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1. Teil 1 - S. 12

1897 - Hannover [u.a.] : Meyer
— 12 — doch auch, und zwar mit Recht, mit in den Zweck des Geschichtsunterrichts eingeschlossen wird? Es ist nicht zu befürchten, daß die Pflege derselben dabei zu kurz komme. Je näher der Gegenwart, desto mehr greift der Staat in alle Verhältnisse des Familien* und Gemeindelebens ordnend und lenkend ein, so daß wir förmlich gezwungen sind, uns in allen Lebenslagen, selbst in den engsten Verhältnissen des Familienlebens als Staatsbürger zu fühlen, außerdem besitzen wir Deutschen eine stattliche Reihe Kaiser und Fürsten, von der ältesten Zeit her bis zur Gegenwart, die sich mit edelster Hingabe der Interessen ihrer Unterthanen angenommen haben. Jede einzelne Landesgeschichte und die ganze Reichsgeschichte wissen davon Zeugnis abzulegen, und es läßt die Herzen des Volkes gewiß nicht kalt, wenn seine gekrönten Häupter ihm als Schützer des häuslichen Herdes und Förderer des familiären Wohlergehens erscheinen. Es ist in den letzten dreißig Jahren in Deutschland viel über Geschichtsunterricht geredet und geschrieben worden. Soweit dabei des Zweckes gedacht wurde, ist ihm je nach der Stellung des Autors eine patriotische, religiös-sittliche oder allgemein-pädagogische Bedeutung zuerkannt worden. Liebe zum Vaterlande und zum angestammten Herrsch er hause, religiös-sittliche Bildung und Erziehung zur Charakterstärke galten gewöhnlich als Hauptzweck, und der Einfluß auf das Gemüts- und Willensleben sollte in den Vordergrund des Unterrichts treten. „Das beste an der Geschichte ist die Begeisterung, die sie erregt," dieses Wort Goethes drückte allen solchen Bestrebungen das Siegel auf, und Platos Wort „Mut macht Mnt" wies dabei auf die biographische Methode hin; denn Mut wird nur bei vollendeten Persönlichkeiten gefunden. So wenig diesen Bestrebungen ihre Berechtigung abgesprochen werden soll, so wenig können sie nach dem bisher Gesagten doch als Hauptzweck bezeichnet werden. Der Hauptzweck einer Sache ist im Wesen derselben begründet, und kann er durch nichts anders als nur durch sie erreicht werden. Liebe zum Vater lau de kaun durch die Geographie und den naturkundlichen Unterricht ebensogut gepflegt werden als durch den Geschichtsunterricht. Um Liebe zum angestammten Herrscherhaus zu Pflegen, braucht man noch keine deutsche, oder preußische, bayerische rc. Volksgeschichte zu lehren; dazu genügen schon einige gut ausgewählte Lebensbeschreibungen dieser Herrscher. Zur Pflege der religiös-sittlichen Bildung bedarf es der vaterländischen Geschichte überhaupt nicht, da dieselben Dienste auch die biblische Geschichte und zwar in noch besserem Maße leistet. Und was die Erziehung zur Charakterstärke anbetrifft, so wäre auch da kein zwingender Grund vorhanden, die Vorbilder gerade der vaterländischen Geschichte zu entnehmen, da hierbei doch in erster Linie die Zweckmäßigkeit

