Hilfe und Dokumentation zu WdK-Explorer

Diagramm für Aktuelle Auwahl statistik

1. Teil 1 - S. 25

1918 - Essen : Bädeker
Im Vaterland. 25 Fraße! — halt ein, du schrecklicher Würgengel, reiß mich nicht hinab in die ewigen Martern der Holle, erst muß ich noch reden! Lin Ungeheuer, wie in der wüste nicht seinesgleichen, beherbergt und pflegt Ihr. wisset, die verpestende Krankheit im Leibe, rannte ich her, rachedürstend — durch meinen Tod Luch alle zu verderben! Doch jetzt! — o martervolle Pein! o du furchtbarer Richter! ist denn kein Erbarmen vor dir?" Und ganz erschöpft — betäubt — sinkt der Müller auf sein Lager. Mit gefalteten Händen, den tränenschweren Blick zum Himmel gerichtet, steht der Förster da und sein Weib. Uber der ewige Richter, der Herr des Lebens und der Verdammnis, — er winkt dem Todesengel, daß er vorübergehe an dem Hause des Gerechten. In tiefen Lchlaf sinkt der Kranke, und heftiger Lchweiß dringt aus allen seinen Poren. Uls er er- wacht, sieht er seine wackeren Wirte in liebevoller Tätigkeit um sich. In seinem Leben zum ersten Male betet jetzt sein herz. Dann drückt er die Hände der Ldlen an seine Brust, an seine Lippen, und die Tränen der Versöhnung, des Dankes und der Liebe fließen reichlich. Rach wenigen Tagen verläßt der Müller sein Krankenlager, genesen, gerettet für das Himmelreich. I. F. Siuym-r. e) Vaterlandsliebe. 22. Im 1. Der Lieder Lust ist mir erwacht! Wer hat mir solchen Lenz gebracht? — Das Vaterlandi Ich schweifte in der Welt umher zum schönen Süden übers Meer; doch was ich nirgend wiederfand, dein Odem war's, o Vaterland! 2. Und ach! des Südens Wunder- glanz verdunkelte dem Ange ganz das Vaterland! Ich glaubt', in solchem Sonnenschein, da müßt' ich ewig glücklich sein, und vor den trunknen Sinnen schwand dein treues Bild, mein Vaterland! 3. Wie singt der lieben Vöglein Schar im Frühling doch so hell und klar im Vaterland! Vaterland. So singen sie dort drallßen nicht. Dort strahlt der Tag so heiß und licht; Drum haben sie sich hergewandt zu dir, mein grünes Vaterland! 4. Auch ich sang einst ans frischer Brust in deines Frühlings milder Luft, mein Vaterland! Der Süd' hat mir kein Lied gebracht; an Frühling Hab' ich kaum gedacht; ein Zauber hielt mein Herz umspannt. Du lösest ihn, mein Vaterland! 5. Was hilft doch alle Herrlichkeit, gibt Lieb' und Treu nicht das Geleit, o Vaterland! Du gabst sie, als ich von dir schied, mir als den schönsten Segen mit. Die haben mir das Herz gewandt zurück zu dir, mein Vaterland!

