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1. Heimatkunde der Provinz Hessen-Nassau nach natürlichen Landschaftsgebieten - S. 83

1905 - Frankfurt a.M. Leipzig : Neumann
- 83 - der Stadt. Die Elisabethenkirche, ein Meisterwerk der deutschen Baukunst, wurde im gotischen Stile im 13. Jahrhundert erbaut und ist die schönste Kirche im Hessen- lande Die beideu Türme, von denen jeder 75 m hoch ist, sind die höchsten im Regierungsbezirk und wurden erst 77 Jahre später als die Kirche fertiggestellt. Die hl. Elisabeth, die Stammutter des hessische» Fürstenhauses, liegt in dieser Kirche begraben. Sie erblickte im Jahre 1207 als Tochter des Königs Andreas Ii. von Ungarn das Licht der Welt. Als sie noch in der Wiege lag, kam eine glänzende Ge- sandtschaft aus Thüringen an den ungarischen Hof und warb um die Hand der Königstochter für deu zehnjährigen Sohn des Landgrafen von Thüringen. Unter Lutherische Kirche ' Schloß Elisabethenkirche Marburg. Träueil willigten die Eltern ein und vertrauten ihr geliebtes Kind in einer goldenen Wiege der fürstlichen Gesandtschaft an. In Thüringen wurde Elisabeth mit dem Landgrafen Ludwig erzogen und bereits im 14. Jahre mit ihm vermählt. Sie wohnte anf der Wartbnrg bei Eisenach. Ihr größtes Glück bestaild in der Unterstützung der Notleidenden und Armen. Leider dauerte ihr eheliches Glück nicht lange. Ludwig starb sechs Jahre nach der Vermählung auf einem Kreuz- zuge uach dem heil. Lande. Nach dem Tode ihres Gemahls kamen schwere Zeiten über Elisabeth. Ihr Schwager Heinrich Raspe riß Thüringen imd Hessen an sich und vertrieb Elisabeth mit ihren Kindern von der Wartbnrg. In ihrer Not fand sie Aufnahme bei ihrem Oheim. Später söhnte sich Raspe mit Elisabeth aus und wies ihr Marburg mit den dazu gehörigen Dörfern und Einkünften als Witwensitz an. Auf Veranlassung ihres strengen Beichtvaters Konrad bezog sie nicht das Schloß, sondern das von ihr gegründete Krankenhans in Marburg und widmete sich ganz der Pflege der Krauken und Armen. Ihr zarter Körper erlag bald deu harten Strapazen. Sie starb schon im Jahre 1232, kaum 24 Jahre alt. Vier Jahre später wurde sie vom Papste unter die Zahl der Heiligen aufgenommen. 6*

2. Lebensbilder aus Sage und Geschichte - S. 173

1910 - Leipzig [u.a.] : Kesselring
Klosterjahre. 173 und hofften, er werde sich leichter durchbringen. Dort zog er erst mit armen Schülern umher, sprach Gebete und sang fromme Lieder vor den Türen, und mitleidige Leute brachten ihnen milde Gaben dafür; man nannte das: sie sangen „den Brotreigen". Da aber kam eine günstige Wendung in seinem Leben: eine angesehene Bürgersfrau, Frau Ursula Cotta, freute sich an seiner schönen Stimme und seiner frommen, andächtigen Art zu beten, sie nahm ihn an ihren Tisch und später auch in ihr Haus. Hier lernte Luther zum ersten Male behagliches Familienglück kennen, und fröhlich blühte er auf. Mit achtzehn Jahren aber mußte er Frau Cotta verlassen. Sein Vater hatte es durch Fleiß zu einem kleinen Vermögen gebracht; er konnte ihm Geld schicken und wollte, daß sein Sohn ein großer Rechtsgelehrter würde. So ging Luther zur Universität Erfurt. Nach kurzer Zeit wurde er „Baccalaureus", dann „Magister", und viele sprachen schon von den großen Gaben des jungen Gelehrten. Da — ohne seinen Vater zu fragen, ohne sich von seinen weinenden Freunden aufhalten zu lassen — ging er ins Augustinerkloster zu Erfurt und wurde Bettelmönch. L. Klosterjahre. 1505—1517. Wie war er dazu gekommen? Die weltliche Gelehrsamkeit hatte ihm wohl immer nicht rechte Freude gemacht, nur aus Gehorsam gegen den Vater hatte er sich ihr gewidmet. Mehr und mehr aber hatte sein frommes Herz sich Gott und der Bibel zugewandt. Da erschütterte ihn der ganz plötzliche Tod eines jungen Freundes tief; er selbst geriet in Lebensgefahr, und er erbebte, wenn er dachte, daß Gott ihn Plötzlich vor seinen Richterstuhl rufen könnte. So ging er ins Kloster; denn er

