Xi. über die unterrichtliche Verwertung der Stoffe.
277
schuldig? was fordert es von dir? wofür bist du mitverantwortlich? wie
erfüllst du deine vaterländischen pflichten? wie bereitest du dich auf die
Erfüllung künftiger Pflichten vor? — Diese und ähnliche Fragen müssen
den Kern aller Belehrungen bilden.
4. Einzelne Abhandlungen lassen sich im Unterricht iu demselben Zu-
sammenhange behandeln, wie das Buch ihn bietet, z. B. „Unser Peer",
„Unsere Marine". Für die meisten übrigen empfiehlt sich aber eine andere
Art der Betrachtung, weil die Fragen zum Teil recht schwierig sind und dem
Gedankenkreise der Schüler fernliegen. Bei dem Thema „Krieg und
Volksernährung" kann z. B. folgender Gang eingeschlagen werden.
Den Ausgangspunkt bilden die im Schluß der Abhandlung enthaltenen
Mahnungen über sparsame Verwendung der Vorräte an Nahrungsmitteln
und Futterstoffen, wie sie auch aus Zeitungen und den Aufrufen des Natio-
nalen Frauendienstes an die Bevölkerung gerichtet werden. Ganz be-
sonders geeignet ist das vom Pandelsministerium unterm 29. November
allen Behörden und Schulen übersandte Merkblatt. Es lautet:
Deutschland steht gegen eine Welt von Feinden, die es
vernichten wollen. Es wird ihnen nicht gelingen, unsere herrlichen
Truppen niederzuringen, aber sie wollen uns wie eine
belagerte Festung aushungern. Auch das wird ihnen nicht
glücken, denn wir haben genug Brotkorn im Lande, um unsere Be-
völkerung bis zur nächsten Ernte zu ernähren. Nur darf nicht ver-
geudet und die Brotfrucht nicht an das Vieh verfüttert werden.
paltet darum Haus mit dem Brot, damit die poffnungen
unserer Feinde zuschanden werden.
Seid ehrerbietig gegen das tägliche Brot, dann werdet Ihr
es immer haben, mag der Krieg noch so lange dauern. Erzieht dazu
auch Eure Kinder.
Verachtet kein Stück Brot, weil es nicht mehr friscb ist. Schneidet
kein Stück Brot mehr ab, als Ihr essen wollt. Denkt immer an
unsere Soldaten im Felde, die oft auf vorgeschobenen
Posten glücklich wären, wenn sie das Brot hätten, das
Ihr verschwendet.
Eßt Kriegsbrot; es ist durch den Buchstaben K kenntlich. Es sättigt
und nährt ebensogut wie anderes, wenn alle es essen, brauchen wir
nicht in Sorge zu sein, ob wir immer Brot haben werden.
wer die Kartoffel erst schält und dann kocht, vergeudet viel. Kocht
darum die Kartoffeln in der Schale, Ihr spart dadurch.
Abfälle von Kartoffeln, Fleisch, Gemüse, die Ihr nicht verwerten
könnt, werft nicht fort, sondern sammelt sie als Futter für das
Vieh, sie werden gern von den Landwirten geholt werden.
Der Besprechung dieser Aufforderung folgt die ausführliche Begründung
unter Benutzung der Stoffe, Zahlen und Gedankenzusammenhänge, wie
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T15: [Wein Getreide Baumwolle Tabak Kaffee Obst Weizen Reis Zucker Kartoffel], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
TM Hauptwörter (100): [T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T79: [Wein Zucker Baumwolle Kaffee Getreide Tabak Fleisch Holz Wolle Handel], T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat]]
TM Hauptwörter (200): [T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T114: [Fleisch Milch Brot Pferd Butter Käse Stück Wein Schwein Getreide], T155: [Soldat Krieg Heer Land Mann Truppe König Waffe Geld Feind], T137: [Wein Obst Weizen Kartoffel Frucht Getreide Gerste Hafer Mais Flachs]]
76
Hermann Schumacher
hat sich nicht auf Anpassung der Produktionsmittel aneinander beschränkt,
sondern diese Produktionsmittel selbst verbessert. Pierher gehört vor allem
die Pflanzenzüchtung, in erster Linie durch Auslese und in zweiter durch
Kreuzung. In Schottland ist sie zu Anfang des *9. Jahrhunderts auf-
gekommen, und um die Mitte des Jahrhunderts ist die Führung in ihr
wissenschaftlich und praktisch auf Deutschland übergegangen. Die deutsche
Landwirtschaftsgesellschaft hat sich dieser Aufgabe mit besonderen: Eifer
angenommen. Reiche Erfolge sind in unablässiger kluger Arbeit insbesondere
in den letzten anderthalb Jahrzehnten erzielt worden. Zugleich mit den Ver-
besserungen in der Bodenbearbeitung und Düngung spiegeln sie sich in der
Statistik des Ernteertrags der wichtigsten Nährstoffe im Verhältnis zur be-
bauten Fläche. Es wurde nämlich vom Hektar geerntet in Doppelzentnern:
Roggen Weizen Hafer Kartoffeln
*899/*903 .................. *5,0 *8,8 *7,3 *32,6
*903/*9*2 ...................*7,0 20,3 *8,6 *32, 4
*9*3 *9,* 23,6 2*,9 *58,6
lvir haben somit den Ernteertrag an Brotgetreide außerordentlich
gesteigert. Da gleichzeitig in Verbindung mit dem Anwachsen unserer Stadt-
bevölkerung die Nachfrage nach Roggen zugunsten des Weizens sich ver-
langsamt hat, sind wir seit *909 wieder zu einem Roggenausfuhrlande
geworden. Hatten wir *902 noch eine Mehreinfuhr von Roggen im Werte
von 93 Millionen Mark, so hatten wir *9*3 eine Mehrausfuhr von fast dem-
selben Betrage. Der Endpunkt der Entwicklung ist unzweifelhaft noch nicht
erreicht.
