Karl der Große.
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56. Karl der Große, 768—814.
Von Zeit zu Zeit läßt die göttliche Vorsehung Männer auf-
treten, die, weit über ihre Zeitgenossen erhaben, durch ihren ho-
hen Verstand verrathen, daß sie zum Werkzeuge ausersehen sind,
die Menschheit schneller weiter zu fördern, als es nach deul lang-
samen Gange der allmäligen Entwickelung geschehen wäre. Sol-
cher Männer haben wir schon mehrere genannt, und ein solcher
Mann war auch dieser Karl, den man mit Recht den Großen
genannt hat (768—814). Seine Thaten und noch mehr sein
stilles, aber kräftiges Wirken fielen wie erleuchtende Blitzstrah-
len in das Dunkel der Unwissenheit und des Aberglaubens je-
ner Zeit.
Sein Vater war Pipin der Kleine, seine Mutter hieß Ber-
tha. In Aachen wurde er geboren. Wild, ohne Unterricht wuchs
er auf; denn man meinte damals, nur Mönche brauchten lesen
und schreiben zu können, für Könige sei dies unnütz; und so hat
er denn erst als mächtiger König schreiben gelernt: ein lebendiger
Beweis, daß es nicht immer eine Schande ist, etwas nicht
zu wissen, aber eine große, nichts lernen zu wollen.
Elf Jahre war er alt, als der heilige Vater von Rom an den
Hof Pipins kam. Stephan Ii., so hieß er, war von den Lan-
gobarden aus Rom vertrieben und machte sich selbst auf, um den
mächtigen Pipin um Hülfe zu bitten. Dreißig Meilen mußte der
Knabe Karl denk ehrwürdigen Manne entgegenreisen; mit Ehr-
furcht empfing er ihn und führte ihn bis zum Schlosse, wo Pi-
pin damals Hof hielt (Pont-Pon, in der Nähe von Alen^on,
südwestlich von Paris). Er war Zeuge, wie der alte Mann, das
weiße Haupt mit Asche bestreut (so geziemte es einem Bittenden),
sich vor Pipin auf die Erde niederwarf und flehentlich sein Ge-
such anbrachte. Damals mochte er sich im Herzen geloben, künf-
tig auch ein Beschützer der Kirchen und der Geistlichkeit zu wer-
den, und er ist es auch geworden. Der Papst weihte ihn damals
mit seinem Bruder Karl mann durch feierliche Salbung zum
König der Franken ein. Auch fremde Gesandte aus Constanti-
nopel und dem Morgenlande sah Karl zuweilen am Hofe seines
Vaters und lernte von ihnen fremde Länder kennen. Ein solcher
Gesandte brachte aus Griechenland eine Orgel mit, die erste, die
man im Abendlande sah.
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Extrahierte Personennamen: Karl Karl Karl Stephan_Ii Karl Karl Karl Karl Karl Karl
Extrahierte Ortsnamen: Aachen Rom Rom Paris Constanti- Griechenland
Karl der Große.
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Baiern-Herzog Thassilo vor den Reichstag zu Worms und
sandte, als er sich weigerte zu erscheinen, drei starke Heeres-
säulen gegen ihn ab. Thassilo überrascht und rathlos, unter-
warf sich. Aber schon 788 wurde er vor die Reichsversammlung
zu Ingelheim bei Mainz geladen, um sich wegen eines ver-
rätherischen Einverständnisses mit den Avaren zu vertheidigen;
da es ihm nicht gelang, wurde er abgesetzt und mit den Seini-
gen in ein Kloster gesteckt, Baiern aber nach fränkischer Weise
eingerichtet. Gegen die oben erwähnten Avaren, die slavischen
Nachbarn der Sachsen, wurde in den Jahren 791 — 798 ge-
stritten. Karls Sohn, Pipin, erstürmte das befestigte Hoflager
des avarischen Chans, den berühmten „Ring der Avaren", wo-
selbst sich eine unermeßliche Beute vorfand; eine dauernde Un-
terwerfung der mittlern und untern Donaugegenden aber ward
doch nicht erreicht.