2. Teil 1 - S. 13

1897 - Hannover [u.a.] : Meyer
— 13 — der Bilder in Betracht kommen müßte. Die genannten Tugenden könnten ebensogut durch andere Mittel gepflegt werden als durch die vaterländische Geschichte, ihre Pflege kann also nicht Hauptzweck des Geschichtsunterrichts sein. Verständnis der Gegenwart auf Grund ihrer geschichtlichen Entwickelung ist hier als Hauptzweck des Geschichtsunterrichts angegeben worden; dieser Zweck kann nur durch die Geschichte erreicht werden und zwar um so vollkommener, je vielseitiger die Stoffauswahl ist, handele es sich nun um Heimatsgeschichte, Stammesgeschichte, Reichsgeschichte oder Weltgeschichte. Daß bei diesem Vordrängen des Verständnisses auch die genannten Tugenden ihre Pflege finden, ist bereits gezeigt worden; denn im Lichte der Geschichte betrachtet wird dem Schüler das Erbe der Väter doppelt lieb, und die Helden, die, allen voran, es geschützt und gepflegt haben, wachsen ihm doppelt ans Herz. Auch Gottes Finger bleibt nicht verborgen, wenn die Reife der Schüler es zuläßt, sie von den Thatsachen auf die Ursachen, von den äußern Erscheinungen auf den innern Zusammenhang der Dinge hinzuweisen, und die Erziehung zur Charakterstärke findet bei der Schilderung der Helden ihre Stätte, und das um so mehr, je weniger gesucht und aufdringlich diese Helden dem Schüler im Unterrichte erscheinen. Forderungen der Gegenwart im Geschichtsunterrichte. Von der Zeit ab, da die Erkenntnis auftauchte, daß wir im Geschichtsunterrichte auf Irrwegen wandeln, haben sich auch Rufe nach Umgestaltung vernehmen lassen, die von Jahr zu Jahr dringlicher werden. Die Forderungen, die dabei erhoben werden, sind mehr oder weniger begründet und erweisen sich darum auch in der Praxis mehr oder weniger ausführbar oder auch gänzlich unausführbar. Inhaltlich laufen sie teils auf Ausscheidung vorhandener, teils auf Aufnahme neuer Stoffe, hinaus. Ausgeschieden soll werden: politische Geschichte, Kriegs- und Fürstengeschichte, aufgenommen dagegen: Kultur- und Volksgeschichte, Heimats-, Gesetzesund Staatenkunde, Volkswirtschaftslehre und Quellenberichte. Betrachten wir diese Forderungen genauer, so ersehen wir, daß sie teils stofflicher, teils methodischer Art sind. — Gewöhnlich pflegt die Forderung nach Kulturgeschichte bedeutend zu überwiegen, sie müßte deshalb am ersten gehört werden.

3. Teil 1 - S. 23

1897 - Hannover [u.a.] : Meyer
Die Faktoren der Geschichte. 23 sich als solche auch zu ihrer Zeit besonders bemerkbar gemacht haben, das findet auch Aufnahme in die Schulgeschichte und zwar dergestalt, daß jede solcher Entwickelungsphasen in besonderer Form dargestellt wird; denn es handelt sich hier um Laienbildung, und die bedarf eines möglichst einfachen Apparates. Wenn Verständnis der Gegenwart auf Grund der geschichtlichen Entwickelung Hauptzweck des Geschichtsunterrichts ist, so müssen vornehmlich alle charakteristischen Entwickeluugsphasen der. einzelnen Faktoren des gegenwärtigen Lebens norgeführt werben, bamit der Schüler sieht, wie diese Faktoren ane "einem Zustande in bcn andern bis zum gegenwärtigen übergegangen ftnb; die Entwickelungsfrage muß ihn anleiten, warum solches geschehen ist. Geschieht bies nicht, so muß der Lehrer entweber den fehlenben Stoff ergänzen, um verstanben zu werben, ober der Unterricht ist lückenhaft und läuft ans rein gedächtnismäßige Aneignung hinaus. Wie das altdeutsche Haus aussah, dessen Typus noch in vielen Gegenden im Banernhanse erhalten ist, wie die Bistümer und Klöster, die Burgen und Stadthäuser des Mittelalters waren, die noch als stumme Zeugen jener Zeit in die Gegenwart ragen, wie in Klöstern und Bistümern die ersten bentschen Schulen entstauben, wie dann die Lateinschulen und Universitäten und endlich auch die Volksschule entstanden: dies und anderes, was sich aus Urzuständen, die sich jetzt noch hier und ba erkennen lassen, durch verschiedene Stadien zur gegenwärtigen Vollkommenheit entwickelte, interessiert jeden, der überhaupt historisches Interesse hat, und muß auch den Schüler interessieren, wenn er ein richtiges Verständnis für diese Erscheinungen gewinnen soll. Diejjklsonen, die in der Geschichte dargestellt werden, müssen mit demselben Maßstabe gemessen werden, der auch sonst auf diesem Gebiete gebräuchlich ist; anders werden sie über- oder unterschätzt. Die Lebensbeschreibung eines Menschen für sich allein und seine Darstellung im Rahmen der vaterländischen, bezw. Weltgeschichte sind zwei ganz verschiedene Dinge; bte historische Gerechtigkeit und Sachlichkeit fordert, daß dies geschieden wird. Das.militär hat in den modernen Staaten, vorzüglich in Deutschland, eine so hervorragende Bedeutung, daß es geradezu ein Mangel an zeitgemäßer Bildung ist, in biesem Stücke ganz unerfahren zu sein. Doch ist auch hier Fachbildung und Laien-bilbung zu unterscheiben. Kein öerstänbiger Mensch erwartet von einem Civilisten das Maß militärischer Kenntnisse, das man bei einem Soldaten, zumal bei einem Berufssolbaten, voraussetzt. Wenn der gewöhnliche Civilist die verschobenen Waffengattungen unterscheiben kann, einigermaßen weiß, was er sich unter Kompanie, Eskadron, Batterie, Bataillon, Regiment, Brigade, Division und Armeekorps vorzustellen hat, den Gefreiten nicht mit

