104 Mittlere Geschichte. 3: Periode. Kreuzzüge.
funkelnden Augen und einem hinreißenden Feuer der Beredtsam-
keit von dem unglücklichen Zustande der Christen im heiligen
Lande: wie er früherhin ein Einsiedler gewesen; wie es ihm in
seiner Zelle zu enge geworden; wie ihn der Drang, das heilige
Grab zu sehen, nach Jerusalem getrieben; wie er dort mit In-
brunst am Grabe des Erlösers gebetet, aber mit herzzerreißendem
Jammer den Uebermuth der Ungläubigen und die Mißhandlun-
gen der armen Christen gesehen habe; und wie endlich der feste
Wille in ihm entstanden sei, zurückzugehen nach Europa und alle
Völker und ihre Fürsten aufzufordern, daß sie das Grab des Heilan-
des von der Schmach befreiten, von den Ungläubigen entehrt zu
werden. Urban hörte mit Erstaunen den flammenden Worten
des Feuerkopfes zu und erkannte bald, daß das der rechte Mann
sei, um die Völker zu einem solchen Zuge nach Jerusalem auf-
zuregen. Er sah ihn freundlich an, befahl ihm, Italien und
Frankreich zu durchziehen und die Gemüther auf einen solchen
Zug vorzubereiteil; er selbst würde dann schon das Uebrige thun.
Kukupeter bestieg seinen bescheidenen Esel und reiste damit
durch Italien und Frankreich. Von allen Seiten strömten die
Leute herbei, wenn sie seinen sonderbaren Aufzug sahen. Wirk-
lich hatte inan einen so seltsamen Mann noch nicht gesehen. Auf
einem kleinen Esel saß ein kleines, halbvertrocknetes Männchen,
welches fast nur aus Haut und Knochen bestand, obgleich erst
41 Jahre alt. Ein graues Pilgerkleid, mit einem Stricke zuge-
bunden, hing ihm bis auf die nackten Füße herab, dasselbe, in
dem er nach Jerusalem gepilgert war. Hinten am 'Nacken hing
daran eine elende Kapuze, die er, wenn es regnete, über den
Kopf zog, um welchen herum seine schwarzen ungekämmten Haare
flatterten. So sah das Männchen aus, das den Leuten wie ein
Gespenst vorkam. Aber ans seinem hagern Gesichte leuchteten
ein Paar Augen hervbr, die wie Sterne blitzten, wenn er seine
Rede begann. Sah er einen Haufen Menschen um sich, dann
hielt er seinen Esel an, hob das Crucifix, das er immer in der
Hand trug, hoch in die Höhe und schilderte ihnen nun mit hin-
reißendem Flusse der Rede die Noth der Christen im Gelobten
Lande. Er erzählte ihnen, wie er in der Stille der Nacht vor
seiner Abreise nach dem heiligen Grabe gewandert sei; dort habe
er, umweht von den Schauern der geweihten Stätte, mit heißer
Inbrunst stundenlang knieend gebetet und sei endlich vom Schlum-
mer überfallen worden. Da sei ihm im Traume der Erlöser er-
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Extrahierte Personennamen: Urban
Extrahierte Ortsnamen: Jerusalem Europa Jerusalem Italien Frankreich Italien Frankreich Jerusalem
80 Mittlere Geschichte. 2. Periode. Deutschland.
aber der Papst seine Behauptung so keck hinstellte und sie in der
Geschichte der Vorzeit nicht sehr bewandert waren, so dachten sie:
,,Er muß doch wohl wissen, was er sagt!" und unterwarfen sich.
Und so machte es Gregor mit mehreren Fürsten. Ueber Kaiser
Heinrich erklärte er sich, er habe die Absicht, ihn nächstens durch
Gesandte zu unterweisen, was er zum Heile der Kirche und zur
Ehre der königlichen Würde zu thun habe. Werde er auf seine
Vorschriften hören, so würde er sich freuen; wenn er aber ihm
Ungehorsam bewiese, so würde er ihm zeigen, was er vermöchte.
