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1. Geschichte der neueren Zeit - S. 284

1906 - Langensalza : Gressler
284 man die regelmäßigen toolbaten — auf, und biefe erregten einen furchtbaren Aufruhr, weil Sophia ausgesprengt hatte, daß Iwan durch die Familie der Natalia ermorbet fei. Mit toütenben Blicken wälzte sich die Schar nach dem Kreml, um Iwans vermeintlichen Tod zu rächen, und selbst als biefer sich zeigte, hörte der Tumult nicht auf. Die meisten Verwanbten und Räte Nataliens würden grausam ermorbet. Dann riefen sie Iwan zum Baren aus. Er erschien und stammelte: „Ich will euer Zar fein; aber laßt boch meinen lieben Bruder Peter mit mir regieren!" Das ließen sie sich gefallen. Nach zwei Jahren brach unter den Strelitzen ein neuer Tumult aus. Natalia und Peter flohen aus Moskau nach einem festen Kloster. Ihnen folgten die Mürber. Lange suchten sie vergebens; enblich kamen sie in die Kirche. Hier kniete Peter am Altare; feine Mutter staub vor ihm und beckte ihn mit ihren Armen. Aber ein wilber Strelitz rannte auf ihn los und wollte ihm eben das Messer in das Herz stoßen, als ein anberer mit gräßlicher Stimme rief: „Halt, Bruder. nicht hier am Altare! Er wirb uns nicht entgehen.'' In dem Augenblicke erschien die zarifche Reiterei und trieb die Strelitzen auseinanber. Peter war gerettet. Je mehr Übermut, befto mehr Sklavensinn! Tie eben noch so übermütigen Stre- litzen nahten sich balb barauf, 3700 an der Zahl. Je zwei und zwei trugen einen Block und der britte ein Beil. Viele hatten Stricke um den Hals. Sie hatten nämlich, um den Zorn des Zaren zu büßen, den zehnten Mann ausgehoben. Diese nahten sich jetzt. Sie hatten das Abenbmahl empfangen, von ihren Weibern und Kinbern, die dem Zuge weinenb folgten, Abfchieb genommen, stellten sich vor dem Palaste auf und riefen: „Wir finb fchulbig! Der Zar richte nach Gefallen über uns!" Drei Stunben lang überlegte der Hof; enblich würden 30 der Schulbigsten hingerichtet, die übrigen entlassen. Des nun 15 jährigen Peters Liebling war ein Kaufmannssohn aus Genf, Lefort. Nachbcm er feinen Eltern bavongelaufen war und sich in mehreren ßänbern umhergetrieben hatte, war er nach Moskau gekommen und mit dem jungen Zaren bekannt geworben.

2. Geschichte der neueren Zeit - S. 297

1906 - Langensalza : Gressler
297 sterben sollte. Das Urteil wurde auf der Stelle vollzogen. — Einige Tage darauf hatte ein Dragoner wider Willen seines Wirtes ein Huhn geschlachtet. Auf die Klage des Bauern wurde der Schuldige augenblicklich gehängt. - Solche strenge Gerechtigkeit hielt die Soldaten in Ordnung, und die Sachsen, denen die Großeltern die entsetzlichen Greueltaten der Wallensteiner erzählt und die jetzt ähnliches gefürchtet hatten, konnten sich gar nicht darein finden, den Feind im Lande zu haben und doch ruhiger als im Frieden zu leben. — August verlor nun ganz den Mut und eilte, mit Karl Frieden (Friede von Altranstädt 1706) abzuschließen, und da dieser darauf bestand, daß August der polnischen Krone entsagen müßte, so tat er es mit schwerem Herzen. Dann stattete August dem Könige von Schweden einen Besuch ab > und beide sprachen miteinander als die besten Freunde. Auch erhielt Karl hier einen Besuch vom Herzoge von Marlborougl). Wie mochten beide sich freuen, einander kennen zu lernen! Bon beider Ruhm war Europa voll. Hier sahen sie sich zum ersten- und zum letztenmale. Erst nach einem Jahre ging Karl aus Sachsen zurück. Als er wieder durch Schlesien kam, drängten sich die evangelischen Schlesier von allen Seiten herzu, ihn zu sehen. Das Landvolk fiel. auf die Knie nieder und dankte ihm mit Tränen für die Religionsfreiheit, die er ihnen verschafft hatte, und die Betstunden, die er täglich zwei- bis dreimal halten ließ, wirkten oft auf die Gemüter selbst der Kinder, so daß man noch geraume Zeit nachher bis nach Oberschlesien hinein Kinder von 5—14 Jahren morgens und abends sich auf dem Felde versammeln sah, um gemeinsam Lieder anzu-stimmen. Einen Feind hatte nun Karl noch, den Zaren Peter. Gegeiu ihn machte er sich auf und beschloß, ihm in Moskau einen Besuch zu machen. Peter hatte indessen, während Karl in Polen und' Sachsen umhergezogen war, von den Ländern am Finnischen Meer--bnsen Besitz genommen. Es war längst sein sehnlicher Wunsch gewesen. einen Punkt an diesem Meere zu haben, um aus der Ostsee seine Flotten schwimmen zu sehen. Kaum war daher die schwedische Armee bei ihm vorbeigeslutet, so machte er sich gleich darüber her,.

