64
Ii. Deutsche Geschichte.
seinem Geburtsdorfe und setzte hier seinen Unterricht fort. Von da ward er 1414 nach Kostnitz (Konstanz) vor die Kirchenversammlnng gefordert; Kaiser und Papst versprachen ihm Sicherheit; es sollte ihm nichts geschehen, wenn er auch seinen Bruder erschlagen htte. Er kam, trug seine Lehren vor und bewies sie aus der Bibel. Doch die Lehren widersprachen dem Papsttum; er ward gefangen gesetzt und 1415 als Ketzer, dem man nicht Wort halten drfe, lebendig verbrannt, und 1416 auf derselben Stelle sein Freund Hieronymus. Dies erbitterte die Bhmen, und 20 Jahre hindurch bten diehus-si t en furchtbare Rache an allen Anhngern des Papstes (Hussitenkrieg).
15, Martin Qtther. 14831546,
Die Reformation oder Kirchenverbesserung ging in Deutschland von Martin Luther aus.
a. Allmhliche Entfremdung von der katholischen Kirche.
Martin Luther wurde am 10. November 1483 zu Eisleben geboren, wohin seine Eltern zum Hahrmrkte gezogen wren? Sie wohnten zuerst in Mhra bei Eisenach und zogen dann nach Mansfeld am Harze. Die Eltern, arme Bergleute, erzogen ihren Sohn streng und gottesfrchtig. Auch in der Schule herrschte harte Zucht. Mit seinem 13. Jahre kam er auf die Lateinische Schule zu Magdeburg und ein Jahr spter auf die hohe Schule zu Eisen ach. ~ Die Armut seiner Eltern zwang ihn, nach der Sitte jener Zeit, sich als Singknabe" sein Brot vor den Schren reicher Leute zu ersingen, bis ihn eine reiche Brgerfrau, Namens Cotta, an ihren Tisch nahm. 1501 zog er, wohl vorbereitet, auf die Universitt zu Erfurt, um die Rechtswissenschaft zu studieren. Eine Bibel, die er in der Bibliothek fand, erweckte in ihm das Verlangen, auch einst ein solches Buch zu besitzen. Eine schwere Krankheit machte ihn vor dem Strafgerichte Gottes zittern, und der pltzliche Tod eines Freundes vermehrte seine innere Unruhe so sehr, da er beschlo, im Kloster Ruhe zu suchen. Im Fahre 1505 trat er in das Auaustrnerkloster zu Erfurt. Die harten Arbeiten, die er als jngst eingetretener Mnch verrichten mute, trug er willig, auch hielt er die Gesetze des Klosters streng, Ruhe aber fand er erst, als ihn ein alter Mnch auf die Ver-gebung der Snden hinwies. 1508 ward Luther Lehrer an der Universitt zu Wittenberg und Prediger einer Stadtgemeinde. 1510 reiste er im Auftrage des Augustinerordens nach Rom und lernte hier die Verderbtheit der damaligen rmischen Geistlichkeit kennen.
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D 01l0il0ll0ll0llll0ll0ll0ll01l0ll0(o§o)(o£ o)oiloiioilciioiiiioiioiioiioiioiio M
(Olloiloiioiio I. Religiös-sittliches Leben Oiioiioiioiio
Oüoüoiiomoii Iioi10iioiioiioiio(c>Qo)(os ojoiloiioiiomoii Iioiioüoiioiioiio w.
!s gibt einen schönen Garten»
allgrün zu jeder Zeit»
drin blühn die Blumen» die zarten,
ob draußen es stürmt und schneit.
Er liegt im Herzen verborgen»
und pflegst du mit Sorgfalt sein»
strahlt hell an jedem Morgen
Gottes warme Sonne hinein.
Friedrich Wilhelm Weber.
