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Stimme aus. Es ist außer Zweifel, daß ihn die Hähne der Nachbarschaft
(sie haben ein feines Gehör) hören, verstehen und künftig mehr fürchten.
Er kann sich zum Schrecken der ganzen Nachbarschaft machen wie der Hag
auf der Weide. Es ist ein eigenes Ding um einen solchen Kampf. Beinahe
jeder Hahn benimmt sich eigen; die jungen kämpfen nicht nur lebhafter
als die alten, sondern greifen auch anders an und vertheidigen sich anders.
Junge überwundene schämen sich weniger als ältere. Oft sind ältere mit
ihrem Sieg zufrieden, zufrieden, das Schlachtfeld behauptet zu haben, und
großmüthig lassen sie den Feind abziehen; jüngere rennen ihm, auf einmal
getrieben, zwei-, dreimal nach, und der fliehende muß noch ein paar Anfälle
aushalten. Aller Rückzug geschieht klug, bedächtlich, langsam. Etwa einmal
schreit der Sieger schon im halben Siege hell aus, worüber der andere heftig
zornig wird und den neuen Angriff mit doppeltem Muthe zurückweist.
3. Sie haben verschiedene Stimmen; anders ist die Stimme zum
Morgengruß, anders die im Kampfe und nach dem Sieg, und wenn er
seinen Hennen ruft, wenn er scharrend Körner, Würmer u. s. w. gefunden
hat. Ein besserer Mann ist niemand. Er ruft laut, ruft lange, ruft immer
' wieder, wartet, bis sie kommen, und rührt nicht ein Körnchen selbst an.
Alles läßt er ihnen. Man sieht ihn kaum je selbst fressen. Findet er
nur einzelnes, weniges, so genießt er es allerdings selber; findet er aber
mehreres, so ruft er. Er hat vollkommen recht, denn zu einzelnem und
wenigem kann er die vielen Hennen nicht rufen. Ist der gefundene Haufen
groß, so dudert er die Hennen ganz lustig an und ist in ihrem Genusse
uneigennützig, seelensroh.
4. Die Hennen sind lange nicht so gescheid, wenigstens nicht so listig
als der Hahn. Aber zur Erfüllung ihrer Naturpflicht sind sie gescheid
genug; all ihr Verstand ist Mutterliebe. Nacht und Tag geben sie nur
wenige feine Töne von sich, es sei denn, sie haben ein Ei gelegt; dann
aber thun sie solches der Welt wie ihr Mann seinen Sieg laut genug
kund. Der Mutter Sieg ist ihr Kind, ihr Ei ist ihr Kind, dann gackert
sie lange, lange. Nimmt man ihr, wie wir es thun, die Eier immer
wieder weg, so legt sie immer wieder von Tag zu Tag, immer hoffend,
man lasse sie ihr. Läßt man sie ihr, und hat sie einen Hausen beisammen,
so fängt sie an zu brüten. Um die Jungen bekümmert sich der Hahn
gar nicht, sondern überläßt die Fürsorge und Erziehung unbedingt der
Mutter. Er darf es aber; denn diese sorgt für sie vollkommen treuen und
sorgfältigen Herzens. Wie seine Wachsamkeit sprichwörtlich geworden ist,
so ihre Mutterliebe. Christus hielt es nicht unter seiner Würde, seine
Liebe zu seinem großen Volke mit der Liebe einer Gluckhenne zu ihrem
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T30: [Tier Vogel Mensch Pferd Hund Fisch Thiere Nahrung Eier Wasser], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
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181
2. Nicht lange währte es, so erfolgte ein zweiter Stoß des Erdbebens
und warf, was von Kirchen. Palästen und Häusern noch nicht eingestürzt
war, vollends gänzlich nieder. In das Krachen der zusammenbrechenden
Gebäude mischte sich das Wehgeschrei des Volkes, daß es weithin gehört
wurde. Noch lauter aber erscholl es, als nach wenigen Sekunden das
Wasser des Flusses sich hoch wie ein Gebirge emporbäumte und gegen die
Stadt heranwälzte. Das Meer, das Meer! Wir sind des Todes! riefen
viele Tausende und flohen den Straßen zu, in welchen ihnen durch nieder-
fallendes Gemäuer ein anderer Tod drohte. Wild brauste das Wasser in
die Stadt. Die an dem Ufer ankernden Schiffe wurden losgerissen und
mehrere derselben von dem Strudel verschlungen. Viele Menschen fanden
hier ihren Tod. Ein Damm, auf dem wohl hundert Menschen standen,
versank mit ihnen. Diese fürchterliche Erscheinung erneuerte sich bald dar-
auf mit dem dritten Erdstoß auf dieselbe Weise und wiederholte sich bei
jedem folgenden.