Karl ist mehrmals in Rom gewesen; es gefiel ihm dort
ganz vorzüglich; kein Wunder, da die Städte in Deutschland
und Frankreich damals noch höchst elend gewesen sein mögen.
Keine seiner Reisen dahin war aber von so wichtigen Folgen,
wie die im Jahre 800. Die Veranlassung war folgende: Karl
war eben in Paderborn, als päpstliche Boten zu ihm kamen und
ihm den Papst Leo — Hadrian war vier Jahre vorher gestor-
den — anmeldeten. Sie erzählten, bei einer Procession sei er
von seinen Widersachern überfallen, fortgeschleppt, geschlagen
und aufs äußerste gemißhandelt worden und fast nur durch
ein Wunder dem Tode entgangen. Ein treuer Herzog habe ihn
nach Spoleto gerettet, und jetzt komme er selbst, um den großen
Karl um Hülfe anzuflehen. Karl empfing den heiligen Vater
in Paderborn nach seiner frommen Weise mit großer Ehrer-
bietung. „Ehre sei Gott in der Höhe!" rief Leo dem Könige
und der versammelten Menge zu; viele tausend Stimmen riefen
Amen; alle Anwesende fielen andächtig nieder und empfingen
den Segen. Nun ward Leo am Hofe herrlich bewirthet und
endlich ehrenvoll nach Rom zurückgesandt. Nächstes Jahr, so
versprach Karl, wolle er selbst hinkommen und die Frevler be-
strafen.
Er kam auch und hatte hier eine angenehme Ueberraschung,
wenn es ihm wirklich eine solche war. Als er nämlich am
Weihnachtstage in der Peterskirche andächtig vor dem Altare
gekniet und gebetet hatte und eben wieder aufstehen wollte, setzte
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Extrahierte Personennamen: Karl Thassilo Thassilo Karls Karl Karl Karl Leo_—_Hadrian Leo Karl Karl Karl Leo Leo Leo Leo Karl Karl
Extrahierte Ortsnamen: Mainz Baiern Sachsen Karls Rom Deutschland Frankreich Paderborn Spoleto Paderborn Rom Peterskirche
Karl der Große.
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an seinem Hofe hatte er eine solche Schule angelegt, in welcher
die Kinder seiner hohen oder niedern Hofbeamten unterrichtet
wurden. Einmal ließ er alle diese Knaben zusammenkommen,
um sie zu prüfen. Sie mußten ihm ihre Arbeiten vorzeigen —
und da fand sich denn, daß gerade die Kinder der Vornehmen
die schlechtesten, die der Geringern die besten Arbeiten geliefert
hatten. Da stellte Karl diese zu seiner Rechten, jene zu seiner
Linken und sprach zu den Fleißigen: „Habt vielen Dank, meine
Söhne, daß ihr meinen Befehlen zu euerm eignen Besten nach
Möglichkeit nachgekommen seid. Fahrt fort so fleißig zu sein!
dann sollt ihr künftig einmal gute Aemter von mir erhalten."
Run wandte er sein Gesicht nach der linken Seite und sprach
mit furchtbarer Donnerstimme und blitzenden Augen, daß alle
Kinder vor Angst hätten zu Boden sinken mögen: „Ihr Junker,
ihr Söhne der Vornehmen, ihr Weichlinge mit den glatten Ge-
sichtern, ihr habt euch auf eure Herkunft und eure Güter ver-
lassen und eure Zeit mit Müßiggang hingebracht! Aber" —
hier hob er drohend seine Rechte gen Himmel — „beim Könige
des Himmels! ich mache aus eurem Adel und eurer Schönheit
gar nichts! Wisset, daß ihr, wenn ihr nicht bald von eurer
Faulheit ablaßt, nie wieder ein freundliches Wort von mir hören
sollt!" Daß diese Rede gewiß bleibenden Eindruck gemacht haben
werde, läßt sich leicht denken.
