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er dem alten Faust, der seine Leute ähnlich wie die Holländer in
den Seeprovinzen mit Deicharbeiten und Polderschöpsungen emsig
und segensreich schaffen läßt, die Worte in den Mund legt, er fühle
sich zufrieden und beseligt:
Im Vorgefühl von solchem Glück
Genieß' ich jetzt den höchsten Augenblick!
Die Holländer sind zu rechten Wasserbaukünstlern geworden.
Schon die mächtigen Seekanäle, die z. B. Amsterdam westwärts und
nordwärts mit dem offenen Meere verbinden, und die bewunderten
Schleusenbauten bei Katwyk, durch die der Rhein „aus seiner Ver-
sandung in die See hinausbugsiert wird", beweisen dies; staunens-
werter ist die Austrocknung des Haarlemer Meeres zu einem mächtigen
Polder und kulturfähigen Lande, und neuerdings will man sogar den
Zuydersee abdämmen, so daß etwa V3 der Wasserfläche für Ackerbau
und Wiesenwuchs gewonnen wird. Denn Wiesen und Weiden sind
dem Holländer immer erwünscht; beruht doch aus ihnen seine be-
rühmte Viehzucht, deren Haupterträgnis die prächtigen Käse sind.
Aber in erster Linie sind die Holländer doch eine seefahrende Nation,
und in den Tooneels hört er am liebsten die Späße des Matrosen
Jom und bewundert die Thaten des Seehelden Ruyter. Daher sind
auch am mächtigsten die beiden See- und Handelsstädte Amsterdam
und Rotterdam 1 emporgeblüht. Der Stadtbau von Amsterdam ist
eigentlich schon an und für sich eine Kulturthat ersten Ranges. Man
hat in den Sumps- und Moorboden mächtige Bäume hineingetrieben,
um dann aus diesem Pfahlwerk erst die Steinbauten zu errichten.
So steht das Rathaus aus einem Roste von 14000 mastbaumgroßen
Pfählen, und Erasmus scherzte, er kenne Leute, die wie Krähen aus
den Gipfeln der Bäume wohnen. Das Ungünstigste in diesen dam-
städten ist die Beschaffung des Trinkwassers, und nach Rotterdam
müssen eigene Schiffe das genießbare Wasser herbeischaffen.
Niederländisches Wesen und holländische Eigenart haben von je
auf uns Ostdeutsche einen bedeutungsvollen Einsluß gehabt. Schon
Albrecht der Bär berief Ansiedler aus Flandern und Holland und
nützte ihre fleißige Arbeit und ihre landwirtfchaftlichen Kenntnisse
zum Besten seiner Mark; die Namen kleiner Städte, wie Niemegk
und Brück, sollen an Nymwegen und Brügge erinnern. Dann kamen
die Zeiten des Rittertums, und wieder will man in Deutschland die
flandrische Einwirkung spüren. Denn über Flandern sollen zu uns
die neuen bitten der französischen Ritter gekommen sein, was man
aus den niederdeutschen Formen Wappen (und nicht Waffen), Tölpel
(und nicht Dörfer) beweisen will. In den Zeiten der Blüte der
1 Über Rotterdams Handelsbedeutung s, Teil I, S. 59.
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Extrahierte Personennamen: Albrecht Niemegk Rotterdams_Handelsbedeutung
Extrahierte Ortsnamen: Amsterdam Rhein Amsterdam Rotterdam Amsterdam Rotterdam Flandern Holland Deutschland
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Nordslaven und Südslaven vor und hat sich hier eine wenn auch
gefährdete, so doch ungemein dankenswerte Stellung geschaffen. Schon
unter den Babenbergern war im Mittelalter Osterreich ein teurer
deutscher Besitz. Hier fand die edle Sangeskunst die aufmerksamste
Pslege, und Walther von der Vogelweide hat oft und gern bei den
babenbergischen Herzögen geweilt. In den früheren Jahrhunderten
hat man den Deutschen auch von je ihre bevorrechtete Stellung be-
lassen, neuerdings erhebt sich, da sich die Völker der anderen Zungen
von ihren alten Lehrmeistern emancipiert haben, ein gewaltiger Kamps
gegen das Vorrecht der Deutschen. Numerisch können ja unsere
Stammesbrüder auch nicht mehr ihre Überordnung ausrecht erhalten;
denn unter den über 40 Millionen österreichischer Staatsangehörigen
giebt es nur etwa zum vierten Teile Deutsche. Ein Glück ist es,
daß ihre sprachlichen Gegner, die alle zusammen die bedeutende
Majorität haben, unter sich nicht einig sind und daß so das alte
lateinische Wort divide et impera einigermaßen zur Geltung kommt.