2. Teil 1 - S. 33

1918 - Essen : Bädeker
Übsr Berufswahl. 33 Wer hartnäckig auf falschem Wege weitergeht, häuft Irrtum auf Irrtum, und der Kummer, sich geirrt zu haben, bringt immer neuen Kummer hervor; wir werden von tiefem Groll erfüllt, den wir über uns und die uns Nahestehenden ergießen. Selbst unglücklich, machen wir auch unsere Lieben, Nachbarn und Freunde unglücklich. Kein Mensch ist so widerwärtig, wie derjenige, welcher täglich seinen Beruf verflucht, obgleich er durch die Notwendigkeit oder die Unmöglichkeit, etwas anderes zu tun, gezwungen ist, ihn auszuüben; keiner ist angenehmer als der, welcher sich’s in seinem Berufe bequem macht, wie in einem weichen, warmen Gehäuse, das ausdrücklich für ihn gemacht ist. Und doch, wie sorglos, wie unüberlegt, mit wie wenig Rücksicht- nahme auf körperliche und geistige Veranlagung wird in manchen Familien über die Berufswahl des Sohnes entschieden. Die herrschenden Verhältnisse, Eitelkeit und Hochmut, die Flut von Vorurteilen, der Hang nach mühelosem Erwerb und die überhand- nehmende Genußsucht bei jung und alt schrauben die Ansprüche auf den zukünftigen Beruf des Knaben weit über das Maß alles dessen hinauf, was erreichbar, was gut, was segensreich ist. — Hierin liegt eine außerordentlich ernste Gefahr für die Familie, für den Knaben, für die gesunde Entwicklung des deutschen Handwerks, dem die besten Kräfte vielfach entzogen werden, wie für den Staat. — Der Vater will nicht, daß der Sohn sein Handwerk erlerne, was doch so viele Bürg- schaften für die Zukunft des letzteren bietet. Gehen wir ins Mittelalter zurück und betrachten dort die Lage des Handwerks 1 In vielen Fällen erlernten die Söhne das Handwerk der Väter, wurden tüchtige Meister, fanden mit ihren Artikeln die Absatzwege ins In- und Ausland, und brachten durch ihre von frühester Jugend an geübte Kraft im väter- lichen Fach das deutsche Handwerk zu hohen Ehren. Jetzt will weder Vater noch Sohn das alte Handwerk mehr lieb haben. Der Vater um deswillen nicht, weil er unzufrieden ist mit der gegenwärtigen Geschäfts- lage und seinen Sohn überhaupt für etwas „Höheres“ berufen hält; der Sohn nicht, weil die hochfliegenden Pläne des Vaters seine Eitelkeit kitzeln. Ohne Rücksicht auf die körperliche und geistige Beanlagung des Sohnes, ohne Rücksicht auch auf die materiellen Mittel und auf das gleiche Anrecht der übrigen Kinder an das kleine Vermögen, er- greift der Sohn das „Höhere“ — und erreicht in den seltensten Fällen sein Ziel. Ein verfehlter Beruf! Ein verfehltes Leben! — Zählt sie zusammen, diese traurigen Beispiele, und ihr werdet eine Summe finden, die in der Tat eine soziale Gefahr für alle werden muß. Eitelkeit, Hochmut und Leichtsinn schlagen hier dem Körper der Nation Wunden, die Schwer Zu heilen Sind. Nach Mantegazza und Paulik. Ein jeder Stand der Welt ist gut, wenn treu ein Mann das Seine tut. Magst Kaufmann oder Tischler sein, Horn blasen oder Saaten streun; ob Pinsel du, ob Hammer führst, ob du im Heer die Trommel rührst, ob Blumen ziehst auf stillem Beet, ob auf der See fährst sturmumweht: acht hab' auf eins, vergiß es nicht: was du auch bist, tu deine Pflicht! Schürmann u. Windmöller, Lehr. n. Lestb. f. Fortbildung?- u. Gewerbesch. I. 3

3. Teil 1 - S. 40

1918 - Essen : Bädeker
40 Wandel-regeln. im Genusse. Mische dich nicht in Händel und Streitigkeiten. Sei nicht empfindlich und nimm nicht jedes Scherzwort übel auf; mit Heiterkeit und Frohsinn ertrage die Schwächen anderer; sie müssen ja die deinigen auch ertragen. Erhebe dich nie über sie, spotte ihrer nicht und suche vielmehr ihre Fehler zu verdecken oder wenigstens zu entschuldigen. Sei höflich und dienstfertig gegen jedermann, ohne für jeden Liebesdienst Lohn zu empfangen. Den wohlerzogenen Menschen erkennt man an seinem Benehmen; er macht sich die Herzen der Menschen geneigt, ihn schätzt jedermann; dagegen ist jede Art von Roheit auch am Handwerksgesellen widerwärtig und verhaßt. Aber merke wohl: zwischen Höflichkeit und Vertraulichkeit ist ein großer Unterschied. — Gehe unter deinen Nebenmenschen stets gerade, offene und ehr- liche Wege, hasse die Schleichwege, denn sie verraten ein unredliches, unehrenhaftes, falsches Herz. Denke nie ohne Not und ohne Grund Arges von deinem Nebenmenschen. Der Argwohn ist ein böser Schelm. Sprich von deinen Mitkameraden hinter ihrem Rücken nichts Böses; sage ihnen lieber freundlich und offen, was du gerne anders wünschtest, sie werden es lieber von dir selbst hören, als durch andere. Sei vorsichtig in deinen Äußerungen über öffentliche Angelegen- heiten und amtliche Personen und ebenso vorsichtig in der Wahl deiner Gesellschafter und Freunde; schenke nur solchen Leuten dein Vertrauen, deren Rechtschaffenheit du erprobt hast. Knüpfe ja keine Bekanntschaften an, die dir nichts nützen, wohl aber schaden und deiner ganzen Zukunft Gefahr bringen; denn nicht jeder, der dich Freund nennt, ist dein Freund in Wirklichkeit. Hast du das Glück, einen wahren Freund gefunden zu haben, dann achte ihn und ver- meide alles, was ihn dir wieder entreißen könnte. Gewiegte Freund- schaft ist kostbar, aber selten. Lerne dich selbst überwinden; denn je mehr du dich selbst beherrschen kannst, desto leichter wird dir der Verkehr, der Um- gang mit andern werden. Gehe denjenigen Menschen aus dem Wege, welche alles tadeln. Der eigentliche Grund ihrer Unzufriedenheit liegt in ihnen selber; denn wer mit Gott im Frieden ist, ist es auch bald mit sich selbst und sucht auch den Frieden unter seinen Mit- menschen zu erhalten. — Böse Gesellschaften verderben gute Sitten und rauben das Ver- trauen anderer zu uns. Ein Weiser sagt: „Sage mir, mit wem du umgehst, so werde ich dir sagen, wer du bist; weiß ich, womit du dich beschäftigst, so weiß ich, was aus dir werden kann.“ Ein ge- wisses Mißtrauen wird dich schützen, daß du nicht die Beute ver- schlagener Gauner wirst. — Hüte dich vor Ohrenbläsern, denn diese sind schlechte Leute, sind Schurken, stiften Feindschaft und Zwie- tracht. Verwandt mit ihnen sind die Schmeichler. Viele Menschen lassen sich leider ganz von ihrem persönlichen Vorteile leiten und verfallen dadurch leicht in das Laster der Schmeichelei. Traue daher am wenigsten denjenigen, welche dich zu oft in das Gesicht loben, welche dir schmeicheln, oder sich gar zu angelegentlich in deine Nähe drängen. Jede Wirtshausfreundlichkeit mußt du mit saurem Schweiße bezahlen; sei deshalb auf der Hut. frau, schau, wem?