Von Pracht war Karl kein Freund. Rur wenn fremden
Gesandten Audienz gegeben wurde, erschien er in glänzender
Kleidung. Dann trug er ein golddurchwirktes Kleid, die Schuhe
und das Schwert mit Edelsteinen besetzt und auf dem Haupte
eine goldene Krone. Dafür kleidete er sich alltags ganz einfach,
nicht viel besser als jeder gemeine Mann. Er trug ein Wamms
und Beinkleider von Leinwand, die ihm seine Frau und seine
Töchter selbst gewebt hatten, einen Rock mit einem seidenen Auf-
schläge und über die Strümpfe und Beinkleider kreuzweis bunte
Binden gewunden; dazu noch zuweilen einen weißen oder grünen
Mantel, und im Winter ein Wamms aus Ottersellen über Schulter
und Brust. Sein Schwert mit goldenem Wehrgehenk und Griff
— es ist noch übrig — war so schwer, daß ein Mann in unsern
Tagen es kaum aufheben, geschweige schwingen kann. Aller kost-
baren, besonders ausländischen Tracht war er ein großer Feind,
und es ärgerte ihn immer, wenn seine Hofleute mit der deutschen
Kleidung nicht zufrieden waren; diese Narrheit hatten also die
3*
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Extrahierte Personennamen: Karl Karl Karl Karl Karl
Karl der Große.
41
scheu, auch selbst aus dem Gipfel irdischen Glanzes.
Alles, was er am innigsten liebte, war jetzt todt; auch seine fünf
Frauen, seine liebsten Freunde, viele seiner Kinder waren ihm
vorangegangen in das Land, aus welchem Keiner wiederkehrt.
Einsam war er, der gute Kaiser, zurückgeblieben; von seinen vielen
Kindern lebten nur noch ein Sohn, gerade der unfähigste von allen,
und vielleicht fünf Töchter. Sein Leben neigte sich nun zu Ende.
Seine Gesundheit, sonst so fest, nahm zusehends ab, und den Rath
der Aerzte verschmähte er, weil sie ihm sein Leibessen, gebratenes
Fleisch, verboten. Da fühlte er seinen Tod herannahen. Er
schickte nack) seinem noch einzigen Sohne Ludwig, der in Aqui-
tanien (jetzt Guienne und Gascogne- König war, und ließ ihn
nach Aachen kommen. In feierlicher Versammlung aller seiner
Großen fragte er diese, ob sie ihn zum Herrn haben und ihm
treulich gehorchen wollten, und Alle riefen: „Ja! das ist Gottes
Wille!" — Am folgenden Tage ließ sich Karl, so schwach er auch
war, noch einmal als Kaiser schmücken. In vollem kaiserlichen
Ornate, die Krone auf dem Haupte, ging er in den selbsterbauten
Münster, kniete in langem, stillem Gebete mit seinem Sohne vor
denl Altare nieder und ermahnte ihn dann mit laut erhobener
Stimme vor der zahlreichen Versammlung: vor allen Dingen den
allmächtigen Gott zu fürchten und zu lieben, seinen Geboten in
allen Wegen zu gehorchen und die Kirche Gottes gegen Ruchlose
zu schirmen. Niemals möge er seine Gnade von seinen Schwestern
und andern Verwandten abwenden, immer die Priester ehren, sein
Volk wie ein Vater lieben, ein Tröster der Armen sein und
zu allen Zeiten vor Gott unsträflich wandeln. „Willst du das
Alles thun, mein lieber Sohn?" fragte er ihn zuletzt mit gerühr-
ter Stimme. — „Mit Freuden will ich gehorchen," ries Ludwig
mit Thränen aus, „und mit Gottes Hülfe Alles vollbringen, was
du mir geboten hast!" — „Nun, so nimm", sagte der Kaiser,
„die Krone mit eigenen Händen vom Altare und setze sie dir aufs
Haupt." — Das geschah, und nun wankte der gute alte Herr,
auf die Schulter seines Sohnes gestützt, wieder nach der Kaiser-
burg zurück und pries sich glücklich, daß sein Auge noch seinen
Sohn mit der Kaiserkrone gesehen habe.
