötzlich bei Siena.
§ 34. Zwischen Papsttum und Kaisertum bricht aufs neue Streit aus: der unter französischem Einfluß stehende Papst (babylonisches Exil der Päpste zu Avignon 1305—1377) erhebt den Anspruch, daß die Wahl des deutschen Kaisers seiner Genehmigung bedürfe. Unter König Ludwig Iv. dem Bayern (1313—1347; sein Gegenkönig Friedrich der Schöne bei Mühldorf 1322 besiegt) treten die Fürsten in dem Kurverein zu Reuse 1338 diesem Anspruch entgegen: der Papst soll gar keinen Einfluß bei der Kaiser-
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Extrahierte Personennamen: Nürnberg Rudolfs_von_Habsburg Rudolfs Friedrich_Vi Friedrich Sigismund Friedrich_Kurfürst Friedrich Friedrich_Ii Friedrich Albrecht_Achilles Albrecht Johann_Cicero Johann Joachim_Nestor Habsburg Ottokar_von_Böhmen Ottokar Rudolfs Adolf Albrecht_I. Albrecht_I. Rudolfs Johannes_Parricida Heinrich_Vii Heinrich Ludwig_Iv Ludwig Friedrich_der_Schöne Friedrich
§ 38. Die Eroberung von Konstantinopel durch die Türken. 65
wähl haben. Dieser Beschlnß wird zum Reichsgesetz erhoben durch die goldene Bulle 1356, in welcher überhaupt der Vorgang der Kaiserwahl endgiltig geregelt wird: Einsetzung des Kurfürstenkollegs! Dieses Gesetz wurde erlassen unter Kömg Karl Iv. (1347— 1378 ^„Böhmens Vater, des Reiches Erzstiefvater^). Durch ihn 1348 Gründung der ersten deutschen Universität in Prag.
§ 35. In der zweiten Hälfte des Mittelalters großer Aufschwung der Städte. Im Innern mehr und mehr der Selbstverwaltung teilhaftig, 3“L‘ ^®slhrun9 und Stärkung ihrer äußeren Interessen zu großeu Bündnissen zusammen: a) Die Hansa, Bund vorzugsweise der Küstenstädte der Nord- und Oltsee; Zweck: Förderung und Schutz des Seehandels. Gebietende Stellung der Hansa gegenüber den nordischen Reichen, b) Der rheinische Städtebund, löst sich gegen Ende des 14. Jahrhunderts mehr und mehr auf. c) Der schwäbische Städtebund entwickelt sich im Gegensatz zu den süddeutschen Landesherren zu großer Macht. Sieg über Eberhard von Württemberg bei Reutlingen 1377. Die Macht des Bundes sinkt gegen Ausgang des Mittelalters.
<rrr ^6- Gegen die Mißstände in der Kirche treten auf: in England Wrclef ca. 1360, m Deutschland (Böhmen) Huß ca. 1400. Man suchte eine Reformation an Haupt und Gliedern durchzusetzen durch große
m ®0n5tl äu ^i'a 1409' b) Konzil zu Konstanz ca. 1415 c) Konzil zu Basel ca. 1440. Keines erreicht seinen Zweck. Doch ist das Konstanzer Konzil sehr wichtig a) durch die dort vollzogene Verurteilung und Verbrennung von Huß; b) durch die von Kaiser Sigismund (1410—1437) vollzogene Belehnung des Burggrafen Friedrich von Nürnberg mit dem Kurfursteutum Brandenburg (1417).
s a 137‘ .Vorgeschichte Brandenburgs. Ursprüngliche slavische Bevölkerung durch Heinrich I. und Otto I. christianisiert (Markgras Gero und die „Nord-nlv f unter den Frankenkönigen vernachlässigte Germanifierung dieser Gebiete nimmt wieder auf ca. 1135 Albrecht der Bär aus dem Hau se
iqjfwä" rs ”Un0an Aufblühen Brandenburgs. Aussterben der Askanier 1320 (Waldemar). Zerrüttung der Mark unter den bayerischen und luxemburgischen pursten. 1356 wird Brandenburg durch die goldene Bulle Kurfürstentum. 1417 die Hohenzollern Kurfürsten von Brandenburg, Herstellung der Ordnung durch eine Reihe vortrefflicher Herrscher.