4. Teil 1 - S. 5

1918 - Essen : Bädeker
Ein Brief Schillers an seine Schwester. — O lieb', so lang' du lieben kannst. 5 5. Ein Brief Schillers an seine Schwester. Weimar, im Mai 1802. Liebe Schwester! Ob ich gleich von der Luise keine weitere Nachricht über unsere liebe Mutter erhalten, so kann ich doch nach dem letzten Briefe keine andere erwarten, als die ich längst gefürchtet. Ja, gewiß ist sie längst nicht mehr, die teure Mutter! Sie hat ausgekämpft, und wir müssen es ihr sogar wünschen. 0 liebe Schwestern, so sind uns nun beide liebende Eltern entschlafen, und dieses älteste Band, das uns ans Leben fesselte, ist zerrissen! Es macht mich sein traurig, und ich fühle mich in der Tat verödet, ob ich gleich mich von geliebten und liebenden Wesen um- geben sehe und Euch, Ihr guten Schicestem, noch habe, zu denen ich in Kummer und Freude fliehen kann. 0 laßt uns, da wir drei nun allein noch von dem väterlichen Hause übrig sind, uns desto näher aneinander schließen! Vergiß nie, daß Du einen liebenden Bruder hast; ich er- innere mich lebhaft an die Tage unserer Jugend, wo wir uns noch alles waren. Das Leben hat unsere Schicksale getrennt; aber die Anhänglich- keit, das Vertrauen muß unveränderlich bleiben. Ich kann heute nichts weiter schreiben. Laß bald einige Worte von Dir hören! Ewig Bein treuer Bruder Schiller. 6. O lieb', so lang' du lieben kannst. O lieb', so lang' du lieben kannst! O lieb', so lang' du lieben magst! Die Stunde kommt, die Stunde kommt, Wo du an Gräbern stehst und klagst! Und sorge, daß dein Herze glüht Und Liebe hegt und Liebe trägt, So lang ihm noch ein ander Herz In Liebe warm entgegenschlägt. Und wer dir seine Brust erschließt, O tu' ihm, was du kannst, zu lieb'! Und mach' ihm jede Stunde froh, Und mach' ihm keine Stunde trüb'! Und hüte deine Zunge wohl, Bald ist ein böses Wort gesagt! O Gott, es war nicht bös gemeint, — Der andre aber geht und klagt. O lieb', so lang' du lieben kannst! O lieb' so lang' du lieben magst! Die Stunde kommt, die Stunde kommt, Wo du an Gräbern stehst und klagst. Dann kniest du nieder an der Gruft Und birgst die Augen, trüb und naß, Sie seh'n den andern nimmermehr — Ins lange, feuchte Kirchhofsgras. Und sprichst: „O schau' auf mich herab, Der hier an deinem Grabe weint! Vergib', daß ich gekränkt dich hab'! O Gott, es war nicht bös gemeint!" Er aber sieht und hört dich nicht, Kommt nicht, daß du ihn froh umfängst; Der Mund, der oft dich küßte, spricht Nie wieder: „Ich vergab dir längst!" Freiligrath.