Im Januar des Jahres 814 befiel ihn das Fieber heftiger
als zuvor. Da ließ er geschwind den Bischof Hildbald, seinen
Vertrauten, holen und verlangte das Abendmahl zu genießen, um
sich auf die letzte große Reise vorzubereiten. Vis zum folgenden
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Extrahierte Personennamen: Karl Ludwig Ludwig Karl Karl Ludwig Ludwig
Ludwig der Fromme und seine Söhne.
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einen so großen Mann, wie sein Vater gewesen war, solgte. In-
dessen müssen wir von ihm rühmen, daß er ein gutmüthiger Mann
war, dem es nie an gutem Willen, sondern nur an richtiger Be-
urtheilungskraft fehlte. Gleich seine ersten Schritte zeigten sein
gutes Gemüth. Er hielt einen Reichstag in Aachen, wo er er-
klärte: er wünsche zu wissen, wem unter der Regierung seines
Vaters Unrecht geschehen sei, dem wolle er es vergüten. Zu dem
Ende schickte er ehrliche und zuverlässige Männer im ganzen
Lande umher, die überall forschen mußten, wer über etwas zu
klagen hätte. Da fanden sich denn nicht Wenige, denen, ohne
Karls Vorwissen, von eigenmächtigen Grasen zu nahe getreten
war. Allen wurde erstattet, was sie verloren hatten, und sie
priesen mit Recht Ludwigs Güte und Gerechtigkeit.
Ludwig war ein höchst unglücklicher Mann; denn was kann
einem Menschen Traurigeres begegnen, als wenn seine Kinder
ungerathen sind! Und dieses Unglück hatte er. Er hatte drei
Söhne: Lothar, Pipin und Ludwig den Deutschen; un-
ter diese theilte er schon drei Jahre nach seinem Regierungsan-
tritte alle seine Länder, und das war die Quelle alles seines
Elends. Er mochte fühlen, der schwache Mann, daß er ein so
großes Reich nicht allein übersehen könnte. Aber die jüngern
Brüder meinten, der ältere wäre dabei zu sehr begünstigt worden,
und sahen diesen und den Vater mit scheelen Augen an. Doch
es sollte bald noch ärger kommen. Es lebte noch ein Sohn sei-
nes verstorbenen Bruders Pipin, Bernhard. Diesem gehörte
das Königreich Italien. Als er von der Theilung hörte, sprach er
unwillig: „Wie? warum bin ich übergangen, da mein Vater doch
älter als Ludwig war?" Er ließ sich bereden, mit dem Kaiser
Krieg anzusaugen; da dieser aber schnell auf ihn losging, bereute
er die Unternehmung, eilte nach Chalons an der Marne zu Lud-
wig und bat ihn fußfällig um Verzeihung. Schon wollte ihm
dieser die Empörung verzeihen; da meinten aber die Geistlichen,
das wäre zu voreilig, er sollte dem Gerichte die Sache überlassen,
und dies verurtheilte den Reuigen zum Tode. Gern hätte ihn
Ludwig begnadigt, aber er fürchtete sich wieder vor den Geist-
lichen; er schenkte ihm zwar die Todesstrafe, ließ ihm aber die
Augen ausstechen, und dies geschah mit solcher Rohheit, daß der
Arme schon nach drei Tagen an den Schmerzen starb. Jetzt fühlte
Ludwig Gewissensbisse und gelobte, lieber nie wieder ein Stras-
urtheil zu fällen; aber dadurch wurde das Unrecht nicht wieder
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Extrahierte Personennamen: Ludwig Karls Karls Ludwigs Ludwig Lothar Ludwig Ludwig Bernhard Ludwig Ludwig Ludwig Ludwig Ludwig_Gewissensbisse Ludwig
Heinrich der Städtegründer.