3. Jetzt zeigte sich ein neuer Feind mit gräßlicher Zerstörungswuth: es
entstand ein Sturm, der finstere Staubwolken in die Luft trieb und das
Licht des Tages verdunkelte. Der jüngste Tag schien zu kommen. Der
Sturm war der Vorbote einer Feuersbrunst, die vollends das verzehrte,
was das Erdbeben und Wasser verschont hatte. Was nicht erschlagen war
oder mit dem Tode rang, floh jetzt aus der Stadt. Auf den Feldern
umher lagerten die unglücklichen Bewohner Lissabons zu Tausenden ohne
Obdach, ohne Nahrung und zum Theil ohne Kleidung, einem fast unun-
terbrochenen Regen ausgesetzt. Denn die benachbarten Städte und Dörfer,
in welchen sie Zuflucht hätten finden können, hatten selbst durch die Ver-
heerungen des Erdbebens gelitten.
4. Unsäglich war das Elend, das über die Stadt Lissabon gekommen
war. Acht Tage wüthete die alles verzehrende Flamme. 16 000 Gebäude
lagen darnieder, unter ihnen alle Haupt- und Pfarrkirchen, die Klöster,
die Krankenhäuser und fast alle öffentlichen Gebäude; nur wenige waren
verschont geblieben. Lissabon war ein Schutthaufen, unter welchem das
Glück von 200 000 Bewohnern und die Leichname von 40 000 Erschla-
genen begraben lagen. Der Schaden der Einwohner bettug über 1700
Millionen Mark.
5. Man verspürte dieses Erdbeben bis Norddeutschland, Schweden,
Amerika; ja man hat berechnet, daß am 1. November 1755 ein Erdraum
gleichzeitig erbebte, welcher an Größe viermal die Oberfläche von Europa
überttaf.
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Extrahierte Ortsnamen: Lissabons Lissabon Lissabon Norddeutschland Schweden Amerika Europa
236
rer Anführer in Eom, zu denen die Krieger ein unbedingtes Zutrauen hatten;
dazu war strenge Kriegszucht und Ordnung im Heere und ein Eifer für die
Macht und Ehre des Vaterlandes, dem kein Opfer zu gross war.
2. Wie streng die Kriegszucht gehandhabt wurde, davon nur ein Beispiel.
Im Kriege gegen die Latiner, eine italische Völkerschaft, war von den
beiden Oberanführern oder Consuln der Befehl ausgegangen, dass kein Römer
mit den Feinden ausser der Ordnung sich in einen Kampf einlassen solle.
Des einen Consuls (Manlius) eigener Sohn aber, gereizt durch den Hohn eines
Feindes, nahm dennoch einen Zweikampf mit diesem an und erlegte ihn.
Freudenvoll brachte er mit seiner jubelnden Schar die erbeutete Waffenrüstung
ins Lager. Als ihn der Vater sah und vernahm, was geschehen war, wandte
er sich ab vom Sohn, berief die gesamte Mannschaft und kündigte demselben
in Gegenwart des Heeres an, dass er wegen Übertretung des gegebenen Be-
fehls sogleich sterben müsse. Der Gerichtsdiener band ihn an einen Pfahl;
und während alle im tödtlichen Schrecken verstummt dastanden, fiel schon
das Haupt des Jünglings unter dem Beil.
3. Noch stehe hier ein Beispiel aufopfernder römischer Tapferkeit. Der
Gonsul Atilius Galatinus war auf der Insel Sicilien in ein rings von Bergen
eingeschlossenes Thal gekommen und sah plötzlich die Anhöhe über sich von
Feinden besetzt, welche auf den unvorsichtigen Marsch der Römer gerechnet
hatten. Diese sahen nichts vor sich als Untergang oder Schmach. Da schlug
ein Kriegsoberster dem Gonsul vor, er solle einen noch unbesetzten Bergvor-
sprung mit 400 Mann besetzen lassen; die Feinde würden diese ohne Zweifel
aufs heftigste angreifen und die ganze Schar zusammenhauen, unterdessen
werde er, der Gonsul, Zeit gewinnen, das übrige Heer in Sicherheit zu bringen.
«Aber,» sagte der Gonsul, «wer wird die 400 Mann anführen?» «Ich, wenn kein
anderer sich findet.» Es fanden sich 400 Freiwillige, die mit dem Obersten
ihr Leben für das Heer zu opfern bereit waren. Der Bergvorsprung wurde
besetzt. Der feindliche Feldherr schickte gegen sie seine tapfersten Leute.
Ein heisser Kampf entbrannte um die Anhöhe und auf derselben. Der Gonsul
führte unterdessen sein Heer unvermerkt aus dem gefahrvollen Gebirgsthale;
die Vierhundert mit ihrem tapfern Führer lagen am Ende alle mit Wunden
bedeckt am Boden. Unter den edlen Leichen fand mau später den Obersten
allein noch athmend ohne eine tödtliche Wunde. Er wurde hervorgezogen,
hergestellt und leistete dem Staate nachmals noch manchen Dienst im Kriege.
Von einer Belohnung, welche dem grossherzigen Mann zuerkannt worden
wäre, weiss man nichts.