3. Das Mittelalter - S. 135

1910 - Leipzig [u.a.] : Kesselring
Der religise Sinn und seine Bettigung. 135 fgungen hatten ohne weiteres Gesetzeskraft. Eigentlich be-h an belte der Rat alle Brger wie unerwachsene Menschen; beitn er kmmerte sich um vieles, was heute die Obrigkeit ganz der Familie ober dem einzelnen berlt. So bestimmte er die Preise fr Wein und Bier, machte bekannt, wieviel Gelb jeber fr eine Kinbtause ober Hochzeit aufwenben brfe, ja, er setzte wohl gar die erlaubte Lnge fr die Nachslenffen" fest, fr die Schleppen der Frauen. 5. Der religise Sinn und seine Bettigung. Die Brger waren burchweg fromme Leute. Kirchliche Gesinnung sowie ihre uere Bettigung galten als etwas Selbstverstnbliches. Jeber Hausvater war Mitglieb einer ober mehrerer geistlicher Brnberschaften, die fr das Seelenheil der Ihrigen fromme bungen vornahmen. Keiner schlo die Augen, ohne der Kirche etwas zu hinterlassen; fehlte es ihm an barem Gelbe, so belastete er sein Haus mit einem Zins, der dann allerbings fr die Nachkommen manchmal sehr beschwer-lieh wrbe. Da die Familien gewhnlich sehr linberreich waren, so bestanb bei beu Patriziern der Brauch, einen Sohn fr den geistlichen Stanb zu bestimmen und auch eine Tochter schon im Kinbesalter in ein Kloster einzukaufen. Das fromme Leben biefer Familienmitglieber kam nach der Anschauung der Zeit ihren weltlichen Angehrigen zu gute; und auerbem wrbe biirch diese Gepflogenheit erreicht, ba das Familienvermgen sich nicht zu sehr zersplitterte. Bleibeube Denkmler bieses religisen Sinnes sinb die vielen schnen Kirchen im gotischen Stil, der den romanischen ablste. In allen Naturereignissen mit zerstrenber Wirkung sah der Mensch von bamals eine birekte Strafe des Himmels fr seine und seiner Mitbrger Snben, die barum eine Be erforberte. Raffte ein groes Sterben viele Menschen hin, tat eine auergewhnliche ber-schwemmung groen Schaben, vernichtete eine Wwbhose ober ein Hagelschlag die ganze Ernte, hielt die Drre im Sommer auergewhnlich lange an, so mute eine Bitt- und Buprozession Hilfe schaffen; und oft wrbe eine solche zum Anbeuten an ein Ereignis biefer Art jahrhunbertelang gehalten. Als eine burchaus kirchliche Angelegenheit galt auch die Auffhrung von geistlichen Spielen. Die Leitung lag stets in den Hnben der Geistlichen, und wenigstens der Christus wrbe regelmig von einem solchen gespielt. Die brigen Rollen, mnnliche wie weibliche, hatten Brgersshne inne. Drei bis vier Tage bauerte eine solche Auffhrung; sie umfate gewhnlich die ganze Geschichte des Heilanbs bis zur Himmelfahrt.