Ähnliches gilt auch von der Kartoffel. Ihre Produktion haben wir
ohne starke Vergrößerung der Anbauflächen außerordentlich gehoben. Sie
betrug im Deutschen Reiche
*882/8<* .... 22,4 Millionen Tonnen,
*892/94 .... 33,9
*902/04 • • • 44,2
*9*2/*4 .... 50,4
wir sind so zum größten Kartoffelproduzenten in Europa, wenn nicht in der
Welt geworden. Das Streben der Züchter ist aber nicht nur auf Steigerung
der Erträge, sondern zugleich auch auf die Erhöhung der Haltbarkeit der
Kartoffel gerichtet. Die Wissenschaft hat die Gründe aufgedeckt, von denen
der höhere oder geringere Grad der Haltbarkeit abhängig ist. Auf der Grund-
lage dieser Erkenntnis ist schon manches gebessert worden, aber noch imrner
muß die Kartoffel als eine wenig haltbare frucht bezeichnet werden. Die
alljährlich eintretenden Verluste machen mindestens *0 % aus. Diesen ge-
waltigen Ausfall von über 5 Millionen Tonnen im Jahre zu beseitigen, ist
eine der großen Aufgaben unserer Volkswirtschaft. Aus der Kartoffel muß
ein haltbares Dauerprodukt gemacht werden. Schon in Friedenszeiten ist
diese Aufgabe in Angriff genommen worden. Man hat mit der Kartoffel-
trocknung begonnen, sei es, daß man geschnittene, rohe Kartoffeln durch
Feuergase, sei es, daß man gedämpfte Kartoffeln zwischen eisernen Walzen,
TM Hauptwörter (50): [T15: [Wein Getreide Baumwolle Tabak Kaffee Obst Weizen Reis Zucker Kartoffel], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
TM Hauptwörter (100): [T11: [Wein Getreide Boden Viehzucht Weizen Land Pferd Obst Kartoffel Ackerbau], T61: [Mill Staat Deutschland Reich Europa deutsch Million Land England Einwohner], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit], T91: [Haus Fenster Wand Stein Dach Zimmer Holz Feuer Raum Decke]]
TM Hauptwörter (200): [T78: [Mill Staat Million Deutschland Reich Europa Einwohner Land Jahr deutsch], T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital], T137: [Wein Obst Weizen Kartoffel Frucht Getreide Gerste Hafer Mais Flachs], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T165: [Kunst Wissenschaft Handel Gewerbe Bildung Land Stadt Schule Zeit Volk]]
Extrahierte Personennamen: Hermann_Schumacher
Extrahierte Ortsnamen: Schottland Deutschland Doppelzentnern Europa Friedenszeiten
78
Hermann Schumacher
braucht Deutschland — keineswegs der stärkste Zuckerkonsument — heute
über ^/4 Millionen Tonnen Zucker im Jahre, so ist Europas ganzer Zucker-
verbrauch um 1700 erst auf 50 000 Tonnen geschätzt worden. Der gewaltige
Umschwung, der den Zucker immer mehr aus einem Genußmittel in ein
Nahrungsmittel wandelte, ist herbeigeführt worden vor allem durch eine
deutsche Erfindung. Der Lhemiker Marggraf in Berlin entdeckte {7^7,
daß in den Runkelrüben derselbe Stoff enthalten sei wie im Zuckerrohr. Sein
Schüler Achard gestaltete diese Entdeckung am Ende des ^8. Jahrhunderts
zu praktischer Bedeutung aus. welche Wichtigkeit man ihr zumaß, geht
daraus deutlich hervor, daß die Engländer aus Besorgnis für den einträg-
lichsten Zweig ihres amerikanischen Rolonialhandels Achard 200 000 Taler
angeboten haben, falls er in der Öffentlichkeit die praktische Aussichtslosigkeit
seiner Erfindung erklären wollte, wem: Achard, der dieses Ansinnen natürlich
entrüstet zurückwies, von den großen Erfolgen des Rübenzuckers persönlich auch
nicht sehr viel erlebt hat, so sollten sie doch nicht ausbleiben. Der neue Zucker-
Europas hat nicht nur Gleichberechtigung mit dem alten Zucker Amerikas,
Asiens und Afrikas sich errungen, sondern ihn so glänzend geschlagen, wie
es nicht oft in der Wirtschaftsgeschichte der Menschheit geschehen ist. Dieser
Sieg war ein Sieg der Hflanzenzüchtung. Anfänglich gab die Rübe auf der
gleichen Fläche geringere Erträge an Zucker als das Rohr. Aber unermüdliche
wissenschaftliche Forschertätigkeit, bei der die Deutschen stets die Führung
behalten haben, hat das Bild völlig verwandelt. Durch sie sind Züchtungs-
erfolge erzielt worden, wie sie in gleichem Maßstabe kein anderer großer
Produktionszweig aufzuweisen hat. Insbesondere ist es gelungen — auch
die Steuer- und Zollgesetzgebung hat zu diesen Fortschritten viel beigetragen
— immer zuckerreichere Rüben zu züchten. So wurde die Menge von Rüben,
die zur Herstellung eines Kilogramm Rohzucker durchschnittlich erforderlich
war, von \7 kg im Betriebsjahr ts-0/4t auf kg in \S70/7\, 6,7 kg
in und 6,08 kg in herabgedrückt. Da zu gleicher Zeit einer-
seits im Rübenanbau die Bodenbearbeitung und Düngung, anderseits
in der Zuckerfabrikation die Technik und chemische Betriebskontrolle be-
ständig verbessert worden sind, ist der durchschnittliche Ertrag an Rohzucker
auf der gleichen Anbaufläche außerordentlich gesteigert worden. Er betrug
für den Hektar zu Anfang der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts
2\ Doppelzentner und hat im Betriebsjahr t9m/N bisher seine höchste
Ziffer mit 52 Doppelzentnern: erreicht. So ist durch enge Verbindung von
Wissenschaft und Hraxis Deutschland zum größten Zuckerproduzenten der
Welt geworden. Es hat sich damit zugleich aus einem Zuckereinfuhrland
in ein Zuckerausfuhrland gewandelt. Insbesondere seit dem Ende der sieb-
ziger Jahre des vorigen Jahrhunderts hat Deutschland eine Zuckerausfuhr
zu entwickeln begonnen. Sie hat zeitweise den eigenen Bedarf sogar über-
stiegen und hat im Betriebsjahr \y\2l\5 von der Gesamterzeugung von
mehr als 26 Millionen Doppelzentnern nahezu \2 Millionen Doppel-
zentner in Anspruch genommen.