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fülle in Sachsen, verheerten das ganze Land, verbrannten die
offenen Städte, ermordeten die Menschen und trieben andern
greulichen Unfug; und wenn Heinrich seine Mannen gegen sie
führte, so halten diese eine solche Furcht vor den wilden Barbaren,
daß sie sich nicht an sie herantrauten. Da hielt er es für des-
ser, erst seine Sachsen nach und nach an den Krieg zu gewöhnen,
und ging mit den Ungern einen neunjährigen Waffenstillstand
ein, wofür er ihnen jährlich einen Tribut bezahlte. Diese neun
Jahre benutzte er nun herrlich, theils seine Leute im Kriege ge-
gen die in der jetzigen Mark und in Sachsen wohnenden slavi-
schen Völker, an deren Grenzen er Brandenburg befestigte
und das Schloß Meißen erbaute, zu üben, sie in Reihe und
Glied streiten zu lassen, theils die Städte seines Landes mit
Mauern zu umgeben. Er wird daher der Stüdteerbauer genannt.
Auch legte er viele neue Schlösser und Städte an. Damit nun
diese bevölkert würden, befahl er, daß von den Landbewohnern
immer der neunte Mann nach der Stadt zöge und da für hin-
längliche Wohnungen sorgte, damit, wenn die Ungern einmal
wiederkämen, die andern acht mit ihren Sachen hineinfliehen
könnten. Dafür mußten sie aber auch dem Stadtbewohner den
dritten Theil ihres Kornes geben, welches er theils für sich ge-
brauchte, theils für den Nothsall für Alle aufbewahrte. Eine
treffliche Einrichtung! Dadurch ist Heinrich recht eigentlich der
Stifter des Bürgerstandes geworden.
Nun waren die neun Jahre um. Heinrich berief seine Sach-
sen zu einer großen Volksversammlung. „Jetzt ist", sprach er,
„das Reich beruhigt; nur die Ungern sind noch unbezwungen.
Bisher habe ich euch besteuern müssen, um diesen Feind zu be-
reichern, nun muß ich gar Kirchen und Geistlichkeit berauben, um
ihrer Raubsucht zu genügen, bis uns zuletzt nichts als das nackte
Leben übrig bleibt. Wollt ihr nun. daß ich den Gott geweihten
Schatz angreife und den Feinden der Christenheit gebe, oder ihn
vielmehr zur Ehre Gottes anwende?" Da rief das Volk laut,
es begehre, daß das Geld dem heiligen Gotte geweiht werde. Es
hob die Hände gen Himmel und gelobte dem Könige treuen Bei-
stand. Nun kamen die Gesandten der Ungern und verlangten
den Tribut. Aber Heinrich gab ihnen einen räudigen Hund, dem
Ohren und Schwanz verstümmelt waren, mit dem Beifügen: wenn
die Ungern einen andern Zins begehrten, so möchten sie ihn
Weltgeschichte fiir Töchter. Ii. 14. Äufl. 4
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Extrahierte Personennamen: Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich
50 Mittlere Geschichte. 2. Periode. Deutschland.
mit den Schwertern holen.*) Drohend gingen die Boten fort.
Im Frühjahr 933 erschien ein ungeheueres Heer Ungern. Der
Schrecken ging vor ihnen her; sie verwüsteten und verbrannten
alle Felder und Oerter, die sie erreichten. Viele Männer wur-
den ermordet, Weiber und Kinder als Sklaven mitgeführt. So
kamen sie in die Gegend von Merseburg; hier, glaubten sie,
sei ein Schatz verwahrt. Heinrich eilte schnell herbei mit allen
Mannen, die er beisammen hatte, und lagerte sich auf einem
Hügel, von welchem er mehrere Tage in das Blachfeld, wo die
Ungern im Lager standen, hinabstieg, um seine Leute an den An-
blick der wilden Krieger zu gewöhnen. Ehe er die Schlacht wagte,
schickte er eine Reiterschaar in einen hohlen Weg in die Seite
der Ungern, um von da zur rechten Zeit hervorzubrechen. Nun
sammelte er alle Mannen um sich, ermahnte sie, auf die göttliche
Hülse zu vertrauen; dort, sagte er, stehe der gemeinsame Feind;
das Vaterland fordere Rache; männlicher Muth werde sicherlich
über die Wildheit des Feindes siegen. Mit Vertrauen blickte
das Heer auf zu dem Bilde des Engels aus der hochflatternden
Reichsfahne und hin auf den König, der, vor Allen hervorragend,
sie in das Feld hinabführte. Als er nun dicht vor dem Feinde
stand, betete er — und das ganze Heer mit ihm — noch einmal
zu Gott um Sieg, gab das Feldgeschrei: „Herr, erbarme dich!"
und nun ließ er einbrechen. Zugleich stürzten die im Hohlwege
verborgenen Reiter hervor in den Rücken der Ungern, die zu-
letzt, an Allem verzweifelnd, sich zur schleunigen Flucht wandten.