Den Deutschen stehen gegenüber Magyaren, jener eigentümliche Volks-
stamm, der als einziger unter den nichtindogermanischen in Europa1
sich eine beachtenswerte Stelle in der oceidentalischen Kulturwelt er-
obert hat, Tschechen in Böhmen, Polen und Ruthenen in Galizien,
Slowenen in Kram, Kroaten und Serben südlich davon, Slovaken
im nördlichen und Rumänen im südöstlichen Ungarn, endlich Italiener
in Jstrien und Südtirol. Wenn der alte Jahn Österreich einen
„Bölkermang" nennt, wo für die Gesundheit des Kaisers in 7 Sprachen
gebetet wird, so dürste dies Rechenexempel heute noch nicht einmal
genügen. Recht bunt erscheint diese Mischung der Nationalitäten in
der ungarischen Neichshälste, und man hat zur Charakterisierung der
Bevölkerungselemente das boshafte Beispiel erfunden, wonach der
Deutsche, als er mit seinen Kameraden einen Raum verläßt, äußert,
da stand ein silbernes Kruzifix. Der Magyar antwortet darauf: das
hätten wir können stehlen. Der Slovake sagt mit schmunzelndem
Gesicht: hob's schon, und der Rumäne raunt ihm zu: host's gehobt;
denn in demselben Moment hat er dem Kameraden das gestohlene
Gut schon wieder wegstibitzt. — Die transleithanische Hälfte der
Monarchie hat unter diesem Gegensatz der Nationalitäten weniger zu
leiden als die diesseitige, und hier ist namentlich in Böhmen der
Kampf recht erbittert. Es sind wohl 3/<t der Bewohner Tschechen,
und selbst in Prag zählt man nur 1/1 Deutsche. Jener tschechische
Kutscher brummte, die Deutschen gucken uns rund herum ins Böhmer-
land hinein, und wirklich ist es so. Die Randgebiete sind im Besitze
der fleißigen Deutschen, die die Landwirtschaft und den Hopfenbau
am intensivsten betreiben, so daß Leitmeritz als böhmisches Paradies
1 Er ist aus türkisch-filmischen Volkselementeu zusammengesetzt.
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Wir werfen einen Blick auf den Zustand der früheren Leib-
eigenschast. In den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts
ging ein Stück über die Bühne: Nur eine Seele, und ähnlich wie in
Onkel Toms Hütte von Beecher wurde das entwürdigende Los der
russischen Leibeigenen, die man nur als „Seelen" zählte, dramatisch
vorgeführt. In den vorgeschrittenen Zeiten unserer Kultur war ja
auch der ganze Zustand unhaltbar. Am besten hatten es noch die
Leibeigenen, die aus der Scholle ihres Grundherrn saßen und ihm
sronen mußten. Wohl ihnen, wenn der Grundherr reich war; sie be-
fanden sich in relativer Behäbigkeit und wollten später ihr Los nicht
gern vertauschen; denn der Herr mußte für sie sorgen im Falle der
Krankheit oder Arbeitsunfähigkeit. Ein Sechstel der Leibeigenen be-
fand sich aber unter der Herrschast von Adligen, die weniger als
100 Hörige hatten, viele Herren besaßen sogar weniger als 20 Seelen.
Da bekam das russische Sprichwort seine Geltung: je ärmer der Herr,
desto mehr muß der Mushik schwitzen. Endlich gab es die Dworowyje
(Haussklaven) und die, die auf Obrok auswärts ihre Dienste ver-
richteten. Der Obrok, die Abgabe, mußte natürlich dem Herren ent-
richtet werden, und es sand ein förmlicher Menschenhandel statt,
wobei die Leibeigenen nach ihrer Leistungsfähigkeit wie das Vieh
taxiert wurden. Der Wert eines Ehepaares bei den Beleihungen
der Güter wurde auf 4 — 500 Silberrubel festgesetzt, und die fämt-
lichen Leibeigenen repräsentierten schließlich ein Vermögen von
5 Milliarden Silberrubel. Die Folge der menschenfreundlichen
Maßregel Alexanders war zunächst eine völlige Freizügigkeit der
Befreiten. Die nördlicheren Gouvernements entleerten sich, und
namentlich das Tschernosem erhielt zahlreiche Zuzügler, so daß der
Bodenwert dort um das Siebenfache stieg. Die Bauern begannen
auch in dem Zustand ihrer Häuslichkeit einen etwas civilifierteren
Anstrich anzunehmen: die Pserde wurden beschlagen, um die Wagen-
räder legte man eiserne Reifen, und allmählich verdrängten in den
Stuben Talglichter die bisher üblichen Kienspäne. Die Gutsbesitzer,
die srüheren Herren, waren sreilich übel daran; sie zogen es vielfach
vor, kleine Beamtenstellen anzunehmen. „Erschien es doch vorteil-
haster, der Acciseausseher einer Branntweinbrennerei zu sein, als der
unglückliche Besitzer derselben." Gegenwärtig sind wohl die land-
wirtschaftlichen Verhältnisse in Rußland noch im Fluß. Man merkt
eine große Besserung, aber es giebt auch viel Unzufriedenheit.