1. Eine deutsche Samariterin.
Die letzten ruhmreichen Kämpfe unseres Volkes haben uns nicht nur
leuchtende Vorbilder des Heldentums gegeben, wir erblickten auch die
schönsten Züge stillwaltender Wohltätigkeit und opferfreudiger Hilfe überall
da, wohin der Krieg seine dunklen schatten warf, von dem Verbandplätze
des flammenbeleuchteten Schlachtfeldes bis in die stille, düstere Lcke des
heimatlichen Lazaretts, hinter dem siegreichen deutschen Heere stand
einmütig das opferfleudige deutsche Volk, hinter dem kämpfenden deutschen
Manne das hilfsbereite, sorgende Weib, und zwar von der mächtigen
Herrscherin des Reiches bis zu der Arbeiterin, die ihre von der Mühe
des Tages angegriffenen Rügen noch bei Nacht anstrengte, um ihren
einzigen Schatz, das abgetragene Leinen, in Scharpie zu zerzupfen für
die verwundeten Löhne des Vaterlandes. Vas leuchtende Beispiel, das
die an der Spitze mildtätiger und patriotischer Frauenvereine stehenden
deutschen Fürstinnen boten, wirkte geradezu belebend und begeisternd
aus alle deutschen Frauen und ganz besonders auf diejenigen unter
ihnen, die, von edler Menschenliebe getrieben, hinauseilten auf den
Schauplatz des Krieges, um inmitten aller Schrecknisse eine segensreiche
Tätigkeit zu entfalten. Unter diesen opferfreudigen Krankenpflegerinnen
zeichnete sich ganz besonders Frau Marie Simon aus, deren Tatkraft,
Umsicht und Rufopferung ihr die Rnerkennung Europas und unter den
Kriegern den schönen, sie hoch ehrenden Namen „Mutter Simon" erwarben.
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Extrahierte Personennamen: Oiioiioiioiio
Oüoüoiiomoii Iioiioüoiioiioiio Friedrich_Wilhelm_Weber Friedrich Wilhelm Marie_Simon Simon"
13
um dieselbe Riesenarbeit hier von neuem zu beginnen. Ruch hier gab es
kein Wasser, Eis noch viel weniger, und die Hitze war groß. Dazu überstieg
der Krankenbestand an diesem kleinen Ort anfänglich 6000 Mann,- die
Kirche war mit verwundeten überfüllt, Frau Simon schreibt darüber:
„Ls ist rührend, wie die Rrzte und das ganze Sanitätspersonal es
sich angelegen sein lassen, die Leidenden aus der Kirche herauszutragen
auf den Friedhof in die frische, milde Luft, an ein sonniges Plätzchen —
und sie sorgsam in ihre Decken hüllen oder letztere neben ihnen aufhängen,
damit sie vor jedem Zug geschützt sind. Manchem haben sie das Lager auf
einem Leichensteine zurechtgemacht. Da liegen nun Deutsche und Franzosen,
die sich eben noch wütend bekämpft haben, friedlich nebeneinander aus
einem Friedhofe, sie, die Lebenden, die erst ihr Leben so freudig eingesetzt
und es jetzt doch nicht lassen mächten, unter den Toten, vorüber ist
alle irdische Leidenschaft,- hier herrscht Friede und Versöhnung."