3. Geschichte der neueren Zeit - S. 299

1906 - Langensalza : Gressler
299 verbrannten und das ganze Land vollends zur Wüste machten. Dennoch ging Karl immer vorwärts, und jedermann glaubte, er wollte nach Moskau vordringen. Plötzlich aber wandte er sich südlich in die weiten Steppen der Ukraine. Hiermit ging Karls Un-glücksstern auf. Die Ursache dieses Entschlusses war, daß der alte 70 jährige Kosakeuhetmann Mazeppa ihm vorspiegelte, in der Ukraine, wo damals die Kosaken wohnten, wären Lebensrnittel, an denen es jetzt den Schweden so sehr fehlte, in Überfluß und seine Kosaken seien bereit, mit den Schweden gemeinschaftliche Sache zu machen. Das war aber nicht wahr. Mazeppa war ein ehrgeiziger Mann und hoffte sich durch Hilfe der Schweden zum unabhängigen Herrn zu machen. Karl, den alles Ungewöhnliche schnell einnahm, folgte seinem Rate und führte dadurch namenloses Elend für sich und sein Heer herbei. An der Ukraine fand Karl alles anders, als er es sich gcbadit hatte. Überall war drückender Mangel an Lebensmitteln. Die Kosaken weigerten steh, zu den Schweden überzugehen, und blieben den Russen treu; nur wenige folgten Mazeppa. Kart hatte dem General Löwe nh a np t befohlen, ihm einen großen Vorrat von Lebensrnitteln und Pulver aus Kurland zuzuführen; endlich kam er auch bei ihm an; aber die Vorräte hatten ihm der Zar und Menschikow unterwegs am Dniepr abgenommen und ihm in einer Mutigen Schlacht Tausende von Soldaten verwundet und getötet, und die paar Tausend, die er mitbrachte, vermehrten nur die Zahl der Hungernden. Nun kam noch gar der Winter, und zwar mit solcher Strenge, wie man einen erlebt zu haben std) nicht erinnerte. Tausende erkrankten und starben. Was sollten die armen Schweden, entblößt von aller Bequemlichkeit, nun anfangen? Die Generale rieten, schnell umzukehren und sich durchzuschlagen. Aber dazu war der eigensinnige Karl nicht zu bewegen; das sähe ja einer Flucht ähnlich, meinte er, er könne nur vorwärts gehen. So kam man jur Stadt Pultatva und belagerte sie. Schon war die russische Besatzung bis aufs äußerste gebracht, ba rückte Peter schnell heran, um durch eine Schlacht die Entscheibung herbeizuführen. Alles deutete barauf hin, daß die Schweden verlieren würden. Die