Heinrich war damals in einer sehr mißlichen Lage, in die er
sich aber selbst gestürzt hatte. Die Sachsen sahen jetzt deutlich,
daß er sie ganz zu Boden drücken wollte. Alle Tage stürzten
die königlichen Kriegsknechte wie Räuber über das Eigenthum
der Sachsen her, forderten willkürlich Zölle und Abgaben, führ-
ten ganze Heerden hinweg, zwangen die Einwohner als Knechte
zu dienen, und wenn Einer nur murrte, wurde er gleich ins
Gefängniß geworfen, aus dem Niemand anders loskam, als mit
Hingebung seines ganzen Vermögens. Klagte man beim Kaiser,
so erhielt man kein Gehör oder wurde mit schnöden Worten
zurückgeschickt. Einmal berief Heinrich alle sächsischen Fürsten
nach Goslar, mit ihnen Wichtiges zu berathen. Alle kamen und
warteten aus das Erscheinen des Kaisers. Sie warteten eine
Stunde und wieder eine, bis endlich ganz spät am Abend ihnen
ein Höfling den Bescheid brachte, sie könnten nur wieder aus-
einander gehen, der Kaiser habe keine Zeit. Zugleich erfuhren
sie, er habe indessen am Würfelspiele gesessen! So unklug rannte
Heinrich in sein Unglück hinein!
Die Sachsen traten zusammen und rathschlagten, was zu
thun sei. Viele wollten gleich dareinschlagen; aber die Vernünf-
tigeren wollten noch einmal erst den Weg der Güte versuchen.
Sie schickten drei Abgeordnete an Heinrich, der eben wieder in
Goslar war. Sie sprachen: „Adeligster König! Das Volk der
Sachsen, welches keiner Nation an Muth wie an Treue nachsteht,
bittet dich, die Rechte der Altväter, die alte Freiheit des Landes,
ihm wiederzugeben. Ausländer und Dürftige maßen sich mit
Gewalt unsere Güter an und entziehen Eingeborenen die Wal-
dungen, Weiden und Heerden. Lässest du uns nach vaterländi-
scher Sitte leben, so wird kein Volk in Deutschland und Frank-
reich treuer und ergebener gefunden werden." — Das war gut
und vernünftig gesprochen. Heinrich aber fuhr sie stolz an und
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Extrahierte Personennamen: Gregor Gregor Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Sachsen Goslar Sachsen Goslar Sachsen Deutschland Frank-
110 Mittlere Geschichte. 3. Periode. Kreuzzüge.
Ungern, ein zwar nun schon christliches, aber doch noch sehr rohes
Volk, ließen den Walther mit seiner Horde zwar ein, und ihr
König K.olomann versprach auch, die nöthigen Lebensmittel ge-
gen Bezahlung zu liefern. Aber um Ordnung zu halten, war
das Gesindel nicht ausgezogen. Sie zerstreuten sich im Lande,
plünderten — und wurden zum Theil todtgeschlagen. Noch
schlimmer ging es ihnen im Lande der Bulgaren, so daß nur ein
kleines Hänschen bei Constantinopel ankam, welches froh war, daß
der griechische Kaiser Alexius Comnenus ihm die Erlaubniß gab,
bis zur Ankunst Peters ein Lager vor den Thoren aufschlagen
zu können.
Nun kam Peter mit 40,000 nach, die nicht viel besser als
des Walthers Leute waren. Doch ging anfangs Alles gut. Die
Ungern hielten Friede, weil Peter Ordnung hielt. Schon war
dieser fast an die letzte Grenze gekommen, da hörte er, daß in
einer vor ihm liegenden Stadt (Semlin) 16 Kreuzfahrer von
Walthers Haufen, weil sie geplündert hatten, von den entrüste-
ten Einwohnern erschlagen worden wären. Dies hören und die
Stadt stürmen lassen, war Eins. Die armen Einwohner, die
meist an jener That ganz unschuldig waren, wurden säst alle er-
mordet, die Stadt fünf Tage lang geplündert und ein entsetz-
liches Blutbad angerichtet. Das that der heilige Peter. Frei-
lich mußte er nun eilen, daß er über die ungarische Grenze kam;
denn schon war der König im Anzuge, die Greuelthat zu rächen.