So setzte die mutvolle Frau während des ganzen Krieges ihre opfer-
willige Tätigkeit fort, vor Sedan wie vor Paris, überall zur rechten Zeit
eingreifend, überall mit klarem Blick die nächsten Bedürfnisse erkennend,
für deren Befriedigung ihr praktischer Zinn und ihre rasche Entschlossenheit
auch stets Mittel und Wege zu finden wußte. Den größten Gefahren
trotzte sie mit unerschrockenem Mut. von dem Umfange ihrer Rrbeiten
und psiichten kann man sich kaum eine Vorstellung machen. In der Nähe
von Paris hatte sie eine Verpflegungsstation errichtet und versah hier
in der Zeit vom 10. Oktober bis zum 25. November mehr als 63000 Mann
mit Suppe und Fleisch und 17500 Mann mit Kaffee. Rußerdem aber
errichtete sie noch Passantenlazarette, in denen während derselben Zeit
4941 Kranke und verwundete aufgenommen und verpflegt wurden.
Rls endlich der Friede geschloffen wurde und auch Frau Simon, begleitet
von den heißen Segenswünschen Tausender, in die Heimat zurückkehrte,
da ging sie sogleich an die Rusführung des planes, den ihre edle Seele
inmitten aller Schrecken des Krieges gefaßt hatte: sie gründete eine
Heilstätte für deutsche Invaliden und alleinstehende Kranke, zugleich eine
Lehranstalt für Krankenpflegerinnen. Das dankbare Vaterland unterstützte
fteudig das Werk. Mein nur kurze Zeit war es ihr vergönnt, ihre
Schöpfung emporblühen zu sehen. Rm 20. Februar 1877 entriß der
Tod sie ihrem schönen Wirkungskreise. Noch am Tage vor ihrem Tode
hatte die edle Königin Tarola von Sachsen an ihrem Krankenlager
gestanden, und die Träne im Rüge der hohen Frau bezeugte, wieviel sie
in der Sterbenden verlor. „Nicht müde werden!" — hatte diese so oft
auf den Schlachtfeldern wie an den Krankenbetten des Lazaretts ihren
braven Mertinerinnen zugerufen, und nun war für sie selbst die Nacht
gekommen, da sie müde das Haupt neigte. Ihr Rndenken aber bleibt in
Segen, denn an ihr erfüllte sich das Wort der Schrift, daß die Edlen „rubeu
von ihrer Rrbeit, und ihre Werke folgen ihnen nach".
Rudolf Bunge.
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Extrahierte Personennamen: Simon Simon Rudolf_Bunge Rudolf
35
Da kam ihm ein Wesen entgegen, bei dessen Erscheinen ex stutzte.
Ein Wesen von schlichtem Ansehen,' bescheiden sein Gang, seine Haltung,
seine Gebärde; schön sein Angesicht, aus dem ein edler Ernst und tief-
innerlichster Friede sich malten.
„Weiche mir aus!" rief ihm der Hochmut zu.
„Gern," erwiderte der andere lächelnd und gab Raum.
Dennoch fühlte sich der Hochmut verletzt: „Du lächelst? Wie darfst
du wagen, zu lächeln in meiner Gegenwart?" schnaubte er und warf
sich wütend auf den Beleidiger.
Dieser wehrte ihn nicht ab, regte sich nicht einmal, stand nur ruhig
und fest. Der Hochmut aber stürzte zur Erde, und alle seine Seifen-
blasen zerplatzten, und seine Glaskugeln lagen in Scherben — er war
an das Verdienst angerannt.
Marie v. Lbner-Lschenbach.
15. Der blinde Passagier.
in unbeschreiblich stiller Sonntag, der erste, den ich auf eng-
lischem Boden verlebte, brachte meine erregten Nerven zur
Nutze, wenigstens äußerlich. Im Innern brauste noch immer
die See, die Häuser im Square schwankten ein wenig, wenn
ich sie nicht scharf ansah, und ein nagender Gedanke wollte
sich nicht verscheuchen lassen. Ich hatte meine Überfahrt noch immer
nicht bezahlt! Die Entfernung des stillen Middleton-Square vom Meer,
vom „Nordischen Walfisch", von dem tollen Treiben an der Themse
schien mit jeder Stunde um hundert Meilen zu wachsen, und damit die
Möglichkeit, mein schuldbeladenes Gewissen von seinem Hip zu befreien.
Wenn es mir nun recht schlecht ginge in diesem unbegreiflichen Land,
mußte ich nicht fortwährend denken: „Geschieht dir ganz recht! Ein
Mensch, der nicht einmal seine Überfahrt bezahlt hat!" Ich schüttete
endlich der mütterlichen Freundin meines Schwagers das ganze herz
aus; sie richtete mich mit heiteren Trostesworten auf, soweit ich sie
verstand. Das sei ganz einfach! Ich könne ja morgen meinen ersten
Nusflug nach der unteren Themsestraße machen, das Bureau der 5lnt-
werpener Dampfer aufsuchen und alles regeln. So konnte ich mein
englisches Leben wenigstens als ehrlicher Mensch beginnen. Ich schlief
die erste Nacht auf englischem Boden, getröstet und ruhig.
Nls wackerer junger Deutscher kaufte ich mir am frühen Morgen einen
Stadtplan und machte mich zu Fuß auf den weg nach den Natharinen-
docks. Solange ich niemand zu fragen brauchte, ging alles vortrefflich.
Die end- und zahllosen Straßen wurden wieder enger, der Lärm lauter,
das Gedränge dichter. Gegen zehn Uhr erreichte ich den Platz vor der
3*
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40
„Hifo nochmals und zum Schluß, meine Herren," rief er, „auf die
Gesundheit dieses Gentleman. Ein ehrlicher, rarer Dutchman, oder was
er sonst sein mag! hipp hipp Hurra!"
Sie wollten mir offenbar alle Ehre antun. Wir tranken, wir
schüttelten uns die Händen es wurde fast eine Völkerverbrüderung daraus;
selbst ein Chinese beteiligte sich schmunzelnd, warum sollte ich mich
sträuben? Sie meinten es sichtlich alle herzlich gut.