4. Teil 1 - S. 29

1897 - Hannover [u.a.] : Meyer
Der Zweck des Geschichtsunterrichts. 29 sie in ihrer rechten Bedeutung, nur so wehrt sie dem Parti-kularismns und bildet ein rechtes, echtes und notwendiges Glied der Reichsgeschichte. Gerade bei der Geschichte muß man sich vor aller Künstelei hüten. Je objektiver die Geschichte dargestellt wird, desto besser und wirkungsvoller ist sie. Das gilt dem Schnlhistoriker und Lehrer ganz genau so wie dem Historiker von Fach. Es ist die Behauptung ausgestellt worden, jede Geschichtsstuude müsse von der Heimat des Schülers ausgehen. Das ist eine Forderung, die sich, ohne Naturwidrigkeiten zu begehen, in der Praxis nirgends durchführen läßt. Gehen wir z. B. zu Ausaug der deutscheu Geschichte von Haus und Familie aus und sehen, wie sich _ die engen wirtschaftlichen und sozialen Formen allmählich großem Staatsgebilden erweitern, wie dann die germanischen Völkerschaften in Kampf mit dem gewaltigen Rom geraten, so wäre es geradezu gewaltsam und spruughast, nun dementsprechend auch die zweite Periode, die Einführung des Christentums, behandeln zu wollen. Nein, hier muß umgekehrt verfahren werden. Von außen, gewaltsam, vielfach auf der Spitze des Schwerts wird das Christentum in die meisten deutschen Gaue gebracht, und erst allmählich dringt es in die entlegensten Heiden und Waldwinkel. So muß es auch im Schulunterrichte auftreteu. Mit seinem Stammesherzog Widukiud zieht z. B. das sächsische Kind in den Kampf, mit ihm kämpft und unterliegt es, mit ihm zieht es aber auch zur Taufe und in die Gemeinschaft der christlichen Kirche. So wird die Geschichte noch einmal durchlebt, so zieht sie in lebensvollen Gestalten in die Herzen der Schüler ein und errichtet sich Denkmäler, die dauernder sind als die von Stein und Erz. „Eins nach außen, schwertgewaltig, Um ein hoch Panier geschart. Reich nach innen, vielgestaltig, Jeder Stamm nach seiner Art." Der Zweck des Geschichtsunterrichts. Bei Untersuchungen, wie die vorliegende, muß man Wissenschaft und Schule geuau unterscheiden. Wissenschaft und Schule haben verschiedene Zwecke. Der Endzweck aller wissenschaftlichen Forschuugeu ist Erkenntnis der Wahrheit; der Hauptzweck der Schule ist Erziehung. Die Geschichte der Methodik eines Faches zeigt uus, wie die Jünger dieses Faches gerungen haben, den ihnen gesteckten Zweck