5. Teil 1 - S. 58

1918 - Essen : Bädeker
58 Trübe und frohe Stunden. uns, ihren Eltern! Könntest du leben, Lienhard, und sehen, wie dein Niklas, dein Jonas, wie dein Liseli und dein Anneli, o Gott! — verstoßen an fremden Tischen Brot suchen müßten? Ich würde sterben, wenn ich das sehen müßte!" So sagte Gertrud, und Tränen flössen von ihren Wangen. Und Lienhard weinte nicht minder. „Was soll ich tun? Ich Unglück- licher! Was kann ich machen? Ich bin noch elender, als du weißt, — o Gertrud, Gertrud!" — Dann schwieg er wieder, rang seine Hände und weinte laut. „O Lieber, verzage nicht an Gottes Erbarmen. O Teurer, was es auch sein mag, rede, daß wir uns helfen und raten!" — Gertrud und Lien- hart faßten nun neue Entschlüsse für die Ordnung ihres Hauses und für die Bildung ihrer Kinder zu allem Guten; Lienhards Mut stärkte sich wieder. 2. Ein Mann, der seine Freude in seinem Hanse findet. Der Maurer Lienhard, der am Morgen ausgegangen war, kehrte wieder zurück zu seiner Frau. Diese hatte geeilt, ihre Samstagsarbeit zu volleuden, ehe ihr Mann wieder zurückkäme. Sie hatte die Kinder gekämmt, ihueu die Haare geflochten, ihre Kleider durchgesehen, die kleine Stube gereinigt und während der Arbeit ihren Lieben ein Lied gelehrt. „Das müßt ihr dem lieben Bater singen, wenn er heimkommen wird", sagte sie den Kindern, und die Kinder lernten gern, was den Vater freuen würde, wenn er heimkäme. Mitten in ihrer Arbeit, ohne Mühe, ohne Versäumnis, ohne Buch sangen sie es der Mutter nach, bis sie es konnten. Und da der Vater jetzt heimkam, grüßte ihn die Mutter und sang dann, und alle Kinder sangen mit ihr: „Der du von dem Himmel bist, Alles Leid und Schinerzen stillest, den, der doppelt elend ist, doppelt mit Erquickung füllest, — ach, ich bin des Treibens müde! Was soll all der Schmerz und Lust? Süßer Friede, komm, ach komm in meine Brust!" Eine Träne schoß Lienhard ins Auge, da die Mutter und die Kinder alle so heiter und ruhig ihm entgegen sangen. „Daß euch Gott segne, ihr Lieben! Daß dich Gott segne, du Liebe!" sagte er mit inniger Bewegung zu ihnen. „Lieber", antwortete Gertrud, „die Erde ist ein Himmel, wenn man Frieden sucht, recht tut und wenig wünscht." Lienhard: „Wenn ich eine Stunde diesen Himmel des Lebens, den Frieden im Herzen genießen werde, so hast du ihn mir gegeben. Bis in Sen Tod will ich dir danken, daß du mich rettetest, und diese Kinder werden es dir danken, wenn du einst gestorben sein wirst. O Kinder, tut doch immer recht und folgt euerer Mutter, so wird's euch wohl geheu." I. H. Pestalozzi.

6. Teil 1 - S. 9

1918 - Essen : Bädeker
Aussprüche über Freunde und Freundschaft. — Die Bürgschaft. 9 mit Dir teile." Ls half nichts, der Schneider mußte sich putzen und aus einer langen pfeife rauchen. Der Meister gebot ihm, sich gerade so zu pflegen, als ob er in seinem eigenen Hause wäre, und nachdem er in möglichster Eile sein Tagewerk vollends geendet hatte, setzte er sich mit ihm zu Tische und ließ alle seine Leute hereinkommen, daß sie den Fremden nun recht genau besehen sollten. Dabei erzählte er ihnen dann, wer der Fremde eigentlich sei, und was es mit ihrer beiderseitigen Freundschaft für eine Bewandtnis habe. Da hatten alle eine herzliche Freude über den Ankömmling, und besonders die Frau vom Hause, die ihren Mann sehr liebte und oft dem guten Schneiderburschen, der in Polen eine so treue Stütze für ihren Mann gewesen war, ehe sie ihn persönlich kannte, Gottes Segen gewünscht hatte. Der Meister ließ noch am nämlichen Abend zwei fette Gänse schlachten und aus den folgenden Tag alle Freunde und Gevattern des Dorfes zu sich laden. „Juchhei! das soll mir ein Freudentag werden!" rief er laut — laut auf und schwang dabei seine Mütze vor Freude. Der Sonntag kam und in der Schmiede ging's so fröhlich her, als wenn es Uindtaufe gewesen wäre. Nachdem die Mahlzeit geendigt war, erzählte der Schmied alle seine Begebenheiten und besonders, was er seinem Nameraden noch für einen Liebesdienst zu verdanken habe. Der Schneider mußte dann seine Erlebnisse auch erzählen und die Gäste gewannen ihn so lieb, daß sie durchaus darauf bestanden, er solle sich in diesem Dorfe niederlassen und ihr Schneider werden. Der Schmied jauchzte darüber laut und versprach, ihn mit Geld zu unterstützen, so viel er könne. Er hielt auch Morts der Schneider fand sein reichliches Brot im Dorfe, verheiratete sich mit einer braven Frau und lebte froh und glücklich. Oldenburger Vollskaleuder. 10. Aussprüche über Freunde und Freundschaft. Ehe du jemanden deinen Freund nennst, iß erst einen Scheffel Salz mit ihm. — Der Freunde hab' ich immer viel, so lauge ich sie nicht brauchen will. — Fliegen und Freunde kommen im Sommer. — Ein falscher Freund gleicht dem Schatten an der Sonnenuhr, der sich nur zeigt, wenn die Sonne scheint. — Jedermanns Freund, jedermanns Narr. 11. Die Bürgschaft. Zu Dionys, dem Tyrannen, schlich Moros, den Dolch im Gewände; Ihn schlugen die Häscher in Bande. „Was wolltest du init dem Dolche ? sprich!" Entgegnet ihm finster der Wüterich — „Die Stadt vom Tyrannen befreien!" — „Dl s sollst du am Kreuze bereuen!" „Ich bin," spricht jener, „zu sterben bereit Und bitte nicht um mein Leben; Doch willst du Gnade mir geben, Ich flehe dich um drei Tage Zeit, Bis ich die Schwester dem Gatten gefreit; Ich lasse den Freund dir als Bürgen; Ihn magst du, entrinn' ich, erwürgen." Da lächelt der König mit arger List Und spricht nach kurzem Bedenken: „Drei Tage will ich dir schenken; Doch wisse! wenn sie verstrichen die Frist, Eh' du zurück mir gegeben bist, So muß er statt deiner erblassen; Doch dir ist die Strafe erlassen."

