Tie Fortschritte der Reformation.
105
Die Fortschritte der Reformation.
§ 110. Kaiser Karl V. führte, während Deutschland diese schwere Revolution durchmachte, im Interesse seines Hauses in Italien Krieg. Für die Reformation war seine Abwesenheit von Nutzen; an die Durchführung des Wormser Ediktes war nicht zu denken. Nicht wenige Reichsstände fielen von der alten Kirche ab; unter ihnen waren der Kurfürst von Sachsen, Friedrich der Weise, dem nach seinem Tode sein Bruder Johann ,mnbe' der Beständige folgte, und Landgraf Philipp der Großmütige von Hessen die mächtigsten. Auch eine Reihe von Städten führten die Reformation durch. Von besonderer Bedeutung war es, daß der Hochmeister des deutschen Ordens, der Hohenzoller Albrecht von Brandenburg, übertrat, sein Land säkularisierte, d. H. in ein weltliches Fürstentum umwandelte und sich von nun an Herzog von Preußen nannte. Schon ergriff die Reformation auch die nordischen Lande. Der Schwedenkönig Gustav Wasa, der Schweden van der dänischen Herrschaft befreite, reformierte sein Land und ebenso der König von Dänemark das seinige.
Im Jahre 1526 beschloß derreichstagvonspeier, in religiösen Angelegenheiten solle es jeder Reichsstand halten, wie er es „gegen Gott 1526. und Kaiserliche Majestät hoffe und vertraue zu verantworten". Nunmehr gingen Kurfürst Johann, Landgraf Philipp und andere Reichsstände daran, den kirchlichen Verhältnissen in ihren Landen eine gesetzliche Ordnung zu geben. Bisher hatte die katholische, d. h. allgemeine Kirche alle abendländischen Staaten gleichmäßig umfaßt; jetzt entstanden in den einzelnen evangelischen Landen besondere Landeskirchen. Sie konnten nur vonjjjjjjf' der bürgerlichen Obrigkeit begründet und eingerichtet werden; so kam es, daß dem Landesherrn, obwohl er ein Laie war-, meistens eine Art bischöflicher Machtbefugnis zugesprochen wurde. Ihm und seinen kirchlichen Räten lag zunächst die Ernennung von Pfarrern ob, sodann die Einziehung des Kirchenguts, das für Staatsgut erklärt und zum größeren Teil für Kirchen- und Schulzwecke verwandt wurde, ferner die Neuordnung des Gottesdienstes, in welchem nun Predigt und Gemeindegesang in den Vordergrund traten, endlich auch die Sorge für die Schulen, für die bisher meist die Kirche gesorgt hatte, und die nun der Staat in seine Obhut nahm. Das Vorbild für andere deutsche Lande wurde Kursachsen. Während Luther für den Religionsunterricht den großen und den kleinen Katechismus verfaßte, machte sich M e l a n ch t h 0 n um die Kirchenordnung und die Einrichtung von Schulen hochverdient.
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Extrahierte Personennamen: Karl_V. Karl_V. Friedrich_der_Weise Friedrich Johann Johann Philipp_der_Großmütige Philipp Albrecht_von_Brandenburg Albrecht Gustav_Wasa Gustav Dänemark Johann Philipp Philipp
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Italien Sachsen Hessen Schweden
Die Fortschritte der Reformation.
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Die Fortschritte der Reformation.
110. Kaiser Karl V. fhrte, während Deutschland diese schwere Revolution durchmachte, im Interesse seines Hauses in Italien Krieg. Fr die Reformation war seine Abwesenheit von Nutzen; an die Durchfhrung des Wormser Ediktes war nicht zu denken. Nicht wenige Reichsstnde fielen von der alten Kirche ab; unter ihnen waren der Kurfürst von Sachsen, Friedrich der Weise, dem nach seinem Tode sein Bruder Johann ftcmbe-der Bestndige folgte, und Landgraf Philipp der Gromtige von Hessen die mchtigsten. Auch eine Reihe von Stdten fhrten die Reformation durch. Von besonderer Bedeutung war es, da der Hochmeister des deutschen Ordens, der Hohenzoller Albrecht von Brandenburg, bertrat, sein Land skularisierte, d. h. in ein weltliches Frstentum um-wandelte und sich von nun an Herzog von Preußen nannte. Schon ergriff die Reformation auch die nordischen Lande. Der Schwedenknig Gustav Wasa, der Schweden von der dnischen Herrschaft befreite, reformierte sein Land und ebenso der König von Dnemark das seinige.