8 38. Die Eroberung von Konstantinopel durch die Türken.
Zwischen der Welt des Morgenlandes und der des Abend-lllndes hatte seit Stiftung des Mohammedanismus beständiger Widerstreit nicht aufgehört. Die Araber waren zwar von der Besitznahme Frankreichs durch Karl Martells Sieg bei Poitiers 732 abgehalten worden, doch hatten sie in Spanien festen Fuß aefakt und Jahrhunderte lang behalten, trotzdem sie in beständigem Kampfe Mit den christlichen Königen und Rittern (der Cid!) lagen.
Wychgram, Lehrbuch der Geschichte, ii. r
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Extrahierte Personennamen: Ludwigs Philipp_V._König Philipp_V. Ludwig_Xiv Ludwig Romanow Karl_Xii Karl Karl Karl Peters Friedrichs_I. Albrecht_Achilles Albrecht Joachim Joachim_Ii Friedrich_Ii Friedrich Joachim
— 82 —
machten. An seine Thür schrieben sie: „Joachimcheu, hüte dich; sangen wir dich, so hangen wir dich!" Sie legten ihm einen Hinterhalt, er aber entging ihnen durch die Warnung eines treuen Bauern. In einem Jahre ließ er 70 dieser Räuber hinrichten. Ein Oheim warnte ihn, also gegen den Adel seines eigenen Landes zu wüten. Ihm antwortete er: „Nicht adeliges, sondern nur Schelmenblut habe ich vergossen. Wären diese redliche Edelleute gewesen, so hätten sie keine Verbrechen begangen!" In Berlin gründete er das Kammergericht, das in Streitsachen den letzten und höchsten Spruch fällte. Die Juden verfolgte er grausam und jagte sie aus dem Lande. Lnthern und seinem Werke war er feind. Trotzdem breitete sich die neue Lehre in seinem Lande aus, und sogar die Knrfüstin Elisabeth bekannte sich heimlich dazu. Sie mußte aber vor dem Zorn ihres Gatten bei Nacht und Nebel nach Sachsen fliehen. Hier lebte sie in fleißigem Verkehr mit Luther bis nach dem Tode ihres Mannes. Ihre Söhne holten sie dann zurück und traten beide zur evangelischen Kirche über, Kurfürst Joachim Ii. im Jahre 1539. Sein Wahlspruch war: „Allen wohlzuthun ist Fürstenart." Durch einen Erbvertrag mit den schlesischen Herzögen erwarb er das Recht auf Schlesien, das später Friedrich der Große zur Geltung brachte. Auch die Erwerbung Preußens bereitete er vor.