Der Charakter des Mushik und des Russen überhaupt wird
eigentlich in ziemlich übereinstimmender Weise beurteilt, Napoleon I.
saßte allerdings mehr die asiatischen Eigentümlichkeiten des Landes
ins Auge, wenn er sich über die Bewohner bekanntlich so aussprach:
6tez l'epiderme et vous verrez le barbare, 'öonft werden allgemein
die kolossale Abhärtung und der heitere Sinn als hervorstechendste
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— 5 —
geringer als in Jersey, wo die Insel fast zu einem einzigen Epheu-
knäuel zusammenwüchse, wenn man der wuchernden Pflanze nicht
wehrte. Prächtige alte Bäume sind zahlreich zu schauen, wie die
green dale oak (grüne Thaleiche) mit ihren Erinnerungen an Robin
Hood, den Volkshelden und Räuber des 13. Jahrhunderts. Im
Süden der Themse lag in der voroceanischen Periode Englands der
eigentliche Schwerpunkt der Landesgeschichte. Daraus erwuchs später
eine interessante politische Thatsache. Denn als in neuester Zeit
England die Wandlung zun: Industriestaat durchgemacht hatte, ergab
es sich, daß in den kleinen und kleinsten Flecken des Südens, den
rotten boroughs (eig. verfaulten Flecken), nur einer winzigen Zahl
von Einwohnern die Berechtigung zur Parlamentswahl gesichert war,
während die nördlichen großen Industriestädte, die erst in jüngster
Zeit emporgekommen waren, dieses Wahlrechts entbehrten.
Im großen und ganzen zerfällt England noch bis auf den heutigen
Tag in die westlicheren grazing counties und die östlicheren Com
counties lweidegebiet und Ackerbaufläche), und so hat die Viehzucht
in Britannien immer eine große Rolle gespielt, besonders da das
Vieh bei dem milden Klima im Winter aus der Weide bleiben kann.
Namentlich waren die Schafherden in älterer Zeit bedeutend, und
die Wolle bildete eine hauptsächliche Ausfuhrware. Sie deckte Vorzugs-
weise den Bedarf der großen Fabrikstädte in Flandern. Damals
spotteten wohl die deutschen Hansestädte, die das Handelsmonopol
rücksichtslos ausbeuteten, wir kaufen Von den Engländern den Fuchs-
balg für einen Groschen und verlausen ihnen den Fuchsschwanz für
einen Gulden. Der Stalhof in London war die bekannte Niederlage
der Hanseaten, wo die Tuchballen nach einem Muster geprüft wurden
und dann ihre Bleimarke erhielten. Dieser Vorzug Englands der
ansehnlichen Wollenerzeugung spricht sich auch in dem Verslein der
alten Geographen aus, die England 7 Dinge nachrühmen, nämlich
ai-x, pons, mons, fons? rex; ecclesia, femina — lana! Nun noch
ein Wort über ecclesia oder den Ruhm der Kirchen. Wirklich muß
England schon in früherer Zeit ein wohlhabendes Land gewesen sein,
und überall zeugen dasür in den Städten die prächtigen Kathedralen
im edelsten gotischen Baustil. St. Paul in London allerdings, das
für das vornehmste Gebäude in Großbritannien gilt, gehört einer
späteren Bauperiode an. Dann aber sind zu nennen die Dome in
Canterbury, das man in Kanzelberg hat verdeutschen wollen, Salis-
bury mit dem höchsten Turme in England, Oxford, das in Kirchen
und Profanbauten den gotischen Baustil zeigt, Exeter, Iarmouth und
Ely, wozu dann noch die Kathedrale in Jork tritt, die man als
eme der schönsten in ganz Europa bezeichnet,"und die prächtige gotische
Kirche in Schottland: Glasgow. Trotz aller dieser schönen Kirchen-
bauten und obgleich von Irland und England aus unserem Deutsch-
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Extrahierte Personennamen: Robin
Hood
Extrahierte Ortsnamen: Englands England Britannien Flandern London England England London Großbritannien Canterbury Kanzelberg England Oxford Exeter Iarmouth Europa Schottland Glasgow Irland England
2
brach in den Stoßseufzer aus, Europa erscheine ihm wie ein Mg^il-
wurfshügel, erst Asien sei für ihn eine imposante Ländermasse, dort
gebe es große Reiche!
Wir gehen nun dazu über, die geschichtlich-ethnographischen
Verhältnisse Asiens uns wieder etwas in Erinnerung zu bringen.
Asien zerfällt seiner Bevölkerung nach in zwei deutlich von
einander geschiedene Gruppierungen, eine kleinere südwestliche und
die unverhältnismäßig große und ausgedehnte des Nordostens. Die
erstere weist Völker und Stämme der mittelländisch-kaukasischen Rasse
ans, die zweite die eigentlichen Repräsentanten Asiens, die Mongolen.
Dort am Pamirplateau, am Dache der Welt, treffen sich im letzten
Vorstoß und Anprall Kaukasiertum und Mongolismus.