Dann trennten wir uns. Der Kapitän begleitete mich bis unter
die Tür und versicherte mich wiederholt seiner unbegrenzten Hochachtung.
Ich hatte in dieser stunde einen Freund fürs Leben gewonnen, was ich
erst zwölf Jahre später an der Küste von Peru erfahren sollte.
Max Lyth.
16. Die alte Waschfrau.
Du siehst geschäftig bei dem Linnen
die wie dort in weißem haar,
die rüstigste der Wäscherinnen
im sechsundsiebenzigsten Jahr.
So hat sie stets mit sauerm Schweiß
ihr Brot in Chr' und Zucht gegessen
und ausgefüllt mit treuem Fleiß
den Kreis, den Gott ihr zugemessen.
Sie hat in ihren jungen Tagen
geliebt, gehofft und sich vermählt;
sie hat des Weibes Los getragen,
die Sorgen haben nicht gefehlt;
sie hat den kranken Mann gepflegt,
sie hat drei Kinder ihm geboren;
sie hat ihn in das Grab gelegt
und Glaub' und Hoffnung nicht verloren.
Da galt's, die Kinder zu ernähren;
sie griff es an mit heiterm Mut,
sie zog sie auf in Zucht und Ehren;
der Fleiß, die Ordnung sind ihr Gut.
Zu suchen ihren Unterhalt,
entließ sie segnend ihre Lieben.
So stand sie nun allein und alt;
ihr war ihr heitrer Mut geblieben.
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93
Thoms antwortete drauf und stellte die häckerlinglad' hin:
160„Splitter, Marie, und Karpfen verschaff' ich dir früher, denn not ist-
wenn an dem heutigen Tage sich kitzelig zeiget der Fischer,
treib' ich den Kitzel ihm aus, und bald ist der Halter geöffnet!"
Klso der rüstige Knecht,- da rannte sie durch das Gestöber,
stieg auf den Taubenschlag und pustete, rieb sich die Hände,
165 steckte sie unter die Schürz' und schlug sich über die Schultern.
Rls sie mit schärferem Blick in des Schnees umnebelnden Wirbeln
spähete, siehe, da kam's mit verdecktem Gestühl wie ein Schlitten,
welcher vom Berg in das Dorf herklingelte. Schnell von der Leiter
stieg sie herab und brachte der emsigen Mutter die Botschaft,
l'o welche der Milch abschöpfte den Kahm zu festlichem Kaffee:
„Mutter, es kommt wie ein Schlitten; ich weiß nicht sicher, doch glaub' ich!"
Klso Marie. Da verlor die erschrockene Mutter den Löffel.
Und ihr bebten die Knie, und sie lief mit klopfendem Herzen,
atemlos,- ihr entftog im hastigen Lauf der Pantoffel.
175 Jene lief zu der Pfort' und öffnete. Näher und näher
kam das Gekling' und das Klatschen der peitsch' und der Pferde Getrampel.
Nun, nun lenkten herein die mutigen Koss' in den Hofraum,
blankgeschirrt, und der Schlitten mit halb schon offnem verdeckstuhl
hielt an der Tür, und es schnoben, beschneit und dampfend, die Kenner.
180 Mütterchen rief: „willkommen daher! Willkommen, ihr Kindlein!
Lebt ihr auch noch?" und reichte die händ' in den schönen verdeckstuhl.
„Lebt in dem grimmigen Gst mein Töchterchen?" Dann für sich selber
nur zu sorgen ermahnt: „Laßt, Kinderchen!" sprach sie,- „dem Sturmwind
wehret das Haus! Sch bin ja vom eisernen Kerne der Vorwelt!
185 Stets war unser Geschlecht steinalt und Verächter des Wetters,-
aber die jüngere Welt ist zart und scheuet die Zugluft."
Sprach's, und den Sohn, der dem Schlitten entsprang, umarmte sie eilig,
hüllte das Töchterchen dann aus bärenzottigem Fußsack
und liebkosete viel mit Kuß und bedauerndem Streicheln,
190 zog dann beid', in der Linken den Sohn, in der Kechten die Tochter,
rasch in das Haus, dem Gesinde des Fahrzeugs Sorge vertrauend.