Im Jahre 1526 beschlo derreichstag von Speier, in religisen Angelegenheiten solle es jeder Reichsstand halten, wie er es gegen Gott 1526. und Kaiserliche Majestt hoffe und vertraue zu verantworten". Nunmehr gingen Kurfürst Johann, Landgraf Philipp und andere Reichsstnde daran, den kirchlichen Verhltnissen in ihren Landen eine gesetzliche Ordnung zu geben. Bisher hatte die katholische, d. h. allgemeine Kirche alle abend-lndischen Staaten gleichmig umfat; jetzt entstanden in den einzelnen evangelischen Landen besondere Landeskirchen. Sie konnten nur von der brgerlichen Obrigkeit begrndet und eingerichtet werden; so kam es, da dem Landesherrn, obwohl er ein Laie war, meistens eine Art bischflicher Machtbefugnis zugesprochen wurde. Ihm und seinen kirchlichen Rten lag zunchst die Ernennung von Pfarrern ob, sodann die Einziehung des Kirchenguts, das fr Staatsgut erklrt und zum greren Teil fr Kirchen- und Schulzwecke verwandt wurde, ferner die Neuordnung des Gottesdienstes, in welchem nun Predigt und Gemeindegesang in den Vordergrund traten, endlich auch die Sorge fr die Schulen, fr die bisher meist die Kirche gesorgt hatte, und die nun der Staat in seine Obhut nahm. Das Vorbild fr andere deutsche Lande wurde Kursachsen. Whrend Luther fr den Religionsunterricht den groen und den kleinen Katechis-mus verfate, machte sich Melanchthon um die Kirchenordnung und die Einrichtung von Schulen hochverdient.
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Extrahierte Personennamen: Karl_V. Karl_V. Friedrich_der_Weise Friedrich Johann_ftcmbe-der Johann Philipp Philipp Albrecht_von_Brandenburg Albrecht Gustav_Wasa Gustav Dnemark Johann Johann Philipp Philipp Whrend_Luther Melanchthon
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Italien Sachsen Hessen
Ii. Hemmungen und Förderungen der Reformation (1522 — 46).
141
das Land an Ferdinand gegeben. Als Ulrichs tüchtiger Sohn Christoph sein Erbe zurückforderfe (1532), faßte Philipp von Hessen den Plan, das angestammte Fürstenhaus wiedereinzusetzen.
Mit französischer Hilfe besiegte er Ferdinand und zwang ihn zum Verzicht auf Württemberg (1534). Nunmehr führte Ulrich die Reformation durch und trat dem Schmalkaldischen Bunde bei.
y) Überivältigung des religiösen und politischen Radikalismus § 118. in Münster und Lübeck. In den Jahren 1534 und 1535 entstand von neuem die Gefahr einer Schädigung der Reformation durch die radikale Überspannung. Die Betonung der praktischen Nachfolge Christi im Gegensatz zu Luthers Rechtfertigungslehre, der behauptete Besitz besonderer göttlicher Erleuchtung, auch das mittelalterlich-mönchische Ideal der Weltflucht und Weltver-neinung sind die Quellen des Radikalismus im Reformationszeitalter, der weder 1522 noch 1525 völlig ausgerottet war. Als sein äußeres Kennzeichen kam in der Schweiz die Verwerfung der Kindertaufe, die Wiedertaufe, auf. Von den Niederlanden her fanden die täuferischen Bestrebungen Eingang in der Stadt Münster, deren Bürgerschaft unter der Führung des Predigers Bernhard Rottmann trotz dem Bischof die Reformation eingeführt hatte; nun wurde dieser durch Jan Mattys aus Haarlem, Jan Beuckelssen aus Leiden (Johann von Leiden) u. a. für die Wiedertäuferei gewonnen. 1534 stürzten sie das Stadtregiment und begründeten das kommunistische Gottesreich mit Vielweiberei, in dem zuletzt Johann von Leiden König wurde und sein despotisches Regiment durch blutige Taten aufrecht erhielt. Nach hartnäckiger Verteidigung durch die fanatisierte Menge wurde die Stadt 1535 endlich von den Truppen des von ändern Reichsständen unterstützten Bischofs erstürmt; Johann von Leiden, sein Statthalter Bernhard (Bernt) Knipperdollinck und sein Kanzler Krechtinck wurden mit glühenden Zangen zu Tode gezwickt und ihre Leiber in eisernen Käfigen am Turm der Lambertuskirche aufgehängt. Darauf wurde in Münster der Katholizismus wieder eingeführt.