Auch in Bulgarien benahm sich Peter so unklug, daß er sich mit
den Einwohnern ganz überwarf. Er erlitt eine ungeheuere
Niederlage; der vierte Theil seiner Leute lag blutend aus dem
Wahlplatze, und sein ganzes Gepäck und eine Menge mitgezogener
Weiber, Kinder, selbst Nonnen, fielen in die Hände der wilden
Bulgaren. Gedemüthigt kam er mit dem Ueberreste bei Con-
stantinopel an, und er und Walther klagten sich nun gegenseitig
das erlittene Unglück, an dem sie doch beide allein schuld waren.
Auch Petern erlaubte der Kaiser, das Heer Gottfrieds zu erwarten.
Aber diese beiden Haufen waren nicht die einzigen. Auch
in Deutschland erhob sich die Begeisterung und wurde von
schwärmerischen Geistlichen zur lichten Flamme angeblasen. Der
Eine hatte um die Zeit der Versammlung in Clermont Sterne
vom Himmel regnen gesehen; ein Anderer zwei Männer zu Pferde,
die am hellen Tage am Himmel miteinander kämpften und von
denen der eine den andern mit einem großen Kreuze niederschlug;
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Extrahierte Personennamen: Alexius_Comnenus Peters Peter Peter Walthers Peter Peter
Extrahierte Ortsnamen: Constantinopel Bulgarien Heer_Gottfrieds Deutschland Clermont
126
Mittlere Geschichte. 3. Periode. Kreuzzüge.
Absicht wurde von Allen, die davon hörten, höchlich gelobt und
die Stiftung reichlich beschenkt, so daß ein Flügel nach dem an-
dern angebaut und die Zahl der pflegenden Mönche recht ver-
mehrt werden konnte. Indessen wurde Jerusalem von den Krxuz-
sahrern erobert und nun theilten sich die zum Johanniter-
orden gehörenden Mitglieder in drei Classen. Ein Theil pflegte
die Kranken und Fremden, ein anderer besorgte die kirchlichen
Geschäfte, und ein dritter, welcher aus Rittern bestand, geleitete
die wehrlosen Pilger durch die Umgebungen von Jerusalem, wo
die Sarazenen umherschwärmten, bis an die See. Dieser wohl-
thätige Orden erhielt immer mehr Geschenke, selbst an Gütern in
Europa, und als er endlich aus Palästina verdrängt wurde, er-
hielt er die Insel Cypern, späterhin Rhodns und zuletzt (im
16. Jahrhunderte) Malta zum Aufenthalte. Von letzterm nannte
er sich den Malteserorden, und alle aufzunehmende Ritter muß-
ten den Türken ewige Feindschaft schwören. Jetzt ist der Orden
allmälig untergegangen, seitdem die Engländer sich Malta's be-
mächtigt haben. Nur wenige Malteserritter mögen noch leben.
Der preußische Johanniterorden ist zwar aus ihm hervorgegan-
gen, aber er war zuletzt nichts als jeder andere Orden, und
wurde von dem Könige von Preußen als Zeichen seiner Gnade
nach Gutbesinden ertheilt. Jetzt ist wieder ein Ritterorden mit
der Bestimmung christlicher Werkthätigkeit daraus gemacht worden.
Die Tempelherren entstanden erst 20 Jahre nach der Er-
oberung Jerusalems aus einer Verbrüderung von neun Rittern,
die sich verbanden und das Gelübde ablegten, gleich den Jo-
hanniterrittern die Pilgrime aus den unsichern Wegen zu gelei-
ten und zu beschützen. Ihren Namen erhielten sie, weil das
Haus, in welchem sie ihren Sitz hatten, in der Nähe des ehema-
ligen jüdischen Tempels stand. Anfangs waren sie so arm, daß
je zwei auf einem Pferde saßen, weil sie nur fünf Pferde auf-
bringen konnten. Aber kein Orden erhielt so reiche Schenkungen
als dieser, besonders in Frankreich, und noch nicht 30 Jahre
nach seiner Stiftung besaß er schon über 9000 Güter. Die mei-
sten Tempelherren oder Templer waren Franzosen. Ueber diese
Leute erging späterhin ein trauriges Geschick, welches lie sich zum
Theil wohl selbst zuschreiben konnten, wenn auch die gegen sie
geltend gemachte Beschuldigung keinen Grund hatte.