Bei den Mongolen spricht man von zwei Hauptstämmen. Ein
dritter, der Tschuktische an der Behringsstraße, kann wohl süglicher-
weise seiner Unbedeutendheit wegen übergangen werden. Übrigens
fand Nordenskiöld dort in den Jurten, die der eisige Buran um-
heult, ein fast idyllisches Familienglück und -— die artigsten Kinder
von der Welt. Die beiden Hauptstämme der Mongolen sind
also der uralisch-tatarische und der südliche indochinesische. Von
dem ersteren ragen Ausläufer bis nach Europa hinein, und
zwar die Finnen, Ungarn und Türken. Die Finnen haben nie
geschichtlich eine Rolle gespielt, aber es sind tapfere Soldaten,
und die karelischen Volkslieder zeugen von hoher Begabung dieses
nördlichsten europäischen Kulturvolkes. Desto empfindlicher waren
die Berührungen Europas mit den Magyaren und Türken: das
wilde Treiben des Czikos auf den Pußten der Theiß und alle
die verwegenen Bravourstückchen der Husarenwaffe erinnern an die
einstigen verheerenden Ungarneinfälle des frühen Mittelalters, und
der Nngbärtige, stolz und ruhig in sein Kismet ergebene Muselmann
in Konstantinopel ist der Abkömmling jener furchtbaren Türken, vor
denen im 16. und 17. Jahrhundert die europäische Christenheit unter
stehendem Glockengeläut die Hilfe des höchsten Gottes inbrünstig an-
flehte. Auch die nordmongolischen Kernvölker aus der Gobi haben
vor Zeiten Europa einen Besuch abgestattet. Wer erinnert sich nicht
der Mongolenschlacht auf der Walstatt von Liegnitz 1241 und der
langen Herrschaft der goldenen Horde! Es ist besonders interessant,
bei diesen hochasiatischen Mongolen das Einst und Jetzt vergleichend
nebeneinander zu stellen; wir wollen zunächst mit der Schilderung
der heutigen Mongolen beginnen, wie sie uns in den Reiseberichten
des vorzüglichsten Kenners Jnnerasiens, Prschewalskis, entgegentritt.
Es giebt kein harmloseres und friedlicheres Treiben als das der
Kalchamongolen innerhalb und außerhalb ihrer Filzjurten. Der
Mongole scheut derart die aufregende Bewegung und jede Thätig-
keit, die entfernt nach Arbeit schmeckt, daß er es sogar vorzieht, sich
TM Hauptwörter (50): [T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
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Extrahierte Personennamen: Nordenskiöld
Extrahierte Ortsnamen: Europa Asiens Asiens Kaukasiertum Europa Ungarn Europas Konstantinopel Gottes Europa Liegnitz
71
rufen mit ihrem fleißigen Gemüsebau und ihrer Abhängigkeit von
der Großstadt Erinnerungen wach an das alte Megara, das in
seiner Existenzfähigkeit sich ja auch ganz abhängig von Athen gemacht
hatte. Die Blumenzucht in Erfurt und die Gurkenfelder in Liegnitz
sind weithin berühmt. In der Umgegend von Brannsberg wird
bis zu 30/0 der Bodensläche Flachs gebaut, Bayern hat um Nürn-
berg und Bamberg herum seine Hopfenmärkte, und das Juwel
unserer deutschen Lande, das Rheingebiet, liefert in edeln Weinsorten
und in dem exotischen Gewächs des Tabaks ansehnliche Erträge (Pfalz).
Neben den so zahlreich in Kultur befindlichen Feldfluren finden
sich auch umfangreiche Wiesen, und darauf beruht ein neuer Vorzug
des Landes, nämlich die hervorragende Viehzucht. Auf je 100 Be-
wohner rechnet man 8 Pferde, 35 Rinder und 20 Schweine. Die
Pferdezucht auf den saftigen Pregel- und Memelwiefen Ostpreußens
ist weltberühmt, aber auch kleinere Staaten, wie Oldenburg und
Lippe mit den Pferden der Sennerheide, sind mit Ehren zu nennen.
In der Rindviehzucht ragen hervor das deutsche Alpenland und die
Marschen des Nordseegebiets; Schweine werden vorzugsweise in
Westfalen gehalten, wo schon seit dem Mittelalter die Eichelmast ge-
pflegt wird und wo der ominöse Vergleich gebraucht ist, daß man
bei dem Übergang aus der westfälischen Landschaft nach Holland aus
einem Schweinestall in einen Blumengarten tritt. Durch seine
Schafherden zeichnet sich Pommern aus, das neben iy2 Millionen
Bewohnern doppelt soviel Schafe zählt. Die Geflügelzucht könnte
bedeutender sein, da über 70 Millionen Eier, namentlich aus Italien,
eingeführt werden.