Die wenigsten sahen ihr Vaterland wieder; viele wurden in der
Schlacht, Viele auf der Flucht von den aufgebrachten Bauern
erschlagen. In ihrem verlassenen Lager fand man die ganze
Schaar der zusammengebundenen Weiber und Kinder, die nun
*) Recht naiv drückt sich darüber eine Chronik aus dem 15. Jahrhundert
in dem damals gebräuchlichen Dialekt aus: „Do zcogin dy Ungirn in Doringen
unde vordirtin jerlichen zcinß von den Doringin, unde von den andern Dutz-
schin. Do sante Konnig Henrich en zcu zcinse eynen schebcchtin Hunt, deine wa-
rin dy orin unde der zcagil abegesnetin, unde enpod en, wer eynen andirn
zcinß von den Doringin habin Wolde, das her queme, unde holete en, wanne
her wolde." D. i.: „Da zogen die Ungern nach Thüringen, und forderten
den jährlichen Zins von den Thüringern und von den andern Deutschen. Da
sandte König Heinrich ihnen zum Zins'einen schäbichten Hund, dem waren die
Ohren und der Schwanz abgeschnitten, und entbot ihnen, wer einen andern
Zins von den Thüringern haben wollte, daß er käme und holte ihn, wann er
wollte."
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Extrahierte Personennamen: Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Merseburg Blachfeld Doringen
Heinrich der Städtegründer. 51
Gott inbrünstig dankten, der schmählichen Knechtschaft so glücklich
entgangen zu sein. Viele Tausende der erschlagenen Ungern
wurden auf dem Wahlplatze beerdigt; man sieht die Todtenhügel
noch heutigen Tages und nennt sie Hunnengräber. Heinrich ging
zurück nach Merseburg; mit gerührtem Herzen sang er hier das:
Herr Gott, dich loben wir! und ließ zum Andenken die Schlacht
im Speisesaale seines dortigen Schlosses abmalen. Seitdem hat
das nördliche Deutschland die Ungern nur noch ein Mal und
nur auf kurze Zeit gesehen; Heinrich hatte ihnen das Land
verleidet.
Bald daraus (936) starb der treffliche Mann.*) Als er sei-
nen Tod nahe fühlte, ries er seine Frau Mathilde an sein La-
ger. „O du mir immer treue, mit Recht inniggeliebte Gattin,"
sprach er, „wie danke ich Gott, daß ich dich lebend zurücklasse!
Ach! nie hat wohl ein Mann eine durch Treue bewährtere, in
allein Guten erprobtere Gattin gehabt! Daher Dank dir, du
Fromme, daß du meine aufbrausende Heftigkeit so oft besänftigt
und in allen Fällen durch einen weisen Rath mich geleitet, daß
du mich so oft von der Unbilligkeit zur Gerechtigkeit zurückgeru-
fen und mich so treulich ermahnt hast, dem Unterdrückten Hülfe
zu bringen. -Jetzt übergebe ich dich und unsere Söhne dem Schutze
des allmächtigen Gottes und dem inbrünstigen Gebete der Aus-
erwählten des Herrn, und zugleich auch meine Seele, die sich
schon den Fesseln des Körpers entwindet." Während nun Ma-
thilde voll schmerzlicher Rührung in die Kirche ging, um sich hier
recht auszuweinen und ihr und ihres Gatten Loos ganz Gott
anheim zu stellen, entschlief Heinrich. Ein lautes Klagegeschrei,
das zu ihren Ohren drang, meldete ihr das Geschehene.- Da
warf sie sich in ihrem unendlichen Schmerze auf die Kniee nieder
und empfahl die Seele ihres entschlafenen Mannes in die Hände
Gottes. Noch ist von ihm zu merken, daß er als der Stifter
des Ritterwesens betrachtet werden kann. In den neun Jah-
ren, in welchen er den Ungern den Tribut bezahlte, führte er
zur Uebung der Edelleute Waffenspiele ein, damit sie Geschick-
lichkeit mit Stärke verbinden lernten. Bisher hatten die Leute
nichts gethan, als jagen und zechen. Run fanden sie aber sol-
*) Er und seine Frau Mathilde liegen in Quedlinburg in der Schloßkirche
begraben. Aber die Grabsteine sind so tief in die Erde gesunken, daß sie jetzt
nicht mehr zu sehen sind; doch weiß man noch die Stellen, wo beide liegen.