4. Geschichte der neueren Zeit - S. 304

1906 - Langensalza : Gressler
304 Die Russen fielen nun unter Scheremetew in die Moldau ein lind zogen längs dem Prnth hinab. Plötzlich sahen sie sich beim Torfe Falczin von allen Seiten von ungeheuren Schwärmen von Türken und Tataren eingeschlossen. Sie konnten weder vor-noch rückwärts, und alle Lebensmittel waren ausgegangen. Ter Großvezier vernichtete in einer dreitägigen Schlacht 40000 Russen. Peter sah den Augenblick sich nähern, wo er mit allen den Seinigen verhungern oder sich den Feinden ergeben müßte. Er schrieb an den russischen Senat einen Brief, in welchem er seine Lage schilderte und gestand, daß er ohne besondere göttliche Hilse nichts erwarten könne als den Tod oder Gefangenschaft. Aber Katharina half ihm. Sie wußte, wie leicht die türkischen Großen sich bestechen lassen, und schickte einen Friedensboten an den Großvezier mit ihrem Juwelenkästchen und einer großen Summe Geldes ab. Das wirkte. Die Augen Mehemets wurden von den glänzenden Steinen so geblendet, daß er die hoffnungslose Lage der Russen nicht mehr sah und mit Peter schnell Frieden schloß. Auf die erste Nachricht davon warf sich Karl aus sein Pferd, jagte 15 Meilen weit in einem Ritt bis ins türkische Lager und bot Himmel und und Hölle auf, den Vezier zu bewegen, daß er den Frieden breche. „Vertraue mir," sprach er, „20000 deiner Janitscharen und ich liefere dir noch den Zar in deine Hände." — Aber Mehmet blieb dabei: „Der Friede ist geschlossen, und er muß bestehen." Wütend vor Zorn verließ Karl ohne Abschied das Feld des Veziers und verklagte ihm beim Sultan. Dieser setzte ihn ab und verwies ihn: aber der Friede mit Rußland wurde nicht umgestoßen. Keiner heitle sich mehr als Karls Niederlage bei Pnltawa ge-srent als August Ii. Auf die erste Nachricht davon erklärte er den mit Karl in Altranstädt geschlossenen Frieden für erzwungen, kehrte nach Polen zurück, verband sich wieder mit dem Zaren und verjagte bald seinen Gegner Stanislaus Lesczinsky vom polnischen Throne. Auch Friedrich Iv. von Dänemark erklärte den Schweden Jahre nach ihrer Trennung int Kriege erschossen. Peter hatte seine erste Frau schon neun Jahre vorher verstoßen und ins Kloster geschickt.

5. Geschichte der neueren Zeit - S. 283

1906 - Langensalza : Gressler
283 Kriege zerrütteten Wohlstand wieder zu heben gesucht. Nur für Deutschland hat er so gut wie nichts getan. Er hat bis 1740 regiert. Von seiner Tochter und Nachfolgerin Maria Theresia wird unten mehr die Rede sein. 34, Jugend und erste Regierungszeit Peters des Großen. Bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts rechnete man die wilden Moskowiter zu den asiatischen Völkern. Kaum wußte man in Europa von ihnen, und es war eine große Seltenheit, wenn einmal ein europäischer Fürst eine Gesandtschaft nach Moskau sandte. Sitten, Kleider, Bildung und Sprache unterschieden sie gänzlich von den gebildeten Völkern, die daher nichts nach ihnen fragten. Da trat Peter der Große auf; anfangs selbst ohne Bildung, strebte er nach solcher mit nie gestillter Wißbegier und tat dann so viel für die Bilbung seines Volkes durch Aufnahme und Nachtübung europäischer Kultur, daß es währenb seiner Regierung Fortschritte machte, zu denen sonst Jahrhunderte nötig sinb. Wenn auch diese Bilbung in vielen Stücken nur scheinbar und äußerer Anstrich der Roheit war, so hat boch Peter es erreicht, daß seit ihm die Russen unter die europäischen Völker eingetreten sind. Er erscheint als einer der großen Männer, deren sich die Vorsehung bedient hat, aus das Glück ganzer Völker einzuwirken. Seine Wißbegierde mag denen zur Beschämung dienen, die so viele Aufmunterung haben, ihren Geist zu bilben, und es nur mit Wiberwillen tun. Währenb der ersten 30 Regierungsjahre Lubwigs Xiv. regierte in Rußlanb der Zar Alexei aus dem Hause Romanow. Als er 1676 starb, hinterließ er mehrere Kinder, von benen der älteste Sohn gebor ihm folgte. Aber er starb schon nach sechs Jahren. Sein Tod ließ Unruhen fürchten; benn er ließ eine ehrsüchtige Schwester, Sophia, einen schwachsinnigen ©ruber, Iwan, und einen zehnjährigen Stiefbrnber, Peter, zurück. Sie blieben auch nicht aus. Zwar riefen die russischen Großen den jungen Peter zum Zaren aus; aber Sophia, die ihn und seine Mutter Natalia bis auf den Tod haßte, wiegelte die S tr elitzen — so nannte

