33
Wie Kulm er begonnen die rasche That,
Versöhnen und büssen durch s Leben.
In der weiten Arena der Aermste stand,
Das blasse Gesicht nach dem Zwinger gewandt.
Der Öffnet sich rasselnd — und grimmig rennt
Ein L»we mit Hungergebrülle
Heraus, — und ein Schrei des Entsetzens trennt
Vielstimmig die lautlose Stille. — —
Doch siehe, — der Leu statt zu würgen ihn,
Legt zahm zu des Sklaven Füssen sich hin.
Und schnell springt er wieder hoch empor,
Mit Schmeicheln Androklus umkreisend;
So wie wenn ein Hündchen den Herrn verlor
Und findet, ihm Freude beweisend.
Verwundert und staunend blickt Mann für Mann
Das niemals gesehene Wunder an.
Und staunend sieht's gleichfalls der König an
Und ruft vom Balköne herunter:
„Geschenkt ist das Leben dir, armer Mann,
„Wenn schnell du erklärest dies Wunder.
„Der Leu, den man gestern gefangen nahm,
„Warum ist er heute schon still und zahm?“
Und d'rauf Androklus die Red’ begann:
„Herr! als ich der Knechtschaft entsprungen,
„Da ich, ein flüchtiger, armer Mann,
„Nach Freiheit gestrebt und gerungen,
„Da barg mich das Felsengeklüft' in dem Wald
„Und die Höhle war drinnen mein Aufenthalt.
„So manchen Tag ich gar traurig sass,
„Verzweifelnd dem Schicksale fluchte,
„Mit Kummer und Thränen die Wurzeln ass,
„Die ängstlich, mit Zittern, ich suchte;
„So sass ich einst sinnend in dunkler Still’,
„Da weckte mich schreckhaft des Löwen Gebrüll.
„Und herein das entsetzliche Unthier trat
„Mit hinkendem Fuss in die Höhle,
„Sich jammernd geberdend mich schmeichelnd bat,
„Zu seh’n, wo dem blutenden fehle.
Reiser, der Votksschüler i. d. Oberksasse.
3
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T43: [König Held Sohn Mann Schwert Ritter Hand Tod Vater Feind], T30: [Tier Vogel Mensch Pferd Hund Fisch Thiere Nahrung Eier Wasser]]
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195
man in derselben Richtung heftiges Hundegebell und darauf einen
Schuß, dem sogleich ein lautes Geschrei folgte. Ein Korporal mit
Mannschaft eilte unverzüglich dahin. Bald kamen sie auf dem Hü-
gel an, wo der Posten ausgestellt war, aber er war nirgends zu
sehen. „Ich sehe etwas Weißes," rief der Korporal, „das ist ein
Beduine!" Sogleich feuerte er sein Gewehr darauf ab, und ein
Araber wälzte sich, von der Kugel getroffen, am Boden. Man
suchte Bachard und fand bald seinen Leichnam ohne Kopf am Ab-
hange des Hügels liegen. Während die Soldaten diesen voll Ent-
setzen betrachteten, erregte ein furchtbares Bellen am Fuße des Hü-
gels ihre Aufmerksamkeit. Sie sahen Azor, den Hund Bachards,
der sich wüthend auf ciuen Araber stürzte, der ihrer Aufmerksamkeit
entgangen war. Der Araber wehrte sich mit seinem Schwerte gegen
den Hmh und hatte ihm bereits mehrere Wunden beigebracht; allein
dieser schien sich wenig um Schmerz und Tod zu bekümnlern und
erneute muthig seine Angriffe. Mit einem verzweifelten Satz packte
er den Araber an der Kehle und warf ihn zu Boden. Jetzt mischte
sich das Schmerzensgeschrei des Mannes mit dem wüthenden Heulen
des Hundes. Man sah Beide übereinander rollen; bald war der
Araber wieder oben und zerfleischte mit seiner Waffe seinen Gegner;
bald war der Hund Sieger und sein Stöhnen ward unterbrochen,
indem er sich-bemühte, das Gesicht und die Kehle des Beduinen zu
zerreißen. Die Soldaten wollten dem Kampf ein Ende machen und
den Araber todten; schon waren die Hähne gespannt, und.sie schlu-
gen auf die hartnäckig Kämpfenden an, als der Korporal ausrief:
„Halt, es ist Azor, ihr könntet ihn todten; mit dem Bajonette, Ka-
meraden, .und Tod dem Beduinen!" Trotz ihrem schnellen Laufe
fandett sie, als sie hinkamen, den Araber ausgestreckt und ohne Leben.