Der weitaus größte Teil dieser Ausfuhr ist nach England gerichtet.
England, das unter allen Ländern den stärksten Verbrauch an Zucker auf
TM Hauptwörter (50): [T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe], T15: [Wein Getreide Baumwolle Tabak Kaffee Obst Weizen Reis Zucker Kartoffel], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
TM Hauptwörter (100): [T61: [Mill Staat Deutschland Reich Europa deutsch Million Land England Einwohner], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T11: [Wein Getreide Boden Viehzucht Weizen Land Pferd Obst Kartoffel Ackerbau]]
TM Hauptwörter (200): [T78: [Mill Staat Million Deutschland Reich Europa Einwohner Land Jahr deutsch], T1: [Maschine Fabrik Herstellung Industrie Papier Leder Wolle Leinwand Fabrikation Art], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T182: [Krieg Jahr Zeit Land Deutschland Regierung Frankreich Volk Folge Revolution], T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme]]
86
Hermann Schumacher
hier gerechnet werden. Line gewisse Ertragssteigerung ist schon bemerk-
bar. jedenfalls hatten wir in Deutschland noch nie eine so reiche Ernte an
Wiesenheu wie j<^3, wo sie 29 Millionen Tonnen überstieg. Don diesen Be-
strebungen, wie von denjenigen, die auf Förderung des Baues und der wirt-
schaftlich zweckmäßigen Verwendung der Kartoffeln gerichtet sind, wird es
abhängen, wie weit wir in der Versorgung unserer glänzend entwickelten
Viehzucht mit Futtermitteln uns national zu verselbständigen vermögen.
k?eute sind wir noch, wie wir sehen werden, in einer starken Abhängigkeit
vomauslande. Daraus erwachsen die ernstesten und schwierigsten Wirtschafts-
probleme des Krieges.
Zu den Futtermitteln, die unsere eigene Landwirtschaft liefert, gehören
aber auch solche Früchte, die sowohl unmittelbar zur Menschennahrung,
als auch zur viehfütterung dienen, wenn Deutschland zum größten Kartoffel-
prodnktionsland geworden ist, so steht das in engster Verbindung mit den:
großen Aufschwung seiner Schweinezucht. Denn wir verfüttern weit mehr
Kartoffeln, als zu Speisezwecken Verwendung finden. Die besprochene
Umwandlung der leicht verderblichen Kartoffel in ein haltbares Dauerprodukt,
die es ermöglicht, den großen Verlust zu mindern und den vorhandenen Vor-
rat gleichmäßiger über eine längere Frist zu verteilen, ist daher vor allem von
Bedeutung für die Schweinezucht. Solange nicht eine Stabilisierung im
Angebot von Futtermitteln erreicht ist, solange muß auch der Schweinebestand
der wechselnden Kartoffelernte angepaßt werden. Von den Erfolgen der
Kartoffeltrocknung hängt es zum großen Teil ab, ob der wichtige Kosten
für Fleischnahrung in: Budget des kleinen Mannes aus einen: stark
veränderlichen zu einem in: wesentlichen festen wird gemacht werden
können. Gelingt es, so ist damit ein bedeutender sozialpolitischer Erfolg
errungen.
Doch nicht nur bei der Kartoffel stehen Mensch und Tier miteinander
in Wettbewerb, auch bein: Brotgetreide. Soweit die Kleie als Abfall der
Müllerei in Betracht kommt, handelt es sich um ein legitimes Futtermittel.
Allerdings n:acht auch bei ihn: der Wettbewerb insofern sich geltend, als ent-
weder das Mehl oder die Kleie vermehrt werden kann, je wohlhabender
und anspruchsvoller der Mensch geworden ist, um so mehr hat er bei der
Mehlbereitung auf den feinsten und weißesten Teil des Kornes sich be-
schränkt und zugleich damit die Kleie nach Menge und Güte gesteigert, jm
Frieden läßt sich gegen solche (Dualitätsproduktion, die den: Luxus dient,
wenig einwenden, jm Kriege ist es anders. Da verlieren reine Luxus-
bedürfnisse ihre Berechtigung, jm Kriege muß die Mehlausbeute so weit
wie irgendmöglich gesteigert werden.