Jedenfalls nahm der Orden allmälig eine seinem Grundprin-
cip widerstreitende Richtung an. So z. B. traten die Templer
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Extrahierte Ortsnamen: Johanniter- Jerusalem Europa Palästina Cypern Malta Frankreich
Tempelherren.
127
in enge Verbindung mit dem Sultan von Aegypten und entzo-
gen sich gänzlich der Verbindung mit der christlichen Kirche, in-
dem ihr Großmeister auch ihr einziges geistliches Oberhaupt mit
unbeschränktem Absolutionsrecht wurde. Ihren Untergang aber
führte fürstliche Habsucht herbei. Eill König von Frankreich,
Philipp der Schöne, wurde nach ihren vielen und schönen
Gütern lüstern und ließ im Einverständnisse mit dem Papste
Clemens V., — dem ersten, der in Avignon seinen Sitz aus-
schlug — im Jahre 1307 an Einem Tage plötzlich alle Templer
in ganz Frankreich festnehmen und in die Kerker werfen. Er
gab ihnen strafwürdige Verbrechen schuld, an die sie gewiß nie
gedacht hatten, und ließ alle, welche die Beschuldigung ableugne-
ten, aus die Folter bringen. Viele erlagen den schrecklichen Mar-
tern und gestanden Alles ein, was man verlangte; wenn sie aber
nachher die erzwungenen Aussagen wieder zurücknahmen, so wur-
den sie gleich zum Scheiterhaufen abgeführt. Ein damals leben-
der Schriftsteller schildert eine solche Greuelscene: „Vierundfuuf-
zig Tempelherren wurden vor dem Thore St. Antoine außerhalb
Paris in einen großen Park abgeführt. Alle waren in der
Blüthe des Lebens. Nachdem mau ihnen die Ordenstracht ab-
gerissen, band man jeden einzelnen an einen Pfosten; man rückte
Feuer an ihre Füße immer näher und näher, und versprach ihnen
dabei Freilassung, wenn sie die ihnen schuldgegebenen Verbrechen
eingeständen. Mitten unter diesen Qualen drangen Verwandte
und Freunde in sie, sich doch von so gräßlichem Tode zu retten.
Alle blieben aber unerschüttert und betheuerten mit Thränen
und durchbebendem Geschrei ihre Unschuld und ihr unentweihtes
Christenthum. Sie riefen Christus, die heilige Jungfrau und alle
Heiligen an, und starben so, zu Asche verbrannt, unter unsäg-
lichen Martern." — Aus den gezwungenen Aussagen Derer, die
den Schmerzen der Folter unterlagen, wurde nun eine Anklage-
aete geschmiedet und der ganze Orden für aufgehoben erklärt.
Daß sich der König durch die eingezogenen Güter bereicherte,
verjteht sich von selbst; denn dazu war ja der ganze Proceß ein-
geleitet worden. Funfzehntausend Ritter wurden so entweder
bettelarm, oder schmachteten in Gefängnissen, oder starben auf
dem Scheiterhaufen. Das letzte Schicksal traf auch den Groß-
meister des Ordens, Jacob Molai, einen alten, ehrwürdigen
Mann, der sich durch Heldenthaten gegen die Türken ausgezeich-
net hatte. In dem Augenblicke, als er (1313) auf dem Scheiter-
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Extrahierte Personennamen: Philipp_der_Schöne Philipp Clemens_V. Antoine Christus Jacob_Molai
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Avignon Frankreich Paris
128 Mittlere Geschichte. 3. Periode. Krcuzzügc.
Haufen stand*) und die Flammen emporloderten, rief er mit lau-
ter Stimme: „0 es giebt im Himmel einen gerechten Richter,
den der Unterdrückte nicht vergebens anrufen darf. Vor diesen
fordere ich dich, römischer Papst, binnen 40. Tagen. Und du,
Philipp, o mein König! ich verzeihe dir zwar; aber vergebens!