Azor, obgleich furchtbar verwundet, zerrte beständig an einem Zipfel
des sorgfältig zusammengeknüpften Burnus des Arabers; er zerriß
ihn endlich, und der Kops Bachards, seines Herrn, rollte daraus hervor.
Azor, vom Blutverlust erschöpft, sank an der Seite seines über-
wundenen Gegners nieder. Ein junger Militärarzt, der sich bei der
Mannschaft befand, untersuchte seine Wunden; er fand sie nicht tödt-
lich,' aber die Pfote, die ganz zerquetscht war, mußte abgelöst wer-
den. Bachard wurde an dem Orte, wo er gefallen war, begraben.
Bald war er vergessen, und viele Truppen hatten indessen ihren
Aufenthalt in Algier gewechselt, nur Azor war von der Stadt nicht
wegzubringen. Jeden Abend, kurz vor 10 Uhr, gieng er aus und
legte sich auf das Grab seines ermordeten Herrn vor dem entfern-
testen Vorposten nieder. Um Mitternacht schlich er sich niederge-
schlagen auf seinen drei Pfoten nach Hause. Die Schildwachen
kannten ihn wohl; sie nannten ihn Azor, den Invaliden, und
alle präsentirten vor ihm das Gewehr.
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53
Er fand den Geldsack bei der Quelle,
Der Jenem hier entfiel; er nahm ihn und entwich,
Worauf nach eben dieser Stelle
Ein Greis an seinem Stabe schlich.
Er trank und setzte sich, um auszuruhen nieder;
Sein schweres Haupt sank zitternd in das Gras,
Bis er im Schlaf des Alters Last vergass.
Indessen kam der Reiter wieder,
Bedrohte diesen Greis mit Ungestüm
Und forderte sein Geld von ihm*
Der Alte schwört, er habe Nichts gefunden;
Der Alte fleht und weint, der Reiter flucht und droht,
Und sticht zuletzt mit vielen Wunden
Den armen Alten wüthend todt.
Als Moses dieses sah, fiel er betrübt zur Erden;
Doch eine Stimme rief: „Hier kannst du inne werden,
Wie in der Welt sich Alles billig fügt,
Denn wisse: es hat der, der jetzt im Blute liegt,
Des Knaben Vater einst erschlagen,
Der den verlornen Raub zuvor davon getragen.“
Die Vorsicht ist gerecht in allen ihren Schlüssen.
Dies siehst du freilich nicht bei allen Fällen ein;
Doch wolltest du den Grund von jeder Schickung wissen,
So müsstest du was Gott ist, seyn. (0eifert.)
62. Der gerettete Jüngting.
Eine legende.
Eine schöne Menschenseele finden
Ist Gewinn; ein schönerer Gewinn ist
Sie erhalten, und der schönst' und schwerste,
Sie, die schon verloren war, zu retten.
Sankt Johannes, aus dem öden Patmos
Wiederkehrend, war, was er gewesen,
Seiner Heerden Hirt. Er ordnet' ihnen
Wächter, auf ihr Innerstes aufmerksam.
In der Menge sah er einen schönen
Jüngling; fröhliche Gesundheit glänzte
Vom Gesicht ihm, und aus seinen Augen
Sprach die liebevollste Feuerseele.
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§276
Die Weibertreue.
Kaiser Konrad, der Hohenstaufe, hatte um die Mitte des 12.