„Kber wo bleibt mein Vater? Tr ist doch gesund am Geburtstag?"
ftagte der Sohn. Schnell tuschte mit winkendem Haupte die Mutter:
„Still! Das Väterchen hält noch Mittagsschlummer im Lehnstuhl.
195 Laß mit kindlichem Kuß dein junges Gemahl ihn erwecken!
Dann wird wahr, daß Gott im Schlafe die Zeinigen segnet!"
Sprach's und führte sie leis in der Schule gesäubertes Zimmer,
voll von Tisch und Gestühl, Schreibzeug und bezifferten Tafeln,
wo sie an pftöck' aufhängte die nordische winteroermummung,
2o0 Mäntel, mit Flocken geweißt, und der Tochter bewunderten Leibpelz,
auch den Flor, der die Wangen geschirmt, und das seidene Halstuch.
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Extrahierte Personennamen: Marie Fischer Klso_Marie
Bch! des Lebens schönste Feier
endigt auch den Lebensmai,
100 mit dem Gürtel, mit dem Schleier
reißt der schöne Wahn entzwei.
Die Leidenschaft flieht,
die Liebe muß bleiben,'
die Blume verblüht,
105 die Frucht muß treiben.
Der Mann muß hinaus
ins feindliche Leben,
muß wirken und streben
und pflanzen und schaffen,
No erlisten, erraffen,
muß wetten und wagen,
das Glück zu erjagen.
Da strömet herbei die unendliche Gabe,
es füllt sich der Speicher mit köstlicher habe,
115 die Bäume wachsen, es dehnt sich das Haus.
Und drinnen waltet
die züchtige Hausfrau,
die Mutter der Binder,
und herrschet weise
120 im häuslichen Breise
und lehret die Mädchen
und wehret den Bnaben
und reget ohn' Ende
die fleißigen Hände
125 und mehrt den Gewinn
mit ordnendem Sinn
und füllet mit Schätzen die duftenden Laden
und dreht um die schnurrende Spindel den Faden
und sammelt im reinlich geglätteten Schrein
130 die schimmernde wolle, den schneeichten Lein
und füget zum Guten den Glanz und den Schimmer
und ruhet nimmer.
Und der Vater mit frohem Blick
von des Hauses weitschauendem Giebel
135 überzählet sein blühend Glück,
siehet der Pfosten ragende Bäume
und der Scheunen gefüllte Bäume
und die Speicher, vom Segen gebogen,
und des Bornes bewegte wogen,
140 rühmt sich mit stolzem Mund:
Fest wie der Erde Grund
gegen des Unglücks Macht
steht mir des Hauses Pracht!
ippenberg, 0 4. [g.]
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56
urdeutsches, kräftiges Handwerk, das Schmiedehandwerk. war's nicht in
einem Zweige meiner Familie Erbsitte, daß der Alteste Schmied wurde?
Ich wäre wohl auch an die Reihe gekommen, aber — nun, grüß' dich
Gott, waldschmied!
Der Meister tat noch ein halb Dutzend Schläge, steckte dann das
Eisen in die Esse und setzte den Blasebalg in Bewegung. Dann drehte
er sich nach mir um. „woher des Wegs?" fragte er und besah mich
gelassen.
Ich gab ihm Bescheid.
„hm, da habt Ihr einen redlichen Marsch hinter Euch," meinte
er. „Aber schön ist's dort oben. Und wo soll's noch hingehen heute
abend, wenn man fragen darf?"
„Ins Nachtquartier, denk' ich. Ist kein Dorf in der Nähe?"
„Freilich, da hinter der Schmiede. Aber übernachten könnt Ihr
in den paar Häusern nicht. Eine Bierschenke haben wir ja, aber ein
Bett findet Ihr da schwerlich. Ins Städtchen ist's eine halbe Stunde."
Und ruhig, als ob er allein in seiner Werkstatt wäre, nahm er sein
Eisen aus der Esse und setzte sein hämmern fort.
„Zagt mir, Meister," fuhr ich nach einer besinnlichen weile fort,
„wie kommt's, daß Eure Schmiede abseits vom Dorfe steht? Gab's
keinen Platz drinnen?"
„Meine Frau kann den Lärm nicht vertragen," war die Antwort.
„Gho!" rief ich, „ich dachte bisher, nur die Städter wären
nervenkrank! Fängt das jetzt auch bei Euch an?"