In Lübeck versuchte der Führer der lübischen Demokratie Jürgen Wullenwever, kirchlich wie politisch radikal, den Adel zu stürzen und, in die Thronkämpfe Dänemarks eingreifend,
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Extrahierte Ortsnamen: Württemberg Schmalkaldischen_Bunde Christi Luthers Haarlem Thronkämpfe_Dänemarks
Ii. Hemmungen und Förderungen der Reformation (1522 — 46).
141
das Land an Ferdinand gegeben. Als Ulrichs tüchtiger Sohn Christoph sein Erbe zurückforderte (1532), faßte Philipp von Hessen den Plan, das angestammte Fürstenhaus wiedereinzusetzen. Mit französischer Hilfe besiegte er Ferdinand und zwang ihn zum Verzieht auf Württemberg (1534). Nunmehr führte Ulrich die Reformation durch und trat dem Schmalkaldischen Bunde bei.
y) Überwältigung des religiösen und politischen Radikalismus in Münster und Lübeck. In den Jahren 1534 und 1535 entstand von neuem die Gefahr einer Schädigung der Reformation durch die radikale Überspannung. Die Betonung der praktischen Nachfolge Christi im Gegensatz zu Luthers Rechtfertigungslehre, der behauptete Besitz besonderer göttlicher Erleuchtung, auch das mittelalterlich - mönchische Ideal der Weltflucht und Weltverneinung sind die Quellen des Radikalismus im Reformationszeitalter, der weder 1522 noch 1525 völlig ausgerottet war. Als sein äußeres Kennzeichen kam in der Schweiz die Verwerfung der Kindertaufe, die Wiedertaufe, auf. Ton den Niederlanden her fanden die täuferischen Bestrebungen Eingang in der Stadt Münster , deren Bürgerschaft unter der Führung des Predigers Bernhard Rottmann trotz dem Bischof die Reformation eingeführt hatte; nun wurde dieser durch Jan Mattys aus Haarlem, Jan Beuckelssen aus Leiden (Johann von Leiden) u. a. für die Wiedertäuferei gewonnen. 1534 stürzten sie das Stadtregiment und begründeten das kommunistische Gottesreich mit Vielweiberei, in dem zuletzt Johann von Leiden König wurde und sein despotisches Regiment durch blutige Taten aufrecht erhielt. Nach hartnäckiger Verteidigung durch die fanatisierte Menge wurde die Stadt 1535 endlich von den Truppen des von andern Reichsständen unterstützten Bischofs erstürmt; Johann von Leiden, sein Statthalter Bernhard (Berat) Knipperdollinck und sein Kanzler Krechtinck wurden mit glühenden Zangen zu Tode gezwickt und ihre Leiber in eisernen Käfigen am Turm der Lambertuskirche aufgehängt. Darauf wurde in Münster der Katholizismus wieder eingeführt.