Doch wird nicht nur Kleie, sondern auch Koggen und Weizen selbst ver-
füttert. Dabei handelt es sich um manches Brotgetreide, das wegen seiner
Beschaffenheit zur menschlichen Ernährung nicht mehr taugt. Aber darauf
beschränkt sich die verfütterung keinesfalls. Privatwirtschaftlich ist eine
solche Verwendung des wichtigsten menschlichen Nahrungsmittels gerecht-
fertigt; sie liegt im Gewinninteresse des einzelnen Landwirts. Aber schon
im Frieden fehlt es nicht an volkswirtschaftlichen Bedenken, jm Kriege
TM Hauptwörter (50): [T15: [Wein Getreide Baumwolle Tabak Kaffee Obst Weizen Reis Zucker Kartoffel], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe]]
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TM Hauptwörter (200): [T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital], T137: [Wein Obst Weizen Kartoffel Frucht Getreide Gerste Hafer Mais Flachs], T188: [Handel Industrie Ackerbau Land Viehzucht Bewohner Gewerbe Bevölkerung Stadt Bergbau], T114: [Fleisch Milch Brot Pferd Butter Käse Stück Wein Schwein Getreide], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen]]
Hermann Schumacher
92
Tonnen. Dieser Zahresausfall von ^5 kg für den Kopf der Bevölkerung
wurde kaunr große Beachtung verdienen. Auch der verwandte Ausfall
an Reis, von dem wir t63 000 Tonnen, sowie an Hülsenfrüchten aller
Art, von denen wir im selben Zahre rund 200 000 Tonnen einführten,
bedeutet mehr eine Unannehmlichkeit, als eine ernstliche Störung.
4. Aber das Bild verschiebt sich, wenn wir auch die Nahrungsmittel,
die zwar nicht unmittelbar, aber doch nach erfolgter Veredlung, zur Er-
nährung des Menschen dienen, mit in Betracht ziehen. Denn an Futter-
mitteln sind wir nicht nur zu einem kleinen Teile, sondern zu mehr als der
Hälfte auf das Ausland angewiesen. Unsere Einfuhr wies 1913 die folgenden
Überschüsse auf:
Gerste............................................3 202 600 t
Kleie ............................................\ 390 972 t
Mais .......................................... 857 729 t
Ölkuchen....................................... 534 375 t
Reisabfälle, Treber, Schlempe usw.............. 423 387 t
Ölfrüchte........................................ \ 7^3 218 t.
Diese wenigen Zahlen stellen einen Einfuhrüberschuß von mehr als
8 Millionen Tonnen dar, der weit überwiegend für die Fütterung unseres
Viehes in Betracht kommt, Mr fast t Milliarde Mark im Jahre haben wir
Futtermittel aus dem Auslande bezogen. Sie sind es in erster Linie, die
unseren Einfuhrüberschuß an Lebensmitteln bis zu jo Millionen Tonnen
im Jahre anschwellen lassen, das heißt bis zu einer Menge, zu deren Be-
förderung im täglichen Durchschnitt, wie Ballod richtig berechnet hat,
to Seedampfer zu 3000 Tonnen oder t00 Eisenbahnzüge zu 30 Waggons
erforderlich sind. Mit diesem ganzen Ausfall an Nahrungsstoffen sich abzu-
finden, ist die große und neue und lösbare Anfaabe, die der Krieg unserer
Volkswirtschaft stellt.
Diese Aufgabe in ihrer Gesamtheit hat darum so große Bedeutung,
weil zwischen menschlichen und tierischen Nahrungsstoffen enge Wechsel-
beziehungen bestehen. Sie beruhen erstens in den Hreisen. Da die Einfuhr
bei den Futtermitteln eine viel größere Rolle spielt als beim Brotgetreide,
so muß ihr Versiegen bei jener: eine viel stärkere Preissteigerung hervor-
rufen als bei diesen. Solche Verschiebung im Wertverhältnis der Menschen-
und Tiernahrung hat notwendig zur Folge, daß der Landwirt, um sein
wertvollstes Kapital, sein Vieh, sich möglichst zu erhalten, zur Verfütterung
des preiswertigeren Brotgetreides übergeht. Insbesondere hat die Gerste,
weil die große Einfuhr von russischer Futtergerste fortfällt und nur noch
das deutsche Erzeugnis von der hochwertigeren Öualität der Braugerste
auf den Markt kommt, eine solche Preissteigerung erfahren, daß es für den
Bauer vorteilhafter ist, den selbsterzeugten Roggen, den er unmittelbar
zur Hand hat, zu verfüttern, als die kostspieligere Gerste auf neuen wegen
mübsam sich zu beschaffen. Vor allem mußte das dort sich zeigen, wo die
Viehzucht, insbesondere die Schweinemast, fast ganz auf ausländische Mutter-
TM Hauptwörter (50): [T15: [Wein Getreide Baumwolle Tabak Kaffee Obst Weizen Reis Zucker Kartoffel], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe]]
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TM Hauptwörter (200): [T114: [Fleisch Milch Brot Pferd Butter Käse Stück Wein Schwein Getreide], T78: [Mill Staat Million Deutschland Reich Europa Einwohner Land Jahr deutsch], T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital], T137: [Wein Obst Weizen Kartoffel Frucht Getreide Gerste Hafer Mais Flachs], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte]]
%
Hermann Scfjumacfjer
Ernte (9(3 Schätzung Sept. (9(q,
Winterweizen 2 568 600 2 (8( 500
Sommerweizen 374 000 320 200
Winterroggen 9 267 200 8 40 ( 400
Sommerroggen 78 000 63 700
Sommergerste 2 ¡(07 (00 ( 704 800
Hafer 6 560 000 5 949 000
Kartoffeln 39 2(5 000 34 223 000
Nach diesen Zahlen würde die diesjährige Roggenernte um rund 9 %,
die diesjährige weizenernte um rund (5%, sowie die diesjährige Kartoffel-
ernte um rund (3 % hinter der Ernte des vorigen Zahres zurückbleiben,
was für ganz Deutschland einen Ausfall von etwas mehr als ( Million
Tonnen Roggen, rund 700 000 Tonnen Weizen und rund 7 Millionen
Tonnen Rartoffeln gegenüber dein Vorjahre bedeuten würde.