11. Wie Luther in seiner Familie lebte. Luther verheiratete sich 1525 mit Katharina von Bora und führte mit ihr ein glückliches Eheleben. Er rühmte selbst: „Mir ist's, gottlob, wohlgeraten, denn ich habe ein frommes und getreues Weib!" In seinem Testamente bezeugte er seiner Käthe, „daß sie ihn allezeit lieb und wert gehalten habe". Luther wohnte in dem Augustinerkloster, das ihm der Kurfürst schenkte, als es die Mönche verlassen hatten. Käthe war eine fleißige und sparsame Hausfrau. Sie baute den Garteu, mästete alljährlich ein Schwein, hielt Kostgänger und vermehrte die Einnahmen, wo es ging. Und das war nötig, denn Luther war sehr gastfrei und freigebig,' fein Einkommen aber gering, da er von seinen Büchern nie einen Gewinn nahm. Kein Armer ging nngespeist und nnbeschenkt aus seiner Thür. Weil er alles für andere that, fehlte es ihm oft selbst an dem Nötigsten. Durch Geschenke half ihm oft der Kurfürst aus dieser und jener Verlegenheit. Seine Kinder lieble Luther gar zärtlich, aber streng erzog er sie in der Zucht und Vermahnung zum Herrn. Sein liebes Söhnlein Hans, dem er den lieblichen Brief von dem schönen Garten schrieb, durfte einmal drei Tage nicht vor fein Angesicht kommen. „Ich will lieber einen toten als einen ungeratenen Sohn!" sagte er. Groß war sein Schmerz, als seine vierjährige Magdalene auf dem Sterbebette
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Extrahierte Personennamen: Elisabeth Joachim_Ii Friedrich Katharina_von_Bora Hans
— 108 —
ja einmal mußte sie sich von einer Bettlerin in den Kot stoßen lassen. Alles ertrug sie geduldig und ohne Murren. Später reuete ihren Schwager seine Härte, und er rief die unglückliche Frau zurück. Sie aber sehnte sich nicht nach fürstlicher Pflege, sondern zog nach Marburg an der Lahn und lebte da still und einsam ihrem Gott und ihren Nächsten. Alle ihre Habe gab sie den Armen und behielt nur ein graues Kleid, darin man sie begraben sollte. Auf dem Totenbette tröstete sie die Umstehenden und ist dann in Gottes Frieden dahingefahren.
4. Friedrich Barbarossa im Kyffhäuser.
1. Wie die Kyffhänsersage entlkand. Der Kyffhäuserberg liegt an der „goldenen Aue", südlich vom Harzgebirge, und trug ehedem eine kaiserliche Pfalz oder Burg. Der Name Kyffhäuser bedeutet „Häuser auf der Kippe". Ein alter Turm ist der einzige Rest aus alter Zeit. Jetzt wird dem Kaiser Wilhelm I., dem Weißbart, auf dem Berge ein großes Denkmal errichtet, weil er das deutsche Reich erneuert und die lange Zwietracht geendet hat. Vor mehr als 700 Jahren herrschte in Deutschland gar gewaltig der Kaiser Friedrich Barbarossa. Die Stammburg seines edlen Geschlechts war die Burg Hohenstaufen in Schwaben, nicht weit von der Zollernburg. Wegen seines rötlichen Bartes wurde der Kaiser in Italien Barbarossa oder Rotbart genannt. Er zog siebenmal über die Alpen nach Italien, um dort die widerspenstigen Städte zu unterwerfen. Mehr als einmal geriet er in Lebensgefahr. Als Greis unternahm er (1190) einen Kreuzzug in das heilige Land, um Jerusalem und die andern heiligen Orter aus den Händen der Türken zu befreien. Siegreich drang er vor. Aber zum großen Jammer seines Heeres ertrank er in einem Flusse und ward im fernen Lande begraben. Das deutsche Volk glaubte nicht an den Tod des herrlichen Helden und hoffte in den traurigen Zeiten, die nach ihm kamen, immer auf seine Wiederkehr. Einer erzählte dem andern, er sei nicht gestorben, sondern säße verzaubert in einem unterirdischen Schlosse des Kyffhäuserberges. Er stütze sein Haupt auf einen Marmortisch. Sein Bart sei durch und um den Tisch gewachsen. Seine Ritter stünden schlafend umher, und seine Tochter lltchen hüte das verzauberte Schloß. Zuweilen zwinke der Kaiser mit den Augen und schicke einen Zwerg hinauf, damit er nachsehe, ob die Raben noch kreischend um den Berg flögen. Sei dies der Fall, dann müsse er wieder hundert Jahre weiter schlafen. (Vergleiche Rückerts Lied: „Der alte Barbarossa —" und Geibels „Tief im Schlosse des Kyffhäuser —".)