Jahrhunderts die Stadt Weinsberg belagert und dieselbe so hart
bedrängt, daß sie sich endlich ergeben mußte. Vor der Uebergabe
baten nun die Frauen den Kaiser, daß er ihnen gestatten möchte,
frei abzuziehen und ihre liebsten Schätze mitzunehmen. Der Kaiser
gewährte diese Bitte, weil er, wie er sagte, nicht mit Frauen, son-
dern mit Männern Krieg führe, und diese gedachte er hart zu strafen.
Am Tage der Uebergabe öffneten sich nun die Thore und heraus
kam ein Zug von Frauen, deren jede ihren Mann aus den Schultern
trug. Der Kaiser wollte anfangs zürnen ob dieser List, und Viele,
die bei ihm waren, meinten, daß er sein Wort, nicht halten dürfe,
da sein Versprechen nicht so gemeint gewesen sei. Allein der edle
Konrad war anderer Ansicht und sprach: „Es geziemt dem deutschen
Manne nicht, sein Wort willkührlich zu deuten und zu drehen." So
begnadigte er Hann sämmtliche Einwohner, und seitdem wurde diese
Burg die „Weibertreue" genannt.
2) Im Schwarzwaldkreis ist Reutlingen die Hauptstadt.
Handel und Gewerbe sind auch hier sehr bedeutend. Reutlingen war
in frühern Zeiten eine freie Reichsstadt und hatte viel mit den
Herren von Württemberg zu kämpfen, die manchmal von ihrer be-
nachbarten Bergveste Achalm, die jetzt in Trümmern liegt, herüber-
kamen und die Stadt beunruhigten und angriffen. Aber auch die
Städter säumten nichts wenn sie dem Grafen und seinen Anhängern
schaden konnten. Einst, es war am 14. Mai 137.7, waren sie in
das Uracher Thal gezogen, verwüsteten die Gegend und trieben die
Heerden hinweg. Indessen hatte sich Graf Ulrich mit seinen Verbün-
deten in der Nähe der Stadt aufgestellt, um die Reutlinger bei ihrer
Seimkehr so übel als möglich zu empfangen. Mit Jauchzen und
esang rückten sie heran und ein heißer Kampf begann. Während
desselben brach aber auch ein Haufen zurückgebliebener Bürger aus
der Stadt heraus und —
— Den Rittern in den Rücken fällt er mit grauser Wuth,
Heut will der Städter baden im heißen Ritterblut.
Wie haben da die Gerber so meisterlich gegerbt!
Wie haben da die Färber so blutig roth gefärbt!
Mehr als 60 Ritter, unter diesen auch die Grafen von Zollern,
von Tübingen und von Schwarzenberg, zählte mau unter den Todten,
deren Ramm und Wappen man an den Fenstern des Rathhauses
zu verewigen suchte.
Ziehen wir von hier durch das Honauerthal aufwärts, so treffen
wir oberhalb Pfullingen in einem Berge die merkwürdige Nebel-
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Extrahierte Personennamen: Konrad Konrad Konrad Achalm Ulrich Schwarzenberg
Extrahierte Ortsnamen: Weinsberg Hann Schwarzwaldkreis Reutlingen Reutlingen
340
Sekunde erschreckt und zitternd stille halten, ehe sie der Schrecken
weiter jagt.
„Ein edler Hirsch fliegt an uns vorüber; seine Kraft ist ge-
brochen, und in wenigen Minuten liegt er todt am Boden. Aber
bald wälzt sich mit dem rauschenden Getöse des Wirbelwindes die
ungeheure Masse schwerer und unbehilflicherer Thiere nach. Büffel
und Pferde, Alles vermengt sich, eine ungeheure Heerde, Meilen
breit, Meilen lang, ein unermeßlicher Klumpen wälzt sich mit der
Schnelligkeit einer rollenden Kugel heran, jedes Hinderniß nieder-
tretend. Noch etwa eine halbe Stunde ist diese walzende Fleisch-
masse hinter uns; die Pferde sind fast erschöpft; wir sind verloren;
in wenigen Minuten werden wir zerstampft seyn!