„Sie ist seit fünfzehn Jahren siech," sagte der Mann am Amboß.
„Ach so," machte ich und schwieg. Eine Pause entstand. Ein Nachtfalter
surrte. Der Schmied hämmerte, und ich besah mir diesen ernsten Mann
mit einer plötzlichen Ehrfurcht.
„habt Ihr Kinder?" forschte ich weiter.
„Ein Mädchen."
„Erwachsen, so daß es seine Mutter pflegen kann?"
„Das Annchen ist just so viele Jahre alt, als seine Mutter krank
liegt. Bei seiner Geburt fing's mit ihr an. — was das Pflegen
anbelangt," fuhr er fort und warf das fertige Eisen in den aufzischenden
wassertrog, „so ist das so 'ne Sache. Vas Mädel ist von seiner Geburt
an lahm. Es geht an Krücken."
„Alle weiter!" entfuhr mir, „da seid Ihr schön dran!"
„hat mir schon mancher gesagt," bemerkte er ruhig, scharrte die
Asche über das Feuer und fing an, sich die Hände zu waschen. Ich
auf meinem Amboß schwieg, stützte das Kinn in die Hand und sah
sehr ernst dem wortkargen Manne zu.
Als er fertig war, nahm er einen Schluck aus einer Kanne und
langte sich von einem Nagel die Pfeife herunter.
„woher sind Sie eigentlich, wenn's erlaubt ist zu fragen?" fing
er an, während er gemächlich die Pfeife stopfte.
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
TM Hauptwörter (100): [T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T40: [Fabrik Maschine Industrie Arbeiter Stadt Weberei Arbeit Herstellung Handel Art], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
TM Hauptwörter (200): [T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau], T111: [Kind Mutter Vater Eltern Frau Jahr Knabe Schule Haus Mann], T12: [Wagen Wasser Stein Rad Fuß Maschine Pferd Bewegung Hand Schiff], T154: [Meister Handwerker Geselle Arbeit Lehrling Handwerk Arbeiter Jahr Kaufleute Stadt], T121: [Feind Reiter Pferd Heer Mann Flucht Lager Soldat Seite Reiterei]]
111
wo Friedrich seiner Gemahlin ein schloß erbauen und einen Lustpark
anlegen ließ, die Erinnerungen an die Spaziergänge und Gespräche der
„philosophischen Königin", hier sah sie die französischen Réfugiés Lenfant,
Beausobre, wie den welterfahrenen Jesuiten Vota und den Freigeist Eoland,
den flüchtigen Irländer,' sie fand Gefallen in der Unterhaltung mit ihnen,
oder sie folgte mit Aufmerksamkeit den religiösen Streitgesprächen, die
in ihrer Gegenwart und gleichsam unter ihrem Schutze geführt wurden;
denn Sophie Lharlotte besaß jene auf der Verbindung von Schönheit
und Geist beruhende natürliche Würde, die zugleich zur freien, zwanglosen
Russprache anregt und doch besänftigend und mäßigend auf den Strom
der Unterhaltung wirkt. Mochte dann der Jesuitenpater mit dem heiligen
Eifer, der ihm so wohl ansland, für den Primat des Papstes und die
Einheit der Kirche eintreten, mochten Lenfant und Beausobre ihm gegenüber
mit freimütiger Offenheit ihre evangelische Ruffassung von den Schriften
der Kirchenväter darlegen — immer nahmen die Gespräche einen edlen,
würdigen Verlauf.
hier in Sietzenburg empfing sie auch die Besuche des Philosophen
Leibniz, den sie schon.am Hofe ihrer Eltern in Hannover schätzen gelernt
und mit dem sie bereits seit 1690 in lebhaftem Briefwechsel gestanden.
Die Unterhaltungen mit ihm, die sich über die ernstesten Rätsel des
Lebens ausbreiteten, gewährten ihr einen außerordentlichen Genuß.
„Glauben Sie nicht," schrieb sie ihm gleich nach Beendigung der Krönungs-
feierlichkeiten, „daß ich diese Größe, von der man soviel Rufhebens macht,
unseren philosophischen Unterhaltungen vorziehe." Und an ihre Hofdame,
Fräulein von pöllnitz, schrieb sie ein andermal (7. Rugust 1702): „Ich
liebe diesen Mann; aber ich möchte mich fast darüber betrüben, daß er
alles mit mir so oberflächlich behandelt. Er setzt Mißtrauen in meinen
Geist; denn er antwortet mir selten mit Schärfe über die Gegenstände,
welche ich anrege.... Neulich hielt er mir eine Rbhandlung über das
unendlich Kleine, — wer weiß besser als ich, wie es sich damit verhält!"