Die Wasserverhältnisse find in Deutschland äußerst günstig, man
zählt an 40000 Gewässer, darunter 60 schiffbare. In Bezug aus
die Brauchbarkeit der Wasseradern stehen am meisten zurück Hinter-
pommern, Westpreußen und Oberbayern, wo die Flüsse winzig oder
von starkem Gefälle sind, so daß sie nur zum Holzflößen benutzt
werden können. Der deutscheste größere Fluß ist die Weser, die in
der Werra (Wir-aha) ihren eigentlichen Quellarm hat und von
Wanfried an schiffbar wird. Der andere Quellarm, die Fulda, ent-
springt auf der Rhön, jenem moorigen, nebeligen Gebirge von wahr-
haft „skandinavischer" Sterilität, wo schon die eigentümlichen Dorf-
namen wie Sparbrot, Wüstensachsen, Kaltennordheim re. von der
Unwirtlichkeit des Aufenthalts zeugen. Auf der westlichen Seite der
Fulda liegt der Vogelsberg, das hessische Sibirien, wo es drei Viertel-
jahre Winter und ein Vierteljahr kalt ist, wo drei Männer, wie man
scherzt, zu einer Pelzkappe gehören, nämlich einer, der sie trägt, und
zwei, die sie halten. Auch über das ganze Hessenland, das der Fluß
weiter durcheilt, wird gespöttelt: Daß es da hohe Berge und nichts
zu essen gebe, große Krüge und sauren Wein. Wenn Schlehen und
TM Hauptwörter (50): [T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf], T18: [Gebirge Berg Teil Rhein Höhe Wald Fluß Alpen Seite Donau], T13: [Stadt Elbe Hamburg Berlin Provinz Bremen Land Lübeck Hannover Weser]]
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70
Riesengebirge kann man nirgends in Deutschlands Gebirgen im Sommer
Schnee entdecken, und nach einem glücklichen Vergleiche erscheinen
die deutschen Gebirgsterritorien wie Kammern, zwischen denen Treppen
und Gänge die Verbindung wie in einem altdeutschen Familienhause
lebendig erhalten. Es giebt ja arme Landschaften in Deutschland,,
wie den Spessart und die Rhön, wo die Leute sich von Kartoffeln
nähren, die Sandstriche in H^nterpommern und Westpreußen, wo
der boshafte Scherz behauptet, daß den Gutsbesitzern bei dem fliegen-
den Sande die Ackerflächen immer „unterwegs sind", und die moorigen
Flächen am Ku,rischen Haff, die wochenlang der schreckliche «schaktarp»
(litauisch — Überschwemmung) bedeckt, — aber es finden sich doch
auch zahlreiche recht gesegnete Stellen und Erdenwinkel in unserem
Vaterlande. Ich erinnere nur an die Wetterau mit ihrem Obstreich-
tum, der in dem Frankfurter Apfelwein verwertet wird, an die
Magdeburger Börde und ihren Zuckerrübenbau, der dort zu Hunderten
die Zuckerfabriken entstehen ließ, an die fetten Marschen, „wo des
Marsen Rind sich streckt", die das ungeheure London mit Schlacht-
vieh versorgen, endlich an den Danziger Werder, jenes geographische
Unikum eines durch die Sinkstoffe eines großen Stromes gebildeten
Humusbodens, der die zuverlässigsten Ernten bietet, wenn nicht
gerade der „eisreichste Strom Deutschlands", eben die Weichsel, durch
ihre Überschwemmungen Unheil anrichtet.
Da der Niederschlag oder die Regenmenge in Deutschland „die
Mitte hält zwischen der Überfülle westeuropäischer Küsten und der
Steppendürre Südosteuropas und meistens 5 — 600 mm beträgt, so
liefern namentlich die weiten ebenen Flächen unseres Vaterlandes,
sowohl die süddeutschen Hochebenen wie die große norddeutsche Tief-
ebene, vorzugsweise „Ostelbien", schöne Getreideernten.
Das Korn wächst dort in langen schönen Auen,
Und wie ein Garten ist das Land zu schauen.
Deutschlands Ernteertrag wird innerhalb Europas nur von Ruß-
land übertroffen. Wichtige Getreidemärkte sind in Süddeutschland
München, das die Alpenlande bis nach der Schweiz hin mit Getreide
versorgt, in Westdeutschland Mannheim, das sich mächtig empor-
gearbeitet hat, weil es am Endpunkt der großen Rheinschiffahrt
liegt und nun zur bedeutenden Speditionsstadt geworden ist. In
Norddeutschland sammeln sich außer Berlin natürlich in den Hafen-
städten die Getreidemassen an, denn Deutschland führt neben Holz
auch Getreide aus; allerdings geht die Menge des exportierten Ge-
treides von Jahr zu Jahr zurück.
Im Gemüsebau und in der Handelsgärtnerei steht Deutschland
hinter Frankreich zurück, doch sieht man in der Nähe der großen
Städte recht anerkennenswerte Leistungen. Die Vierlande bei Hamburg
TM Hauptwörter (50): [T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe]]
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Extrahierte Ortsnamen: Deutschlands Deutschland Deutschland Deutschlands Europas Süddeutschland
München Westdeutschland_Mannheim Rheinschiffahrt Norddeutschland Berlin Deutschland Deutschland Frankreich
144. Die Schlacht von Waterloo.
313
reihe, deren höchster Punkt der Hof
Belle-Alliance war. Gegen Mittag
gab Napoleon Befehl, zum Angriff vor-
zurücken. Er begann die Schlacht mit
dem festen Vertrauen, daß Grouchy noch
zur rechten Zeit zur Schlacht eintreffen
werde, und daß die Preußen nicht mehr
zu fürchten seien. Zwei Stunden lang
raffte auf einer Abtheilung die Schlacht,
bevor sich der Kampf auf die übrigen
Heerestheile ausbreitete. Um 2 Uhr aber
entbrannte derzw ei 1 e Akt der S chlacht
auf der ganzen Linie; überall wurde
von den Franzosen mit Hitze und Un-
gestüm angegriffen; aber die englischen
Vierecke widerstanden mit bewunderns-
würdiger Ausdauer. Vier Stunden lang
wogte so der Kampf hin und her mit
all' seinen Schrecken. Der Tod wüthete
auf dem blutigen Felde in allen Ge-
stalten; in Haufen lagen die Todten
und Verwundeten umher, und über sie
hin tobte der Kampf ohne Unterlaß.