Dein Leben ist verwirkt; binnen Jahresfrist finde ich dich vor
Gottes Throne!" — Und wirklich, ehe noch 40 Tage entschwun-
den waren, starb der Papst, der in die Aufhebung des Ordens
gewilligt hatte, mit bitterer Reue über die gegen den Orden ver-
übte Gewaltthat, und König Philipp lebte nur noch ein Jahr-
Er siechte seit Molai's Verbrennung dem Tode entgegen, ohne
daß die Aerzte die Quelle des Uebels entdeckt hätten. Ein an-
derer Bericht sagt, er sei auf der Jagd mit dem Pferde gestürzt;
dies habe ihn noch eine Strecke fortgeschleift und furchtbar zer-
rissen nach Fontainebleau gebracht, wo er seinen Geist aufge-
geben.
Zn einem dritten Orden noch gaben die Kreuzzüge Veran-
lassung, zum deutschen Orden. Unter den vielen Klöstern
und Krankenhäusern, die in Jerusalem angelegt waren, befand
sich auch eins für deutsche Pilger. Die Gesellschaft, welche sich
zu dieser wohlthätigen Stiftung vereinigt hatte, nannte sich die
Brüderschaft des deutschen Hauses unserer lieben Frauen zu Je-
rusalem. Mit diesem Vereine verband sich nachher eine ähnliche
Anstalt, die von einigen Kaufleuten und Pilgern aus Lübeck und
Bremen bei der Belagerung von Acre gestiftet war, und hieraus
entstand nun — aber erst 100 Jahre nach dem ersten Krenzzuge
— ein Ritterorden, der sich der deutsche Orden nannte, und auch
reiche Geschenke an Gütern, besonders in Deutschland, erhielt.
Nachdem die Ritter aus Palästina verdrängt worden und nach
*) Auf einer kleinen Insel der Seine, ungefähr da, wo Heinrichs Iv. Bild-
säule steht. Als Molai vom Erzbischof von Albi, dem Oberkctzerrichter, aufge-
fordert wurde, sein letztes Gcständniß zu wiederholen, trat er vor, bat laut um
Gehör und sprach, als Richter und Volk in erwartungsvoller Stille auf ihn
blickten, mit fester Stimme: „Auf der Schwelle des Todes, wo auch die leiseste
Lüge schwer wiegt, gestehe ich im Angesichte des Himmels und der Erde, daß
ich eine große Sünde begangen, weil ich, mein Leben zu retten und dem Ueber-
maße der Martern zu entgehen, zugleich durch Schmeichelworte des Königs und
des Papstes verlockt, gegen meinen Orden mich erhoben habe. Jetzt aber, ob-
gleich ich weiß, welches Loos meiner harrt, will ich keine neue Lüge zu der alten
häufen, und indem ich erkläre, daß der Orden sich stets rein von Schandthaten
erhalten hat, verzichte ich freudig auf mein Leben."
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Extrahierte Personennamen: Philipp Philipp Philipp Philipp Heinrichs Heinrichs Erzbischof_von_Albi
Extrahierte Ortsnamen: Fontainebleau Jerusalem Bremen Deutschland Palästina
140
Mittlere Geschichte. 3. Periode. Kreuzzüge.