4. Zu solcher Tapferkeit der Römer kam auch noch ein beharrlicher Muth,
der sich durch kein Unglück niederschlagen liess. Als ein mächtiger Feind,
Hannibal von Karthago, mit einem siegreichen Heer vor den Thoren Roms
lagerte, wurde das Feld, auf welchem das feindliche Lager stand, in der
Stadt zu gleicher Zeit verkauft, ohne dass der Kaufpreis dadurch niederge-
drückt worden wäre.
5. Unter solchen Umständen ist es nicht zu verwundern, dass die Römer
fast überall Sieger blieben. So kam es, dass sie erst die benachbarten kleinen
Völker in Mittelitalien bezwangen, dann immer weiter bald nach Süden bald
nach Norden vorrückten. 500 Jahre, nachdem ihre Stadt erbaut und ihr
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T23: [Rom Römer Krieg Italien Stadt Jahr Heer König Rmer Hannibal], T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen]]
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241
gefangen wurde. Unterdessen hatte Kaiser Nero ein Ende mit Schrecken gefunden, und das
römische Heer in Syrien rief seinen Feldherrn Vespasian zum Kaiser aus. Dieser gieng nach
Rom, um sich die Krone zu sichern, und überließ seinem Sohne Titus die Fortsetzung
des jüdischen Krieges. Durch die Einnahme der Hauptstadt sollte dieser geendigt werden.
2. Als Titus vor dieselbe rückte, hatte das Werk der Zwietracht in ihrem Innern
bereits begonnen. Den Reichen und Vornehmen wurde bange für ihren Reichthum und
ihr gemächliches Leben; sie wünschten daher dem Krieg durch zeitige Unterwerfung ein
Ende zu machen und die Zerstörung der Stadt abzuwenden. Dadurch wurden aber
die Eiferer um das Gesetz, welche die Übermacht in der Stadt hatten, nur desto mehr
aufgebracht, so daß sie über die Häupter der friedliebenden Partei herfielen und eine
große Anzahl derselben, darunter auch die Hohenpriester, ermordeten. Aber auch die-
jenigen, welche in dem Entschluß, den Widerstand bis aufs äußerste fortzusetzen, über-
einstimmten, waren unter sich in mehrere Parteien getheilt, und öfters, wenn die Feinde
von außen unthätig waren, brach der Parteihaß im Innern der Stadt in offenen
Bürgerkrieg aus. Tag und Nacht währte das Geschrei und Toben der Kämpfenden,
und in der heillosen Verwirrung verbrannte eine solche Menge Getreide in der Stadt,
daß dadurch hauptsächlich die später entstandene entsetzliche Hungersnoth veranlaßt
wurde. Es war gerade Ostcrzeit des Jahres 70, und des Festes wegen war eine
Menge fremder Juden in Jerusalem zusammengeströmt. Josephus schätzte die ganze
Zahl der Anwesenden auf fast 3 000 000. Diese Flut von Menschen wurde durch
das anrückende Heer in den engen Raum der Stadt zusammengedrängt; und als
infolge der innern Unordnung und des Aufruhrs Mord und Brand die belagerte
Stadt heimsuchte, da mußte bald unter jener Masse von Menschen die schrecklichste
Hungersnoth einreißen.
3. Der beispiellose Kampf dauerte vom 12. Mai bis zum 11. September. Am
fünfzehnten Tage der Belagerung war es den Römern gelungen, die erste Mauer,
welche den Stadttheil Bezetha umschloß, zu nehmen, und neun Tage später eroberten
sie auch die zweite Mauer und mit derselben die untere Stadt Akra, so daß die Juden
nur noch die Burg Antonia, den Tempel und die obere Stadt Zion behaupteten. Dies
war aber bei weitem der stärkste Theil der großen Stadt, und Titus sah bald ein, daß
er bei der hartnäckigen, wilden Wuth, mit der die Juden ihr Heiligthum vertheidigten,
gegen solche Befestigungen mit der Gewalt der Waffen wenig ausrichten würde. Deß-
halb beschloß er, die Stadt auszuhungern und die Wuth ihrer Vertheidiger dadurch zu
bändigen. Dazu ließ er das Heer einen Wall um das belagerte Jerusalem aufführen,
der jede Verbindung zwischen der Stadt und dem umliegenden Lande abschnitt, so daß
Jesu Weissagung (Luk. 19, 43.) auch hier wörtlich eintraf. Jetzt erreichte die Hungers-
noth die entsetzlichste Höhe. Täglich starben Tausende, und wie Gespenster wankten die
Überlebenden umher. Viele suchten außerhalb der Stadtmauer Nahrungsmittel, sie fielen
den Römern in die Hände,^und Titus, der später so menschenfreundliche Fürst, ließ sie
im Angesichte der auf der Mauer befindlichen Juden kreuzigen, oft 500 und darüber
an einem Tag. Zuletzt gebrach es an Holz und Raum für die Kreuze. (Matth.