Immer heftiger wird der Andrang der
französischen Schaaren, ihre Tapferkeit
verwandelt sich in förmliche Wuth. Schon
beginnen die englischen Linien zu wan-
ken. Wellington eilr persönlich in's ärgste
Treffen und ermuthigt die Seinen zur
Ausdauer. Die Hoffnung, daß die Preu-
ßen bald kommen werden, um sie aus
der Noth zu retten, hielt die ermatteten
Schaaren noch aufrecht, denn Blücher
hat es ja versprochen, daß er mit sei-
nem „ganzen Heere" kommen wolle.
Aber wegen des beständigen Regenwet-
ters in der Nacht boten die Wege durch
ihre Bodenlosigkeit sowie die angeschwol-
lenen Bäche die größten Schwierigkeiten;
die Geschütze waren kaum fortzubringen.
Die Truppen erlagen fast der Anstren-
gung. „Vorwärts, Kinder, vorwärts!"
rief Blücher ihnen beständig zu; „es
heißt wohl, es geht nicht, aber es muß
gehen; ich hab's meinem Bruder Wel-
lington versprochen!"
Um 2 Uhr Nachmittags schon hatte
Wellington die Preußen erwartet, aber
erst um 4 Uhr war es den vordersten
Abtheilungen gelungen, auf dem Kampf-
plätze zu erscheinen. Und mit ihrem
Erscheinen begann der dritte Akt der
Schlacht, die für lange die Geschicke
Europa's entscheiden sollte. Durch das
stete Vordringen der Preußen wurde
den Franzosen die Rückzugslinie gefähr-
det, und Napoleon sah sich genöthigt,
seine Schlachtlinie in einem Haken auf-
zustellen. Dadurch gab es eine Doppel-
schlacht. Bei den Engländern erweckte
Blüchers Erscheinen Zuversicht und neuen
Muth, bei den Franzosen dagegen Stau-
nen und Bestürzung. Napoleon bot jetzt
Alles auf, die ermatteten englischen
Truppen zu durchbrechen, ehe die preu-
ßische Hülfe komme. Schon lagen 10,000
Mann von Wellingtons Truppen todt
und verwundet, einzelne Schaaren wank-
ten; aber die Franzosen drangen immer
rastloser vorwärts. „Werden sie bald
den Rücken wenden?" rief Napoleon
ungeduldig dem Marschall Soult zu.
„Ich fürchte, sie werden sich eher in
Stücke hauen lassen," antwortete dieser.
Nach 6 Uhr trat der vierte und
entscheidende Akt der Schlacht ein.
Stets furchtbarer rückten die preußischen
Schaaren nach und drängten die fran-
zösischen Truppen zurück. Napoleon wagt
jetzt den letzten verzweifelten Schlag.
Er läßt seine Armee auf der ganzen
Schlachtlinie vorrücken. Aber Welling-
tons Truppen richten ein mörderisches
Gewehrfeuer gegen die dichte Masse,
daß ganze Reihen zusammensinken; alles
Geschütz kehrt sich auf die unerschütter-
lich vorrückende Heldenschaar und wirft
Tod und Verderben unter sie. Sie
achten's nicht und rücken weiter. Von
allen Seiten Ziehen sich die Truppen
nach dieser Stelle zusammen zum blu-
tigsten Kampfe des Tages. Im mör-
derischen Gewühl werden ganze Schaaren
vernichtet. Schon beginnen die Englän-
der auf mehreren Punkten zu weichen;
da dringt Ziethen mit seinen Schaaren
im Sturmschritt unaufhaltsam unter dem
Wirbel aller Trommeln vorwärts, die
Höhe von Belle-Alliance sich zum Ziel-
punkte nehmend.
Diese Bewegung entschied die Schlacht.
Der Feind begann auf beiden Seiten zu
weichen. Aber noch einmal erneuert sich
der Kampf um x¡2 8 Uhr. Die preu-
ßischen Heerhaufen sind nun im heiße-
sten Gefechte; noch immer leistet der
Feind verzweifelte Gegenwehr, aber er
kämpft nicht mehr um den Sieg, son-
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Extrahierte Personennamen: Napoleon Grouchy Napoleon Napoleon Wellingtons Napoleon Marschall_Soult Napoleon
354
Iv. Naturbilder.