6. Geschichte der neueren Zeit - S. 286

1906 - Langensalza : Gressler
286 ,,Es ist ein englisches Boot, antwortete man ihm, ,,und sowohl zum Rudern als zum Segeln zu gebrauchen." ,,Das möchte ich sehen!" rief Peter: ist denn niemand da, der es regieren könnte?" Man sagte ihm, vielleicht verstände es ein alter holländischer Tischler, Karsten Brand, der ehemals Schiffszimmermann ge- wesen sei. Er wurde gerufen, setzte es bald wieder in stand und fuhr dann vor den Augen des erstaunten Zaren den Strom hinab und hinauf. Nun trat Peter selbst ans Steuer, und das Wasser war von jetzt an sein Eleinent. Bald war ihm der Fluß, bald ein großer Teich zu enge; das Schiff mußte in einen See gebracht werden. Diesem Schiffe folgten bald mehrere, die der alte Brand ihm bauen mußte. „Könnte ich boch nur einmal ein Seeschiff sehen!" rief Peter sehnsüchtig aus. Rußlanb hatte aber bamals noch kein Land an der Ostsee und am Schwarzen Meere; das Weiße Meer war das einzige, wo Peter seine Sehnsucht stillen konnte. Dorthin reiste er also. Er kam nach Archangelsk. Wie schlug ihm das Herz, als das weite Meer mit vielen hollänbischen Schiffen vor seinen trunkenen Blicken dalag! In der Tracht eines holländischen Schiffers befuhr er selbst die See und munterte die Holländer auf, recht bald wieder zu kommen. Als er zum zweitenmal in Archangelsk war, überfiel ihn mitten auf dem Meere ein Sturm. Die Gefahr war so groß, daß alle Schiffer beteten und ihr Ende erwarteten. Nur Peter war unerschrocken, sah auf den Steuermann und wollte diesem Vorschriften geben, wie er lenken müsse. Dieser aber wurde ungeduldig. ,,Geh mir vom ßeibe!'1 fuhr er den Zaren an; „ich muß wissen, wie man steuern soll; ich weiß das besser als du!" Und wirklich brachte er auch das Schiff glücklich an das Ufer. Hier aber fiel er vor dem Zaren auf die Knie und bat ihn wegen feiner Grobheit um Verzeihung. „Hier ist nichts zu verzeihen", sagte Peter, hob ihn auf und küßte ihn dreimal auf die Stirn; .,aber Dank bin ich dir schuldig, daß bu uns gerettet hast. Auch für die Antwort, die bu mir gegeben hast, banke ich bir!" Man sollte glauben, feine Untertanen hätten einen solchen Mann vergöttert. Aber es gab der Unzufriebenen genug, vorzüglich unter

7. Geschichte der neueren Zeit - S. 377

1906 - Langensalza : Gressler
377 Mitregenten angenommen, und die Kurfürsten hatten ihn auch schon zum deutschen Kaiser gewählt. Dieser Joseph war nun ein junger, ehrgeiziger Mann, der eine Gelegenheit wünschte, Krieg anzufangen, um darin Ruhm zu erwerben. Die Fortschritte Rußlands in Polen und auch gegen die Türken ärgerten ihn sehr, und er näherte sich deswegen dem Könige von Preußen. Lange hatte er gewünscht, den großen König einmal von Angesicht zu sehen, und bat ihn daher um die Erlaubnis, ihn bei Gelegenheit einer Reise, die Friedrich durch Schlesien mache, besuchen zu dürfen. Ter König Hatte nichts dagegen, und so kamen sie 1769 in Neiße zusammen. Sie unterhielten sich Hier mit offener Herzlichkeit und sagten einander um die Wette Artigkeiten. „Nun sehe ich," sprach Joseph, „meine Wünsche erfüllt, da ich die Ehre habe, den größten König und Feldherrn zu umarmen." — „Ich sehe diesen Tag," antwortete Friedrich, „als den schönsten meines Lebens an; denn er wird die Epoche der Vereinigung zweier Häuser ausmachen, die zu lange Feinde gewesen sind." Joseph versicherte, er denke nicht mehr an Schlesien. Im folgenden Jahre machte ihm Friedrich einen Gegenbesuch in Mäh risch-Neustadt, und auch Hier schieden sie als die besten Freunde. Gern hatte Joseph den König beredet, mit ihm gemeinschaftlich über das mächtige Rußland herzufallen; aber Friedrich erklärte fest, er werde seiner Bundesgenossin die Treue nicht brechen. Da nun Joseph nicht allein mit Rußland anbinden wollte, ließ er ein Heer in Polen einrücken und ohne weiteres ein Stück davon besetzen. Die nun doppelt angegriffenen Polen schrieen über Gewalt, aber vergebens. Gerade um die Zeit war Friedrichs Bruder, der Prinz Heinrich, zum Besuche in Petersburg. Gegen den äußerte Katharina, Polen schiene ihr ein Land, wo man sich nur zu bücken brauche, um etwas zu nehmen. Wenn Österreich sich ein Stück zueigne, so hätten ja die Nachbarn ein Recht, ein Gleiches zu tun. Diese Rede fing der Prinz schnell auf und entwarf einen Plan, nach welchem Rußland, Österreich und Preußen sich jedes einen Teil des unglücklichen Reichs zueignen sollte. Friedrich erkannte, wie vorteilhaft für ihn eine solckie Erwerbung fein würde, und trat gern bei. Mehr Umstände machte die fromme Maria Theresia, die solche Ungerechtigkeit vor

