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1. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 129

1901 - Glogau : Flemming
— 129 — Die Dänen sind eigentlich schon seit früher Zeit den Deutschen immer recht unbequem gewesen. Sie beherrschten die beiden Seiten des Sundes, und das war namentlich für die Hanseaten eine leidige Thatsache. Denn bei Falsterbo zogen die Heringsschwärme vorbei, und fast jede größere Hansestadt hatte dort ihre Bitten und mußte den dänischen Vögten ihre Abgaben zahlen. Die dänischen Walde- mare haben sich den Deutschen gegenüber recht übermütig gebärdet, die Hansestädte verspotteten sie als „Gänse"; dann aber kam die Vergeltung in dem bekannten Friedensschlüsse zu Stralsund 1370. In ' den Zeiten des Dreißigjährigen Krieges sind die Dänen nicht sehr hervorgetreten; auch in den Verwickelungen mit Schweden standen sie mehr auf Seite der Deutschen. In der zweiten Hälfte des 18. Jahr- Hunderts sollte Dänemark sogar Deutschland beschämen, da es sich der deutschen Dichter in hochherzigster Weise annahm. Klopstock dichtete in Kopenhagen, Schiller erhielt von dänischer Seite ein großmütiges Jahrgeld, das den kranken Mann vor dem größten Elend sicherte. In den innerdänischen Verhältnissen spielte damals die tragische Epi- sode des Ministers Struensee. Im 19. Jahrhundert hat Dänemark Deutschland recht herausgefordert, und das Lied: Schleswig-Holftein meerumschlungen hat wie ein Tyrtäischer Gesang zum erstenmal wieder die Deutschen aufgerüttelt und ein Gefühl aufsteigen lassen, das man deutsches Nationalbewußtsein nennen konnte. So durfte man Dänemark schließlich Dank wiffen, daß es sozusagen der ßlaiog Ölödoxalog der Deutschen gewesen ist. Aus den Kriegen von 1848—50 und 1864 ist aber ein gewisser Bodensatz des Grolls bei den Dänen zurückgeblieben, und großer Sympathieen können wir Deutsche uns in den Landen des Danebrog gerade nicht ersreuen. Dänemark ist „echtes Küsten- und Jnselland, wie es in Europa, außer vielleicht im griechischen Archipel, nicht wieder vorkommt". Und wenn man weiter seine Lage zwischen Nord- und Ostsee berücksich- tigt, und wie durch dieses Jnselreich aller Verkehr und alle Schiffahrt stattfinden muß, so könnte man als Analogie die hinterindische Insel- Welt heranziehen, durch die ja aller merkantile Austausch zwischen Indischem und Stillem Ocean hindurchgeht. Die Straße von Singa- Pore würde dann dem Oresund an die Seite zu stellen sein. Durch geognostische Forschungen ist festgestellt, daß die dänischen Jnselgebiete, namentlich Jütland, früher noch durch viel mehr Meeresarme durch- furcht und durchzogen worden sind, wie das die mannigfachen Namen von binnenländischen Ortschaften mit den Endungen —ö und —Holm (beides bedeutet Insel) erweisen. Uns interessieren die drei Meeres- straßen, durch die in historischer Zeit die Schiffahrt aus der Nord- see in die Ostsee sich ermöglicht hat, der Sund, der große und kleine Velt. Unter ihnen ist der Sund die bevorzugteste, einmal schon wegen der Kürze, dann wegen ihrer „geraden nordsüdlichen Erstreckung". Hanncke, Erdkundl. Aussähe. Ii. g Georg-Eckert-Institut für international« Schulbuchforschung Braunschweig -Schulbuchbibhothek -

2. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 75

1901 - Glogau : Flemming
— 75 — aber das Slawentum seine Vorherrschaft, und zwar sind hier im südwestlichen Osterreich die Slovenen wohnhaft. Das steiermärkische Marburg an der Drau ist slavisch und ebenso Laibach, die Haupt- stadt von Krain. Mit dieser Landschaft sind wir in das Gebiet der eigentlichen Karstlandschaften eingetreten und erleben hier Wunder über Wunder. Die Kalkplateaus sind porös, sie lassen die Wasser eindringen, um sie später wieder erscheinen zu lassen. So fließt die Laibach, an der die Stadt liegt, bald ober-, bald unterirdisch und ähnelt darin dem spanischen Guadiana, der ja auch daher seinen Namen haben soll, daß er wie eine Ente (anas) bald untertaucht, bald wieder emporkommt. Eine zweite Merkwürdigkeit dieser Karstlandschaft sind die Höhlungen, die eben überall sich sinden, wo wir Kalkgestein haben. Berühmt ist die Adelsberger Grotte mit ihren wunderbaren Stalaktiten, mit ihren Sälen, Säulen, Kanzeln und Tropssteinbildungen. Dicht daneben sindet sich der Zirknitzer See, der bald als See mit einem Kahn befahren wird, bald als Wiese erscheint und auch eine Ernte zuläßt. Und dann gelangen wir zum „Küstenlande" und nach Dalmatien. Alan hat diese letzte Region glücklich mit einem Frucht- korb verglichen, der seinen Inhalt nach Westen hin ausgeschüttet hat, und wir haben diesen entzückenden Küstenstrich mit seinem ganz italieni- schen Charakter schon kennen gelernt. Miramare, Abbazia sind die Glanzpunkte dieses Litorals. Uns interessiert hier die binnenländische Hälfte, das echte Karstplateau, über dessen grauenhafte Ode wir auch schon oben gesprochen haben. Bebaut und bebauungsfähig sind hier nur die Dolmen, die Trichter in dem Kalkplateau, in die alle Humus- erde zusammengeschwemmt ist. Auch hier hat man ein glückliches Bild gebraucht und sagt, sie erscheinen wie Blumentöpfe. Des- gleichen kann man hier nicht von Weinbergen sprechen, sondern nur von Weinlöchern. — Übrigens erinnert die italienische Sprache in den Küstenorten Dalmatiens an die Zeit, als die Königin der Adria, Venedig, hier allmächtig gebot. Sie war die Beherrscherin der Meere, und bis nach Cypern dehnte sich ihr Einfluß aus. Ein Andenken an diesen überwiegenden Einfluß Venedigs im Seewesen birgt unsere Sprache, da wir verschiedene Entlehnungen übernommen haben, wie Galeere, Fregatte, Kapitän; von den saracenischen Seefahrern stammt das Wort Admiral. — Wir wollen diesen Länderkomplex nicht ver- lassen, ohne auch der neuesten Erwerbung Österreichs zu gedenken. Seit 1878 besitzt der Kaiserstaat Bosnien und die Herzegowina; eigentlich sührt er nur die Verwaltung dieser Länder für die Türkei, und die Provinzen haben sich ausgezeichnet dabei befunden. Der Türkei geht es in unseren Tagen ähnlich wie Polen im 18. Jahr- hundert; die Nachbarn suchen wiederholt den Staatenleib „des kranken Mannes" unter sich zu teilen. Die Nachbarn sind Rußland, das nach dem angeblichen Testament Peters des Großen Ansprüche aus

3. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 79

1901 - Glogau : Flemming
— 79 — terifiert völlig den hochherzigen Zug in der Volksseele des Magharen- tums. Sehr zu beachten ist es, daß die unausgesetzten Kämpfe mit den Türken zu einer ausgezeichneten Schule für Soldat und Feld- Herrn wurden. Wie denn die Beschaffenheit der großen Ebene schon überhaupt die Ausbildung des Hirten, vorzugsweise des Pferdehirten, begünstigte und der Czikos zum Idealbilds eines kühnen Reiters sich naturgemäß gestaltete, so fand auch die Husarenwaffe hier ihre eigent- liche Entstehung und wurde dann bei den übrigen Kulturnationen in ihre Heerverfaffung übernommen. Ferner haben hervorragende Feldherren sich in diesen schwierigen Kämpfen heranzubilden Ge- legenheit gehabt. Einer der beliebtesten Helden des deutschen Volks- liedes ist der Prinz Eugen geworden, und man sang mit Begeisterung: Prinz Eugen, der edle Ritter, Wollt' dein Kaiser wied'rum kriegen Stadt und Festung Belgerad. Er lies; schlagen einen Brucken, Daß man könnt hinüber rucken Mit der Armee wohl für die Stadt. Und wohlgemerkt, unter dem Herzog von Savoyen kämpften die brandenburgischen Hülfstruppen mit ihrem Führer, den die Geschichte später „den alten Dessauer" nennt, und diese Streiter erwarben sich hier an der Donau den bewundernden Beinamen der „Feuermänner". Die neueste Zeit hat mehr und mehr Abstand genommen von blutigem Kriege und wählt vielmehr den friedlichen Weg der eindringenden abendländischen Kultur, der es gelingen wird, Türkenherrschaft und Islam allmählich in sich zu überwinden. Wenn erst der Karawapor (die Lokomotive) auch in der Türkei „das eiserne Haustier" geworden ist, dann werden Österreich und wir Abendländer wohl nie mehr die Macht der Osmanen zu fürchten haben. Und nun zurück aus dem Völkergemisch der östlichen Habsburgischen Monarchie mit seiner uns vielfach befremdlichen Sitte zu dem öfter- reichischen Alpengebiet, zu unseren deutschen Brüdern in Kärnten, Salzkammergut, Tirol und Vorarlberg! Hier stnden wir ein uns sympathischeres Volkstum und herzerquickendere Eigenart. Alle die aufgezählten Landschasten sind rein deutsch; nur im Süden Kärntens stnden sich einige Slovenen und ebenso im Süden Tirols Italiener, denn bekanntlich bedeutet „Trent (Trient) Deutschlands End". Schon darin spricht sich der deutsche, anheimelnde Charakter der ganzen Gegend aus, daß wir hier statt der „Ringe" und ungarischen Städte- dörfer die Burgen antreffen. Kärnten und Tirol zählt man zu den burgenreichsten Landstrichen in Deutschland, und Burg, Wald und Märchen regen ja von je unser deutsches Empsinden in gewinnendster Weise an. Tirol ist zudem den Deutschen besonders ans Herz ge- wachsen. Der Norddeutsche kennt die Bewohner recht gut, wenn er

4. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 85

1901 - Glogau : Flemming
— 85 — Landesstücke Zwist mit den Nachbarn in übergroßem Maße hervor- gerufen hat. Osterreich hat in seiner Geschichte eine stattliche Reihe guter Feldherren auszuweisen; des Prinzen Eugen „haben wir schon gedacht, wir nennen noch drei Namen, die über Osterreich hinaus einen guten Klang gehabt haben: Radetzky und ^ie beiden Erzher- zöge, Bater und Sohn, Karl und Albrecht, die Zieger von Aspern 1809 und Custozza 1866. Die österreichische Armee war meist gut bewaffnet, und auch in dem Kriege von 1866 mußten die preußi- schen Truppen die Überlegenheit der österreichischen gezogenen Kanonen recht schmerzlich empsinden. Österreich hat sich sodann immer durch kühne Seesahrer und verdiente Admirale ausgezeichnet. Ebenfalls in dem oben erwähnten Kriege von 1866 siegte Tegetthof über die Italiener bei Lissa, und die Weltreise der Novara, sowie die Nord- polfahrt von Weyprecht und Payer 1872 — 74, die zur Entdeckung des Franz Josephslandes führte, sichern Österreich in der Geschichte der Seefahrten für immer einen „ehrenvollen Platz. Überhaupt finden Geographie und Geologie in Öfterreich die dankenswerteste Förde- rung, und auch die anderen exakten Wissenschaften sind rühmlichst in dem Donaustaate vertreten. Die Heilkunde hat daselbst unter ihren Vertretern und Forschern so berühmte Namen gezählt wie Rokitansky und Billroth, und die Wiener Krankenhäuser und „Kliniken genießen eines Weltruses. Eine erfreuliche Pflege fand in Österreich auch die Geschichtswissenschaft; namentlich haben die reichen Benediktiner- und Eisterzienserabteien, die mit ihren großen Bibliotheken und der ganzen prächtigen Ausstattung recht zum Gelehrtensleiß und Studium ein- laden, gediegene geschichtliche Arbeiten zu Tage gefördert. In die Freude über die fortgesetzten lauteren Errungenschaften, die die Wissenschast hier zu gewinnen hatte, mischen sich seit den letzten Jahrzehnten allerlei Mißtöne, die von der seit Palaky wenig skrupel- losen tschechischen Geschichtsforschung herrühren. Man will die über- legene deutsche Kultur durch allerlei Übertreibungen, ja sogar Fäl- schungen in betreff der eingeborenen tschechischen Litteratur aus dem Sattel zu heben und zu übertrumpfen fuchen. Auf dem Gebiete der Wissenschast sehen wir in Österreich zwar ein ernstes Streben; aber der Erfolg ist doch nur der, daß im großen und ganzen auch dieses Reich hinter anderen Kulturnationen nicht zurückbleibt; aus dem Gebiete der Kunst dagegen, und zwar der Kunst, die am meisten an ihren himmlischen Ursprung zu erinnern im stände ist, nämlich — der Musik hat Österreich vor den übrigen einen weiten Vorsprung gewonnen. Man könnte sagen, in dieser Beziehung ist das Donaureich das rechte Gegenstück zu England. Hier ein Mangel an musikalischer Besähigung, und seit Händels Zeit müssen fremde Komponisten der nationalen Unfähigkeit zu Hilfe kommen; in Öfter- reich durch alle Volksklassen hin, sowohl bei Slaven, Magyaren wie

5. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 31

1901 - Glogau : Flemming
— 31 — man sich dies ganze Durcheinander von Hecken, tief eingesenkten Wegen und Buschpartieen, so erklärt es sich, daß sich die Landschaft wie geschaffen zur Insurrektion darbietet, und so ist die Vendee in der Revolutionszeit und auch noch später in der Zeit Louis Philipps der Herd hartnäckiger Aufstände gewesen. Die heutige Stadt Napoleon Vendee hat in fast lächerlichem Wandel in ihren Namen alle die politischen Metamorphosen Frankreichs im 19. Jahrhundert durch- machen müssen. Ähnlich wie man die Obstsorte reine Claude in citoyenne Claude umtaufte, oder in Tirol, als es bayrisch wurde, die Kaiserbirnen von dem Minister Montgelas fortan Königsbirnen benannt wurden, hieß die Stadt, die ursprünglich als La Roche er- scheint, nacheinander Ville Napoleon, Bourbon Vendee, bis jetzt endlich Napoleon Vendee daraus geworden ist. Das Gebiet der Charente hat wieder anders wie die Vendee seinen Oppositionsgeist bewiesen. Hier besaßen die Hugenotten ihre Sicherheitsplätze, die sie durch das Edikt von Nantes erhalten hatten, namentlich La Rochelle. Frankreich und Deutschland haben gewisser- maßen einen äußerlichen Gegensatz darin, daß dort der Südwesten zur ketzerischen Lehre sich bekannte, hier mehr der Nordosten die Fahne des Protestantismus hochhielt. * Das Jahr 1628 ist das große Be- lagerungsjahr, das eigentlich über die Geschicke beider Länder in nach- haltiger Weise entschied. La Rochelle wird von Richelieu erobert, der „Staat im Staate" wird damit vernichtet; doch gelingt es andererseits Wallenstein nicht, Stralsund einzunehmen, der Protestantismus und die Opposition gegen das katholische Habsburgertum blieben gerettet. In dem niedrigen Hügellande sind viele isoliert hervorspringende kahle Felsen, und aus diesen Anhöhen liegen zahlreiche Schlösser der alt- französischen Seigneurs mit dem dicken Donjon und den von niedrigen Türmen flankierten Thoren. 2 Und von diesen Schlössern schreiben sich die französischen Adelsnamen her, in denen la Roche (g. V. la Roche- foucauld); la Motte (Hügel; Fouque) und la Tour vertreten sind. Weiter südlich kommen wir zu dem dreieckigen Garonnebecken; es ist die seichte Spitze des Golss von Biskaya. Die Garonne ist wie die Rhone ein Hochgebirgsfluß, und ihre Hochfluten machen sie zu Frankreichs gefürchtetftem Strome. In der weiten trichterförmigen Mündung, der Gironde, dringt die Flut vor bis Bordeaux, das noch die größten Seeschiffe besuchen können. Hier haben wir an der linken Flußseite entlang die berühmten vignobles oder Weinberge, die Stätte der Rotweine, die Frankreich ja seinen -weitverbreiteten 1 Ein anderer Gegensatz ist ja bekanntlich der, daß in Frankreich der nördliche Dialekt (langue d'oui) Schriftsprache geworden ist, in Deutschland der südlichere, das Hochdeutsch. 2 Ähnlich singt ja Chamisso von seinein Heimatschlosse Boncourt in der Champagne: ich kenne die Türme, die Zinnen, die steinerne Brücke, das Thor.

6. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 107

1901 - Glogau : Flemming
— 107 — Der russische Adel, sagt Peschel, ist von dem westeuropäischen Stande dieses Namens gänzlich verschieden; denn er wird durch den Besitz eines Staatsamtes oder durch den militärischen Dienst er- worden.^ Es giebt ja noch Nachkommen der altrussischen Bojaren, aber diese sind gegenüber dem „Beamtenadel", dem Tschin, völlig in den Hintergrund getreten. Die Adligen ordnen sich nach 14 Rang- klassen, von denen die 8 ersten den erblichen Adel, die übrigen 6 nur den persönlichen Adel genießen. Peschel berechnet etwa 1 Million Adlige in 250000 Familien. Ebenso wird die städtische Bevölkerung in 6 Abteilungen gruppiert, worunter die Gildenbürger, meist Kauf- leute, die beachtenswertesten sind. Obgleich die Kaiser mit großer Energie versucht haben, den Bürgerstand zu heben, läuft der Ehr- geiz der Gildenbürger doch meist darauf hinaus, ihre Söhne und Töchter in den Tschin hineinzubringen. Wenn man sich etwa 3 Jahrhunderte zurückversetzt, so schien es damals ganz unglaubwürdig, daß Rußland in Zukunft eine ent- scheidende Stimme im europäischen Völkerrate sichren würde. Man rechnete die Moskowiter ohne weiteres zu den Asiaten, und als Hein- rich Iv. von Frankreich seinen abenteuerlichen Plan saßte, ganz Europa zu einer „christlich-europäischen Republik" umzuwandeln, in der 15 gleich mächtige Staaten, 6 Erbreiche, 5 Wahlreiche und 4 Republiken sich gegenseitig das Gleichgewicht halten sollten, hatte er die Moskowiter in dieser seiner Ausstellung ganz unberücksichtigt gelassen. Wohl aber sand statt ihrer das polnische Reich die größte Beachtung, bis es allmählich sich mehr und mehr ergab, daß Polen nur „die unglückliche Schwester von Frankreich" wäre. Wir müssen aber heute noch einmal den Gründen nachspüren, die den Niedergang Polens und umgekehrt das Emporkommen Rußlands begünstigten. Das Polentum dars bei dem Westeuropäer am ehesten auf Verständ- nis und Teilnahme rechnen. Die Sprache erscheint ja auf den ersten Blick wegen der Häufung der Konsonanten als befremdlich und un- erlernbar; vor einem Satze wie krschonschtsch brschmje w' trschtseliince (der Käfer summt im Rohr) erlahmen alle Versuche der nachahmenden Sprachkunst; aber die Schwierigkeiten sind doch nur scheinbar. Die „mannigsache Erweichung der Konsonanten und eine reiche Modulation eines und desselben Selbstlauters schaffen für das Ohr angenehm klingende, weich tönende Laute". Die polnische Sprache hat daher eine reiche und uns sympathische Litteratur er- zeugt, und auch auf dem Gebiete der Musi! soll nicht unerwähnt bleiben, daß der klassische Chopin ein echter Pole gewesen ist. Wenn wir die polnischen Poesieen mit den russischen vergleichen, so ist auch das zu beachten, daß die polnische Schrift mit ihren lateinischen ' Die Beninten sind die einflußreichen Tschinowniks.

7. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 110

1901 - Glogau : Flemming
— 110 — dafür, daß das alte Bild vom Riesen mit den thönernen Füßen, das man für Rußland gebraucht hat, noch immer berechtigt ist. Wir müssen zunächst die Lage berücksichtigen, die geographischen Vorbedingungen, unter denen Rußland sich als Staatengebilde unseren Augen darbietet. Nicht allein das nordische Klima, wo in Perm z. B. schon Ende November der Schnee so hoch liegt, daß er bis zu den Fenstern des ersten Stockes reicht, wirkt auf die Entfaltung dieser ungeheuren Menschenmasse lähmend, sondern auch die kolossale Ausdehnung des Reiches, die räumliche Weitläufigkeit. Die Russen haben ja in dem Rufe gestanden, blitzschnelle Märsche machen zu können, wie unter Suworow in Italien, und doch brauchten in dem letzten russisch-türkischen Kriege die Garden volle zwei Monate, um nach Plewna zu kommen. — Das Land leidet sodann an einer eigenen merkantilen Unbeholsenheit. Jetzt, wo man damit umgeht, ein Welteisenbahnsystem zu gründen, so daß die Ware wie der Post- bries für billige Frachtsätze überallhin zu expedieren ist, und man mit glücklichem Bilde die Eisenbahnen „die Hochzeitsbänder" der be- glückten Erde nennt, stößt man aus die Ungeheuerlichkeit, daß Ruß- land zwar über Eisenbahnen verfügt, daß aber diese eine ganz andere Spurweite besitzen als die westeuropäischen. — Wie ist es ferner mit dem Anteil beschaffen, den Rußland an den offenen Weltmeeren hat? Ein Blick auf die Karte überzeugt uns, daß Rußland im Falle eines Krieges mit seinen Flotten sozusagen in der Mausefalle sitzt. So- wohl die Ostsee wie das Schwarze Meer sind nur durch ganz enge Offnungen vom westlich flutenden Meere her zugänglich, was in kriegerischen Zeiten doch gewiß nicht ungefährlich zu nennen ist. Die Ostsee sperrt der Sund, den Schiffe bis 1857 sogar nur unter Ent- richtung eines Zolles passieren durften, das Schwarze Meer dagegen die Straße des Bosporus. Wie sehr leuchtet es da eiu, daß für Rußland der Besitz von Konstantinopel je länger desto mehr eine poli- tische Notwendigkeit geworden ist. Es bleibt endlich Rußland noch das Weiße Meer und der Zugang zum Nördlichen Eismeer. Aber auch hier ist die Eissperre zu berücksichtigen. Den karischen Golf nennt man den Eiskeller Europas, an der Mündung der Dwina mißt man im Winter —47°, wo doch das Quecksilber schon bei 40° ge- friert, und die Schiffahrt ist auf 4 Monate beschränkt, völlig eissrei ist der Nordrand sogar mir 2. Allerdings versucht Rußland aus der mehr nördlich gelegenen Halbinsel Kola, wo der Einfluß des Golf- stroms vielleicht noch zu spüren ist, sich einen Welthafen zu errichten, und wir müssen erst abwarten, ob der Versuch mit Alexandrowsk ge- lingt. Am aussichtsvollsten sind immer die russischen Flottenstationen am Stillen Ocean in Wladiwostok und Port Arthur; doch sieht man jetzt noch nicht ab, wie sich in Zukunft die Verhältnisse hier an der Grenze Chinas politisch gestalten werden. — Einen weiteren