7. Teil 1 - S. 11

1918 - Essen : Bädeker
Der Meineid. 11 Der Bäume gigantische Schatten; Und zwei Wanderer sieht er die Straße ziehn. Will eilenden Laufes vorüber fliehn, Da hört er die Worte sie sagen: „Jetzt wird er ans Kreuz geschlagen." Und dieaugst beflügelt den eilendenfuß, Ihn jagen der Sorgen Qualen I Da schimmern in Abendrots Strahlen Von ferne die Zinnen von Syrakus, Und entgegen kommt ihm Philostratus, Des Hauses redlicher Hüter: Der erkennet entsetzt den Gebieter: „Zurück! du rettest den Freund nicht mehr, So rette das eigene Leben! Den Tod erleidet er eben. Von Stunde zu Stunde gewartet' er Mit hoffender Seele der Wiederkehr; Ihm konnte den mutigen Glauben Der Hohn des Tyrannen nicht rauben." — „Und ist es zu spät, und samt ich ihm nicht Ein Retter willkommen erscheinen, So soll mich der Tod ihm vereinen! Des rühme der blut'ge Tyrann sich nicht, Daß der Freund dem Freunde gebrochen die Pflicht; Er schlachte der Opfer zweie Und glaube an Liebe und Treue!" Und die Sonne geht unter, — da steht er am Tor Und sieht das Kreuz schon erhöhet, Das die Menge gaffend umstehet; An dem Seile schon zieht man den Freund empor; Da zertrennt er gewaltig den dichten Chor: „Mich, Henker!" ruft er, „erwürget! Da bin ich, für den er gebürget!" Und Erstaunen ergreift das Volk umher, In den Armen liegen sich beide Und weinen vor Schmerzen und Freude. Da sieht man kein Auge tränenleer, Und zum Könige bringt man die Wundermär; Der fühlt ein menschliches Rühren, Läßt schnell vor den Thron sie führen — Und blickt sie lange verwundert an. Drauf spricht er: „Es ist euch gelungen, Ihr habt das Herz mir bezwungen; Und die Treue, sie ist doch kein leerer Wahn; So nehmet auch mich zum Genossen an! Ich sei, gewährt mir die Bitte, In eurem Bunde der drittel" Schiller. 12. Der Meineid. Rudolf, Herzog von Schwaben, hatte dem Kaiser Heinrich dem Vierten Treue geschworen, aber diesen Schwur gebrochen, indem er nach- her von ihm abfiel. Nun geschah es, daß er bald darauf in der Schlacht bei Merseburg die rechte Hand verlor. Erschrocken hob er die Hand auf, zeigte sie seinen Soldaten und sprach: „Dies ist die Hand, mit welcher ich dem Kaiser Heinrich, meinem rechtsmäßigen Herrn, das Wort der Treue gegeben habe. Erwäget nun selbst, ob ich mit Recht von ihm abgefallen bin!“ So augenscheinlich straft Gott den Meineidigen und stellt uns dadurch die Heiligkeit und Wichtigkeit des Eides klar vor Augen. Die Bedeutung des Eidschwurs im öffentlichen Leben darf nimmermehr verkannt werden; er ist das letzte, äußerste Mittel, durch welches ein Mensch zur Haltung eines gegebenen Versprechens verpflichtet, durch welches die Wahrheit erforscht werden kann. Der Soldat schwört Treue seinem Kriegsherrn,