In Lübeck versuchte der Führer der lübischen Demokratie Jürgen Wullenwever, kirchlich wie politisch radikal, den Adel zu stürzen und, in die Thronkämpfe Dänemarks eingreifend,
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Extrahierte Ortsnamen: Württemberg Schmalkaldischen_Bunde Christi Luthers_Rechtfertigungslehre Haarlem Thronkämpfe_Dänemarks
188 Siebente Periode. Von 1789 bis zur Gegenwart. —Dritter Abschnitt. Seit 1871.
2. Das "Wesen der Sozialreform besteht darin, daß der Staat 1. die wirtschaftlich stärkere Klasse, also die Arbeitgeber, zu Opfern zwingt, die der Arbeiterklasse zugute kommen sollen; 2. daß er die Arbeitgeber und die arbeitenden Klassen zwingt1, die schwache Kraft der einzelnen Individuen in Genossenschaften zusammenzufassen, die den notleidenden, an sich schwachen und hilflosen Individuen Hilfe und Stütze gewähren.
Nach früheren Anfängen, der Aufhebung der Schuldhaft, der Gewerbeordnung, dem Reichshaftpflichtgesetz, das für die beim Betriebe von Eisenbahnen, Fabriken, Bergwerken usw. vorkommenden Tötungen und Verletzungen Schadenersatz zusprach, und der Abänderung der Gewerbeordnung, wodurch die Frauen- und Kinderarbeit eingeschränkt und die Anstellung von Fabrikinspektoren angeordnet ward, wurde die kaiserliche Botschaft vom 17. Nov. 1881 der Beginn einer Sozialreform großen Stiles. Zunächst (1883) wurde das Gesetz betr. Krankenversicherung der Arbeiter erlassen, das Gemeinde-, Orts-, Fabrik-u. a. Krankenkassen schuf, die den zwangsweise versicherten Arbeitern (2/3 der Beiträge zahlt der Arbeiter, ys der Arbeitgeber) freie ärztliche Behandlung und Arznei und für höchstens 13 Wochen Unterstützung gewähren. Es folgte (1884) das Unfallversicherungsgesetz, wonach die durch Unfall Geschädigten nach Ablauf der Krankenversicherung für die Dauer der Erwerbsunfähigkeit eine Rente erhalten; die Kosten tragen die in Berufsgenossenschaften vereinigten Unternehmer. Einzig dastehend in der Welt ist das Invaliditäts- und Altersversicherungsgesetz, das am 1. Jan. 1891 in Kraft trat und den zwangsweise Versicherten (die Hälfte der Beiträge zahlt der Arbeiter, die Hälfte der Arbeitgeber, dazu tritt ein Reichs-
1) Auch unter der Herrschaft der individualistischen 'Wirtschaftsrichtung
war durch freie Yereinstätigkeit mancherlei zum Wohle der arbeitenden Klassen geschehen. Hierher gehört auch die christliche Liebestätigkeit der evangelischen Kirche, die „innere Mission“, wie die Gründung von Rettungshäusern und Asylen nach dem Vorbilde des von Wiehern gestifteten Rauhen Hauses“ (Rugehaus) bei Hamburg, die Stiftung der Diakonissenanstalt zu Kaiserswerth bei Düsseldorf usw.
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16
Das Zeitalter der religiösen Kämpfe 1619—1648.
Die Fortschritte der Reformation.
§ 17. Kaiser Karl Y. führte, während Deutschland diese schwere Revolution durchmachte, im Interesse seines Hauses in Italien Krieg. Für die Reformation war seine Abwesenheit von Nutzen; an die Durch-Evangelische führung des Wormser Ediktes war nicht zu denken. Nicht wenige Reichsstande.^^^»^E fielen von der alten Kirche ab; unter ihnen waren der Kurfürst von Sachsen, Friedrich der Weise, dem nach seinem Tode sein Bruder Johann der Beständige folgte, und Landgraf Philipp der Großmütige von Hessen die mächtigsten. Auch eine Reihe von Städten führten die Reformation durch. Von besonderer Bedeutung war es, daß der Hochmeister des deutschen Ordens, der Hohenzoller Albrecht von Brandenburg, übertrat, sein Land säkularisierte, d. H. in ein weltliches Fürstentum umwandelte und sich von nun an Herzog von Preußen nannte. Schon ergriff die Reformation auch die nordischen Lande. Der Schwedenkönig Gustav Wasa, der Schweden von der dänischen Herrschaft befreite, reformierte sein Land und ebenso der König von Dänemark das seinige.