Legaten, der Graf Simon von Montfort, der nach der Graf-
schaft Toulouse lüstern war. Am schrecklichsten war das Schicksal
der Stadt Veziers (unweit des Meerbusens von Lyon), wo
auf Befehl des päpstlichen Legaten 7000 Menschen in einer
Kirche, in welche sie sich geflüchtet hatten, verbrannt und dann
die übrigen Einwohner, 20,000 an der Zahl, ermordet wurden,
und zwar um der Religion willen! Wer gefangen wurde, den
verbrannten die Katholiken, auch wenn er seine Ueberzeugung
widerrief. Der Krieg endete erst nach 24 Jahren, nachdem
Hunderttausende das Leben verloren hatten und das schöne
Süd-Frankreich zur Wüste geworden war. Montfort erlebte das
Ende des greulichen Krieges nicht; er wurde bei der Belagerung
von Toulouse durch einen Steinwurf getödtet. Die meisten
Albigenser waren erschlagen worden; die wenigen Geretteten
suchten in den Gebirgen Zuflucht. So endete einer der schänd-
lichsten Kriege, zu dem die Verkehrtheit religiöser Ansichten ge-
führt hatte. Ein schreckliches Denkmal aber hinterließ er in der
Stiftung des Jnquisitionsgerichtes, welches zur Aufspürung der
Ketzereien gegründet wurde. (Abschnitt 70.)
Bald nach Ludwigs Ix. Tode hörten die Züge nach Palä-
stina ganz auf; denn 21 Jahre daraus (1291) nahmen die Mu-
hamedaner die letzte Stadt, welche die Christen dort gehabt hat-
ten, Acre, ein, und überdies war der Eifer für die Eroberung
des heiligen Grabes ziemlich abgekühlt. Man kann annehmen,
daß diese Züge, aber freilich mit Unterbrechungen, etwa 200 Jahre^
d. i. von 1096—1291, gedauert haben. Sie sind nicht allein
als eine sonderbare Erscheinung der religiösen Schwärmerei merk-
würdig, sondern auch hohe Zeuguisse des Glaubenseifers jener
Zeiten, wo der Einzelne durch eine begeisternde Idee aus dem ge-
meinen Verlaufe des Lebens herausgerissen wurde und alle Mühen
und Gefahren, ja den Verlust des Lebens selbst nicht achtete.
Es ist wohl sehr natürlich, daß so große Bewegungen, wie
die Kreuzzüge waren, wichtige Folgen für Europa haben mußten.
Daß diese Folgen größtentheils segensreiche waren, läßt sich mit
Gewißheit erwarten, weil jene Züge durch die göttliche Vorsehung
herbeigeführt wurden; und wenn sie auch meist mit Unverstand
ausgeführt worden sind, so wissen wir doch, daß Gott auch die
Thorheiten der Menschen benutzt, um nützliche Erfolge herbeizu-
führen. Die bedeutendsten derselben waren folgende:
1) Der Geist des Ritterwesens wurde durch die
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Folgen der Kreuzzüge.
141
Kreuzzüge veredelt. Bisher hatten die Edelleute nur unter-
einander, gegen die Städte oder gegen ihre Lehnsherren Fehden
geführt, und dadurch konnte nichts als Unordnung und Ver-
wilderung entstehen. Nun aber wurde ihnen ein höheres, edleres
Ziel gegeben. Ihre Thaten wurden nun von ganz Europa be-
obachtet und bewundert, und das Bewußtsein, für die Eroberung
des heiligen Grabes zu fechten, gab ihnen eine schwärmerische
Tapferkeit. Die Religion milderte ihre Rohheit, und bald wurde
es allgemeiner Grundsatz, daß es Schande sei, den Schwachen
und Wehrlosen zu beleidigen und ihm Hülfe zu versagen. —
(Wie aber die Kreuzzüge eine idealere und feinere Seite des
Ritterthums entwickelten, so wurde durch dieselben auch das
Verderbliche des ritterlichen Kastenwesens mächtig gefördert. Die
Ritter, welche ans den verschiedensten Ländern in Palästina
zusammen kamen, standen sich viel näher als ein nicht-adliger
Landsmann und während im 13. Jahrhundert z. B. in der
Provence, dem Stammlande des feinern Ritterthums, Leute aus
-em Bürgerstande noch ohne große Schwierigkeit zum Ritter- -
schlage zugelassen wurden, kam es nun dahin, daß eine über ganz
Europa verbreitete Adelskaste der nationalen Entwickelung gegen-
übertrat.) Auch die Familiennamen schreiben sich aus den Zeiten
der Kreuzzüge her. Bisher hatte man mit Vornamen ausreichen
können. Jetzt aber, wo große, aus vielen Völkern zusammen-
gebrachte Menschenmassen beisammen waren, bedurfte man be-
stimmter Unterscheidungszeichen. Dazu kam die Eitelkeit. Jeder
wollte einen eigenthümlichen Namen haben, damit seine Thaten
nicht Andern zugeschrieben, sondern ihm und seiner Familie zum
Ruhme angerechnet würden. Dasselbe ist mit den Wappen der
Fall. Schon bei dem dritten Kreuzzuge unterschieden sich die
Nationen durch die Farben ihrer Kreuze. Aber auch die An-
führer mußten ein Abzeichen haben, um von ihren Untergebenen
gleich erkannt zu werden; denn die eiserne Rüstung machte sie
einander zu ähnlich. Darum bemalten sie ihre Schilde. Jeder
hatte eine besondere Farbe und darin ein besonderes Abzeichen.