4. Deutsche Geschichte - S. 107

1914 - Leipzig [u.a.] : Kesselring
107 an Zahl die andre Gruppe. Doch war diese die mchtigere; denn zu ihr gehrten die Patrizier, in deren Hnden das Stadtregiment lag. Beide Gruppen gliederten sich wieder in Gesellschaften. Die zwei Patriziergesellschaften Alten-Limpurg und Frauen st ein bestehen noch heute. Bei den Handwerkern hieen diese Gesellschaften Znfte. Zu einer Zunft gehrten gewhnlich Leute von gleichem Beruf. So gab es eine Bcker-, eine Metzger-, eine Schneider-, eine Wollweber-, eine Grtnerzunft. Jeder Meister mute einer Zunft angehren: es herrschte also Zunft-zwang; doch wurde niemand als Meister aufgenommen, der nicht seine Lehrzeit durchgemacht, als Geselle gearbeitet und dann sein Meisterstck gefertigt hatte. Auf diese Weise wurden Stmper ferngehalten. Die Zunft fhrte strenge Anfficht der ihre Mitglieder; namentlich wachte sie darber, da nur gute Arbeit geliefert wurde. Alle Meister setzten ihren Stolz darein, das Beste zu leisten, und bei diesem schnen Wetteifer erhob sich manches Handwerk zur Kunst. Jede Zunft bildete eine groe Familie. An Freud und Leid des einzelnen nahmen alle teil. War einem Handwerker ein Kind geboren, so kamen die brigen Zuuftgenossen zur Taufe; starb jemand von seinen Angehrigen, so schritten sie still und ernst hinter dem Sarge her. Kranke und hilflose Mitglieder wurden aus einer gemeinsamen Kasse untersttzt. Jede Zunft hatte ihren besonderen Heiligen, und wenn sein Namenstag kam, wurde er gefeiert. Abgesondert von den brigen Bewohnern der Stadt lebten damals die Juden. Der Rat hatte ihnen auerhalb der Stadtmauer zwei Reihen Huser bauen lassen, in denen sie wohnen muten. Das war die Juden-gaffe. Sie wurde durch ein Tor von der brigen Stadt abgeschloffen. An Sonn- und Feiertagen und auch bei deu Kaiferkrnuugen durften die Juden ihre Gaffe nicht verlassen. Auch muten sie besondere Abzeichen tragen, damit man sie gleich erkannte. Es war ihnen nur erlaubt, Geld auf Pfnder zu leihen und mit alten Sachen zu handeln. Bis vor hundet Jahren muten alle hiesigen Juden in dieser Gasse wohnen. Von ihr steht noch das Rothschildsche Stammhaus. Die brigen Hufer sind lngst abgerissen. Die Strae, die an ihre Stelle trat, heit Brnestrae. 3. Die Verwaltung. Die Regierung der Reichsstadt Frankfurt lag in den Hnden des Rates, der aus dreiundvierzig Mitgliedern bestand. In ihm fhrten die Patrizier das Regiment. An manche dieser vornehmen Familien erinnern noch heute Namen, so an die Glauburg, Heller, Holz-hausen, Knoblauch, Rohrbach, Stallburg. Der Rat kmmerte sich um vieles, in das sich heute eine Obrigkeit nicht mischt. Er setzte die Preise fr Wein und Bier fest; er bestimmte, wieviel Gste bei Kindtaufen und Hochzeiten eingeladen werden und wieviel Gerichte ihnen vorgesetzt werden durften; er verbot auch wohl Kleidermoden, wie die Schleppen der Frauen. Fr die Schulbildung der Brger dagegen sorgte er nicht; das war Sache des einzelnen. Doch hielten die Brger daraus, da ihre Kinder wenigstens das Lesen, Schreiben und Rechnen lernten.