Reichstag Im Jahre 1526 beschloß der Reichstag von Speier, in reli-Ö°i5?6ter’ gwsen Angelegenheiten solle es jeder Reichsstand halten, wie er es „gegen Gott und Kaiserliche Majestät hoffe und vertraue zu verantworten". Nunmehr gingen Kurfürst Johann, Landgraf Philipp und andere Reichsstände daran, den kirchlichen Verhältnissen in ihren Landen eine gesetzliche Ordnung zu geben. Bisher hatte die katholische, d. h. allgemeine Kirche alle abendländischen Staaten gleichmäßig umfaßt; jetzt entstanden Landes-in den einzelnen evangelischen Landen besondere Landeskirchen. Sie sirchcu. |onnfen nur tiön hex bürgerlichen Obrigkeit begründet und eingerichtet werden; so kam es, daß dem Landesherrn, obwohl er ein Laie war, meistens eine Art bischöflicher Machtbefugnis zugesprochen wurde. Ihm und seinen kirchlichen Räten lag zunächst die Ernennung von Pfarrern ob, sodann die Einziehung des Kirchenguts, das für Staatsgut erklärt und zum größeren Teil für Kirchen- und Schulzwecke verwandt wurde, ferner die Neuordnung des Gottesdienstes, in welchem nun Predigt und Gemeindegesang in den Vordergrund traten, endlich auch die Sorge für die Schulen, für die bisher meist die Kirche gesorgt hatte, und die nun der Staat in seine Obhut nahm. Das Vorbild für andere deutsche Lande wurde Kursachsen. Während Luther für den Religionsunterricht den großen und den kleinen Katechismus verfaßte, machte sich Melanchthon um die Kirchenordnung und die Einrichtung von Schulen hochverdient.
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Extrahierte Personennamen: Karl_Y Karl Friedrich_der_Weise Friedrich Johann Philipp_der_Großmütige Philipp Albrecht_von_Brandenburg Albrecht Gustav_Wasa Gustav Dänemark Johann Philipp Philipp Melanchthon
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Italien Sachsen Hessen
Ii. Die innere Entwicklung im Deutschen Reiche.
175
Preußen zum Staatseisenbahnsystem über und kaufte die Privat-
bahnen an. Die Erträge aus den Zöllen und die Überschüsse aus
der Eisenbahnverwaltung gaben die Möglichkeit die direkten Steuern
der ärmeren Schichten der Bevölkerung zu ermäfsigen bezw. ganz
aufzuheben.
y) Das Wesen der Sozialreform besteht darin, dafs der Staat
1. die wirtschaftlich stärkere Klasse (also zunächst die Arbeitgeber)
zu Opfern zwingt, welche der Arbeiterklasse zu gute kommen sol-
len; 2. dafs er die Arbeitgeber und die arbeitenden Klassen
zwingt1 die schwache Kraft der einzelnen Individuen in Associa-
tionen oder Organisationen zusammenzufassen, welche den notlei-
denden, an sich schwachen und hilflosen Individuen Hilfe und
Stütze gewähren. Nach den Anfängen von 1868 (Aufhebung der
Schuldhaft) und 1869 (Gewerbeordnung), 1871 (Reichshaftpflicht-
gesetz: Schadenersatz für die beim Betriebe von Eisenbahnen,
Fabriken, Bergwerken u. s. w. vorkommenden Tötungen und Ver-
letzungen) und 1878 (Abänderung der Gewerbeordnung: Ein-
schränkung der Frauen- und Kinderarbeit, Anstellung von Fa-
brikinspektoren) wurde die kaiserliche Botschaft vom 17. Nov.
1881 der Beginn einer Sozialreform großen Stiles. 1883 wurde
das Gesetz betr. Krankenversicherung der Arbeiter erlassen, das
Gemeinde-, Orts-, Fabrik- u. s. w. Krankenkassen schuf, die den
zwangsweise versicherten Arbeitern (2/3 der Beiträge zahlt der
Arbeiter, 1j8 der Arbeitgeber) freie ärztliche Behandlung und
Arznei und für höchstens 13 Wochen Unterstützung gewähren.