Außerdem schlafen viele zwei Drit-
theile des Winters hindurch, da es doch
nichts Gescheiteres für sie zu thun
gibt, wobei sie nicht so viel Stärkung
brauchen, als im Juni, wo sie täglich
16 bis 18 Stunden ununterbrochen auf
den Beinen und Schwingen sein müssen,
um für sich und ihre Nachkommenschaft
zu sorgen. — Doch wissen sie auch im
Winter mit ihren kleinen, runden,
scharfen und blitzschnellen Augen und
ihren beweglichen, spitzigen Schnäbeln
aus tausenderlei Winkeln und auf tau-
senderlei Weise Frühstück, Mittag- und
Abendbrod zu finden. Die Speisekam-
mer der Vögel ist meilengroß; Men-
schen und Thiere gehen im größten Hun-
ger daran vorbei, ohne ihnen Etwas
wegzunehmen. In den Ritzen rauher
Baumrinden, in den Höhlen und Löchern
alter Bäume, zwischen verwitterten Grä-
sern, in Tausenden, in Millionen kleiner
Samenkörnchen, die der eisige Nord,
als Säemann des künftigen Frühlings,
aus vertrockneten Kapseln umherstreut,
an verlornen und vergessenen wilden
Früchten, überall in Wald und Feld,
unter sammetnen, auch im Winter noch
grünen Moosen finden die kleinen mun-
tern Sänger von Flur und Feld ihre
besetzten Tafeln. Und was die Schlaf-
stelle betrifft, machen sie sich selbst zum
warmen Bett, indem sie Schnabel und
Köpfchen unter dem Flügel verbergen,
während der durchdringendste Ost macht-
los über ihr warmes Federbett hinrafft.
So schlafen sie ruhig, gesund und warm
lange, lange Januarnächte hindurch.
Und wenn die ganze Landschaft umher
mit starrem, weißem Schnee bedeckt ist
und nicht einmal der starke Huf durch
die gefrorne Decke bricht, finden die
Vögel doch noch ihren Weg und ihren
Speisebedarf zwischen Gebüsch und Dor-
nen und picken umher in Farrn und
Flechten, durchsuchen Holzstöße und Ge-
treidemagazine, hohle Banmwnrzeln, die
noch schwarz aus dem Schneetuche her-
vorragen. Wird's aber gar zu arg
und mager draußen, so legen auch die
wildesten, menschenscheuesten Vögel ihre
Furcht vor des Menschen Haus und
Hof ab und gucken in die Scheune
hinein, wo der staubige Drescher sie
nicht beachtet, und nehmen ihm, oft
mit der größten Keckheit, aber äußerst
schlau, gute, fette Körner dicht vor der
Nase weg. Sie hüpfen und picken zwi-
schen Stroh und Düngerhaufen, zwischen
Kühen und Gänsen umher, umzingeln
die Hühner, wenn diese gefüttert werden
und nehmen Alles mit einer Geschwin-
digkeit und Schlauheit in Beschlag, die
ergötzlich ist. Dann machen sie An-
griffe mitten unter den Füßen des grim-
migen Hahnes hinweg in das Bereich
der fleißigen Schnäbel, vor jedem Korne,
das sie hinwegschnappen wollen, erst
genau beobachtend, ob auch die nächste
Henne mit einem neidischen Seitenhiebe
ihres scharfen Schnabels nicht Einspruch
thun könnte. Das geht Alles so blitz-
schnell, daß man nicht so geschwind
sehen kann, wie sie die Lage jedes
Kornes erst genau berechnen und jedes
unbeschützte sofort wegpicken, in dem-
selben Augenblick schon wieder ein an-
deres ausmessend, welches sie immer
richtig treffen, so daß Hahn und Hühner,
die manchmal mit einem ärgerlichen
Zanktone nach ihnen hacken, immer da-
neben treffen. Und wo haben nicht
überall auf der Schneedecke Pferde oder
Hunde oder andere Thiere gefressen?
Da finden sich auch immer eine große
Anzahl Vögel ein und halten ihre
Mahlzeit; ja sie scheuen sich sogar nicht,
mit dem Pferde zu gleicher Zeit aus
derselben Krippe zu fressen! —
Zu dem Gemüse und den Mehl-
speisen werden auch Fleisch und Braten
angeschafft. Millionen von Schmetter-
lingen und Insekten haben Eier und
Junge in Concons gesponnen und nach
ihrer Weise gut versteckt, aber die kleinen
Blitzaugen des Vogels wissen überall
solche kleine Eier- und Fleischmärkte
auszuspioniren und mit der größten
Geschwindigkeit aufzuräumen: eine wahre
Wohlthat für die Blätter und Sprossen
des künftigen Frühlings, die im Keime
rein aufgefressen werden würden, wenn
die Vögel nicht ihre Eier- und Fleisch-
speisen aus diesen unerschöpflichen Quel-
len des Ungeziefers bezögen.