Allerdings erklärt sich dieser Ausfall zunr Teil daraus, daß bei den
Schätzungen die beiden Regierungsbezirke Allenstein und Gumbinnen außer
Ansatz geblieben sind, wie weit auf ihre Ernte gerechnet werden darf, ist
sehr fraglich, und anderseits ist der subjektive Eharakter der Eruteschätzungen
in diesem Jahre dadurch noch beträchtlich verstärkt, daß infolge der Mobil-
machung fast ein Viertel der Schätzungen ausgefallen ist und zahlreiche weitere
nicht von den bestellten Vertrauensmännern, sondern von den von ihnen
beim Fortgang ins Feld eingesetzten Vertretern vorgenommen worden
sind. Es fehlt leider nicht an erfahrenen Stimmen, die behaupten, daß die
Ernte insbesondere an Körnerfrüchten noch weiter hinter der vorjährigen
Ernte zurückbleibt, als die angeführten Schätzungszahlen angeben.
6. Da wir endlich wahrscheinlich auch damit rechnen müssen, daß denr
verringerten Angebot insofern eine vergrößerte Nachfrage gegenübertreten
wird, als das Brot in der Ernährung unserer Millionenheere eine größere
Rolle als sonst spielt, die Rost für die immer mehr anschwellenden Scharen
von Gefangenen Brotgetreide stark beansprucht und die von uns besetzten
Gebiete im ganzen mehr Lebensrnittel von uns fordern, als uns liefern,
so ist der ernste Schluß aus unserer Umschau, daß wir mit dem vorhandenen
Vorrat an Lebensrnitteln und insbesondere Brotgetreide in sorgsamster
Sparsamkeit wirtschaften müssen. Der rastlosen und erfolgreichen Arbeit
unserer Landwirtschaft haben wir es zwar zu danken, daß wir einen ein-
heimischen Vorrat an Lebensrnitteln besitzen, mit denr unser Volk während
des Krieges befriedigend auszukommen vermag, zumal da nie alle Einfuhr
versiegen wird, so rücksichtslos auch der Feind den Wirtschaftskrieg führt.
Aber dieser ersten hocherfreulichen Tatsache reiht eine zweite sich an, die
ernste Mahnung in sich schließt. Sie besteht darin, daß der Vorrat in diesem
Rriegsjahre nicht unbeträchtlich hinter dem Vorrat in den vorausgehenden
Friedenszeiten, der unseren heutigen Verbrauch bestimmend beeinflußt,
zurückbleibt, Halten wir daher unverändert unsere Friedensgewohnheiten
fest, dann kann unser Vorrat im Kriege nicht bis zur neuen Ernte aus-
reichen; doch können wir ohne allgemeine Not auskommen, wenn wir unsere
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T15: [Wein Getreide Baumwolle Tabak Kaffee Obst Weizen Reis Zucker Kartoffel], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T11: [Wein Getreide Boden Viehzucht Weizen Land Pferd Obst Kartoffel Ackerbau], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat], T9: [Krieg Deutschland Reich Frankreich Preußen Macht Zeit Kaiser Jahr Frieden]]
TM Hauptwörter (200): [T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital], T78: [Mill Staat Million Deutschland Reich Europa Einwohner Land Jahr deutsch], T137: [Wein Obst Weizen Kartoffel Frucht Getreide Gerste Hafer Mais Flachs], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T140: [Stadt Franzose Feind Festung Truppe Tag Mann Paris Belagerung Angriff]]
96
Hermann Schumacher
und Bäckern eine möglichste Verlängerung des Vorrats, über die vor-
geschriebene niedrige Grenze hinaus, herbeiführen wird, zumal wenn das
Publikum im Interesse der Allgemeinheit sich daran gewöhnt, Kriegsbrot zu
fordern.
Da beim Weizen eine Vorratsstreckung besonders nötig ist, ist außerdem
vorgeschrieben worden, daß Weizenbrot stets mindestens \o% Roggenmehl
enthalten muß. Das Brot wird dadurch ein wenig seine reine Farbe ein-
büßen, aber nicht minder schmackhaft und nahrhaft sein, wenn aber der Vor-
rat an Weizen nicht eines Tages ganz ausgehen soll, ist es nötig, den ver-
brauch auch des neuen Weizenbrotes einzuschränken und möglichst zum ver-
brauch des neuen Kriegsbrots aus Roggen überzugehen.