8. Die nichtdeutschen Staaten Europas - S. 7

1901 - Glogau : Flemming
— 7 — queen (jungfräuliche Königin) Elisabeth regierte, kamen auch die oceanischen Häfen der Westküsten zu ihrem Rechte. Der sich all- mählich verengernde Trichter der Severnmündnng, der Bristolkanal, bietet ja ganz merkwürdige Fluterscheinungen; die Höhe der Flut- welle soll hier an 18 m betragen. Bristol wurde nun bald der zweite Seehasen Englands; denn London hatte natürlich den ersten Rang und war schon zur Zeit Jakobs Ii. mit seinen 500000 Ein- wohnern die größte Stadt in Europa. Von Bristol beginnen seit Cabot die englischen Entdeckungsfahrten, die den Namen des Landes durch seine todesmutigen Helden weithin berühmt machten. Man sragt verwundert, warum, wenn von den oceanischen Fahrten der Engländer berichtet wird, man nicht an erster Stelle Liverpool nennt, das heute durch seine Reederei sogar London in den Schatten stellt?- Aber Liverpool spielt in jenen älteren Zeiten gar keine Rolle und wird erst seit der Mitte des 18. Jahrhunderts überhaupt genannt. Seine Bedeutung hängt mit der dritten Periode der geschichtlichen Entwickelung Englands zusammen, über die wir weiter unten reden wollen. Wenn wir die Geschichte des maritimen Einslusses und Verkehrs in England begleiten wollen, so folgt allerdings aus das Helden- zeitalter der Elisabeth das größtenteils für die nationale Geschichte Großbritanniens trostlose 17. Jahrhundert, das gleich im Gegen- satz zu dem rex Elisabeth mit einer regina Jakob beginnt. Das Stuartische Geschlecht ist eines der unglückseligsten in der Welt- geschichte, und eine furchtbare Tragik hat sich an ihm vollzogen. Maria Stuart wurde hingerichtet, und das gleiche Schicksal erfuhren ihr Enkel Karl I. und dessen Enkel, der Herzog von Monmonth. Ter Sohn Karls I., Jakob Ii., wurde vertrieben, und seitdem sind die Stuarts nicht mehr aus den Thron Englands zurückgekehrt. Das Geschlecht war mit einer ganz eigenartigen Verblendung behastet, so daß es sich immer von neuem in Gegensatz zu den heiligsten Wünschen und Empfindungen des Volkes setzte; die Zeit ihrer wechselvollen Regierung brachte viele staatlichen Änderungen, und tetber wurde eine jede solcher politischen Phasen mit den blutigsten Ächtungen be- gleitet, so das; man an die Bürgerkriege in der römischen Geschichte erinnert wird, wo ein Marius, Sulla, Antonius und Oktavian in greulichen Proskriptionen förmlich miteinander wetteiferten. So wie damals das Regiment Eäsars milde und gütig erschien, >so be- wunderten die Engländer die Großmut und Nachsicht Wilhelms Iii., der seinen Schwiegervater Jakob Ii. entthronte, und nennen daher seine Staatsumwälzung tlie glorious revolution. Der beliebteste unter den Stuarts war noch Karl Ii., der wenigstens der aber- gläubischen Befangenheit seines Volkes und der alten Tradition mit einem sonst selten an ihm beobachteten Pflichtgefühl entgegenkam und

9. Band 1 - S. 7

1900 - Glogau : Flemming
7 deshalb auch den Ehrentitel trägt: Dach der Erde. Und hier an dieser interessantesten physikalisch-geographischen Stelle unseres Erd- planeten bereiten sich auch politische Ereignisse von entschieden welt- historischer Wichtigkeit vor. So wie etwa im lo. Jahrhundert unserer Zeitrechnung Unteritalien den Tummelplatz und das Konfliktgebiet für die drei damaligen Weltmächte abgab, die Deutschen, die Griechen und die Araber, so haben sich hier auf dem Pamirplateau, zunächst aller- dings mit Protesten und völkerrechtlichen Streitpunkten, gegenüber- gestanden die drei Weltmächte Asiens: die Russen, Chinesen und Engländer. Wenn der alte lateinische Spruch des Seipio noch gilt, «plus animi est inferenti quam propulsanti periculum», so hat Ruß- land den Vorteil der größeren Kampfesfreudigkeit und wohl auch des Erfolges für sich. Denn planmäßig und ununterbrochen ist die russische Eroberung vorgedrungen, den Russen fällt die Rolle des siegreichen Angreifers zu, China und England müssen sich verteidigen, natürlich mit verschiedener Widerstandsfähigkeit. — In der letzten Zeit hat Rußland viel für die strategischen Sicherungen eines späteren An- griffskrieges gethan. Das Wichtigste ist natürlich der Bau einer Eisenbahn. Wenn wir die ganze Richtungslinie derselben verstehen wollen, so müssen wir schon einige westlichere Anschlußlinien auf- zählen. Demnach haben die Russen zunächst von Tiflis im Siiden des Kaukasus, der Stadt des Mirza Schaffy, eine Bahn gebaut nach Baku am Kaspischen Meere. Es ist das die heilige Stätte der alten Parsen oder Feueranbeter, wo die Naphthaquellen ihre flammenden Gase aus der Erde auflohen lassen und wo ringsherum Tempel zur Verehrung dieses Naturwunders einladen. Von Baku fahren Dampf- schiffe quer über den Kaspischen See nach Michailowsk im Turkmenen- lande, und dann beginnt jene merkwürdige Bahn im Wüstensande, deren beschwerlicher Bau wohl seines Gleichen gesucht haben mag. Dicht am persischen Gebiete entlang — und Grenzstreitigkeiten und Reibungen sind auch da schon vorgekommen — führt die Bahn nach der Oase Merw, dann wendet sie sich etwas nordwärts, überschreitet den Amu oder alten Oxus und mündet in Buchara und Samarkand. Von Merw ist es leicht, einen Vorstoß gegen Afghanistan zu machen, und von hier wird dann zum letzten Schlage gegen Indien ausgeholt. Den Amudarja befahren jetzt regelmäßig russische Dampfschiffe, und bis an die afghanische Grenze sind kreuzende russische Kriegsschiffe vor- geschoben. Da liegt in unmittelbarster Nähe Batch, das alte Bactra, und von Balch nach Kabul zum berühmten Eingangspasse Indiens, durch den schon Alexander der Große zog, rechnet man nur zehn Tagemärsche. Rußland hat sich den Grundsatz des alten Macedonierkönigs Philipp angeeignet, in seinem großen Eroberungswerke sich mehrere stellen zum Angriffe zugleich offen zu halten und die Gegner, wenn man an der einen Seite Einbuße erleidet, schnell wieder auf der