Diese behielten sie auch nachher bei, und da ihre Söhne einen
Ruhm darein setzten, so tapfere Väter gehabt zu haben, so nah-
men sie dieselben Abzeichen an und so wurden es Familien-
wappen. — Die Turniere ferner wurden erst durch die Kreuz-
züge allgemeiner, nachdem die Ritter der verschiedenen Länder
sich hatten mehr kennen lernen und ein Wetteifer unter ihnen
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
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Extrahierte Ortsnamen: Europa Ritterthums Palästina Europa
Wenzel.
'229
bischof Johann ihre Auslieferung verlangte, weil lie unter seiner
Gerichtsbarkeit ständen; und da der Erzbischof ihn in den Bann
that und vor seinen Gerichtshof forderte, so ließ der Kaiser ihn
aufs Schloß kommen, fuhr ihn drohend an und rief: ,,Wisse, daß
ich dich und die Deinigen züchtigen werde." Dann versammelte
er die Prager Geistlichkeit und wollte wissen, wer den Erzbischof
verleitet hätte. Den Dechant, der ihm eine unangenehme Antwort
gab, schlug er mit dem Degenknopfe so auf den Kopf, daß er
zusammenstürzte; dann ließ er ihn binden und ins Gefängniß
führen. Eben dahin ließ er den erzbischöflichen Vicar, Johann
Nepomuk oder Pomuk, bringen, einen frommen, allgemein ge-
achteten Mann, den er — wie die Sage, aber unrichtig, erzählt
— schon um deswillen nicht habe leiden können, weil ihm der-
selbe die Beichte der Königin, deren Beichtvater er gewesen, nicht
habe verrathen wollen. Noch denselben Abend ging Wenzel ins
Gefängniß, ließ den Nepomuk ans die Folter legen, brannte ihn
selbst mit eigener Hand mit einer Fackel, und befahl dann, da
er nicht zum Geständniß zu bringen war, ihn an Händen und
Füßen gebunden in die Moldau zu stürzen (1393). Nepomuk
wurde nun als Märtyrer verehrt, späterhin unter die Heiligen
versetzt und wird noch, besonders von den Böhmen und römisch-
katholischen Schlesiern, als ihr Schutzpatron verehrt. Seine Ge-
beine ruhen in einem massiv silbernen Sarge, der mit silbernen
Engeln und einer Einfassung von Marmor umgeben ist, in der
alten, ehrwürdigen Metropolitankirche auf dem Hradschin in
Prag.*) Die an Nepomuk begangene Gewaltthat brachte die Böh-
men vollends auf. Sie setzten den König gar auf dem Präger
Schlosse gefangen und gaben ihn erst frei, nachdem er verspro-
chen hatte, sich nicht an ihnen zu rächen und ihre Forderungen
zu erfüllen, was er aber nicht gehalten hat.
Unter Wenzels Regierung fällt die Entstehung des Herzog-
thums Mailand. In allen lombardischen Städten, die wir
unterx den Hohenstaufen im Kampfe für ihre Freiheitj gesehen
haben, hatten sich mächtige Familien zu Herrschern ausgeworfen.