1884 folgte das Unfallversicherungsgesetz, wonach die durch Un-
fall Geschädigten nach Ablauf der Krankenversicherung für die
Dauer der Erwerbsunfähigkeit eine Rente erhalten; 1889 das
Invaliditäts- und Altersversicherungsgesetz (in Kraft getreten 1. Jan.
1891), das den zwangsweise Versicherten (Beitrag l/2 der Arbei-
I) Auch unter der Herrschaft der individualistischen Wirtschaftsrichtung
war durch freie Vereinsthätigkeit mancherlei zum Wohle der arbeitenden
Klassen geschehen. Hierher gehört auch die christliche Liebesthätigkeit der
evangelischen Kirche („innere Mission“; Gründung von Rettungshäusern und
Asylen nach dem Yorbilde des von Wiehern gestifteten „Rauhen Hauses“
[Rugehaus] bei Hamburg; Diakonissenanstalt zu Kaiserswerth bei Düsseldorf).
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Ii. Hemmungen und Förderungen der Reformation 1522 — 46.
123
Konzil soll ein jeder Reichsstand also leben, regieren und sich
halten, wie er solches „gegen Gott und kais. Maj. hoffet und
vertrauet zu verantworten“. Wenn derselbe auch nicht die ge-
setzliche Grundlage der Entstehung deutscher Landeskirchen
ist, so begann doch nun thatsächlich ihre Organisation. Da in-
folge der Ereignisse von 1522 — 25 das ursprüngliche Gemeinde-
prinzip in Deutschland unmöglich geworden war, wurden die
Territorialfürsten die obersten Bischöfe ihrer Landeskirchen, er-
hielt also auch ihre fürstliche Gewalt eine bedeutende Stärkung.
Der an politischer Begabung und Frische des Geistes seine
Standesgenossen überragende Philipp von Hessen, Johann von
Sachsen, Herzog Albrecht von Preußen (Bischof Georg Polenz
von Samland, 10. April 1525 Vertrag von Krakau) waren die
ersten gröfseren Fürsten, die die Reformation einführten. In der
Umgestaltung des Gottesdienstes ging Luther, der durch seine
Verheiratung mit der „ausgelaufenen“ Nonne Katharina von Bora
(Juni 1525) mit seiner mönchischen Vergangenheit gebrochen
hatte und in seiner Häuslichkeit das Vorbild des protestantischen
Pfarrhauses gab, sowie seine Mitarbeiter Melanchthon, Justus
Jonas, Amsdorf, Bugenhagen, Spalatin, Kaspar Cruciger äufserst
behutsam vor. In diesen Jahren entfaltete Luther eine ungeheure
Thätigkeit als Seelsorger, Universitätslehrer, Kirchenliederdichter
(neben ihm Paul Speratus), Gründer von Schulen (1524 seine
Schrift „An die Bürgermeister und Ratsherren aller Städte deut-
schen Landes, dafs sie christliche Schulen einrichten sollen“; neben
ihm Melanchthon, „Praeceptor Germaniae“), Kirchenorganisator
(Visitationen), Religionslehrer (1529 sein grofser und kleiner Ka-
techismus).
c) Die Gründung der österreichisch-ungarischen Mon-
archie. Nach der Eroberung von Rhodos (S. 61 Anm.) wandte
sich Suleimanll. (1520 — 66), im Einverständnis mit Franzi.,
gegen Ungarn, stürmte Belgrad und siegte bei Mohäcs (an der
Donau n. vom Einflufs der Drau), wo König Ludwig Ii. den Tod
fand (1526). Damit fiel Böhmen und Ungarn an Ferdinand,
der mit Ludwigs Schwester Anna vermählt (S. 87 Anm. 2) und
dessen Schwester Maria Ludwigs Witwe war. Der Schwierig-
keiten in Böhmen wurde die Geschicklichkeit der Unterhändler
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Extrahierte Personennamen: Philipp_von_Hessen Philipp Johann_von
Sachsen Johann Albrecht_von_Preußen_(Bischof_Georg_Polenz
von_Samland Albrecht Luther Katharina_von_Bora Melanchthon Justus
Jonas Kaspar_Cruciger Paul_Speratus Melanchthon Suleimanll Franzi Ludwig_Ii Ludwig Ferdinand Ludwigs_Schwester_Anna Ludwigs Maria_Ludwigs Maria Ludwigs
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Krakau Amsdorf Rhodos Ungarn Belgrad Donau Ungarn
Geistesleben, Bildungswesen und Religion.