8. Geschichte der neueren Zeit - S. 391

1906 - Langensalza : Gressler
391 Als beide vor ihm zum erstenmale erschienen, befahl er, drei Gläser Wein zu bringen, reichte jedem eins, nahm selbst das dritte und trank es ihnen zu. In diesem Augenblick wurde er abgerufen. Beide Feinde standen eine Zeitlang mit den Gläsern in der Hand starr und sprachlos einander gegenüber; endlich setzte jeder seiu Glas hin und kehrte dem andern den liefen zu. Peter verstand nicht, sich die Liebe seiner Untertanen zu erwerben. Schon seine deutsche Abkunft, noch mehr der Vorzug, den er seiner holsteinischen Garde vor der russischen gab, seine geringe Achtung vor der Geistlichkeit und den Zeremonien der griechischen Kirche und seine Vorliebe für den damals in Nußland nicht beliebten König von Preußen machten ihn verhaßt. Er liebte Friedrich den Großen so, daß er nicht nur, wie schon gesagt, sogleich Frieden und Bündnis mit ihm schloß, sondern auch dem russischen Militär einen preußischen Zuschnitt geben wollte. Er sprang einmal von der Tafel auf, warf sich, mit dem Weinglase in der Hand, vor dem Bildnisse des Königs nieder und rief: „Mein Bruder, wir werden miteinander die Welt erobern!" und da er außerdem rücksichtslos die russischen Gewohnheiten hintenansetzte und lächerlich machte und eine Menge anderer Torheiten beging, so wandten sich die Russen immer mehr von ihm ab und seiner Gemahlin zu. Katharina bildete sich nun eine Partei, die täglich an Zahl und Gewicht zunahm, und da das Gerücht ging, daß der Kaiser sie in ein Kloster , sperren wollte, glaubte sie, ihm zuvorkommen zu müssen. Durch ihre Freundin, die Fürstin Daschkow, brachte sie mehrere russische Große, die beiden £ rlotr, Offiziere in der Garde, den Grafen Pantn, die vornehmsten Geistlichen und viele andere auf ihre Seite, und alle versprachen ihr Beistand. Um auf das Volk zu wirken, zeigte sie sich oft mit trauriger Miene und Tränen in den Augen. Endlich war alles verabredet unter ihren Vertrauten; man wartete nur auf die Abreise des Kaisers, der gegen Dänemark zu Felde ziehen wollte, als die unbesonnene Schwatzhaftigkeit eines der Mit» wissenden alle in Gefahr brachte. Nur das schleunigste Handeln konnte die Kaiserin und die Verschworenen retten. Die letzteren holten am 9. Juli 1.62 schnell die Kaiserin aus Peterhof, wo sie