5. Vom Interregnum bis zum Westfälischen Frieden - S. 219

1911 - Leipzig [u.a.] : Kesselring
— 219 — gann man am Ende des 16. Jahrhunderts den Küster Schulmeister und die Kustodia Schulhaus zu nennen. Die Schule, die sich so aus der Kinderlehre entwickelt hatte, wurde dann durch landesherrliche Bestimmungen angeordnet. In der kursächsischen Schulordnung von 1580 heißt es z. B.: „Es ist unser Besehl, wo noch zur Zeit durch die Custodeu oder Kirchendiener nicht Schulen gehalten, daß solches mit Rat der Erb- und Gerichtsherren, auch des Visitatoris und unserer Amtleute aufgerichtet und dahin getrachtet werde, daß jederzeit die Küstereien einer solchen Person verliehen werden, die schreiben und lesen könne, und wo nicht durch das ganze Jahr, doch auf bestimmte Zeit, besonders im Winter, Schule halte, damit die Kinder in dem Catechismo, und im Schreiben und Lesen etlichermaßen unterwiesen werden möchten." Die Einrichtung der Küsterschulen war freilich überaus einfach. Unregelmäßig und zu verschiedenen Stunden kamen die Kinder in die Schule, je nachdem sie die Eltern entbehren zu können glaubten. Die Zahl der anwesenden Kinder schwankte daher von einem Tage zum andern. Der Unterrichtsbetrieb war völlig planlos. Die Lehrtätigkeit bestand in der Hauptsache aus Vorsprechen und Überhören. Zuweilen wurde der Lehrer dabei von seinem Weibe oder von einem älteren Schüler vertreten. Vom allgemeinen Schulzwang war man noch weit entfernt; man ließ es beim fleißigen Ermahnen, die Kinder zur Schule zu halten, bewenden. In jeder Parochie gab es immer nur eine Schule, nämlich die im Kirchdorfe. Wollten die Kinder der eingepfarrten Dörfer Unterricht haben, so waren sie auf den Küster an der Pfarrkirche angewiesen. Erst später haben eingepfarrte Gemeinden und oft auch erst nach langem Kampfe ein eigenes Schulwesen begründet. War nun auch das Landschulwesen in seinen Ansängen äußerst dürftig, so berechtigte es doch zu den besten Hoffnungen. Leider brach im 17. Jahrhundert der unheilvolle 30 jährige Krieg herein, der es fast völlig vernichtete, so daß man später in der Be- gründung von Schulen meist von vorn anfangen mußte.

6. Vom Westfälischen Frieden bis zur Gegenwart - S. 308

1912 - Leipzig [u.a.] : Kesselring
— 303 — hältnissen durch verschiedene Räume getrennt und die Erwachsenen möglichst in Einzelzellen untergebracht würden, damit nicht einer den andern verdürbe. Um in dieser Richtung eine Reform des Gefängniswesens durchzuführen, ernannte der König von Preußen 1857 Wicheru zum Oberkonsiftorialrat und Mitglied des Oberkirchenrats und zugleich zum Vortragenden Rat im Ministerium des Innern. Dieses Amt zwang ihn, seinen Aufenthalt in Berlin zu nehmen; aber die Verbindung mit dem Rauhen Hause erhielt er aufrecht, kehrte in jedem Sommer auf einige Zeit dahin zurück und verlor auch sonst die praktische Liebestätigkeit nicht aus dem Auge. Vor allem riefen ihn die deutscheu Einigungskriege auf den Plan. Schon 1864 beteiligten sich ungefähr ein Dutzeud Brüder aus dem Rauhen Hanse an der Pflege der Verwundeten auf dem Kriegsschauplätze, und da 1866 und 1870 die Zahl der Brüder zu klein war, um in ausreichender Weise Hilfe zu bringen, erließ Wichern einen Aufruf, daß sich freiwillige Krankenpfleger bei ihm melden möchten. Zahlreich gingen die Anmeldungen ein. Die tauglich Befundenen — 1866: 110 und 1870: 360 — wurden rasch ausgebildet und gingen dann unter tüchtigen Führern nach dem Kriegsschauplätze ab. Sie haben sich dort trefflich bewährt. Aus ihnen ist „die Genossenschaft freiwilliger Krankenpfleger im Kriege" hervorgegangen, die heute in kurzer Zeit über 10 000 Krankenpfleger ins Feld zu schicken vermag. Noch in manch andrer Weise ist Wichern tätig gewesen; er hat z. B. auch die Berliner Stadtmission ins Leben gerufen. Sein Leben war ein Segen für viele. 1881 ist er gestorben. e) Fliedner, der Gründer der Diakonissenanstalten. Eine Ergänzung fand Wicherns Tätigkeit durch Pastor Flieduer iu Kaiserswerth. Eine Kollektenreise, die er, um den Fortbestand seiner kleinen evangelischen Gemeinde zu sichern, nach Euglaud und Holland unternahm, gab ihm Gelegenheit, verschiedene Wohltätigkeitsanstalten und zugleich die Tätigkeit der Fraueu bei den Wohlfahrtsbestrebnngen kennen zu lernen. Nach Kaiserswerth zurückgekehrt, wirkte er zuerst für eine Verbesserung des Gefängniswesens, trieb selbst Seelsorge im Gefängnis und gründete für entlassene weibliche Sträflinge, die ernstlich Besserung versprachen, ein Heim, das Magdalenenasyl. Ganz besonders lag ihm aber die Fürsorge sür die Kranken am Herzen. Aus eigner Anschauung und aus mancherlei