389
das Geistesleben noch unter den unruhigen politischen Verhältnissen.
Am wenigsten hat die Kultur in den Gebirgsgegenden Eingang
finden können, wo der Freiheitskampf eigentlich nie aufhörte.
In den meisten der Balkanstaaten ist der Bildungsstand
des Volkes noch ein sehr tiefer. In der Türkei bestehen wohl
Gesetze, die die Gemeinden verpflichten, Schulen zu errichten, und
den Schulzwang vom 6. bis 11. Jahre vorschreiben. Aber ihre
Ausführung wird nicht überwacht. In Bulgarien ist dagegen der
obligatorische Schulunterricht überall durchgeführt. Das Land
besitzt in Sofia auch eine Universität. In Serbien besteht
zwar kein Schulzwang, aber es giebt doch viele Schulen und in
Belgrad auch eine Universität. Desgleichen giebt es in Mon-
tenegro in fast allen Bezirken Schulen, aber die geistige Bildung,
besonders der Bergbewohner, ist noch sehr gering. In Griechen-
land besteht dem Gesetze nach Schulzwang für Kinder vom 5. bis
12. Jahre. Es besuchen jedoch nur 4 % der Bevölkerung wirklich
die Schule (in Deutschland 15%). Auf den meisten Inseln ist für
den Unterricht besser gesorgt. In Athen besteht eine Universität.
In der Türkei ist der Islam Staatsreligion, doch ist auch
den Anhängern eines andern Glaubensbekenntnisses, sofern es
anerkannt ist, freie Religionsübung gestattet. Jede Kirche, die in
Betracht kommt, hat in Konstantinopel einen hohen Vertreter. In
Bulgarien gab es 1893 2 600000 Orthodoxe, 650000 Moha-
medaner, 23000 Katholiken und 28<'00 Juden. In Serbien
ist die griechisch-orthodoxe Kirche die Landeskirche, die aber
andere Bekenntnisse nicht ausschliesst. Es gehören ihr jedoch
alle Serben an. Demselben Religionsbekenntnis gehören die meisten
Montenegriner an. In Griechenland ist ebenfalls die grie-
chisch-orthodoxe Religion die herrschende; neben ihr zählt
auch die römisch-katholische Kirche zahlreiche Anhänger.
12. Rückblick auf frühere Kulturzeiten.
In der ältesten Zeit, von der wir ziemlich verbürgte Nach-
richten haben, teilten* sich in die Balkanhalbinsel drei Völker-
schaften. Im So wohnten die Thraker, im Nw die Illyrier
und im S die Griechen. Um das Kulturbild früherer Zeiten wieder
vor unsern Augen erstehen zu lassen, wollen wir jede derselben in
ihren Lebensschicksalen verfolgen.
Tliracien liegt den Einfällen von So, von Asien her, und
von No, vom grossen osteuropäischen Tieflande her, gleich offen.