") Auch zeigt man da in der Wenzeslauskapelle in einer kostbaren Kapsel
unter Krystallglas die Zunge Nepomuks. Als man nämlich fast 400 Jahre
nach seinem Tode seine Gebeine ausgegraben, wäre zwar Alles, bis auf die
Knochen verwest gewesen: aber in seinem Todtenkopfe hätte die Zunge ganz un-
versehrt gelegen: ja, sie habe sogar, gls man in sie geschnitten, noch Blut von
sich gegeben. Durch dies Wunder sei seine Verschwiegenheit belohnt worden!
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Extrahierte Personennamen: Johann Johann Johann
Nepomuk_oder_Pomuk Johann Nepomuk Nepomuk Nepomuk
Mönchsorden.
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leicht denken. Desto mehr traten zu den Orden der Domini-
caner und Franciscaner über, die zu Anfange des 13. Jahr-
hunderts, also um die Zeit, wo Friedrich Ii. noch ein Kind war,
gestiftet wurden.
Der Franciscanerorden wurde gestiftet von Franciscus,
einem Sonderlinge aus Assisi, einem Städtchen im Kirchenstaate.
Sein Vater war ein wohlhabender Kaufmann, der sich mehr um
seine Geldsäcke als um seinen Sohn bekümmerte, und diesen ganz
sich selbst überließ. Zum Glück hatte der Jüngling von Natur
ein sanftes, höfliches Wesen und keine bösen Neigungen. Er ver-
übte zwar manchen wilden Streich und brachte manches Gold-
stück durch, aber plötzlich änderte sich das gänzlich. Er träumte
nämlich einst, er sähe eine Menge Waffen, die alle nüt einem
Kreuze bezeichnet waren, und auf seine Frage, wozu sie bestimmt
wären, erhielt er zur Antwort: für ihn und seine Streiter. Als er
nun in den Krieg zog, wurde er bald durch einen andern Traum
belehrt, daß seine Kriege geistige sein sollten. Er gab seinem Vater
alle seine schönen Kleider wieder, machte seine übrigen Sachen
zu Gelde und schaffte sich dafür einen groben Bettlerkittel an
von braunem Tuche, zog eine spitzige Kappe über seinen Kops,
umgürtete sich mit einem härenen Stricke und wanderte ohne
Strümpfe, blos in Holzschuhen, aus der Vaterstadt. Alle Leute
in der Stadt und in der Umgegend sprachen von dem Sonder-
linge. Viele fanden seinen Einsall trefflich, schlossen sich ihm au,
und so hatte er bald eine ganze Schaar Leute um sich, die sich
wie er kleideten, ihm Alles nachmachten und ihn wie einen Hei-
ligen ansahen. So kam er, ganz mit Schmutz bedeckt, zum Papste
Innocenz Iii., und bat ihn, eine Brüderschaft, d. i. einen Mönchs-
orden, stiften zu dürfen. „Mein lieber Bruder," antwortete ihm
dieser, „ich möchte dir lieber rathen, mit den Schweinen im Kothe
eine Brüderschaft zu machen; denn mit diesen hast du mehr
Aehnlichkeit als mit einem Geistlichen." — Franciscus nahm dies
für Ernst und lebte eine Zeitlang mit den Schweinen. Dann
kam er wieder zum Papste und sagte, er habe ihm gehorcht. Ein
solcher Gehorsam war dem heiligen Vater noch nie vorgekommen.
„Mit dem Manne kannst du etwas anfangen," dachte er, und
gab ihm die erbetene Erlaubniß, einen Orden zu stiften (1210).
Alle Franciscaner mußten schwören, arm zu sein, ihren Obern
streng zu gehorchen und nie zu heirathen. Er bekam nun solchen
Zulauf, daß es bald in Italien, Frankreich und Spanien ganz
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T27: [Kirche Luther Lehre Kloster Jahr Bischof Schrift Papst Reformation Wittenberg]]
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_Ii Friedrich Franciscus Innocenz_Iii Innocenz Franciscus Ernst
Extrahierte Ortsnamen: Assisi Italien Frankreich Spanien