27, 25.) Dennoch wurden die Belagerten nicht abgeschreckt. Die von den Römern
während siebzehntägiger angestrengter Arbeit aufgeworfenen Wälle wurden von den
Juden mit unerhörter Kühnheit, Entschlossenheit und Schnelligkeit zerstört. Und Titus
blieb nichts anderes übrig, als die ganze Stadt mit einer Mauer zu umschließen, was
von den römischen Soldaten mit steigender Erbitterung ausgeführt wurde.
Indessen nahmen die Greuel in der unglücklichen Stadt immer mehr überhand.
Lesebuch. 16
TM Hauptwörter (50): [T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T11: [Reich König Land Stadt Jerusalem Jahr Syrien Sohn Aegypten Zeit]]
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Extrahierte Personennamen: Titus Titus Josephus Bezetha Antonia Titus Titus
Extrahierte Ortsnamen: Syrien Rom Jerusalem Jesu Titus
249
schleuderten ihre scharfen Wurfspeere gegen die erschrockenen Römer. Diese
ordneten sich, so gut sie in den unwegsamen Gegenden konnten, nahmen
das Gepäck und den Troß in die Mitte und vertheidigten sich. Aber die
Sehnen der Bogen waren vom Regen erschlafft, die übrigen Waffen auch
großentheils verdorben; auf dem schlüpfrigen Boden konnten sie in ihren
schweren Harnischen keinen festen Fuß fassen und den Deutschen überhaupt
wenig Schaden zufügen. Viele von ihnen sanken ermattet und verwundet
zu Boden.
Am Abend endlich gelang es ihnen einen Platz zum Lager zu finden
und sich zu verschanzen, so daß sie doch einige Stunden ausruhen konnten.
Am andern Morgen aber mußten sie weiter; ihre einzige Hoffnung war,
sich bis zu ihren festen Plätzen, wo noch Besatzung lag, und so weiter bis
an den Rhein durchzuschlagen. Und wirklich kamen sie auch in eine etwas
freiere, ebenere Gegend, wo sie geschlossene Reihen bilden und die Angriffe
der Deutschen besser abwehren konnten. Allein das dauerte nicht lauge;
bald gieng ihr Weg wieder in den schrecklichen Wald. Run griffen die
Deutschen mit neuer Wuth an, erschlugen eine Menge und jubelten laut,
daß der Römerhaufen immer kleiner und kleiner wurde.
Roch einmal versuchten die Römer ein Lager aufzuschlagen und Wall
und Graben auszuwerfen; allein die Deutschen ließen ihnen nicht Zeit dazu.
Mit verdoppelter Anstrengung und Hellem Schlachtgesange stürmten sie von
allen Seiten heran. Der Feldherr Varus verlor gänzlich den Muth und
stürzte sich, nachdem er schon mehrere Wunden empfangen hatte, selbst in
sein Schwert. Viele der Anführer thaten deßgleichen; keiner widerstand mehr.
Die Deutschen hatten nichts weiter zu thun als die Ermatteten und Fliehen-
den niederzumachen oder gefangen zu nehmen. Rur wenigen einzelnen
Römern gelang es, in der Dunkelheit der Nacht zu entkommen und durch
glückliche Umstände begünstigt zu den festen Plätzen zu entfliehen, wo sie
ihren Landsleuten die traurige Botschaft von dem Untergang des Varus
mit seinem ganzen Heer verkündigten.
4. Die Deutschen feierten unterdeß große Freudenfeste. Die gefangenen
Kriegsobersten wurden wie Opferthiere den Göttern zu Ehren abgeschlachtet,
andere Gefangene an Bäume aufgehängt oder als Sklaven vertheilt. Das
letztere Los traf namentlich viele vornehme Römer; noch vierzig Jahre spä-
ter wurden einige derselben von ihren Landsleuten nach einem Treffen im
Hessischen aus ihrer langen Knechtschaft befreit. Der Kopf des gefallenen
Varus ward den Römern zum gräßlichen Wahrzeichen übersendet. Beson-
ders übel gieng es den römischen Sachwaltern, die so oft mit ihren glatten
Zungen das Recht verdreht hatten. Einem solchen wurde die Zunge mit
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger]]
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257
erbost gegen sie; und wenn eine Landplage kam, schob man die Schuld da-
von gewöhnlich auf die Christen.
3. Eure der schrecklichsten Verfolgungen fand unter dem Kaiser Decius
vom Jahr 249—251 statt. Die Christen hatten fast ein halbes Jahrhundert
vorher in Ruhe gelebt, und diese Ruhe hatte sie sicher und lau werden lassen.