7. Vom Westfälischen Frieden bis zur Gegenwart - S. 309

1912 - Leipzig [u.a.] : Kesselring
— 309 — Berichten kannte er, wie bei männlichen und weiblichen Krankenwärterinnen gar oft Gewissenlosigkeit, Trunkenheit und sogar Unsittlichkeit zu finden war und eine geistliche Fürsorge in den Krankenhäusern fast ganz fehlte. Das sollte anders werden. So gründete er 1836 ein D i a k o n i s s e n h a n s, in dem eine katholische Magd als erste Kranke und die Tochter eines Arztes als Pflegerin eintraten. Doch wollte er die Diakonissen nicht lediglich als Krankenwärterinnen ausbilden, sondern ihren Wirkungskreis viel weiter ziehen; sie sollten sich an der Gemeindepflege in christlichem Sinne beteiligen und darum nicht nur in den Anstalten, sondern in den Häusern hin und her wirkeu. Auch faßte er bei ihrer Ausbildung ihre Verwendung für Kleinkinderbewahranstalten und in der Mädchenerziehung mit ins Auge. Seine Anstalt wuchs rasch, und Kaiserswerther Diakonissen wurden bald nach den verschiedensten Orten begehrt, sogar von Kranken- und Waisenhäusern in Jerusalem, Smyrna, Alexandria. Das Beispiel Fliedners regte auch bald zur Nachahmung an. Neue Diakouissenhäuser entstanden 1841 in Paris, 1842 in Straßburg, 1844 in Dresden, Utrecht, Bern, 1845 in Berlin, 1849 in Stockholm, 1850 in Breslau und Königsberg und weiterhin in fast allen Großstädten. Die Kaiserswerther Anstalt zählte 1864 schon 425 Diakonissen, die auf mehr als 100 Stationen in vier Erdteilen tätig wareu. Fliedner hat sich ihr bis an sein Lebensende (1864) mit aufopfernder Hingabe angenommen und hat trotz seines schwächlichen Körpers die Beschwerden weiter Reisen — er ist in Konstantinopel, in Palästina, sogar in Nordamerika gewesen — auf sich genommen. Allem Schwärmerischen abhold, bescheiden trotz aller Erfolge, beschränkte er seine Tätigkeit auf das Kaiserswerther Arbeitsfeld, obwohl er dabei das ganze Gebiet der Inneren Mission nicht aus den Augen verlor. Eine Berufung durch König Friedrich Wilhelm Iv. nach Berlin lehnte er mit den Worten ab: „Majestät, ich passe nicht für Berlin." Die evangelischen Diakonissenhäuser haben eine weite Verbreitung gefunden, nicht nur in Deutschland, auch über seine Grenzen hinaus. 1904 zählte man 79 Mutterhäuser, die in der Kaiserswerther Generalkonferenz zusammengeschlossen sind, mit 16150 Schwestern. Davon kamen ans Deutschland 50 Anstalten mit 12 821 Schwestern. Hierzn müssen noch einige andere gezählt werden, Me dem Verband nicht angeschlossen waren, so daß sich die Gesamtzahl der Schwestern in Deutschland auf etwa 14—15 000 be-