„In diesem fürchterlichen Augenblick ertönt fest und gebieterisch
die helle Stimme des Führers Gabriel: „Herab von den Pferden!
Zwei mögen sie festhalten, die Andern ziehen schnell die Hemden ab!
Schnell!" Unwillkürlich gehorchen Alle. Gabriel zündet auf der
Pfanne seines Gewehrs ein Stück Zunder an, und bald lodert aus
Hemden und Tüchern, dürrem Gras und Büffeldünger ein mäch-
tiges Feuer empor, emsig geschürt und verstärkt durch neu hinzu-
getragene Haufen dürren Grases.
„Ein Beben der Erde, als ob sie in ihren Grundfesten wanke,
ein Angstgeheul, ein Gebrüll der Wuth und des Schmerzes verkün-
dete nun das Anrücken ddr schrecklichen Thiermassen. Schon konnten
wir ihre Hörner, ihre Füße unterscheiden; — das Feuer ist am Er-
löschen; die Flammen sinken zusammen! — Wer hat die Kraft, die
Besinnung, sie zu nähren? Sie rücken heran, die rasendgewordenen
Zehntauseude! Wie glänzend funkeln ihre Augen! Wie steht ihnen
der Schaum auf den triefenden Rücken! — Beugen sie aus? —
Springen sie dem Feuer seitwärts? —- Großer Gott, nein! —
Immer näher kommen sie, die sichern Todesboten! Der Augenblick,
wo wir zermalmt werden müssen, ist da! — Gräßlich, gräßlich!
„Ein Knall, ein gewaltiger Luftdruck, eine plötzlich aus dem
Feuer aufsteigende rothe Flamme, ein Gebrüll, als heulten Millionen
Büffel auf ein Mal! — Geht die Erde unter? Jede Sekunde er-
warteten wir die Hufe, die uns zertreten sollten; aber es geschieht
nicht; nur die Erde zittert; bebend erwarten wir den letzten Augen-
blick; aber er kommt nicht.
„Auf seine Büchse gelehnt überschaut Gabriel ruhig seine Lage.
Im Augenblick der höchsten Gefahr hatte er seine Flasche mit Brannt-
wein in's Feuer geworfen; sie war zerplatzt, und — zurück prallten
die zottigen Bestien vor den aufschießenden Blitzen der scharfen,
blauen Flammensäulen, und Hunderten derselben brachte die Stockung,
die durch das Zurückprallen veranlaßt wurde, den Tod. Ringsum
sahen wir Nichts, als die zottigen Mähnen der plumpen Ungeheuer;
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112
derte dem Papst mit den ergreifendsten Worten die Noth der Gläu-
bigen im heiligen Lande und die Bedrückungen, welche die Mutter
aller Kirchen dort erdulde. Der heilige Vater sandte den beredten
und von heiligem Eifer erfüllten Gottesmann aus, um überall, in
Städten und Dörfern zu erzählen und zu schildern, was er selbst
gesehen und gehört habe und berief nachher eine Kirchenversammlung
nach Clermont in Frankreich, welcher mehr als 200 Erzbischöfe
und Bischöfe und eine unzählige Menge von Geistlichen und Laien
beiwohnten. Der Papst saß auf einem hohen Throne unter freiem
Himmel, umgeben von seinen Cardinälen, und Peter der Einsiedler
stand an seiner Seite. Dieser schilderte hier noch ein Mal mit
feuriger Beredsamkeit die Noth und das Elend der Christen im
heiligen Lande, so daß alle Zuhörer tief ergriffen laut weinten und
schluchzten, und als darauf der heilige Vater die Anwesenden auf-
forderte, den Ungläubigen die heiligen Orte zu entreißen, da rief die
ganze Versammlung voll heiliger Begeisterung: „Gott will es!