5. Teil 1 - S. 45

1897 - Hannover [u.a.] : Meyer
Stoffauswahl und Stoffanordnung. 45 dem Namen begnügt und nicht verlangt, daß die Sache auch wirklich dem Namen entsprechen soll, so lange man die biographische Methode als diejenige bezeichnet, welche keine zusammenhängende Geschichte, sondern ,Geschichten aus der Geschichte^ giebt, so lange kann man damit einverstanden sein". Dem stimmen auch wir zu, soweit es sich auf untere Klaffen vielklassiger Schulen und ans ein- bis dreiklassige Schulen bezieht. Für vielklassige Schulen liegt die Anordnung des Stoffes in konzentrische Kreise ganz in der Natur der Schuleinrichtnng, nur ungeeignete Verteilung kann da zu Unzuträglichkeiten führen. Auf der Unterstufe des Geschichtsunterrichts hat die biographische Darbietuugsform besondere Bedeutung und ist darum vorzüglich zu verwenden. Auf der Oberstufe tritt dagegen die Person hinter die Sache zurück. Die Biographie des Helden findet erst dann ihren Platz, wenn der Schüler gleichsam Verlangen hat, von dem Helden etwas näheres zu erfahren, also nachdem die Sache dargestellt ist, welcher der Held gedient, welcher er vielleicht sein Leben geopfert hat. Dieses Verfahren entspricht auch der natürlichen Entwickelung des Menschen. Dem Schüler der Unterstufe sind alle historischen Helden Märchenfiguren, die ihn desto mehr erfreuen, je ergötzlicher sie sind. Das Märchen ist, wie die Blume, ohne Warum, nur um seiner selbst willen da, es will genossen sein. So will auch der Schüler, besonders der jüngere, seine Geschichtshelden genießen, und man verkümmere ihm den Genuß nicht durch ungeeignete Darbietung. Wohin die biographische Methode in ihren Ausartungen führt, zeigt die bisherige Behandlung der Erfindungen und Entdeckungen. Anstatt zu zeigen, welchen Einfluß z. B. die Entdeckung Amerikas auch auf Deutschland und seine Bewohner, seine Städte und Dörfer ausgeübt hat und noch bis zur Stunde ausübt, lernen die Schüler nur das Leben des Christoph Columbus kennen; anstatt zu zeigen, welche gewaltige Umwälzung die Anwendung des Schießpulvers zu Kriegszwecken in dem gesellschaftlichen Leben Deutschlands hervorrief, wird den Schülern der experimentierende Mönch Berthold Schwarz in seiner einsamen Klosterzelle recht anschaulich dargestellt. Was sollen denn die Schüler mit all diesen Lebensbeschreibungen? Sollen alle diese Männer ihnen Vorbilder fürs Leben werden? Doch wohl kaum! Die vierhundertjährige Gedenkfeier der Entdeckung Amerikas hat uns z. B. auch Christoph Columbus als Mensch, losgelöst von seiner weltbewegenden That, gezeigt, und das war ein Bild, das uns nicht durchweg gefallen konnte, das, eingedenk unserer pädagogischen Grundsätze, sich keineswegs ohne weiteres als Vorbild eignet. Es erscheint überhaupt nicht geraten, einen Mann und sein Werk so zu vereinen, daß beide miteinander stehen und fallen.