7. Diesen Maßnahmen für die Streckung des Vorrats schließen solche
sich an, die seiner Minderung entgegenwirken sollen. Unter ihnen steht
voran das Verfütterungsverbot für Brotgetreide. Mahlfähiger Roggen und
Weizen, auch in geschrotetem Zustande, sowie Roggen- und Weizenmehl
dürfen nicht verfüttert werden. Rur Roggenfütterung kann ganz aus-
nahmsweise auf Antrag zugelassen werden. Ist auch ein solches verbot
nicht ganz in den: Maße durchführbar, wie es in Friedenszeiten als unerläß-
liche Voraussetzung für die Aufstellung eines Verbotes gilt, so stellt es doch
die eindringlichste Art der Mahnung dar, und gerade hier muß einsichtsvolle
Vaterlandsliebe mit in den Dienst des wichtigen Gesetzeszwecks sich stellen
und so möglichst einen kleinen Ersatz schaffen für die unvermeidlichen Mängel
in der Durchführung des Verbots. Die Vernunft muß den: Landwirt auch
gegen sein eigenes Interesse sagen, daß in harten Kriegszeiten, in denen der
einzelne zum Nichts wird gegenüber dem großen bedrohten Ganzen, die
Menschenernährung der Viehernährung vorzugehen hat. Das wird dadurch
erleichtert, daß zugleich mit dem verbot der verfütterung auch der im Preis-
verhältnis liegende Anreiz zur verfütterung beseitigt oder zum mindesten
verringert wird. Denn die Höchstpreise für Gerste sind in den verschiedenen
Gebieten to bis J5 M. niedriger, als die Höchstpreise für die Tonne Roggen
festgesetzt worden sind; auch ist für Kleie ein niedriger einheitlicher Höchstpreis
von tz M. für den Doppelzentner am Herstellungsart vorgeschrieben worden.
Durch diese Festsetzung der Höchstpreise, die den Händlern in Gerste gewisse
Verluste im Interesse der Gesamtheit auferlegt, soll es für den Landwirt
wieder vorteilhafter gemacht werden, sich bei der Viehfütterung mehr der
Hauptfuttermittel als des selbstgebauten Roggens oder Weizens zu bedienen.
Doch diese Maßnahmen zur Verhütung der verfütterung von Brot-
getreide erfordern eine Ergänzung. Mit ihnen müssen energische Bestrebungen
sich verbinden, einerseits neue Futtermittel zu schaffen und anderseits das
Fleisch des aus Futtermangel eingeschlachteten Viehes zu konservieren.
8. Bei der Beschaffung neuer Futtermittel wird die Aufmerk-
samkeit in erster Linie auf den doppelten Reichtum unserer Landwirtschaft
gelenkt, wir haben, wie dargelegt wurde, in der Welt die größte Produktion
von Zuckerrüben und Kartoffeln. Gewiß läßt die Futtermenge durch Her-
stellung von Zuckerschnitzeln und Melasse, sowie von Trockenkartoffeln sich
steigern, aber das ist begrenzt durch die technische Leistungsfähigkeit der be-
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T15: [Wein Getreide Baumwolle Tabak Kaffee Obst Weizen Reis Zucker Kartoffel], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T11: [Wein Getreide Boden Viehzucht Weizen Land Pferd Obst Kartoffel Ackerbau], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T79: [Wein Zucker Baumwolle Kaffee Getreide Tabak Fleisch Holz Wolle Handel]]
TM Hauptwörter (200): [T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital], T137: [Wein Obst Weizen Kartoffel Frucht Getreide Gerste Hafer Mais Flachs], T114: [Fleisch Milch Brot Pferd Butter Käse Stück Wein Schwein Getreide], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen]]
Iv. Krieg und Volksernährung
75
bedeutend ist, so ist doch innerhalb des Acker- und Gartenlandes durch Ver-
minderung der Brache und der Ackerweide ein immer größerer Teil für
den Anbau von Feldfrüchten gewonnen worden. Die sogenannte Anbau-
statistik, die alljährlich im Frühjahr durch Schätzungen die Anbauflächen
der wichtigsten Fruchtarten feststellt, ergibt das folgende Bild:
Roggen Weizen Hafer Gerste Kartoffeln
in Millionen Hektar
t878 ........... 5,95 3,75 1,62 2,75
t9l2............6,26 1,92 4,38 \,59 3,34
So ist zwar beim Weizen im wesentlichen ein Stillstand und bei der
Gerste sogar ein Rückgang, aber auch bei unserer wichtigsten Brotfrucht,
dem Roggen, eine bescheidene, bei unserem wichtigsten Futtergetreide,
deur Hafer, und ebenso auch bei der Kartoffel eine beträchtliche Zunahme
zu verzeichnen. Zn der Beschränkung auf diese wichtigsten Fruchtarten
kann von einer gewissen Verbreiterung unserer „agrarischen Basis" ge-
sprochen werden. Eine solche ist auch in Zukunft innerhalb unserer heutigen
politischen Grenzen noch möglich. Znsbesondere können wir neuen land-
wirtschaftlich benutzbaren Boden uns erschließen. Denn Deutschland besitzt
noch große Gdländereien. Sie sind ^907 auf 3'/- Millionen Hektar berechnet
worden, also beträchtlich mehr als ein Zehntel der heutigen landwirtschaftlich
genutzten Fläche. Daß diese Gebiete urbar gemacht werden können, steht
fest. Doch ist im Frieden die Aufgabe nicht dringend, und Arbeitskräfte
und Kapitalien sind dann anderweitig stark in Anspruch genommen. Zm
Frieden schreitet daher dieses wichtige Knlturwerk nur langsam vorwärts.
Der Krieg jedoch, der die Zufuhren aus dem Ausland abschneidet, macht
die Versorgung unserer Bevölkerung mit Nahrungsmitteln und damit jede
erreichbare Stärkung unserer Landwirtschaft zur wichtigsten Aufgabe unserer
nationalen Wirtschaftspolitik; er stellt in Arbeitslosen und Gefangenen
die bisher fehlenden Arbeitskräfte; er kann, zumal mit Rücksicht auf eine
spätere Kriegsentschädigung, unter den Milliarden, die er flüssig macht,
auch die Kapitalien aufbringen, die zur energischen Erschließung unserer
Moore nötig sind. So kann der Krieg zum Kulturförderer werden und nicht
nur für die Not der Gegenwart, sondern zum heil auch für die Zukunft
die Selbständigkeit unserer Volkswirtschaft steigern. Zn Preußen ist diese
Aufgabe in Angriff genommen worden, hoffentlich trägt sie reiche Früchte.