8. Teil 1 - S. 16

1918 - Essen : Bädeker
16 Schicksal und Anteil. voll 6er schönsten Äpfel zu sehen. Ich bekam nur selten Obst und betrachtete daher recht lüstern die herrlichen, großen Äpfel. Die Eigentümerin sprach mit ihrer Nachbarin und hatte deshalb ihrer Ware den Rücken zugekehrt. Da kam mir der Gedanke, einen einzigen Apfel heimlich zu nehmen; ich dachte, die Frau behielte ja doch noch eine große Menge. Leise streckte ich meine Hand aus und wollte eben ganz vorsichtig meine Beute in die Tasche stecken; da bekam ich eine derbe Ohrfeige, so daß ich vor Schrecken den Apfel fallen ließ. „Junge!“ sagte zugleich der Mann, der mir die Ohrfeige gegeben hatte, „wie heißt das siebente Gebot? Nun, ich hoffe, daß du zum erstenmal dagegen sündigst; laß es zugleich das letzte Mal sein!“ Vor Scham wagte ich kaum die Augen aufzuschlagen; aber doch ist mir das Antlitz jenes Mannes unvergeßlich geblieben. — In der Schule war ich bis dahin immer sehr unaufmerksam; nun aber glaubte ich immer von neuem die Worte zu hören: Laß es das letzte Mal sein! Und ich nahm mir fest vor: „Ja, es soll gewiß das erste und letzte Mal sein!“ Aber auch lange nachher, wenn ich das siebente Gebot aufsagen sollte, dachte ich mit heftigem Herzklopfen an jenen Morgen. Als ich nach einigen Jahren die Schule verließ, ward ich Lehrling bei einem Kaufmann in Bremen; von dort ging ich dann später nach Südamerika. Liier kam ich wohl manchmal in Versuchung, in Kauf- mannsgeschäften andere zu betrügen und so die Li and nach fremdem Gute auszustrecken; aber dann war es mir immer, als fühlte ich von neuem die Ohrfeige, und ich erinnerte mich der Worte: Laß es zugleich das letzte Mal sein! So bin ich ehrlich geblieben, und in dem Vermögen, welches ich mit herübergebracht habe, ist kein Pfennig unrechten Gutes. Gott sei dafür gelobt!“ So erzählte der junge Mann; dann aber ergriff er die Hand des Herrn Müller und sagte: „Darf ich nun diese Hand, die mir eine Wohltat erwiesen hat, recht dankbar drücken?“ Oldenburger Volksbote. Vor fremdem Gut bewahre die Hände, sonst nimmt es einmal ein schlechtes Ende. d) Von der werktätigen Liebe. Edel sei der Mensch, hilfreich und gut! Denn das allein unterscheidet ihn Von allen Wesen, die wir kennen. Goethe. 17. Schicksal und Anteil. „Hab' ich den Markt und die Straßen doch nie so einsam gesehen! Ist doch die Stadt wie gekehrt, wie ausgestorben! Nicht fünfzig,