6. Teil 1 - S. 31

1897 - Hannover [u.a.] : Meyer
Der Zweck des Geschichtsunterrichts. 31 nein, anch die Geschichtswissenschaft sollte praktische Gestalt und praktische Bebeutung erhalten; fte sollte zeigen, welche Bebeutung die einzelne Thatsache ober die einzelne Person für die Weiterentwickelung eines Faktors ober des Volkslebens haben. Man schaut also, bilblich zu reben, bei der Erforschung einer historischen Erscheinung jetzt nicht mehr bloß um, auch nicht mehr bloß hinter die Erscheinung, fonberu von ba aus auch vorwärts bis in die Gegenwart hinein. So thut die Wissenschaft, und so muß auch die Schule thun, wenn sie Herbarts mahnenben Ausspruch über den Geschichtsunterricht beherzigen will: „Die Geschichte ist eine Lehrmeistern: der Menschheit, und wenn sie es nicht wirb, so tragen die Lehrer der Geschichte die Schulb baran". Wissenschaft und Schule stehen in einem bestimmten Verhältnisse zu einauber, das berart ist, daß die Wissenschaft den Stoff liefert und die Schule benfelben ihrer Aufgabe gemäß verarbeitet. Daraus ergießt sich, daß die Wissenschaft barauf zu achten hat, wie weit die Ergebnisse ihrer Forschungen Eigentum des Volkes werben, und daß die Schule ihre Lehrstoffe mit den anerkannten Resultaten der wissenschaftlichen Forschung in Einklang bringen muß; baraus ergiebt sich ferner, daß jebes Wissensfach, das Schulunterrichtsfach wirb, einen hoppelten Zweck hat: einen wissenschaftlichen ober Selbstzweck und einen (schul- ober Erziehungszweck. Die beutfche Schule Hat verschiedene Gattungen und Arten, die als solche den Quellen der Wissenschaft näher ober ferner stehen^ Man vergleiche Universität und Halbtagsschule! Je näher eine Schule den Quellen der Wissenschaft steht, besto mehr kann in ihr auch der Unterricht nach wissenschaftlicher Methobe erteilt werben, besto mehr kann wissenschaftliche Vollstanbigkeit angestrebt und können wissenschaftliche Formen angewanbt werden; je ferner sie den wissenschaftlichen Quellen steht, besto weniger bars bies der Fall sein; boch bars niemals und nirgenbs das direkte Gegenteil von dem gelehrt werben, was die Wissenschaft für richtig hält. _ Also selbst in der Halbtagsschule, jenem traurigsten Notbehelfe im Bereich der beutfchen Schule, bars in Geschichte nichts gelehrt werden, was die Geschichtswissenschaft als Irrtum erkannt hat, ober eine Methobe angewanbt werben, die die Geschichtswissenschaft als veraltet erklärt. Nur unter dieser Voraussetzung bars die Schule an die Festsetzung eines besondern Zweckes, des Erziehungszweckes, neben beut wissenschaftlichen Zwecke gehen, nur unter dieser Voraussetzung bars sie ihre Stoffe wählen und orbncn, und nur unter dieser Voraussetzung bars sie ihre speziellen methodischen Maßnahmen treffen. Ein Wissensfach ist für die Schule insofern von Wert und Bebeutung, als es päbagogische Momente enthält; je mehr es