2. Wie zwei Soldaten den Turm erstiegen. Der Turnt, in dem der Kaiser unten schlafen soll, hat keinen Eingang. Nur oben sieht man zwei offene Luken, zu denen man auf vorspringenden Steinen emporklettern kann. Zwei Soldaten wollten den alten Kaiser gern einmal sehen. Aus Tille da stiegen sie auf den Berg und kletterten zu den Luken empor, aber sie fanden sie mit eisernen Läden geschlossen. Unverrichteter Sache kehrten sie um. Als aber die Leute in Tilleda von den Läden hörten, da riefen sie: „O ihr Thoren! Hättet ihr die Läden ausgehoben und mitgenommen, so wären sie zu Gold geworden!" Eilig liefen die Soldaten wieder auf den Berg, aber die Läden an den Luken waren verschwunden.
3. Wie der Kirt von Wennnngen Geräte borgte. Der Hirt in Nennungen wollte Hochzeit machen, hatte aber kein Tischgerät dazu. Da
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_Barbarossa Friedrich Barbarossa Wilhelm_I. Wilhelm_I. Friedrich_Barbarossa Friedrich Barbarossa Barbarossa Barbarossa Barbarossa Wennnngen_Geräte
Heinrich der Löwe.
33
liche mit der herzoglichen Würde von Sachsen dem Grafen Bern-
hard von Anhalt (dem Sohne Albrecht des Bären) gab. Zwar
griff Heinrich der Löwe zu den Waffen, Anfangs nicht ohne Erfolg,
aber als der Kaiser selbst gegen ihn zu Felde zog und seine Vasallen
ihn verließen, bat er fußfällig um Gnade. Bis zu Thränen gerührt,
befreite der Kaiser ihn von der Acht und ließ ihm seine Stanun-
güter Braunschweig und Lüneburg, doch mußte er auf 3 Jahre das
Reich verlassen und ging zu seinem Schwiegervater, dem Könige von
England (Heinrich Il).
Nach einem glänzenden Reichstage zu Mainz (1184), wo Frie-
drich seine beiden ältesten Söhne, Heinrich und Friedrich, wehrhaft
machte, erschien er zum 6. Male in Italien, wurde allenthalben sehr
ehrenvoll empfangen und feierte in dem neuerbauten Mailand die
Vermählung seines ältesten Sohnes, des römischen Königs Heinrich,
mit Constanze, Roger's Ii. Tochter und Erbin des Königreichs Apu-
lien und Sicilien.
Nachdem er seinem Sohne Heinrich die Regierung für die Zeit
seiner Abwesenheit übertragen hatte, unternahm er
den dritten Kreuzzug 1189.
Sa lad in, Sultan von Aegypten, erneuerte die Ansprüche
Aegyptens auf Syrien und Palästina, schlug die Christen (welche
den Waffenstillstand verletzt hatten, wodurch der Kampf mit Saladin
auf einige Jahre unterbrochen war) bei Hittin unweit des alten
Liberias, nahm den König Guido (Veit) mit vielen Rittern gefangen
und machte durch Einnahme der Hauptstadt dem Königreiche Jeru-
salem nach 88jähriger Dauer ein Ende.
Der Verlust der heil. Stadt bewog die drei ersten Fürsten der
Christenheit, den 70jährigen Kaiser Friedrich I. Barbarossa und die
Könige Philipp August Ii. von Frankreich und Richard Löwenherz
von England, mit der Blüte ihrer Ritterschaft den 3. Kreuzzug an-
zutreten.
Kaiser Friedrich, welcher zuerst aufbrach, kam nach Klein-Asien,
schlug das Heer des Sultans von Jconium, eroberte diese Stadt,
fand aber bald darauf im Flusse Kalykadnos (Saleph) seinen Tod.
Sein Sohn, Herzog Friedrich von Schwaben, führte zwar das durch
Seuchen und Ausreißen stets abnehmende Heer noch bis Akkon oder
Ptolemais (auch Acre), wo er dm Orden der deutschen Ritter stif-
tete, aber noch während der Belagerung der Stadt starb (1191).
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Extrahierte Ortsnamen: Sachsen Lüneburg England Mainz Italien Mailand Sicilien Syrien Palästina Liberias Frankreich England Akkon
Fünfter Zeitraum.
—
Vom westfälischen Frieden bis zur Auflösung des deutschen
Reiches 1648—1806.