Origenes, ein ausgezeichneter Lehrer jener Zeit, klagt sehr darüber. «Einige,»
sagt er, «kommen zur Kirche nur an hohen Festtagen und alsdann nur fast
zum Zeitvertreib. Einige gehen heraus, sobald die Predigt geendigt ist, ohne
mit den Lehrern zu reden oder ihnen Fragen vorzulegen ; andere hören nicht
ein einziges Wort, sondern stehen in einem Winkel der Kirche und plaudern
mit einander.» — Da kam die Verfolgung im Jahr 250 plötzlich wie ein
Wetter über sie und schreckte sie aus ihrer Sicherheit auf. Decius wollte
das Christenthum völlig ausrotten. Durch einen kaiserlichen Befehl wurden
die Christen im ganzen Reich aufgefordert, an einem bestimmten Tag vor
der Ortsobrigkeit zu erscheinen und den Götzen zu opfern. Nicht wenige,
besonders Reiche und Vornehme, gehorchten. Andere ergriffen die Flucht und
wurden dann ihres Vermögens beraubt. Bei denen, welche geblieben waren,
wandte man alle möglichen Mittel an, um sie zum Abfall zu bringen. Durch
Kerker und Bande, Schlage und Steinigung, Feuer und Schwert, Hunger und
Durst und unzählige andere Martern wollte man sie zwingen, ihren Glauben
zu verleugnen. Einige Ressen sich auch sogleich dazu bewegen; andere hielten
sich anfangs standhaft und fielen dann ab; manche aber überwanden Qual
und Tod um dessen willen, der sie geliebt hatte bis in den Tod. «Der Herr
wollte sein Volk prüfen,» schreibt der Bischof von Karthago, Cyprianus, der
nachmals selbst als Märtyrer starb. «Weil ein langer Friede die uns von Gott
befohlene Zucht verdorben hatte, so hat die Züchtigung unsern Glauben wieder
geweckt, der beinahe eingeschlafen war.» Dioskorus, ein Knabe von noch
nicht ganz 15 Jahren, wurde auch vor den Richter geführt. Dieser wollte
ihn erst durch Schmeicheleien und dann durch Martern dem Heiland untreu
machen; aber es gelang ihm nicht. Dieser Knabe bekannte Jesum so offen
und freudig, dass der Richter sich darüber verwunderte und ihn, weil er noch
so jung war, losliess.
4. Die letzte und furchtbarste Verfolgung der Christen begann unter dem
römischen Kaiser Diokletian und dauerte 8 Jahre. Alle christlichen Kirchen
sollten zerstört, alle Handschriften der Bibel ausgeliefert und verbrannt wer-
den; die Bürger, welche Christen geworden, sollten ihre Rechte und Würden
verlieren und die christlichen Sklaven niemals freigelassen werden, wenn sie
das Christenthum nicht abschwüren. Sie wurden an ihren Leibern verstüm-
melt, haufenweise verbrannt, ersäuft und sonst aufs grausamste hingerichtet.
Aber die Glaubensfreudigkeit der meisten Christen war unter diesen Verfol-
gungen so gross, dass sie Gut und Blut gerne dahin gaben. Ein Knabe,
Hilarian aus Numidien in Afrika, war mit anderen Christen gefangen genom-
men worden. Der heidnische Richter meinte, ihn durch Drohungen leicht in
Schrecken setzen zu können; aber der Knabe sprach: Thut, was ihr wollt;
ich bin ein Christ.
5. Jede dieser Christenverfolgungen diente zur inneren Läuterung und
Stärkung der Christen, ja selbst äusserlich zur Vermehrung ihrer Zahl; denn
Lesebuch. 17
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg]]
TM Hauptwörter (100): [T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T26: [Gott Christus Christ Volk Herr Jahr Kirche Land Zeit Jude], T88: [Sohn Vater König Tod Kaiser Tochter Bruder Jahr Mutter Gemahlin], T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit]]
TM Hauptwörter (200): [T187: [Religion Christus Christ Christentum Zeit Jahr Volk Christenthum Heide Geburt], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat], T143: [Stadt Kind Tag Haus Straße Mann Mensch Weiber Nacht Soldat], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte]]
235
rechnen sie nicht wie wir nach Sonnenjahren sondern nach Mondjahren von
854 Tagen.
3. Die Mekkaner wollten den Entflohenen mit Gewalt der Waffen wieder
zurückführen; aber auch Muhammed hatte seine Schüler bewaffnet und führte
sie gegen die Feinde. Anfangs ward er geschlagen; aber er sammelte seine
Anhänger aufs neue und wusste sie so zu begeistern, dass er nun den Sieg
gewann. Bald darauf eroberte er sogar Mekka und einige umliegende Städte.
Nun ward er immer kühner. Er erklärte, er habe den Auftrag von Gott
empfangen, seine Lehre mit Feuer und Schwert auszubreiten; wer sich ihm
nicht unterwerfe, der müsse sterben. Ein grosses Heer tapferer und beute-
lustiger Streiter sammelte sich um ihn, und mit diesem zog er siegend um-
her und fiel sogar in Syrien ein. Heiden, Juden und Christen bekannten sich
theils gezwungen theils freiwillig zum Islam (Glauben) und hiessen dann Mos-
lemin (Gläubige), woraus später das Wort Muselmann entstand. Muhammed
wagte es sogar, den König von Persien und den griechischen Kaiser zu Kon-
stantinopel, von denen der erste ein Heide, der letztere aber ein Christ war,
aufzufordern, ihrem bisherigen Glauben zu entsagen und seine Lehre anzu-
nehmen. Er würde ohne Zweifel seine Eroberungen noch weiter fortgesetzt
haben; allein er starb 63 Jahre alt im Jahr 632, wie man sagt, an vergiftetem
Fleische, das ihm eine Jüdin vorgesetzt hatte, um zu erfahren, ob er auch
wie andere ein sterblicher Mensch sei.