7. Teil 1 - S. 15

1897 - Hannover [u.a.] : Meyer
— 15 — Werdegeschichte des Staates und seiner Teile zu einer wirklichen Kulturgeschichte gehört. Die Zeiten äußerer Machtentfaltung sind stets auch Zeiten innerer Lebenskraft eines Volkes; ja wir können behaupten, daß* der Kulturfortschritt des deutschen Volkes mit der Ausbildung seines Staatslebens immer gleichen Schritt gehalten hat. Und was nun die Volksgeschichte im Gegensatze zur Fürstengeschichte anbetrifft, scmfitnn auch hier nur die einseitige Bevorzugung eines Teils der Geschichte die gedachte Forderung veranlaßt haben; denn die Fürsten gehören doch ebensogut zum Volke wie jedes andere Glied desselben. War nicht von alters her das deutsche Volk in soziale Gruppen geteilt! Haben die deutschen Fürsten nichts zum Kultursortschritt beigetragen? Dürfen die Namen Karl der Große, Heinrich I., Friedrich Barbarossa u. a. nicht mit gleichem Rechte neben Walter v. d. Vogelweide, Goethe, Berthold Schwarz, James Watt, Albrecht Thaer, Alfred Krupp u. a. stehen? Die Forderung nach Ausscheidung der politischen Geschichte, der Kriegs- und Fürstengeschichte ist nur einer einseitigen Bevorzugung dieser Elemente im bisherigen Betriebe des Geschichtsunterrichts zuzuschreiben; sie kann in ihrer höchsten Steigerung nur als das entgegengesetzte Extrem der bisherigen Richtung betrachtet werden. Es ist in dem vorigen Kapitel gezeigt worden, wie die Verirrung entstanden ist, hier ist zu ersehen, wie man in solchen Fällen aus einem Irrtum in den andern verfallt. Es kann also bei dieser Forderungnicht auf gänzliche Beseitigung jener Elemente, sondern nur auf Beseitigung einer unzweckmäßigen Überwucherung und schließlichen Alleinherrschaft derselben ankommen. Zur Kulturgeschichte eines Volkes gehört die ganze Geschichte desselben mit all ihren Fortschritten und Hindernissen und all ihren Verzweigungen auf den verschiedensten Lebensgebieten, die Geschichte des Ackerbaues und der Ackergeräte, der Kriegskunst und der Kriegswaffen also ebensogut als die Geschichte der Dichtkunst, der Musik, der Malerei, der Bildhauerkunst u. a. Kulturgeschichte, das Wort in seinem vollsten Sinne genommen, ist auch Volksgeschichte und umgekehrt. Die ^Ausnahme des Geschichtsunterrichts in den Lehrplan der Volksschulen fällt mit der Ausbildung des Konstitutionalismus zusammen. Und das liegt in der Natur der Sache. Nach der Idee des Konstitutionalismus soll jeder Staatsbürger selbstthätigen Anteil an dem Staatsleben nehmen. Dies geschieht vornehmlich durch die Verwaltung der Ämter, die das Prinzip der Selbstverwaltung geschaffen hat, und die Wahlen, die zu deren Besetzung erforderlich sind. Als Wähler und Gewählter hat der Staatsbürger staatliche Pflichten zu erfüllen. Soll er es mit

8. Teil 1 - S. 25

1897 - Hannover [u.a.] : Meyer
Die typischen Erscheinungen und die Heimat im Geschichtsunterrichte. 25 Zeitanfwande Kriegsgeschichte, als der Schnlknabe und der Civilist. Für jenen sind die Zahl der streitenden Kräfte, die Zusammensetzung und Güte der Waffen, die Marschbewegungen von einem Schlachtplatze zum andern, das Terrain des Schlachtfeldes, die Bewegungen der einzelnen Truppenkörper während der Schlacht von der allergrößten Bedeutung; denn sie helfen ihm die Antwort auf das Warum der endgültigen Entscheidung finden; für den Nichtfachmann ist dies alles in den meisten Fallen langweilig. Die typischen Erscheinungen und die Heimat im Geschichtsunterrichte. Nehmen wir das erste beste Geschichtsbuch zur Hand, zerlegen es in seine Faktoren und ordnen diese nach der Weite der Verbreitung, die sie gefunden haben, so erhalten wir zwei große Gruppen: eine, deren Faktoren sich nur auf einen engen Kreis beschränken, z. B. eine besondere Schlacht, einen Krieg, die Entwickelung einer Stadt, eines Ländergebietes, die Regierung eines Fürsten, das Leben eines Mannes u. s. w., und eine Gruppe, deren Faktoren im ganzen Reiche, ja bei allen Kulturvölkern früher oder später wirksam gewesen sind. Letztere haben typischen Charakter; sie sind die treibenden Motive der Weltgeschichte und verdienen darum die vornehmste Beachtung. Jeder einzelne Faktor hat hier und da größere oder geringere Vollkommenheit erreicht. Der Historiker sammelt die Einzelerscheinungen, sichtet sie und gestaltet daraus ein einheitliches Bild, das den Typus in seiner größten Vollkommenheit zeigt und als typische Figur gelten kann. Die Wohnungsanlagen, das Klosterleben, das Rittertum, der leibeigene Bauer, die Entwickelung der Städte, das Geld, die Rechtspflege, das Heerwesen, die Buchdruckerkunst, die Dampfmaschine n. s. w. sind solche Figuren, die auf jede Örtlichkeit mehr oder weniger passend angewandt werden können. Es wird dem Lehrer, besonders demjenigen, der sich nicht durch eine lange Reihe von Jahren in das Leben seiner Gemeinde eingelebt hat, allemal schwer, die Einzelheiten der territorialen Chronik so genau zu erforschen, daß die Ergebnisse dieser Forschungen größere Ansprüche auf Glaubwürdigkeit und Vollständigkeit machen können, als die typische Figur für den betreffenden Ort besitzt. Hier würde besonders an Dörfer und solche Orte zu deuken sein, die gar keine oder keine zuverlässige Ortschronik besitzen. Trotzdem soll der Lehrer solche Forschungen