9. Teil 1 - S. 17

1918 - Essen : Bädeker
Eine Träne. 1? deucht mir, blieben zurück von allen unsern Bewohnern. Was die Neugier nicht tut! So rennt und läuft nun ein jeder, um den traurigen Zug der armen Vertriebenen zu sehen. Bis zum Dammweg, welchen sie ziehn, ist's immer ein Stündchen, und da läuft man hinab im heißen Staube des Mittags. Möcht' ich mich doch nicht rühren vom Platz, um zu sehen das Elend guter, fliehender Menschen, die nun, mit geretteter Habe leider das überrheinische Land, das schöne, verlassend, zu uns herüberkommen und durch den glücklichen Winkel dieses fruchtbaren Tals und seiner Krümmungen wandern. Trefflich hast du gehandelt, o Frau, daß du milde den Sohn fort- schicktest mit altem Linnen und etwas Essen und Trinken, um es den Armen zu spenden; denn Geben ist Sache des Reichen. Was der Junge doch fährt! Und wie er bändigt die Hengste! Sehr gut nimmt das Kütschchen sich aus, das neue; beqnemlich säßen viere darin und auf dem Bocke der Kutscher. Diesmal fuhr er allein; wie rollt es leicht um die Ecke!" So sprach, unter dem Tore des Hauses sitzend am Markte, wohlbehaglich zur Frau der Wirt zum goldnen Löwen. Und es versetzte darauf die kluge, verständige Hausfrau: „Vater, nicht gerne verschenk' ich die abgetragene Leinwand; denn sie ist zu manchem Gebrauch und für Geld nicht zu haben, wenn man ihrer bedarf. Doch heute gab ich so gerne manches bessere Stück an Überzügen und Hemden; denn ich hörte von Kindern und Alten, die nackend dahergehn. Wirst du mir aber verzeihn? denn auch dein Schrank ist geplündert, und besonders den Schlafrock mit indianischen Blumen, von dem feinsten Kattun, mit feinem Flanelle gefüttert, gab ich hin; er ist dünn und alt und-ganz aus der Mode." Aber es lächelte drauf der treffliche Hauswirt und sagte: „Ungern vermiß' ich ihn doch, den alten kattunenen Schlafrvck, echt ostindischen Stoffs; so etwas kriegt man nicht wieder. Wohl! ich trug ihn nicht mehr. Man will jetzt freilich, der Mann soll immer gehn im Surtout^) und in der Pekesche^) sich zeigen, immer gestiefelt sein; verbannt ist Pantoffel und Mütze." „Siehe!" versetzte die Frau, „dort kommen schon einige wieder, die den Zug mit gesehn; er muß doch wohl schon vorbei sein. Seht, wie allen die Schuhe so staubig sind! wie die Gesichter glühen! und jeglicher führt das Schnupftuch und wischt sich den Schweiß ab- Möcht' ich doch auch in der Hitze nach solchem Schauspiel so weit nicht laufen und leiden! Fürwahr, ich habe genug am Erzählten." Goethe (Hermann u. Dorothea). 18. Eine Träne. Eine Geschichte aus dem Leben. Ein armer, aber geschickter Zchreinermeister erhielt durch Empfehlung von einem Uaufmann zur Uussteuer seiner Tochter für mehrere tausend i) spr. ßürtuh — Überrock. 2) polnisches Überkleid mit Schnüren. Schürmann u. Wind Möller, Lehr- u. Leseb. s. Fortbildungs- u. Gewerbesch. I. 2

10. Teil 1 - S. 19

1918 - Essen : Bädeker
Eine Träne. 19 will Er denn?" fragte der Herr den Sprachlosen und erkannte ihn nicht wieder, „verzechen Sie, mein Herr, ich war, ich bin, ich komme — der Schreinermeister, der die große Ehre hatte, für Sie zu arbeiten." — „So, so, und? Er will Vorfragen? Ich habe jetzt nichts zu bestellen. Erbraucht sich auch nicht zu bemühen,- ich werde schicken, wenn ^ich Seiner benötige, vielleicht bald." Damit wandte sich der Herr um, das Zimmer zu verlassen. „Rch," fing der zerschmetterte Handwerksmann an, „der Herr möge nicht böse werden, aber ich möchte Sie wohl bitten um den Betrag des Ge- lieferten ; ich habe kein vermögen und habe das Geld zum Rnkaufe des Holzes für die schönen neuen Möbel leihen müssen, und —." verdrießlich und mürrisch versetzte der Kaufmann: „Ich bezahle nur halbjährlich; auf andere Termine können wir uns nicht einlassen, das macht uns zu viel Umstände. Doch das ist einmal gewesen. Er muß keine Rrbeit an- nehmen, wenn Er nicht so lange warten kann auf die Bezahlung"; und so winkte er einem zunächst sitzenden jungen Manne, demselben aufgebend, dem Meister die Summe auszuzahlen. Stumm nahm der Meister das Geld in Empfang, und an das Pult des Kaufmanns gehend, um zu unterzeichnen, floß, erpreßt von dem Ge- danken: „Du kannst in Zukunft eine solche Hvbeit doch nicht wieder an- nehmen, denn du hast kein Geld, und deine Rrmut verschließt dir jede Hoffnung dazu", eine Träne über seine Wange und fiel auf die (Quittung. Der Kaufmann bemerkte sie. Stumm und niedergebeugt verneigte sich der Meister und ging. Rls er die Hälfte des Zimmers durchschritten hatte, rief ihn der Kaufmann zurück, „hört einmal, Meister! von den Stühlen kann Er mir noch ein Dutzend liefern, und ich habe auch in der nächsten Woche mehrerer. Doch, damit Er mir in Zukunft nicht alle Augenblicke be- schwerlich wird, und weil Er mir doch kein halbes Jahr Kredit geben kann, so will ich Ihm Vorschuß geben. Zahlen Sie dem Manne noch 500 Mark!" sprach er zum Kassierer und blickte aufs Papier. Sprachlos stand der Meister da, im Innersten erschüttert; doch jetzt ging er rasch auf den Kaufmann zu, ergriff dessen Hand und drückte sie herzlich an seine Sippen. „Dank," stammelte er, „tausend Dank, guter Herr! Der liebe Gott wird es Ihnen lohnen." „Lass' Er das, lieber Freund! Wenn Er ein ehrlicher Mann ist, so braucht Er des Dankes nicht. Doch hier kein Rufsehen, solche Scenen gehören nicht aufs Kontor, hier wohnt keine Herzlichkeit. Geh' Er mit Gott! Ich komme bei Ihm vor und will einmal selbst nach Seiner Wirt- schaft sehen." Froh und überglücklich kehrte der Meister zurück. Fleißig arbeitete er, und durch des angesehenen Kunden Hilfe war er bald ein gemachter Mann. Der reiche Kaufmann aber fühlte an jenem Morgen eine so sonder- bare Regung in seinem Herzen, daß dieselbe seit dieser Zeit noch manche Träne hervorlockte. Doch war es immer — eine Träne der Dankbarkeit. Gh, wenn doch manche gutherzige Reiche etwas von der Not des armen Handwerkers, der für sie arbeitet, wüßten! Sie würden dann handeln wie dieser edle Kaufmann. Rh-m. »oirwatter.
   bis 10 von 102 weiter»  »»
102 Seiten  
CSV-Datei Exportieren: von 102 Ergebnissen - Start bei:
Normalisierte Texte aller aktuellen Treffer
Auswahl:
Filter:

TM Hauptwörter (50)50

# Name Treffer  
0 0
1 1
2 0
3 1
4 14
5 22
6 1
7 16
8 0
9 2
10 9
11 0
12 0
13 1
14 0
15 4
16 4
17 0
18 1
19 15
20 0
21 2
22 1
23 0
24 8
25 8
26 3
27 0
28 1
29 20
30 0
31 0
32 0
33 9
34 6
35 0
36 1
37 33
38 5
39 31
40 0
41 1
42 1
43 0
44 0
45 16
46 0
47 2
48 0
49 2

TM Hauptwörter (100)100

# Name Treffer  
0 3
1 13
2 0
3 1
4 17
5 1
6 4
7 0
8 3
9 7
10 0
11 1
12 7
13 4
14 0
15 2
16 26
17 38
18 0
19 6
20 0
21 2
22 0
23 1
24 2
25 2
26 1
27 2
28 5
29 0
30 1
31 0
32 3
33 0
34 0
35 1
36 17
37 0
38 3
39 15
40 18
41 3
42 3
43 1
44 0
45 24
46 3
47 0
48 3
49 1
50 0
51 0
52 3
53 0
54 1
55 0
56 1
57 0
58 0
59 1
60 8
61 17
62 0
63 0
64 2
65 0
66 0
67 0
68 6
69 0
70 5
71 1
72 14
73 0
74 1
75 1
76 3
77 19
78 0
79 7
80 0
81 1
82 1
83 0
84 0
85 0
86 1
87 11
88 0
89 0
90 0
91 4
92 47
93 0
94 21
95 1
96 0
97 0
98 3
99 0

TM Hauptwörter (200)200

# Name Treffer  
0 31
1 45
2 5
3 34
4 0
5 42
6 3
7 18
8 0
9 0
10 0
11 8
12 50
13 2
14 1
15 0
16 0
17 2
18 0
19 8
20 0
21 0
22 0
23 0
24 13
25 6
26 2
27 0
28 3
29 2
30 1
31 1
32 5
33 72
34 5
35 5
36 0
37 0
38 1
39 62
40 0
41 0
42 2
43 37
44 0
45 0
46 12
47 5
48 0
49 0
50 16
51 34
52 116
53 0
54 9
55 0
56 0
57 0
58 0
59 36
60 2
61 6
62 14
63 0
64 2
65 24
66 3
67 7
68 0
69 0
70 0
71 11
72 1
73 0
74 6
75 40
76 0
77 0
78 30
79 0
80 2
81 92
82 4
83 2
84 3
85 0
86 10
87 0
88 0
89 6
90 1
91 2
92 0
93 0
94 1
95 7
96 2
97 0
98 3
99 9
100 45
101 9
102 21
103 2
104 2
105 9
106 0
107 21
108 0
109 0
110 13
111 16
112 2
113 6
114 4
115 2
116 13
117 0
118 0
119 3
120 0
121 6
122 14
123 6
124 65
125 8
126 3
127 5
128 0
129 20
130 1
131 16
132 0
133 8
134 0
135 0
136 55
137 1
138 0
139 0
140 0
141 1
142 4
143 8
144 1
145 6
146 0
147 5
148 0
149 0
150 0
151 19
152 29
153 0
154 113
155 4
156 5
157 6
158 0
159 2
160 0
161 0
162 0
163 0
164 1
165 15
166 16
167 1
168 22
169 3
170 0
171 0
172 5
173 15
174 0
175 49
176 3
177 12
178 0
179 10
180 3
181 0
182 5
183 95
184 2
185 1
186 0
187 0
188 18
189 0
190 0
191 0
192 0
193 1
194 6
195 4
196 26
197 0
198 0
199 8