Gott will es!" Viele Tausende erklärten sich sogleich bereit an dem
heiligen Kriege Theil zu nehmen, hefteten ein rothes Kreuz auf die
rechte Schulter und erhielten den Namen „Kreuzfahrer". Ueberall
wurde fetzt das Kreuz gepredigt, es entstand eine allgemeine
Bewegung unter den Christen des Abendlandes: das Zeichen des
Kreuzes trieb sie in den Krieg und durch dasselbe hofften sie zu siegen.
Im Jahr 1096 fand der erste Kreuzzug unter Anführung des
tapfern Herzogs von Niederlothringen, Gottfried von Bouillon*)
Statt. Er war ein schöner, kraftvoller Mann in der Blüthe seiner
Jahre, eine wahre Heldengestalt, voll Gottesfurcht und Menschen-
freundlichkeit, gewandt im Gebrauche der Waffen und voll tiefer
Einsicht. Ihn begleiteten seine Brüder Eustach und Balduin und
eine Menge von tapfern Grafen und Rittern; im Ganzen aber be-
theiligten sich an diesem Kreuzzuge gegen 600,000 Menschen. Unter
vielen Mühseligkeiten und großer Noth erreichten sie das gelobte
Land; aber viele Tausende waren dem erlittenen Ungemach unter-
legen. Hunger und Durst, die unerträgliche Hitze und ein Heer
von ansteckenden Krankheiten hatten einen großen Theil des Zuges
aufgerieben und beinahe hätte derselbe auch seinen vortrefflichen Füh-
rer verloren, der einem Pilger zu Hilfe eilte, welcher in einem Walde
von einem furchtbaren Bären angefallen worden war und um Hilfe
rief. Sobald nämlich die wilde Bestie den Herzog gewahr wurde,
stürzte sie auf ihn los und verwundete sein Pferd dergestalt, daß er
den Kampf zu Fuß unternehmen mußte. Mit aufgesperrtem Rachen
hatte das Ungeheuer schon den Herzog mit einer Tatze umfaßt, aber
mit starker Faust stieß ihm dieser das Schwert bis zum Griff in
*) Sprich Bullion, ohne das „n" deutlich hören zu lassen.
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151
eben so strenge beobachtet werden, als in Monarchien, denn ohne
gesetzliche Ordnung kann kein Staat bestehen.
Wo rohe Kräfte sinnlos walten,
Da kann nichts Gutes sich gestalten;
Wenn sich die Völker selbst befrei'n,
Da kann die Wohlfahrt nicht gedeih'n.
Weh', wenn sich in dem Schooß der Städte
Der Feuerzunder still gehäuft,
Das Volk, zerreißend seine Kette,
Zur Eigenhilfe schrecklich greift!
Freiheit und Gleichheit hört man schallen;
Der ruh'ge Bürger greift zur Wehr.
Die Straßen füllen sich, die Hallen,
Und Würgerbanden zieh'n umher.
Da werden Weiber zu Hyänen,
Und treiben mit Entsetzen Scherz:
Noch zuckend, mit des Panthers Zähnen
Zerreißen sie des Feindes Herz.
Nichts Heiliges ist mehr, es lösen
Sich alle Bande frommer Scheu;
Der Gute räumt den Platz dem Bösen,
Und alle Laster walten frei.
Gefährlich ist's, den Leu zu wecken,
Verderblich ist des Tigers Zahn;
Jedoch der schrecklichste der Schrecken,
Das ist der Mensch in seinem Wahn. .
Dritter Abschnitt.
B e ter a ch t u n g e n über das Weltall.
1. Nie Sonne.
Wenn wir in einer sternhellen Nacht hinaustreten in die freie
Natur und unsere Blicke emporheben zum sternbesäeten Himmels-
gewölbe; wenn wir^uns verlieren im Anschauen und Betrachten all'
der großen und herrlichen Werke des unendlichen Weltraums und
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193
Der Löwe spürt den Thieren nicht durch Hilfe des Geruches nach
und macht auch keine offenbare Jagd auf sie. Nur einmal hat man
ihn eine Gazelle jagen sehen, wozu ihn ohne Zweifel der Hunger
trieb. Er läuft sehr schnell und holt beinahe ein rasches Jagdpferd
ein. Seine Stärke ist ausserordentlich gross. Man hat ihn einst einen
Büffel fortschleppen sehen, den ihm aber die Bauern abjagten. Sie
fanden, dass er dem Thiere die Gedärme aus dem Leibe gerissen
hatte. Als er vom Walde aus bemerkte, dass sie das Fleisch fort-
trugen, sah er sich oft, und vermuthlich nicht ohne Verdruss, nach
ihnen um.