9. Alte Geschichte - S. 2

1896 - Hannover : Meyer
2 Bilder aus der alten Geschichte für die Oberstufe. dann die Kasten der Ackerbauer, Handwerker, Dolmetscher und Hirten. „ Alle diese Kasten waren erblich, d. h. der Sohn mußte immer dem (Stande1 fernes Vaters folgen; nie durfte z. B. ein Krieger Ackerbau treiben, oder eut Ackerbauer ein Gewerbe. Den verachteten Stand bildeten die Hirten Die Schweinehirten galten für unrein und durften feinen Tempel betreten. 3. Kultur und Kunstwerke der Ägypter. Die alten Ägypter ■ standen schon in den ältesten Zeiten, soweit überhaupt unsre Geschichte reicht, auf einer sehr hohen Bildungsstufe. Sie waren höchst erfinderisch.. So haben sie die Rechenkunst und die Hieroglyphen, eine aus Bildern zusammengesetzte Schrift, erfunden. In dieser Schrift bedeutet z. B. eine Schlange, die sich in den Schwanz beißt, die Ewigkeit, und eine an eine Mauer gelehnte Leiter die Erstürmung einer Stadt. In der Astronomie oder Sternkunde waren die alten Ägypter auch sehr weit vorgeschritten. Tie Pyramide» und die Sphinx. Sie konnten bereits mit großer Genauigkeit Mond - und Sonnenfinsternisse vorausberechnen. Auch die Sonnen- und Wasseruhren kannten sie schon. Am „hervorragendsten aber war die Baukunst der alten Ägypter. Die Ruinen (Überreste) ihrer großartigen Bauwerke erregen noch heute unsre Bewundrung. Vor allem berühmt find die Pyramiden, alte riesenhafte Grabstätten der ägyptischen Könige. Sie sind höher, als die meisten unsrer größten Kirchen. Ein griechischer Schriftsteller, Herodot, erzählt, daß an der größten, der Cheopspyramide, looooo Menschen 10 Jahre lang allein an den Vorarbeiten und 20 Jahre lang ununterbrochen an der Errichtung des Riesenbaues gearbeitet „hätten. 30 von diesen uralten merkwürdigen Bauten sind jetzt noch in Ägypten vorhanden und zeugen von der großen Kraft, die früher schon im Menschen vorhanden war. Ebenso großartig ist das Labyrinth (d. h. der Jrrgang). ein Königspalast mit 3000 Sälen. Ohne einen Führer konnte sich ein Fremder aus dem Gewirr der unend-