8. Vom Westfälischen Frieden bis zur Gegenwart - S. 307

1912 - Leipzig [u.a.] : Kesselring
— 307 — organisierten Kirche erschüttern könnte; aber beide kamen bald in das rechte Verhältnis zueinander. Die Kirche und die freie Liebestätigkeit der Vereine reichten sich die Hand zu gemeinsamer Arbeit. So trug die von Wichern ausgestreute Saat reiche Früchte. Bis 1855 wurden allein über 100 Rettungshäuser neu gegründet. Es war natürlich, daß sie sich die Einrichtung des Rauhen Hauses in vielen Stücken zum Vorbild nahmen. Deshalb hielten dort alljährlich zahlreiche Personen Einkehr, um das Leben und Treiben in der Anstalt kennen zu lernen. Zu den Besuchern gehörten außerdem auch das preußische und bayrische Königspaar sowie fürstliche Personen aus Schwerin, Weimar, Oldenburg, Württemberg. Wichern Mußte freilich die Leitung des Rauhen Hauses meist einem Stellvertreter überlassen. Schon die Beantwortung der vielen Anfragen, die nach dem Wittenberger Kirchentag an ihn gerichtet wurden, nahm ihn sehr in Anspruch. Die Hilse, die man von ihm begehrte, veranlaßte ihn aber auch zu vielen Reisen. Sie führten ihn nach Ostpreußen wie nach Bayern und Straßburg, sogar nach London. Auch nach Dresden ist er gekommen und hat dem König Johann mit seinem Rate dienen können. Ein neues Arbeitsfeld eröffnete sich ihm, als er 1852 und 1853 irrt Auftrage der preußischen Regierung die G e f ä n g u i s s e bereiste und eine Reform des Gefangenenwesens in die Wege zu leiten hatte. Er nahm sich der Angelegenheit mit der ganzen ihm eigenen Gewissenhaftigkeit an, hat ganze Tage in den Gefängnissen und in den Zellen der Gefangenen zugebracht, ist gar vielen von diesen näher getreten und hat mit ihnen über ihre Verhältnisse eingehend Rücksprache genommen. Es waren vielfach trübe Bilder, die ihm entgegentraten. Da fand er z. B. in einer Gefangenenstube eine Anzahl junger Leute im Alter von 13 bis 18 Jahren beieinander, die wegen Diebstahls oder anderer Vergehen angeklagt waren und sich in Untersuchungshaft befanden. Keiner von ihnen wurde zu einem Unterricht oder einer Beschäftigung angehalten. Die Aufsicht war einem mehrfach vorbestraften Menschen übertragen. Ähnlich lagen die Verhältnisse fast überall. Alte und Junge, schwere Verbrecher und solche, die wegen leichter Vergehen zu kurzer Strafe verurteilt waren, fanden sich vielfach in einem Raume zusammengesperrt. Die Aufseher waren meist ehemalige Soldaten, die nur militärischen Drill kannten. Fast nirgends wagte man einen Versuch mit einem bessernden Einfluß. Da hat nun Wichern dahin gewirkt, daß die Gefangenen je nach ihren besonderen Ver- 20* Georq-tckcvt-lnstitut für internationale Sc1 u*' ''ctorscfaufiq L.ujngcu'.veig Schulbuchbibliothek

9. Vom Westfälischen Frieden bis zur Gegenwart - S. 302

1912 - Leipzig [u.a.] : Kesselring
— 302 — 50. Die Innere Mission. a) Wichern. Wir würden das 19. Jahrhundert nicht recht verstehen, wollten wir nicht auch der vielfachen in ihm erblühten Zweige christlicher Liebestätigkeit gedenken, die man als praktisches Christentum oder Innere Mission bezeichnet. Schon im 18. Jahrhundert traten Bestrebungen hervor, die sich die Linderung der leiblichen und geistigen Not weiter Kreise als Ziel setzten 5 es wurden z. B. die ersten Waifen-und Taubstummenanstalten gegründet und Armenschulen errichtet. Aber dem 19. Jahrhundert fielen in dieser Hinsicht noch gewaltige Aufgaben zu. Die wirtschaftliche Not, unter der Deutschland seit dem Dreißigjährigen Kriege seufzte, ließ es kaum dazu kommen, sich früher der Armen und Elenden in besonderem Maße anzunehmen. Erst das letzte Jahrhundert, das einen hervorragenden wirtschaftlichen Aufschwung brachte, dessen vielseitige Umgestaltungen im Wirtschaftsleben aber auch ueue schwere Sorgen für manche Kreife heraufbeschworen, lenkte ernstlich den Blick auf vorhandene Mißstände. Der eigentliche Vater der Inneren Mission ist I 0 h a n n H i n -rich Wichern. Er wurde 1808 in Hamburg geboren. Als er 15 Jahre alt war, starb sein Vater, worauf in der Familie bittere Not einkehrte. Johann Hinrich, der das Gymnasium besuchte, half durch Stundengeben das Nötigste mit verdienen. Nachdem er in Göttingen und Berlin Theologie studiert hatte, kehrte er in seine Vaterstadt zurück, sorgte für sich und seine Angehörigen wie früher durch Stundengeben und war auch sonst zu jeglicher Arbeit im Dienste Gottes bereit. Er predigte dann und wann, wurde aber bald zum Leiter der Sonntagsschule zu St. Georg berufen; in dieser fanden namentlich Kinder Aufnahme, die ohne Unterricht aufwuchsen und der Verwahrlosung anheimzufallen drohten. Gleichzeitig trat er dem männlichen Besuchsverein bei, der aus einem Dutzend junger Männer bestand, die sich der christlichen Armenpflege widmeten. Sie gingen in die Häuser und suchten die Stätten des Elends auf, die sie vorzugsweise iu den engen Höfen und dunklen Hinterhäusern fanden. Da ist auch Wichern in manche Familie hineingekommen, die nicht selten durch eigene Schuld tief heruntergekommen war, die kaum über eine Lagerstatt verfügte oder ein Stück Brot zur Nahrung hatte. Er hat manches Bild