2. So wichtig es auch ist, daß ein Volk, das jährlich um ungefähr
800 000 Köpfe anwächst, seine Bodenflächen möglichst vollständig nutzt,
so ist doch die große bisherige Ertragssteigerung, die es unserer Landwirt-
schaft in so weitgehendem Maße ermöglicht hat, den angeschwollenen Be-
darf unserer Bevölkerung zu decken, nicht durch Vergrößerung des Bodens
und Vermehrung der Arbeitskräfte, sondern durch Verbesserung der Arbeit
erzielt worden. Die Landwirtschaft hat in Deutschland in den letzten Zahr-
zehnten Fortschritte gemacht, die kaum von einem andern Produktions-
zweig übertroffen werden, was früher die Zahrhunderte hindurch der
bloßen Erfahrung überlassen worden war, das ist in allen seinen vielen
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T15: [Wein Getreide Baumwolle Tabak Kaffee Obst Weizen Reis Zucker Kartoffel]]
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Iv. Krieg und Volksernährung
77
in die Damxf eingeführt ist, trocknet. Ihr technisches Ergebnis ist vortrefflich.
Linzelneerzeugnstse werden sogar durch Weiterverarbeitung alsrartoffelwalz-
mehl oder durch besonders sorgsame Herstellung als Rartoffelflocken zu wert-
vollen Nahrungsmitteln für den Menschen ausgestaltet. Doch sind die Rar-
toffeltrocknungsanstalten,die bisher vor allem in dicht bevölkertengebieten mit
starkem Rartoffelbau sich finden, noch außerordentlich teuer. Dadurch ist die
Entwicklung verlangsamt worden. Immerhin gab es im Betriebsjahr l
327 Rartoffeltrocknungsanstalten. Ihre Zahl ist auch seitdem gewachsen und
wird in den jetzigen Rriegszeiten, in denen es für uns nicht auf Sparsamkeit
mit Geldmitteln, um so mehr aber auf Sparsamkeit mit Sachgütern, ins-
besondere Lebensrnitteln ankommt, noch weiter vermehrt werden. Das
preußische Finanzministerium hat die Mittel zur Verfügung gestellt, neue
Trocknungsanstalten zu schaffen. Nur die technische Leistungsfäbigkeit zieht
jetzt die Grenze. Aber sie ist heute gemindert, denn der Rrieg hat den Stab
geschulter Arbeiter stark gelichtet und viele neue und dringliche Aufgaben, für
deren Lösung die Besten erforderlich sind, geschaffen. Darum ist die Er-
sparnis, die durch Rartoffeltrocknung erzielt werden kann, nur gering. In
den neu geschaffenen Anstalten können kaum mehr als ein Drittel Millionen
Tonnen getrocknet werden, und die Gesamtmenge an Trockenkartoffeln
dürfte über 2 Millionen Tonnen im Jahre nicht beträchtlich hinausgehen.
Rur so wichtiger ist es, daß sonst nichts versäumt wird, unsern reichen Rar-
toffelvorrat, der schon im Frieden soviel für uns bedeutet und noch ungleich
viel mehr in diesem Rriege, mit allen Mitteln vor Verderb zu hüten. Jede
Hausfrau muß erhöhte Vorsicht auf ihren Rartoffelkeller verwenden. Jur
Frieden ist ein Ersatz möglich durch Einfuhr aus dem benachbarten Ausland.
t9to/l.2 hatten wir infolge schlechter Ernte eine Reineinfuhr von rund
\7 Millionen Doppelzentnern Rartoffeln, überwiegend aus Holland und
Rußland. Mit solcher Einfuhr dürfen wir heute nicht rechnen und auch nicht
mit der Möglichkeit, die Rartoffeln durch andere aus dem Auslande stammende
Nahrungsmittel zu ersetzen. Darum ist ans der kleinen häuslichen Pflicht
heute eine große vaterländische Pflicht geworden: den Vorrat aufs sorgsamste
zu hüten. Die Rartoffeln müssen vor Feuchtigkeit und Licht bewahrt und nicht
zu hoch aufgeschichtet werden. Nicht unmittelbar auf dem stets feuchten
Rellerboden, sondern in Holzkisten sollten sie gelagert werden. Das gehört
zu den Rriegspflichten der deutschen Hausfrau.
4. Hat die Hflanzenzüchtung im Getreide- und Rartoffelbau schon
Großes geleistet, so ist doch das glänzendste Beispiel für ihre Erfolge ein
Erzeugnis, das etwas abseits liegt von der eigentlichen Volksernährung.
Das ist die Zuckerrübe. Der Zucker, der zuerst in Indien und Lhina hergestellt
wurde, ist seit unvordenklichen Zeiten der Menschheit bekannt. Er wurde
Jahrtausende hindurch aus Rohr gewonnen, das am besten im tropischen
Rlima gedeiht, westindien wurde zum Hauptsitz der Zuckergewinnung.