8- 22.
Vertheidigungskrieg gegen Frankreich und die Türken.
Schon während des dreißigjährigen Krieges hatte der franzö-
sische Premierminister, Cardinal Richelieu, die Politik befolgt, das
Haus Habsburg, dessen Macht durch den vollständigen Sieg über
den Protestantismus seit 1629 bedeutend gestiegen war, zu schwä-
chen. Deshalb hatte er die Protestanten in Deutschland erst insge-
heim, später öffentlich unterstützt und war mit Schweden und mit
Wallenstein gegen den Kaiser in Verbindung getreten. Nachdem nun
Frankreich im westphälischen Frieden nicht nur die längst besetzten
lothringschen Bisthümer behalten, sondern auch die habsburgischen
Besitzungen im Elsaß gewonnen hatte, machte Ludwig Xiv. (reg.
1643—1715) nach dem Tode Ferdinand's Iii. sogar den Versuch
die deutsche Krone zu erhalten und hatte die drei geistlichen Kurfür-
sten und Baiern für diesen Plan gewonnen. Aber die protestanti-
schen Kurfürsten, namentlich Friedrich Wilhelm von Branden-
burg, bewirkten, daß die Wahl auf Ferdinands Sohn
Leopold I. 1658-1705
fiel; doch setzte der französische Einfluß durch, daß der Kaiser in
einer Wahlcapitulation sich neue Beschränkungen seiner Gewalt ge-
fallen lassen, und das Versprechen, den Feinden Frankreichs keinen
Vorschub zu thun, geben mußte. Zugleich reizte der französische Ge-
sandte den türkischen Sultan zum Kriege gegen Oesterreich, weil die-
ses die Fürsten von Siebenbürgen, in dem Versuche sich von der
türkischen Oberherrschaft zu befreien, unterstützte. Die Türken rück-
ten daher (1664) aus Niederungarn, welches ganz in ihrem Besitze
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Extrahierte Personennamen: Cardinal_Richelieu Ludwig_Xiv Ludwig Friedrich_Wilhelm_von_Branden- Friedrich Wilhelm Ferdinands Leopold_I.
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Haus_Habsburg Deutschland Frankreich Baiern Frankreichs Oesterreich Niederungarn
110
Le»vvld I.
war, gegen die Grenze Oberungarns vor und gingen bei der Cister-
zienser-Abtei St. Gotthardt über die Raab, aber Montecucnli
erfocht hier einen glänzendern Sieg, als seit 3 Jahrhunderten christ-
liche Truppen in offener Feldschlacht gegen die Osmanen gewonnen
hatten, ohne daß derselbe jedoch weiter benutzt wurde. Der Reichs-
tag in Regensburg, der dem Kaiser die Hülfe gegen die Tür-
ken bewilligt hatte, erhielt immerwährende Dauer und ward
fortan nicht mehr vom Kaiser rmd den Reichsständen persönlich be-
sucht, sondern jeder Reichsfürst und jede Reichsstadt hielt (seit 1667)
beständig einen Gesandten in Regensburg, der den Sitzungen im
Namen seines Herrn beiwohnte.
Während seiner langen Regierung war Leopold mit einem drei-
fachen Kampfe beschäftigt: a) gegen die Vergrößerungssucht Frank-
reichs, b) gegen die abermals das christliche Europa bedrohenden
Türken, e) gegen die mißvergnügten ungarischen Magnaten.
Erster Reichskrieg gegen Ludwig Xiv. 1674—1678.