10. Vom Westfälischen Frieden bis zur Gegenwart - S. 305

1912 - Leipzig [u.a.] : Kesselring
— 305 — ständigen Blumenpflege zugewiesen. Die landwirtschaftliche Abteilung hat sich wie jeder andere Zweig der Anstaltsarbeit aus kleinen Anfängen entwickelt. Im ersten Jahre nach der Eröffnung, im Mai 1834, schickte ein Gönner für den Hausstand eine Ziege mit einem Zicklein. Noch in demselben Jahre kam eine Kuh an, mit Blumen bekränzt, und brachte auf einem Wagen die für die Milchwirtschaft nötigen Geräte und Eimer mit. Dann wurde ein Esel für Wirtschaftsfuhren angekauft. Durch weitere Erwerbungen erfuhr der Tierbestand nach und nach eine ansehnliche Vermehrung, und die Kinder traten zu den viersüßigen Hausgenossen in ein freundschaftliches Verhältnis, was ihre Sinnesrichtung günstig beeinflußte. Schon in den ersten Jahren wuchs die Anstalt derart an, daß Wiehern die Leitung allein nicht mehr versorgen konnte. Er nahm deshalb Gehilfen an und nannte sie Brüder, weil sie wie ältere Brüder mit den Zöglingen leben sollten. Jeder bekam eine Anzahl von diesen als Familie zur besonderen Leitung und Beaufsichtigung zugewiesen. Wichern widmete sich besonders der Ausbildung junger Männer für dieses Pflegeramt. So bekam die Anstalt ein besonderes Brüder haus, von dem Pfleger auch nach anderen Orten entsandt wurden. ^ie Anstalt richtete 1842 sogar eine eigene Druckerei ein, in der Jünglinge als Schriftsetzer Beschäftigung fanden, und zwei ^ahre später begann sie die Herausgabe einer eigenen Zeitschrist, ^er "8' liegenden Blätter aus dem Rauhen Hause". Die vielseitige ersprießliche Tätigkeit Wicherns konnte in Deutschland nicht unbeachtet bleiben. Dazu sorgten die Fliegenden Blätter weiter sür die Verbreitung der in der Anstalt verwirklichten Ideen^ auch hat Wichern selbst auf verschiedenen Reisen das Volk für seine Bestrebungen erwärmen und begeistern können und zwar nicht nur durch sein lebendiges Wort, sondern auch durch Taten. Wir finden ihn z. B. im März 1848 in Schlesien, wo der Hungertyphus zahlreiche Opfer gefordert hatte, um den Kindern, die Vater und Mutter verloren hatten, ein Heim zu bereiten, und als die Regierung die Versorgung der Waisen selbst in die Hand nahm, begehrte man seinen Rat, so daß er im September 1848 abermals in Schlesien weilte. König Friedrich Wil-\ äeigte ^bhastes Interesse für seine Tätigkeit, hatte des- halb tchoii 1844 die Anregung gegeben, daß auf Kosten des preußi-Icheit Staates 12 junge Leute im Rauhen Hause ausgebildet würden, Pätzold. Lehrbuch der Geschichte. Iii. Teil. on
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