4. Muhammed nannte freilich, um den Juden und Christen zu gefallen,
auch Mosen und Jesum grosse Propheten Gottes; aber er selbst, behauptete
er, sei der grösste und höchste. Er lehrte, dass nur ein Gott sei; daher
noch jetzt die Losung aller Muhammedaner: Nur Allah (arabischer Name für
Gott) ist Gott, und Muhammed ist sein Prophet. Diesem Gott, lehrte er,
könne man nur durch Gutesthun gefallen. Aber er nährte den Stolz des
Menschen auf eine traurige Weise, indem er den äusserlich guten Werken ein
grosses Verdienst bei Gott zuschrieb. Täglich muss der Muhammedaner fünf-
mal beten, das Angesicht nach Mekka gewendet; von seinem Vermögen muss
er den hundertsten Theil den Armen geben. «Beten,» sagt der Koran, «führt
auf halbem Wege zu Gott, Fasten bringt an den Eingang des Himmels, und
Almosen öffnen die Thür. Aber für den Glauben in der Schlacht streiten
und Feinde todten, das führt zur höchsten Seligkeit». Ausserdem führte
Muhammed bei seinen Anhängern die Beschneidung, öftere Waschungen und
die Feier des Freitags als des heiligen Tages ein. Er verbot den Genuss des
Schweinefleisches, das Weintrinken und alle Glücksspiele. Jeder rechte Mos-
lem musste einmal in seinem Leben eine Wallfahrt nach Mekka machen.
Um die Tapferkeit seiner Krieger noch mehr anzufeuern, lehrte er, jeder
Mensch stehe unter einem unabänderlichen Schicksale, dem er durchaus nicht
entgehen könne; und wenn sein Tod bestimmt sei, so müsse er sterben, er
möge im heissesten Schlachtgewühle sein oder daheim ruhig am Arme eines
Freundes wandeln. Allen Redlichen, Tapferen und Frommen verhiess er zum
Lohne das Paradies, wo sie in lauter sinnlichen Freuden schwelgen, an reich
besetzten Tafeln sich ergetzen und in ewiger Jugendfülle prangen sollten.
5. Mehrere Jahre nach Muhammeds Tode wurden seine Aussprüche und
Auslegungen gesammelt und in ein Buch geschrieben, welches der Koran
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T11: [Reich König Land Stadt Jerusalem Jahr Syrien Sohn Aegypten Zeit]]
TM Hauptwörter (100): [T26: [Gott Christus Christ Volk Herr Jahr Kirche Land Zeit Jude], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat]]
TM Hauptwörter (200): [T48: [Christ Jerusalem Sultan Mekka Araber Land Jahr Stadt Mohammed Türke], T179: [Gott Mensch Wort Welt Erde Glaube Herr Sünde Himmel Satz], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind]]
Extrahierte Personennamen: Muhammed Gott Muhammed Muhammed Muhammed Muhammed Muhammed Muhammeds
279
so feindseliger gegen den Kaiser wurde, je mehr dessen Macht zunahm. Am
längsten widerstand die mächtigste dieser Städte, Mailand. Schon ein-
mal hatte Friedrich sie durch Hunger bezwungen und ihre demüthigen Bitten
uni Gnade erhört. Da fiel sie aufs neue ab und beleidigte die Gesandten
des Kaisers aufs gröblichste. Als der Kaiser sie an den Eid erinnerte,
den sie ihm geschworen, antworteten sie frech: Wir schwuren zwar den Eid,
aber wir versprachen nicht, ihn zu halten. Nun schwur der Kaiser, er
werde die Krone nicht wieder aufsetzen, bis er solch frechen Trotz gebrochen
habe. Er bezwang ihn durch Schwert und Hunger. Barfuß und barhaupt,
in zerrissenen Kleidern, ein bloßes Schwert oder einen Strick am Halse
und Asche auf dem Haupte, das Kreuz voran kamen sie hinaus in sein
Lager und baten um Frieden und Gnade. Er aber ließ die Mauern der
Stadt niederreißen, und die Bewohner mußten sich in offenen Flecken ansiedeln.
Aber bald entstand an einer andern Stelle eine neue gegen Friedrich
feindliche Stadt, Alessandria, so genannt nach dem Papst Alexander Hi,
der des Kaisers heftiger Feind und der lombardischen Städte Freund und
Helfer war. So dauerte der Kampf noch lange fort. Der Kaiser kam
selbst oft in Lebensgefahr: bei der Etschklause hatte der Feind in einem
engen Paß zwischen Fels und Fluß das Heer umzingelt, und nur der
Tapferkeit Ottos von Wittelsbach verdankte Friedrich seine Rettung; in
Susa hatten Bürger sich verschworen, ihn im Schlafe zu ermorden, aber
der tteue Hartmann von Siebeneichen half dem Kaiser zur Flucht, indem
er sich selbst in dessen Bett legte; die Feinde ehrten diese Treue und
schenkten ihm das Leben.