Nach dem Tode seines Schwiegervaters, Pbilipp's Iv. von
Spanien, machte Ludwig Xiv., trotz der Verzichtleistung seiner Ge-
mahlin, aus ihr mütterliches Erbe in den Niederlanden Anspruch
und nahm mehrere belgische Festungen weg; allein die (durch den
holländischen Rathspensionär Joh. de Witt veranlaßte) Tripel-
allianz zwischen Holland, England und Schweden bewog ihn, den
Frieden zu Aachen (1668) einzugeheu und sich mit den eroberten
Plätzen in Flandern zu begnügen. Um au der holländischen Repu-
blik durch Demüthigung oder Vernichtung derselben Rache zu neh-
men für die Stiftung der Tripelallianz, zog Ludwig ihre Bundes-
genossen, England und Schweden, in sein Interesse, fiel mit zwei
Heeren in Holland ein, und nur die künstliche Ueberschwemmung des
Landes hinderte ihn au dessen gänzlicher Eroberung. Da trat der
Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg und auch bald der
Kaiser und der König von Spanien für Holland auf. So groß aber
auch die Zahl der Feinde Frankreichs war, so wurden doch ihre Un-
ternehmungen durch Uneinigkeit, gegenseitige Eifersucht und Langsam-
keit so sehr gehemmt, daß Ludwig neue Eroberungen machen konnte,
welche ein reichlicher Ersatz für die aufgegebenen holländischen Pro-
vinzen waren. Im Jahre 1674 stellte er drei Heere ins Feld: das
eine unter des Königs eigenem Oberbefehle eroberte die Franche-
Comte, das zweite (unter Conde) kämpfte gegen die Uebermacht des
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Extrahierte Personennamen: Gotthardt Leopold Leopold Ludwig_Xiv Ludwig Ludwig_Xiv. Ludwig_Xiv. Ludwig Ludwig Friedrich_Wilhelm_von_Brandenburg Friedrich Wilhelm Ludwig Ludwig
Extrahierte Ortsnamen: Regensburg Regensburg Frank- Europa Spanien Holland England Schweden Aachen Flandern England Schweden Holland Spanien Holland Frankreichs
Erste deutsche Universität. Eidgenossenschaften der Städte u. des Adels. 69
b) Könige aus dem Hause Böhmen-Luxemburg 1347 — 1437.
1. Karl Iv. 1347— 1378.
Karl's Wirken beschränkte sich fast aus sein Erbland, Böh-
men, womit er durch eine Erbverbrüderung die Mark Branden-
burg und die Lausitz, und durch seine zweite und dritte Gemahlin
einen Theil der Oberpfalz und Schlesien vereinigte. Dieses Land
suchte er auf jede Weise emporzubringen: durch die Stiftung der
ersten deutschen Universität zu Prag 1348, welche bald 7000
Studirende zählte, durch Verbesserung der Gesetze und Rechtspflege,
Vermehrung der Kirchen und Klöster, Beförderung des Handels,
Berg- und Weinbaues u. s. w.
Für das deutsche Reich that er nichts Wesentliches, als daß er,
um den Streitigkeiten, welche die unbestimmte Form der Kaiserwahl
so häufig veranlaßt hatte, ein Ende zu machen, 1356 auf dem
Reichstage zu Metz die goldene Bulle erließ, ein Reichsgesetz
hauptsächlich über die Kaiserwahl, worin festgesetzt wurde, daß nach
dem Tode eines Kaisers der Erzbischof von Mainz in 3 Monaten
die Kurfürsten zu Frankfurt zu einer neuen Wahl versammeln sollte,
daß Stimmenmehrheit entscheiden, die Krönung zu Aachen geschehen,
die Kurländer untheilbar und die der vier weltlichen nach dem Recht
der Erstgeburt erblich sein sollten. Das Wahlrecht oder die Kur-
würde erhielten die Erzbischöfe von Mainz, Trier und Köln, der
König von Böhmen, der Pfalzgraf bei Rhein, der Herzog von Sach-
sen und der Markgraf von Brandenburg.
Nachdem schon seit Heinrich Ii. die Kaiser immer Landfriedens-
gesetze gegeben hatten, ohne deren Befolgung allgemein durchsetzen, zu
können, versuchten einzelne Reichsstände durch freie Uebereinkunft
einen Friedenszustand zu begründen. So entstanden
a) die Eidgenossenschaften der Städte, deren es am
Ende von Karl's Regierung 5 gab: 1) die deutsche Hanse (vgl.