Den Büffel vermag der Löwe nur durch List zu bezwingen. Er
legt sich in Hinterhalt und lauert, bis sich eine bequeme Gelegenheit
findet, auf den Büffel loszuspringen und ihm seine Klauen an den Hals
zu setzen. Hierauf schlägt er das Thier mit seinen Tatzen in’s Ge-
sicht, schlingt sich um dessen Kopf herum, hält ihm mit den Vorder-
tatzen Maul und Nase so fest zu, dass es ersticken muss, oder zieht
es bei den Hörnern zu Boden und hält es so lange in dieser Stellung,
bis es von dem grossen Blutverluste stirbt. (Nach Binglei.)
3. Die Hunde auf dem Sankt Bernhard.
Das Kloster auf dem großen Bernhardsberge, im Kanton
Wallis, liegt nahe an der Spitze dieses Berges, an einem der
Hauptpässe aus der Schweiz nach dem Aostathäte in Pie-
mont. In diesen Gegenden wird der Reisende oft vom schlimm-
sten Wetter überfallen. Urplötzlich entstehen Stürme; die Straßen
werden unwegsam durch angehäufte Schneeberge; die Lawinen
stürzen mit Bäumen und Felsentrümmern von den Bergen in die
Thäler hinab. Die gastfreundlichen Mönche öffnen, ungeachtet ihres
geringen Einkommens, jedem Fremden ihre Thüre und nehmen jeden
Erfrornen, Ermüdeten, oder von der Finsterniß Ueberfallenen unter
ihr bequemes Obdach, zum frohen Mahle und in ihren angenehmen
Umgang auf. Aber darauf beschränkt sich ihre Aufmerksamkeit nicht
blos, sondern sie haben sich den gefährlichen Beruf auferlegt, die
vom plötzlichen Sturmwetter Ueberfallenen und Verunglückten auf-
zusuchen, da diese meistens ohne ihren menschenfreundlichen Beistand
umkommen würden.
Hiebei werden sie durch eine gewisse Gattung von eigens hiezu
abgerichteten Hunden unterstützt, deren außerordentlich scharfer Ge-
ruch schon manchen einsamen Reisenden, der bereits verloren schien,
rettete. Erstarrt durch Kälte, in Sorge wegen des verlornen rechten
Weges, fällt der Ermattete in tiefen Schlaf, und im Schneetreiben
wird ihn Niemand gewahr, als etwa die die Fährte genau kennen-
den Hunde, wenn auch ein solcher Erstarrter 10 oder mehr Fuß
Reiser, der Dolttschüler i. d. Oberklassc. 13
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51
60. Der Engel des Herrn.
Es dunkelt schon, bald naht die stille Nacht,
Die Lerche schweigt, und leise weh’n die Winde,
Doch in der Schenke wird gezecht, gelacht,
Die Krüge werden leer und voll geschwinde.
Ein Treiben wüster und gemeiner Art,
Ein wirr’ Geschrei erfüllt die weiten Hallen,
In denen sich die Menschheit offenbart,
Die halbberauscht hinab zum Thier gefallen.
.Der roäew Zecher freche Rede gleicht
Dem wilden Strome, der den Damm zerbrochen,
Die Sii/e und der Ansland scheu entweicht,
Es M?iro? gebrüllt, geheult, doch nicht gesprochen.
Der Eine flucht, der Nachbar hört ihn nicht,
Z?eei Andre streiten heftig sich daneben ;
Und Einem fliegt ein Krug ins Angesicht,
Es war ein Wink, den ihm ein Freund gegeben.