4. Ganz besonders hinderlich war es für Friedrich bei diesen Kämpfen,
daß er sich auf die Unterstützung der deutschen Fürsten nicht verlassen
konnte. Die Ordnung im deutschen Reiche war nemlich diese: der König
überließ einen Theil des ihm gehörigen Landes an Edelleute auf unbe-
stimmte Zeit. Eine solche Besitzung hieß Lehen, der Geber Lehnsherr,
der Inhaber Lehnsmann oder Vasall. Dieser mußte seinen Lehnsherrn mit
Leib und Leben, Gut und Ehre vertheidigen und ihm in seine Kriege
folgen. Run wurden aber die Vasallen übermächtig und übermüthig, und
Herzoge, Fürsten und Grafen führten oft Krieg auf eigene Hand, auch
gegen ihren König, oder sie weigerten sich, ihm mit ihren Leuten im Kriege
zu Dienste zu sein. Der mächtigste unter diesen Vasallen war zu Friedrichs
Zeit der Herzog Heinrich der Löwe aus dem Geschlechte der Welfen;
ihm gehörte Braunschweig und Lüneburg, Bayern und Sachsen. Dieser
stolze Mann weigerte sich, dem Kaiser Heerfolge gegen die lombardischen
Städte zu leisten. Der Kaiser bat ihn, ja er fiel ihm zu Füßen. Alles
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Extrahierte Personennamen: Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich Alexander_Hi Alexander Ottos_von_Wittelsbach Ottos Friedrich Friedrich Hartmann Friedrich Friedrich Friedrichs Heinrich_der_Löwe Heinrich
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Als der Kaiser mit seinen Truppen daselbst einrückte (im Dez. 1546).
gieng Brenz dem Anführer entgegen, um für sein Haus die gewöhnliche
Befreiung von Einquartierung zu erbitten, und befahl den Seinigen, das
Haus indessen wohl zu verschließen. Allein die Spanier umringten es,
klopften mit ihren Hellebarten ungestüm an die Thüre und begehrten Ein-
laß. Brenz kam dazu. Einer der Soldaten setzte ihm die Hellebarte auf
die Brust und drohte ihn zu durchbohren, wenn nicht sogleich geöffnet werde.
Brenz that auf, setzte ihnen zu essen und zu trinken vor, verbarg indessen
seine Papiere, flüchtete seine Familie, entfernte sich selbst und überließ den
Soldaten das Haus samt allem, was darin war. Am nächsten Tag kam
ein spanischer Bischof, jagte die Soldaten aus dem Hause, quartierte sich
selbst ein, durchsuchte die Bücher und fand einige Briefe, die sich auf den
Krieg bezogen, und die Brenz nicht verbrannt hatte. Da nun überdies
bekannt wurde, Brenz habe die Bürger öfters ermahnt, ihren Glauben
muthig zu vertheidigen, so ergieng der Befehl ihn zu verhaften. Er flüchtete
sich auf einen hohen Thurm, wo er verborgen lag, bis es ihm gelang,
verkleidet aus der Stadt zu entkommen. In schlechten Kleidern durchirrte
er in einer kalten Winternacht die benachbarten Wälder und kehrte erst
nach Abzug der kaiserlichen Truppen in seine rein ausgeplünderte Wohnung
zurück. Im Jahr 1548 schickte der kaiserliche Minister Granvella einen
Abgeordneten nach Hall, um ihm den Brenz lebendig oder todt zu über-
bringen, weil er nemlich gegen das Interim gepredigt hatte. Als dieser
in die Stadt kam, stellte er sich anfangs sehr freundlich gegen Brenz und
suchte ihn an sich zu locken und dann heimlich fortzuführen. Aber es ge-
lang ihm nicht, und er griff daher zu einem andern Mittel. Er berief
den Rath zusammen und ließ ihn schwören, daß keiner etwas von dem,
was er ihnen jetzt im Namen des Kaisers eröffnen werde, offenbaren wolle.
Hierauf theilte er ihnen seinen Auftrag mit und drohte mit des Kaisers
Ungnade, wenn sie ihm nicht behilflich wären ihn auszuführen. Aber glück-
licherweise war der Rathsherr Büschler erst nach der Eidesleistung und doch
noch bald genug gekommen, um den Antrag des Abgeordneten zu vernehmen.
Er schrieb eilig auf einen Zettel: „Flieh, Brenz, so schnell als möglich!"
und schickte ihm den Zettel. Brenz saß eben am Essen und feierte seinen
Geburts- und Namenstag (Johannestag). Als die Nachricht kam, gieng
er sogleich vom Tisch und zur Stadt hinaus. Nicht weit vom Thore
begegnete ihm der kaiserliche Abgeordnete und fragte ihn: „Wohin
wollt Ihr?" „Zu einem kranken Freund," antwortete Brenz. „Nun wohl,
so kommt morgen zu mir zum Essen!" „So Gott will!" sprach Brenz
und eilte davon. Ein dichter Wald nahe bei der Stadt diente ihm bei
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einer kleinen Zahl von Bürgern ihr armes Leben zu lassen, damit diese ihnen frohnen
könnten.