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Extrahierte Personennamen: Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Mathilde Heinrich Heinrich Mathilde
Extrahierte Ortsnamen: Merseburg Deutschland Gottes Gottes Quedlinburg
Die Ungern in Franken und Belgien.
55
indessen heftig angegriffen und keine Art des Geschosses geschont.
Dagegen wehrten sie sich nach ihren besten Kräften, und Knechte,
Cleriker und Mönche,' obgleich diesem Orden das Handhaben der
Waffen verboten ist, widerstanden, da es aus Erhaltung des Le-
bens ankam, in einem Haufen zusammengedrängt, mit Nachdruck.
Da sie aber doch endlich an der Rettung verzweifelten, hörte man
sie nach gewohnter Weise rufen: Herr! o Herr! erbarme dich! —
und: Heiliger Ursmar, hilf, o hilf uns! — Schon umarmten stch
die Unglücklichen zum letzten Male und nahmen für immer Ab-
schied, jeden Augenblick die Uebergabe erwartend — siehe! da
flogen, zum Zeichen, daß sich Gott ihrer erbarmt habe, zwei Tau-
den hinter dem Altare hervor. Sogleich erfolgte ein heftiger Re-
gen, welcher die Sehnen der feindlichen Bogen erschlaffte und die
Geschicklichkeit der Ungern zu Schanden machte. Da kam eine
solche Furcht und ein solches Grauen über diese, daß sie ihre
Flucht beschleunigten und die Anführer selbst nüt Knuten aus Die
einhieben, welche noch verweilten."
So und noch ärger ging es zu überall, wohin die Ungern
kamen, und wir haben noch mehrere grausenhafte Beschreibungen
ihrer Unthaten von Augenzeugen übrig. Zu Anfang des Jah-
res 955 erhielt Otto, da er gerade in Sachsen war, Eilboten
aus Baiern: er möchte doch schnell zu Hülfe eilen; die Ungern
wären in furchtbarer Menge wieder eingefallen. So war es auch
wirklich. Durch Oestreich waren sie gekommen und drangen, wie
gewöhnlich, alle festen Städte vermeidend und alle offenen ab-
brennend, bis an den Lechfluß vor, wo sie Augsburg an-
griffen , weil sie es für die Niederlage aller großen Reich-
thümer der umliegenden Länder hielten. Die Bürger der Stadt
überließen sich der Angst und Verzweiflung; da war ihnen
der ehrwürdige Bischof der Stadt, Udalrich, eine rechte Stütze.
Er sammelte sie zum Gebet vor dem Altare des Herrn, sprach
den Muthlosen Muth ein und verwies sie auf Den, von dem
allein alle Hülse in der Noth kommt. Da er aber wohl, erwog,
daß jeder unthätige Glaube ein verkehrter ist, so munterte er auch
die Bürger zur genauen Bewachung der Mauern auf und schickte
dem Otto Boten entgegen, seine Schritte zu beflügeln, damit er
für die geängstigte Stadt nicht zu spät komme.*) Otto kam eilends
*) Der fromme Udalrich (Ulrich) liegt in Augsburg in einer ihm geweih-
ten großen und schönen Kirche begraben und wird hier von den Katholiken als
Heiliger verehrt.