9. Geschichte der neueren Zeit - S. 392

1906 - Langensalza : Gressler
ft cf) aushielt, nach Petersburg. Sie eilte gleich nach den Kasernen der Garde, redete zu den Soldaten, der Kaiser wolle sie und ihren Lohn Paul töten lassen, die Mörder wären schon unterwegs und sie Werse sich der Garde in die Arme. Alle schwuren, sür ihre Verteidigung zu sterben. Der Haufe wurde immer größer; auch mehrere angesehene Russen eilten herbei; die Soldaten griffen zu den Waffen und bald sah sich Katharina an der Spitze von 10000 Mann, die ihr zu folgen bereit waren. Alles dies war vollendet bt*nen wenigen Stunden. Jetzt eilte sie nach dem Schlosse, zeigte ihren Sohn den jauchzenden Soldaten, legte die Uniform der Garde an und setzte sich zu Pferde, um die Regimenter gegen den Kaiser anzuführen. Dieser befand sich in Oranienbaum*) und fuhr an demselben Tage nach Peterhof, um da seinen Namenstag zu feiern. Hier fand er schon alles in Bestürzung wegen der Entweichung der Kaiserin nach Petersburg, und bald kamen auch die Nachrichten aus Petersburg, welche den Aufstand der Garden und des Volks deni erschrockenen Kaiser meldeten. Er gab in der größten Bestürzung eine Menge widersprechender Befehle, nicht wissend, welche Maßregeln er ergreifen sollte. Der alte Münnich riet, der Kaiser solle nach der gegenüberliegenden Insel und Festung Kronstadt segeln, deren Garnison noch frei war, und sich der dortigen Flotte bemächtigen. Während Peter noch schwankte und dadurch Zeit verlor, kam die Nachricht, die Kaiserin sei in Anmarsch mit 20000 Soldaten. In Hast schiffte sich Peter mit seinem Gefolge nach Kronstadt ein. vier hatte sich indessen alles geändert; die Soldaten waren für die Kaiserin in Eid und Pflicht genommen, und als die Jacht, auf welcher der Kaiser sich befand, anlegen wollte, rief die Schildwache: „Wer da!" — „Der Kaiser!" antwortete man vom Schiffe. — „Es gibt keinen Kaiser mehr!" -- Bei diesem Rufe springt Peter vor, schlägt seinen Mantel auf, um seinen Ordensstern sehen zu lassen, und rüst: „Ich bin es selbst! Kennt ihr mich nicht?" Aber die Wache hält ihm die Bajonette entgegen und droht Feuer zu geben, wenn er *) Etwa sechs Stunden von Petersburg liegt am filmischen Meerbusen das Lustschloß Peterhof, und zwei Stunden weiter Oranienbaum.

10. Geschichte der neueren Zeit - S. 393

1906 - Langensalza : Gressler
393 sich nicht augenblicklich entferne. „Fort mit dem Schiff! Hoch lebe Katharina!" schreit die an der Küste stehende Beenge. Peter finft in die Arme seiner Begleiter und sagt weinend: „Die Ver-schwörnng ist allgemein; seit dem ersten Tage meiner Regierung habe ich es so kommen sehen!" Die Barke blieb während der Nacht aus der See. Katharina war mit ihren Regimentern die Nacht zwischen Petersburg und Peterhof geblieben. Indessen zeigte sich der unglückliche Kaiser ganz ratlos; noch einmal verlangte er Münnichs Rat. Dieser meinte, noch sei nichts verloren, er solle nach Prenßen fliehen zu seinem dort stehenden Heere und mit demselben zurückzukehren; aber Peter konnte sich nicht dazu entschließen und befahl, ihn bei Oranienbaum ans Land zu setzen; denn er wollte mit Katharina unterhandeln. Er ließ sie bitten, ihn nach Holstein zu entlassen. Statt der Antwort sandte sie eine Entsagungsakte, die er zu unterzeichnen habe Er unterschrieb und wurde zu Wagen nach Peterhof geführt. Hier empfing ihn das unaufhörliche Geschrei der Soldaten: „Es lebe die Kaiserin!" Als er ganz verwirrt ausstieg, schrien sie ihm zu: „Entkleide dich!" Er selbst riß sich das Ordensband, den Degen und den Rock ab und sprach: „Nun bin ich in euren Händen." So ließ man ihn einige Zeit im bloßen Hemde und barfuß stehen, bis er ins Schloß in sichere Verwahrung gebracht wurde. Man führte den Unglücklichen daraus nach einem Landhause, das in der Nähe lag. Da sich gleich in den ersten Tagen unter den Soldaten, die über die rasche Tat Überlegungen anzustellen au-fingen, Bewegungen zeigten, hielten die Verschworenen es für nötig, den Kaiser aus der Welt zu schaffen. Alexei Dr low, ein Bruder de» Günstlings der Kaiserin, begab sich mit einem gewissen Teplow nach dem Kerker Peters und kündigte ihm an, daß sie mit ihm speisen würden. Nach der Gewohnheit der Russen wurden vor Tische Gläser mit Branntwein gebracht. Nachdem Peter das feinige, welches Gift enthielt, getrunken hatte, verlangten sie, daß er ein zweites trinken sollte. Da er dies aber verweigerte, weil er das Gift schon verspürte, wars ihn Orlow, ein riesenstarker Mensch, zu Boden und erdrosselte ihn mit Hilfe -leplow» und zweier Offiziere.
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