2. Die kleine Meise stöbert zwischen
Strohdächern und altem Reisig nach
Insekten. Die Bachstelze marschirt
162. Die Vögel im Winter.
355
gleich einem Grenadier auf der Parade
an Flußufern umher, um jedes Körn-
chen, das andere Geschöpfe für schlech-
terdings ungenießbar halten würden,
ihrem kleinen Magen zuzuführen. Auch
folgt sie dem Wagen, ja selbst dem
Reiter meilenweit auf seinem gefrornen
Wege-, bis einmal etwas für sie ab-
fällt. Amsel und Drossel, die schon
singen und pfeifen, wenn der erste Thau-
wind bläs't, suchen sich während des
Winters mit Menschen zu vertragen,
besuchen deren Gärten und Höfe und
halten sich ohne Komplimente für hof-
fähig. Die wilde Holztaube pickt
aus den Herzen des Wintergrüns und
aus Kohlköpfen die zartesten Keime.
Lerchen jeder Art findet man jetzt
überall als Räuber beschäftigt, besonders
auf herbstbestellten Getreidefeldern, so
lange es irgend geht. An Getreide-
speichern arbeiten sie oft gemeinschaft-
lich, wie verbündete Einbrecher und
Diebe. Das Weißkehlchen ist eine
der größten Plagen des Landmannes
und seiner Saaten und Wintervorräthe.
Eine Heerde dieser Art Lerchen reißt
das Dach eines Getreideschobers oder
selbst einer altersschwachen Strohscheune
im Nu auseinander und dringt mit
eben so viel Hastigkeit als Lärmen und
Geschicklichkeit in die Aehrenköpfe der
Garben, statt wie die Sperlinge,
sich an einzelnen Aehren zu begnügen
und ab- und zuzufliegen. Der so ent-
stehende Schaden ist aber noch das
wenigste. Der durch die Lücken ein-
dringende Regen verdirbt oft später
ganze Getreidespeicher und durchnäßt
sie ganz und gar. Die Lerche des
Himmels, die im Sommer herrliche
Arien der Erde vorsingt, erweist sich
im Winter sehr irdisch, gefräßig und
räuberisch. Sie sticht und schlägt
sich sogar mit andern Mitbrüdern, wenn
diese nicht gutwillig von kärglichen Fun-
den abgeben wollen.
Der niedliche kleine Zwerg unserer
Vögel, der Zaunkönig mit goldener
Kammkrone, im fettesten Zustande kaum
80 Gran schwer, weiß sich gleichfalls
durch die härtesten Winter hindurch zu
helfen. Man wundert sich, wie so ein
nettes befiedertes Geschöpfchen den Grau-
samkeiten des Januars begegnen könne.
Aber beobachte man den Kleinen nur
in Feld und Wald: es gibt keinen mun-
teren Burschen in der ganzen Welt.
Er hält sich schon durch diese bestän-
dige Beweglichkeit warm und wohlig;
denn in dieser Sekunde pickt er an
einem Tannenzapfen, in der nächsten
ist er verschwunden und wird ein paar
hundert Schritte weiter hörbar im
grünen Epheu; aber sofort flattern
seine kleinen Fittige wieder hoch oben
und weit weg an den äußersten Spitzen
von Zweigen, an denen noch Reste von
Beeren und dergleichen sich verbargen.
So geht es den ganzen Tag flink und
frisch durch die eisigste Kälte hindurch,
ohne daß er jemals Miene macht, als
ob er's etwa kalt fände. Es fällt ihm
immer etwas ein, um sich die Zeit zu
vertreiben und die nöthige Bewegung
zu machen.
Der eigentliche Held des Winters
ist aber unser Rothkehlchèn, das dem
nebeligen Herbste und unsern Jugend-
jahren einen poetischen Reiz verschafft.
Es ist ein so beliebtes Vögelein, das
in keiner Kinderstube fehlt; und wie
rührend lernt es singen in der stillen»
dumpfigen Bauernstube des Winters!
In Deutschland wandert das Rothkehl-
chen aus; aber in England bleibt es den
ganzen Winter, und zieht umher vor den
Fenstern, wie die alten Sänger, und er-
singt sich Brosamen aus zarten Kinder-
händen und singt dafür tapfer sein Lied-
chen ab, unbekümmert darum, ob der
Wind noch so wild in seinen Federn zauset.
Es ist die Nachtigall des Winters. Es
singt, wenn Alles schweigt, trotzig gegen
den Sturm; es ist so beliebt wie die
Gänseblume des Frühlings und derschnee
im Winter, der ihm ein Recht gibt auf
die Mildthätigkeit der Menschen, wofür
es aber mit frischem Gesänge reichlich
lohnt.
Welche Massen von Vögeln müssen
sich also noch bei uns durchwintern, wenn
die Zugvögel schon längst ihre Sommer-
oder vielmehr Winterwohnungen in wei-
ter Ferne bezogen haben und die Erde
bei uns mit eisigen Thoren verschlossen
ist! Wir haben angedeutet, wie es einige
anfangen, um durchzukommen und wir
23 *
TM Hauptwörter (50): [T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T0: [Blatt Baum Pflanze Blüte Frucht Wurzel Blume Erde Zweig Stengel]]
TM Hauptwörter (100): [T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T84: [Vogel Tier Eier Fisch Mensch Hund Nahrung Thiere Insekt Art]]