Sie raufen blutig sich im Winkel dort
Und Mancher eilt herbei als Streitesschlichter,
Zwei Andre aber würfeln ruhig fort
Und schirmen vor dem Wind die schwanken Lichter*
Am heissen Ofen sitzt ein schwacher Greis,
Ein Invalid voll Wunden und voll Klagen,
Und um ihn her ein kleiner Hörerkreis,
Dem er erzählt von Schlachten längst geschlagen.
Ein Metzger rechnet auf dem braunen Tisch
Die Ochsen ruhig Stück für Stück mit Kreide;
Ein alter Fuhrmann ruft: Frau Wirthin frischt
Noch eine Halbe Guten, eh? ich scheide.
Ein Wilddieb, der schon lange still gelauscht,
Dem jungen Förster oft den Tod geschworen,
Er zieht das blanke Messer, weinberauscht,
Und ruft ihm wüthend zu: Du bist verloren!
Und horch! da tönt mit leisem Feierklang
Das Glöcklein in der nahen Bergkapelle;
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280
dazu. Mit verdoppelter Anstrengung und Hellem Schlachtgefange stürmten
sie von allen Seiten heran; der Feldherr Varus verlor gänzlich den
Muth und stürzte sich, nachdem er schon mehrere Wunden empfangen
hatte, selbst in sein Schwert; viele der Anführer thaten deßgleichen;
keiner widerstand mehr. Die Deutschen hatten nichts weiter zu thun,
als die Ermatteten und Fliehenden niederzumachen oder gefangen zu neh-
men. Nur wenigen einzelnen Römern gelang es, in der Dunkelheit
der Nacht zu entkommen und durch glückliche Umstände begünstigt zu den
festen Plätzen zu entfliehen, wo sie ihren Landsleuten die traurige Bot-
schaft von dem Untergang des Barus mit seinem ganzen Heer ver-
kündigten.
Die Deutschen feierten unterdeß große Freudenfeste. Die gefange-
nen Kriegsoberften wurden, wie Opferthiere, den Göttern zu Ehren ab-
geschlachtet, andere Gefangene an Bäume aufgehängt oder als Sklaven
vertheilt. Dieses letztere Loos traf namentlich viele vornehme Römer.
Noch vierzig Jahre später wurden einige derselben von ihren Landsleu-
ten nach einem Treffen im Hessischen aus ihrer langen Knechtschaft be-
freit. Der Kopf des gefallenen Varus ward den Römern zum gräß-
lichen Wahrzeichen übersendet. Besonders übel ging es den römischen
Sachwaltern, die so oft mit ihren glatten Zungen das Recht verdreht
hatten. Einem solchen wurde die Zunge mit glühenden Nadeln durch-
stochen, wobei man ihm höhnend zurief: „Nun züngle, du Schlange!"
Dieser Sieg, der unserem Vaterlande Freiheit und Selbständigkeit
gerettet hat, ist im Jahr 9 nach Christi Geburt erfochten worden.
Hermann begnügte sich aber nicht damit, nur den Varus geschla-
gen zu haben, er eroberte und zerstörte auch alle römischen Festen, die
diesseits des Rheins waren, und hörte nicht auf, bis er an den Usern
dieses Stromes stand. Weiter ging er nicht; er hatte nur den vater-
ländischen Boden von den fremden Unterjochern befreien wollen.
In Rom aber glaubte man ihn schon auf dem Wege nach Italien,
und der alte Schrecken vor den Cimbern und Teutonen, die hundert
Jahre vorher zuerst den Römern deutsche Tapferkeit und Waffen fühlen
ließen, erneuerte sich. Der Kaiser Augustus, der sich sonst wohl zu
faffen wußte, verlor diesmal alle Besinnung, rannte mit dem Kopf gegen
die Wand und rief dabei aus: „Varus, Varus, gib mir meine Legio-
nen wieder!"
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Extrahierte Personennamen: Varus Muth Varus Hermann Varus Augustus Augustus Varus