§. 18), in dieser Zeit auf dem Gipfel ihrer Blüte, 2) die Eidge-
nossenschaft der 7 friesischen Seelande zur Behauptung
ihrer Freiheit gegen die benachbarten Fürsten, 3) der gegen Han-
delsbedrückung durch neue Rheinzölle (1247) entstandene rheini-
sche Städtebund, wozu nicht nur die Rheinstädte von Basel bis
Wesel gehörten, sondern auch entferntere (wie Nürnberg, Regens-
burg), 4) die schweizerische Eidgenossenschaft, welche sich
durch den allmäligen Beitritt der Städte Luzern, Zürich, Zug,
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Extrahierte Personennamen: Karl_Iv Karl Heinrich_Ii Heinrich
Preußen unter dem deutschen Orden.
£67
er dadurch die Eifersucht des Köuigs von Polen, der ebenfalls jenes
auch ihm wichtige und wohl gelegene Land zu erlangen gehofft hatte.
Die Eifersucht brach in Krieg aus, als der Großfürst von Lithauen
mit Zustimmung des Königs von Polen das kurz vorher überlassene
Samogitien wegnahnl; der Orden erlitt eine große Niederlage bei
Tanuenberg 1410, welche seine Macht für immer brach. Nur der
tapfern Vertheidigung Marienburgs durch Heinrich von Plauen ver-
dankte er seine Rettung und den billigen Frieden zu Thorn (1411),
worin Saniogitien abgetreten wurde. Bald (1416) ward die Macht
des Hochmeisters beschränkt, indem er, um das Land an den Orden
zu fesseln, die Einführung neuer Auflagen von der Zustimmung des
sog. Landrathes abhängig machte, welcher (Anfangs aus den klüg-
sten Brüdern des Ordens, zehn Männern aus dem Adel und zehn
Abgeordneten der Städte) nach seiner Reorganisation aus 6 Ordens-
gebietigern, 6 Prälaten, 6 aus dem Landadel und 6 Bürgern —
alle nach des Hochmeisters Wahl — bestand, sich jährlich in Ma-
rienburg versammelte und in allen wichtigen Landesangelegenheiten
zu Rathe gezogen ward. Die drückende Herrschaft des Ordens ver-
anlaßte die Verbindung des Landadels und der Städte zu dem preu-
ßischen Bunde zu Marienwerder, welcher den: Orden den Gehorsam
aufkündigte (1454) und sich unter den Schutz Polens begab. Nach
einem 13jährigen Kriege gegen den Bund und die Polen mußte der
Orden im zweiten Frieden zu Thorn 1466 Westpreußen an Polen
abtreten und behielt Ostpreußen blos als polnisches Lehen. Der
Hauptsitz wurde nach Königsberg verlegt.
Als wiederholte Versuche, sich von der polnischen Herrschaft zu
befreien und die Huldigung zu verweigern, ohne Erfolg geblieben
waren, glaubte die Mehrzahl der Ordensbrüder durch die Wahl
eines Fürsten, des Markgrafen Albrecht von Brandenburg (s. d.
Stammtafel S. 165), Enkel des Kurfürsten Albrecht Achilles und,
was noch wichtiger schien, Schwestersohnes des Königs Sigmund
von Polen, zum Hochmeister die Lage des Ordens zu verbessern.
Aber dieser gerietst wegen Weigerung der Huldigung mit dem Könige
von Polen in Krieg und ging nach Abschluß eines Waffenstillstandes
nach Deutschland, angeblich, um Hülfe für den Orden zu suchen.
Hier lernte er Luther und Melanchthon kennen, ließ sich von diesen
bewegen, den Orden aufzuheben, sich zu vermählen und Preußen in
ein weltliches Fürstenthum zu verwandeln. Die Ausführung dieses
Rathes ward dadurch erleichtert, daß inzwischen die reformirte Lehre
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Extrahierte Personennamen: Heinrich_von_Plauen Heinrich Albrecht_von_Brandenburg Albrecht Albrecht_Achilles Albrecht Melanchthon