Dort wurden, von Edelmetallen und Eklaven abgesehen, die ersten be-
deutenden vermögen auf amerikanischem Boden, in großem Maßstabe
von England, im kleinen auch von Hamburg gewonnen. Aber solange der
Zucker in Europa ein Einfuhrgut war, blieb er auch eine Luxusware, ver-
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe], T15: [Wein Getreide Baumwolle Tabak Kaffee Obst Weizen Reis Zucker Kartoffel]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T11: [Wein Getreide Boden Viehzucht Weizen Land Pferd Obst Kartoffel Ackerbau], T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit], T61: [Mill Staat Deutschland Reich Europa deutsch Million Land England Einwohner]]
TM Hauptwörter (200): [T78: [Mill Staat Million Deutschland Reich Europa Einwohner Land Jahr deutsch], T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital], T133: [Boden Land Ackerbau Klima Wald Viehzucht Teil Wiese Anbau Fruchtbarkeit], T1: [Maschine Fabrik Herstellung Industrie Papier Leder Wolle Leinwand Fabrikation Art], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze]]
Iv. Krieg und Oolksernährung
85
davontragen im internationalen Konkurrenzkampf. Der Krieg kann uns zum
Lehrmeister werden zu diesem Ziele. Lin Volk, das einmal unter dem Drucke
seiner Lebensinteressen seinen verbrauch in jeder Einzelheit dem Gebote
des Ganzen und damit der Vernunft untergeordnet hat, wird niemals wieder
gedankenlos in den Tag hineinleben. Der Krieg wird uns auch als Kon-
sumenten schulen, nicht nur für heute, sondern für alle Zeiten.
3. Wenn wir unsere Fleischproduktion noch mehr gesteigert haben als
unsere Produktion von Brotgetreide und Kartoffeln, so drängt sich die Frage
auf, woher gewinnen wir alle die pflanzlichen Rohstoffe, die durch die Vieh-
zucht in tierische Nahrungsmittel für den Menschen umgewandelt werden?
Sie bestehen erstens — das ist die erfreulichste Gruppe — in Abfällen aller
Art. Fast alle landwirtschaftlichen Nebengewerbe liefern solche Futtermittel.
Pierher gehören die Schlempe unserer Spiritusbrennereien, ohne die die
Entwicklung unserer Milchproduktion kaum denkbar sein dürfte, die Rüben-
schnitzel unserer Zuckerfabriken, die den ganzen Eiweißgehalt der Rüben und
auch ein Fünftel ihrer übrigen Nährstoffe enthalten, die Treber unserer Bier-
brauereien, die Abfälle unserer Molkereibetriebe, sowie die weniger wichtige
Pülpe unserer Stärkefabriken; auch die mannigfachen Abfälle unserer Gl-
induftrie haben für unsere Viehzucht eine wachsende Bedeutung erhalten.
Aber nicht nur die in großen Mengen auftretenden gewerblichen Abfälle,
auch die kleinen Abfälle des Paushalts, z. B. an Gemüse und Speise-
resten, kommen hier in Betracht. Mit Recht ist das Schwein das Produk-
tionsmittel genannt worden, „alle diese Unbrauchbarkeiten in Brauchbar-
keiten umzuwandeln". Darum ist es „die Sparkasse des kleinen Mannes".
Ze mehr jene Abfälle im großen — wie es im Krieg infolge Minderung der
gewerblichen Produktion der Fall ist — abnehmen und je mehr Futter-
mittel auch sonst ausfallen, um so mehr gewinnen die Abfälle im kleinen
an Bedeutung. Sie zu sammeln ist im Frieden vielfach nicht lohnend. Der
Krieg dagegen sichert dieser Sammeltätigkeit, wenn nicht ihren privatwirt-
schaftlichen, so doch ihren volkswirtschaftlichen Lohn. Auch das Kleinste und
Unscheinbarste im Znteresse der Volksernährung zu verwerten, ist durch
ihn nicht nur zu einem „guten werk", sondern zur vaterländischen Pflicht
geworden.
Zu dieser ersten — ich möchte sagen — echtdeutschen Gruppe von Futter-
mitteln gesellt sich eine zweite. Sie wird unmittelbar gebildet durch unsere
einheimische Landwirtschaft. Pierher gehört zunächst der eigentliche Futter-
bau. Es ist begreiflich, daß man in der Landwirtschaft zuerst den der mensch-
lichen Ernährung unmittelbar dienenden Früchten seine Pauptaufmerksam-
keit zugewandt hat. Zn der Züchtung von Gräsern und Futterpflanzen
ist bisher nicht das gleiche geschehen, wie in der von Getreide, Zuckerrüben,
und Kartoffeln. Da die Wiesen in Deutschland 5,9 Millionen pektar in
Anspruch nehmen, während mit Zuckerrüben nur eine halbe Million und
mit Weizen nur zwei Millionen und mit unserer wichtigsten Brotfrucht,
dem Roggen, sechs Millionen pektar bestellt sind, so bietet sich hier ein weites
Feld für fruchtbare Tätigkeit. Ein energischer Anfang ist bereits gemacht
worden, es systematisch in Angriff zu nehmen. Auf große Erfolge kann auch
TM Hauptwörter (50): [T15: [Wein Getreide Baumwolle Tabak Kaffee Obst Weizen Reis Zucker Kartoffel], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
TM Hauptwörter (100): [T11: [Wein Getreide Boden Viehzucht Weizen Land Pferd Obst Kartoffel Ackerbau], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit], T9: [Krieg Deutschland Reich Frankreich Preußen Macht Zeit Kaiser Jahr Frieden], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit]]
TM Hauptwörter (200): [T137: [Wein Obst Weizen Kartoffel Frucht Getreide Gerste Hafer Mais Flachs], T188: [Handel Industrie Ackerbau Land Viehzucht Bewohner Gewerbe Bevölkerung Stadt Bergbau], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital], T182: [Krieg Jahr Zeit Land Deutschland Regierung Frankreich Volk Folge Revolution]]