Wie von jener Seite her sich einst die Riesenheere der Perser,
nachdem sie den Hellespont überschritten hatten, heranwälzten,
so drangen von dieser in späterer Zeit, vom 3. Jahrhundert n. Chr.
an, die Sia ven ein. Hunderttausende von ihnen, in den Augen
der Römer Barbaren, wurden in Tliracien angesiedelt, und bald
TM Hauptwörter (50): [T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
TM Hauptwörter (100): [T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T69: [Kirche Kloster Stadt Schule Bischof Gemeinde Orden Land Priester geistliche], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T95: [Bewohner Sprache Volk Land Bevölkerung deutsche Stamm Religion Neger Einwohner], T97: [Stadt Hauptstadt China Reich Land Handel Meer Einw. Türkei Sultan]]
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Extrahierte Ortsnamen: Bulgarien Sofia Serbien Belgrad Griechen- Deutschland Athen Türkei Konstantinopel Bulgarien Serbien Griechenland Asien Tliracien
§ 13. Österreich-Ungarn,
83
wurden als Kolonisten von Ungarns Königen im 12. und 13. Jahr-
hundert ins Land gerufen, um im nordungarischen Erzgebirge und in
Siebenbürgen städtisches Leben nach deutscher Weise in dem noch einer
Wildnis ähnlichen Land einzuführen, besonders auch des Bergbaus sich
anzunehmen. Die Hauptmasse der Bevölkerung des ganzen Berglandes
von Nw.-Ungarn besteht aber nach wie vor aus Slowaken, einem
tschechischen Slawenstamm, diejenige Siebenbürgens aus Rumänen.
Den S. Ungarns jenfeit der Drau bewohnen Serben, die im W.
Kroaten, im O. Slawonier heißen. Seit den Schlußjahrhunderten
des Mittelalters zogen die Zigeuner besonders zahlreich nach Ungarn
(ein indisches Wandervolk, aus dem nordwestlichsten Teil des Indus-
gebiets durch unbekannte Ursachen aufgestört); sie sind in Ungarn gleich-
wie im zigeunerreichen Rumänien Schmiede und Musikanten, haben sich
hier wie dort teilweise auch in Stadt und Dorf angesiedelt. Bunt zu-
sammengesetzt wie nach Volksart und Sprache zeigt sich das ungarische
Kronland auch im religiösen Bekenntnis: die römisch-katholische Kirche
zählt weitaus die größte Anhängerschaft (die meisten Magyaren und
Slowaken, sämtliche Kroaten), der evangelischen Kirche sind unterthan
ein Teil der Magyaren und Slowaken sowie die Deutschen Nordungarns
und Siebenbürgens, der orientalisch-christlichen Kirche die Rumänen
und Slawonier.
Galizien und die Bukowina sind erst neuerdings österreichische
Provinzen geworden. Galizien wurde 1772 erworben bei der ersten
Teilung Polens zwischen Rußland, Österreich und Preußen, die Buko-
wina wurde als ein Stück der Moldau 1777 von der Türkei abgetreten.
Die W.-Hälste Galiziens (Weichselgebiet) ist polnisch, also römisch-
katholisch, die O.-Hälfte ruthenisch d. h. von Kleinrussen bewohnt, die
griechisch-katholische sind. Ruthenisch und griechisch-katholisch ist auch
die N.-Hälfte der Bukowina, die S.-Hälfte dagegen rumänisch, also
orientalisch-christlich (griechisch-orthodox).
Jstrien und Dalmatien kamen größtenteils sogar erst während
der napoleonischen Kriege an Österreich. Sie sind meist von kroatischen
Serben, an der Küste und auf den vorliegenden Inseln auch von
Italienern bewohnt, daher römisch-katholisch.
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1. Königreich Ungarn. In der oberungarischen Ebene 'Preßburg
an der Donau unterhalb ihres Eintritts nach Ungarn, die alte Residenz-
und Krönungsstadt der ungarischen Könige. Im nordungarischen Berg-
land zu beiden Seiten der Gran (die einen kleinen Parallelbogen zur
1 Ein Teil der orientalischen oder griechischen Christenheit erkennt unter Bei-
behaltung seiner kirchlichen Eigenart (Abendmahl unter beiderlei Gestalt, Ehe der
Popen d. h. der Priester) den Papst als Oberhaupt der Kirche an; diesen Teil
nennt man griechisch-katholisch im Gegensatz zu dem griechisch-orthodoxen (d.h.
griechisch-rechtgläubigen) oder orientalisch-christlichen, der den Papst nicht als sein
Oberhaupt anerkennt.
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