4. Auf die Nachricht von jener Schlacht floh Herzog Eberhard nach Straßburg.
Kaiser Ferdinand kam nach Stuttgart und übergab einer Statthalterschaft das Regiment.
Da kam nun eine traurige Zeit. Es ist vielleicht in Schwaben fast keine auch noch
so kleine Gemeinde, der nicht aus dieser Zeit ein Denkmal übrig geblieben wäre,
wenigstens in den Todtenregistern. Das Platte Land war hauptsächlich der Schauplatz
der Greuel und der Zerstörung; aber auch die ummauerten Orte entgiengen nicht immer
demselben Schicksal. Waiblingen, das mit dem dazu gehörigen Amt 2350 Bürger
gezählt hatte, behielt nach der ersten Verheerung, die ans die Nördlinger Schlacht folgte,
nur 145. Ein Theil der Weiber und Kinder ertrank auf der Flucht in der Rems,
an den übrigen kühlten die Soldaten ihre Wuth. In Nürtingen lebte damals noch
die 70jährige Witwe des Herzogs Ludwig. Die Stadt, wohin sich die Leute aus
der Umgegend geflüchtet hatten, ward erobert, das Schloß geplündert; an den Haaren
schleppten die Kroaten die greise Herzogin umher, und nur mit Mühe entriß sie der
Oberst Grüne ihren Händen und der äußersten Mißhandlung. Unter den nach Nür-
tingen entflohenen Geistlichen befand sich Georg Wölflin, Pfarrer von Owen. Als die
Stadt erstürmt war, floh er in den Fürstenstand, die sogenannte Schloßkirche. Ein
Spanier traf ihn, wie er sich, die Bibel in der Hand, auf die letzte Stunde bereitete.
Mit solcher Wuth durchbohrte ihn der wilde Soldat, daß das Schwert auch die Bibel noch
durchdrang und die Stelle 2 Timoth. 4, 7. „Ich habe einen guten Kampf gekämpft,
ich habe den Lauf vollendet, ich habe Glauben gehalten" mit seinem Blut gezeichnet ward.
5. Die Kaiserlichen nahmen einen festen Platz nach dem andern, der Kaiser ver-
schenkte Herrschaften, Städte und Ämter in Württemberg an seine Getreuen. Kostbar-
keiten, Geräthschaften, Kunstsachen, Bibliotheken, Archive wurden in langen Wagenzügen
aus dem Lande nach Innsbruck, Wien und München geschickt, in den herzoglichen
Schlössern und Gärten wurden muthwillige Zerstörungen angerichtet. In den Dörfern
wurde fast alles vernichtet, die Wohnhäuser verbrannt oder doch abgedeckt, die Brunnen
verschüttet, selbst die Kirchen ihres Schmuckes, ihrer Kanzeln und Altäre beraubt, oder
auch gänzlich zerstört, das Haus- und Feldgeräthe sowie die Vorräthe von Wein und
Früchten verderbt, das Vieh weggeführt, Reben und Obstbäume umgehauen. Die Ein-
wohner selbst wurden aufs unmenschlichste mißhandelt. Man hieb einigen die Glieder ab,
stach anderen die Augen aus, goß ihnen siedendes Blei in Nase, Mund und Ohren,
man gab ihnen den sogenannten Schwedentrank (Mistjauche) und trat sie, wenn ihnen
hiedurch der Leib schwoll, mit Füßen. Manche wurden an den Schweifen der Pferde
umhergeschleppt, oder schoßen die Schützen nach ihnen wie nach einer Zielscheibe. Kinder
wurden gespießt und gebraten. Da entfloh, was noch fliehen konnte, meist nach der
Schweiz, wo man sie gastfreundlich aufnahm. Viele verbargen sich in den Wäldern,
Höhlen und Klüften; dorthin aber wurden sie von den Soldaten mit Hunden verfolgt
wie vom Jäger das Wild, und bald fand man im ganzen Land fast nichts als leere,
ganz oder halb verbrannte Ortschaften.
6. Auf diese Verheerung folgte die schrecklichste Hungersnoth. Arme schlugen sich
um das Aas des gefallenen Viehs; selbst Wohlhabendere aßen Brot von Eicheln und
Baumrinde. Auf die Hungersnoth folgte die Pest. In Stuttgart starben im Jahr
1635 nicht weniger als 4379 Einwohner, mehr als die Hälfte der damaligen Bevölke-
rung, in Eßlingen gegen 8000, in Heilbronn 5518, in Ulm gegen 14 400. Von
mehr als 400 000 Seelen waren nach sieben Jahren in ganz Württemberg kaum noch
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Extrahierte Personennamen: Eberhard Ferdinand Ludwig Ludwig Georg_Wölflin Owen