------Und Leibniz wieder schreibt einmal an seine fraglustige Freundin:
„Es ist nicht möglich, Sie zufriedenzustellen, Sie wollen das warum
vom Warum wissen".
Es war das Verdienst Sophie Tharlottenz, daß sie feinere Sitten
in die Gesellschaft einführte, denn es sah damit bei allem Zeremoniell
am Hofe Friedrichs zu Rnfang seiner Regierung noch übel genug aus.
Zu den beliebten Vergnügungen des Hofes während der ersten Regierungs-
zeit des Kurfürsten gehörten die sogenannten „wirtschaften", Maskeraden,
bei denen der Fürst und seine Gemahlin als Wirt und Wirtin auftraten
und die Gäste in der Darstellung mythologischer, historischer oder phan-
tastischer Figuren Gelegenheit fanden, eine große Kleiderpracht zu entfalten.
Öfters übernahm eine der Masken die Rufgabe, die andern der Reihe
nach in Sinngedichten anzureden und ihnen eine Schmeichelei oder eine
Rnzüglichkeit zu sagen. So erhielt bei einer Wirtschaft vanckelmann die
Rolle eines Scherenschleifers, der, da ihm nicht genug Scheren zum
Schleifen gegeben worden, sich daran macht, Menschen zu schleifen. Die
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T71: [Mann Volk Leben Sitte Zeit Vater Liebe Frau König Jugend], T90: [Luther Kirche Lehre Schrift Wittenberg Papst Kaiser Reformation Jahr Konzil], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe]]
TM Hauptwörter (200): [T49: [König Königin Herzog Peter Hof Elisabeth Minister Tod Graf Regierung], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T173: [Sprache Wort Name Schrift Zeit Buch Form Kunst Art Werk], T61: [Wilhelm Friedrich Prinz König Luise Jahr Königin Gemahlin Prinzessin Kaiser]]
Extrahierte Personennamen: Friedrich Friedrich Sophie_Lharlotte Leibniz Sophie_Tharlottenz Friedrichs
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32. Meiner Mutter.
Wie oft sah ich die blassen Hände nähen,
ein Stück für mich — wie liebevoll du sorgtest!
Ich sah zum Himmel deine Flügen stehen,
ein Wunsch für mich — wie liebevoll du sorgtest!
Und an mein Bett kamst du mit leisen Zehen,
ein Schutz für mich — wie sorgenvoll du horchtest!
Längst schon dein Grab die Winde überwehen,
ein Gruß für mich — wie liebevoll du sorgtest!
Detlev v. Liliencron.
33. Es ist ein Ros' entsprungen.
Ls ist ein Ros' entsprungen
aus einer Wurzel zart,
als uns die Riten sungen,
aus Iesse kam die Rrt,
und hat ein Blümlein bracht
mitten im kalten Winter
wohl zu der halben Nacht.
Das Röslein, das ich meine,
davon Esaias sagt,
hat uns gebracht alleine
Marie, die reine Magd:
aus Gottes ew'gem Rat
hat sie ein Rind geboren
wohl zu der halben Nacht.
Volkslied.
34. Weihnacht.
Die Welt wird kalt, die Welt wird stumm,
der Winter — Tod geht schweigend um;
er zieht das Lailach weiß und dicht
der Grde übers Rngesicht —
Schlafe — schlafe!
Du breitgewölbte Grdenbrust,
du Stätte aller Lebenslust,
hast Duft genug im Lenz gesprüht,
im Sommer heiß genug geglüht;
nun komme ich, nun bist du mein,
gefesselt nun im engen Schrein —
Schlafe — schlafe!
Die Winternacht hängt schwarz und schwer,
ihr Mantel fegt die Erde leer,
die Erde wird ein schweigend Grab,
ein Ton geht zitternd auf und ab:
Sterben — sterben!
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
TM Hauptwörter (100): [T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe]]
TM Hauptwörter (200): [T51: [Kind Himmel Nacht Sonne Tag Gott Wald Baum Blume Feld], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht]]
Extrahierte Personennamen: Detlev_v Liliencron Marie