10. Band 1 - S. 75

1900 - Glogau : Flemming
75 Die Binnenschiffahrt ist in Deutschland geringfügiger als in Frankreich, England oder gar Rußland. Das hat seinen Grund wohl auch in der politischen Zersplitterung gehabt, die bis 1870 lähmend sich in unserem Vaterlande geltend machte. Man war auch längere Zeit überhaupt vom Kanalbau abgekommen. Das 17. und 18. Jahrhundert, namentlich das erstere, sind die eigent- lichen Begünstiger der künstlichen Wasserstraßen; dann folgte das Zeit- alter der Eisenbahnen, und erst neuerdings wendet man dem Kanal- bau allgemein wieder erhöhte Aufmerksamkeit zu. Die Flußsysteme namentlich unserer norddeutschen Tiefebene fordern ja sozusagen un- mittelbar zum Kanalbau heraus, Berlin liegt, so wie eine Spinne zwischen zwei Bäumen hängt, in gleichem Abstande von den beiden Flüssen Oder und Elbe, und seit dem großen Kurfürsten sind die Hohenzollern bemüht, diesem Centrum von beiden Seiten die Wasserstraßen zuznführen. Schon heute kann ein Lastkahn immer auf dem Wege der Flüsse und Kanäle — allerdings mit Benutzung des Frischen Haffes von Königsberg bis zur Nogatmündung — von Memel bis Hamburg und, wenn der mittelländische Kanal gebaut werden sollte, durch den Rhein in die Nordsee gelangen oder durch den Ludwigskanal in das Schwarze Meer hinausschiffen. Das Üble ist nur, die alten Kanäle reichen für den heutigen Tiefgang der Fahrzeuge nicht mehr ausz und deshalb baut man neuerdings die Riesenkanäle, auf denen Kriegspanzerschiffe fahren können, wie den Wilhelmskanal mit 8 iu Tiefe und den Elbe-Travekanal mit 2 bis 2,50 m. Geplant sind in der deutschen Regierung Verbindungen des Rheins mit dem Dortmund-Emskanal, der Großschiffahrts- weg Berlin-Stettin und der masurische Kanal, der die Holzflöße aus Russisch-Polen durch die Narew und die masurischen Seen in die Alle und von da nach Königsberg leiten soll. Als Haupt- stück des neuen kolossalen Kanalprojekts bleibt natürlich der so- genannte mittelländische Kanal zu erwähnen, der Westdeutschland in seiner ganzen Breite durchziehen soll. — Das Bestechende bei diesen Kanalprojekten ist die bedeutende Kostenminderung des Transportes, die bei der zunehmenden Volksdichtigkeit und der gesteigerten Massen- zufuhr von Kohlen, chemischen Dungstoffen und Fabrikaten aller Art gebieterisch eine immer größere Beachtung verlangt. Das Eisen- bahnnetz ist ja in Deutschland ungemein verdichtet, und doch können die Bahnen einen solchen Massentransport nicht mehr bewältigen. Da bieten Wasserstraßen eine willkommene Ergänzung. Schon auf der flachen Werra fahren Lastkähne mit 30 wus (600 Centnern) Tragfähigkeit. Um eine solche Last sortzuschaffen, wären drei Eisen- 1 1 Daher geht der Ertrag des einst so berühmten Ludwigskanals auch twn Jahr zu Jahr zurück.
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