10. Alte Geschichte - S. 4

1896 - Hannover : Meyer
4 Bilder aus der alten Geschichte für die Oberstufe. 2. Die Phönizier. 1. Das Land und seine Bewohner. Das älteste und berühmteste, Handel und Schiffahrt treibenbe Volk waren die Phönizier; sie sinb etwa den heutigen Englänbern zu vergleichen. Sie bewohnten einen langen und schmalen Lanbstrich an der Ostküste des Mittelmeers; biefe war reich an wertvollen Fischen, und die Häupter des schönen Gebirgs, Libanon, waren gekrönt mit herrlichen Gebern und Eichen, die sich vortrefflich zu Mastbäumen eigneten. Ihre Heimat forberte sie barum zum Fischfang und zum Schiffbau auf. Phönizien war kein sehr fruchtbares Laub; aber seine Bewohner waren klug, geschickt und erfinberisch, und bies tierhalf ihnen zum Wohlstanb und Glück. Sie verstauben schon die Metalle, namentlich Eisen und Kupfer, zu schmelzen und zu bearbeiten und verfertigten baraus allerhanb nützliche Geräte, wie Anker für die Schiffe, Kessel, Töpfe, Messer u. bergt. Sie verstauben ferner, die Wolle und den Flachs zu spinnen und zu weben, und verarbeiteten sie zu kunstreichen Geweben, z. B. zu Tüchern und Teppichen. Außerbem erfanben die Phönizier die Buchstabenschrift, das Glas und die kostbare Purpurfarbe. Die Erfinbung des Glases fanb auf folgenbe Weise statt. 2. Erfinbung des Glases. Phönizische Kaufleute lanbeten an einem Flusse, an bessert Ufern feiner Kiesfanb lag. Sie wollten sich bort eine Mahlzeit bereiten, und ba es ihnen an großen Steinen fehlte, den Kessel über dem Feuer höher zu stellen, nahmen sie statt berselben von ihrer Schiffslabung große Stücke Salpeter, legten biefe auf bett Sanb und setzten ihre Kessel baraus. Durch die Hitze zerschmolz der Salpeter, und die flüssige Masse mischte sich mit der Asche und dem Kiessanbe; als das Feuer verloschen und die Flüssigkeit erkaltet war, fanb man einen schönen, burchsichtigen Stein — das Glas. Anfangs wußte man mit beut Glase inbes noch wenig anzufangen und verstaub noch nicht, es zu Fenstern zu benutzen, man machte baraus nur allerhanb kleine Schmucksachen, z. B- Kugeln und verfchiebne Figuren, und verzierte bantit die Wänbe und Decken der Zimmer. 3. Erfinbung des Purpurs. Die Erfinbung des Purpurs, einer wunberbar schonen hochroten Farbe, trug sich so zu: Ein phonizischer Hirt weibete am Gestabe des Meers seine Herbe. Da kam sein Hunb, welcher die Schale einer Seeschnecke zerbissen hatte, mit einer ganz roten Schnauze zu ihm zurück. Der Hirt meinte, er habe sich verwuubet und wischte ihm das vermeintliche Blut mit Wolle ab; zu seiner Verwunbrung bekam aber die Wolle eine schöne hochrote Farbe, und er konnte boch an dem Hunbe keine Wunbe entdecken. Er zeigte baraus die Farbe andern Leuten, und sie gefiel allen sehr. Nun forschte er weiter und fanb, daß die Schnecken, welche das Meer auswarf, einen schönen rotsärbenben Saft enthielten; er preßte benfelben aus und färbte ein Kleib damit, und es sah prachtvoll aus. Dieser Farbstoff war der Purpur. Er würde balb so berühmt, daß er im Altertum als eine der größten Kostbarkeiten galt und nur Könige und die Reichsten ihn tragen konnten. So heißt es in der heiligen Schrift: „Es war ein reicher Mann, der kleibete sich in Purpur." Im Mittelalter ging die Kunst der Purpurfärberei ganz verloren, und es trat dann an die Stelle des Purpurs die Scharlach ° färbe, welche aus Cochenillen (kleinen Blattinsekten) gewonnen wirb. Mit Purpur färbten nun die Phönizier ihre wollnen und leinenen Stoffe. Aus Elfenbein und Bernstein schnitzten sie allerhanb niebliche Sachen;
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