TM Hauptwörter (50): [T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
TM Hauptwörter (100): [T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T83: [Karl Heinrich König Otto Sohn Reich Kaiser Sachsen Ludwig Herzog], T42: [Körper Wasser Luft Blut Mensch Pflanze Haut Tier Speise Stoff], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser]]
TM Hauptwörter (200): [T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T121: [Feind Reiter Pferd Heer Mann Flucht Lager Soldat Seite Reiterei], T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat], T97: [Heinrich Herzog Graf Erzbischof König Grafe Kaiser Stadt Herr Mainz], T143: [Stadt Kind Tag Haus Straße Mann Mensch Weiber Nacht Soldat]]
Extrahierte Personennamen: Otto Muth Otto Otto Ulrich)
Adel. Ritterwesen.
57
ich habe die Kränkung gewiß durch meine Sünden verdient."
Und fortan blieben sie die besten Freunde.
Ein ander Mal belagerte er die Burg eines Grafen Eber-
hard, mit dem er sich überwarfen hatte, und da er lange ver-
geblich davor lag, beschloß er endlich, sie durch List zu überrum-
peln; er ließ nämlich den Grasen zu einem Gastmahle in sein
Zelt einladen, und während des Festes sollten sich Otto's Krieger
aus die Burg werfen. Der Graf kam; nach der Mahlzeit wurde
getanzt; er tanzte mit Otto's Schwester, der schönen Hedwig, die
inniges Mitleid mit dem Manne empfand, der in der Zeit, wo
er sich so sorglos dem Vergnügen hingab, verrathen werden sollte.
„Es komme daraus, was da wolle," dachte sie, „ich will ihn
warnen; ehrlich währt ja am längsten." Sie flüsterte ihm also
zu, er solle sich vorsehen; das und das solle jetzt geschehen. Der
Gras dankte, schlich sich eilends fort, und als die Soldaten Otto's
anrückten, wurden sie wohlvorbereitet empfangen und zurück-
getrieben. Otto erfuhr bald die Ursache des Mißlingens; aber
er war gegen seine Schwester nicht ungehalten, und als der Gras
um die Hand seiner Wohlthäterin anhielt, gab er sogleich seine
Einwilligung.
Otto I. starb plötzlich 973 aus dem Schlosse Memleben in
Thüringen, und liegt zwischen seinen Frauen Edith und Adelheid
im Dome in Magdeburg vor dem Altare begraben.
59. Ritterwesen — Faustrecht — Turniere.
Schon bei den alten Germanen gab es einen Unterschied
der Stände; es gab Freie und Unfreie oder Rechtlose; und
unter Jenen, wie unter Diesen fand wieder ein Unterschied statt.
Die Freien schieden sich in gemeine Freie und edle Freie (Ede-
linge oder Adelinge), von welchen die letzteren allein die ursprüng-
lich Freien (die Semperfreien) waren, welche ein angebornes
Eigenthum, Allod, nach dem Erstgeburts-Recht vererbbar, be-
saßen. Außer ihnen gab es noch zins- oder dienst-pflichtige Hö-
rige (Leute, Liten) und Sklaven (Schalke), die als Kriegsgefan-
gene, im Spiel oder aus andere Art ihre Freiheit verloren hatten
und völlig rechtlos waren. Aus diesen Liten und Schalken, welche frei
gelassen werden konnten, bildeten sich die gemeinen Freien, die
aber erst in der dritten Generation in den Genuß aller Rechte
der Freien traten.
TM Hauptwörter (50): [T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
TM Hauptwörter (100): [T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T83: [Karl Heinrich König Otto Sohn Reich Kaiser Sachsen Ludwig Herzog], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
TM Hauptwörter (200): [T145: [Bauer Adel Land Stadt Bürger Herr Stand Recht Gut König], T72: [Kloster Kirche Jahr Bischof Kaiser Karl Otto Dom Grab Leiche], T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch]]
Extrahierte Personennamen: Hedwig Otto Otto_I. Edith