34
Die deutsche Reformation.
trat Johann Oekolampad, Prediger in Augsburg, für die Sache
Luthers mit einer kleinen Schrift ein. Aber der schon gealterte
Reuchlin blieb den durch Luther angeregten Fragen ganz fern und
hätte auch am liebsten seinen Neffen Philipp Melanchthon von
einem engen Zusammengehen mit dem kühnen Reformator zurückgehalten.
In Melanchthon aber sollte Luther der treuste Gefährte und
Bundesgenosse in seiner Arbeit erwachsen.
Philipp Melanchthon (1497—1560) war der Sohn eines
Waffenschmiedes zu Bretten in der Unterpfalz. Schon im dreizehnten
Jahre ging er auf die Universität zu Heidelberg, gab im sechzehnten
Jahre eine griechische Grammatik heraus. Im Alter von 21 Jahren
wurde er als Professor an die Universität Wittenberg berufen, wo
seine Vorträge solchen Beifall fanden, daß zu ihnen 2000 Zuhörer
und darüber strömten. Die, welche nicht auf Bänken oder stehend in
den Zwischenräumen derselben Platz fanden, kletterten an den Fenstern
empor und lauschten von oben herab. Mit Luther schloß Melanchthon
bald innige Freundschaft und wußte den raschen Eifer desselben durch
seinen sanften, milden Sinn, oft zum Heile der guten Sache, zu mäßigen.
Als Kaiser Karl den Anhängern Luthers — diese hatten auf dem
Reichstage zu Speier den Spottnamen Protestanten erhalten —
befahl, ihm schriftlich zu überreichen, was sie eigentlich wollten, ver-
faßte Melanchthon in ihrem Auftrage die Denkschrift, welche unter
dem Namen „Augs bürg er Konfession" (Glaubensbekenntnis) welt-
bekannt geworden ist und worin alle Glaubenssätze der Protestanten
enthalten sind. Auf dem Augsburger Reichstage wurden sie laut vor
Kaiser und Fürsten verlesen.
Ter Reichstag zu Augsburg, die Augsburger Konfession und die
Gründung des Schmalkaldischen Bundes.
Mit dem Frieden von Cambrai hatte Karl V. wieder die Mög-
lichkeit erhalten, sich den deutschen Angelegenheiten zuzuwenden. Mit
dem Papst war er in so gute Beziehungen getreten, daß er sich von
ihm mit großer Pracht in Bologna 1530 krönen ließ. Das war die
letzte Kaiserkrönung auf italienischem Boden und durch die Hand des
Papstes. Noch in Bologna schrieb der Kaiser einen Reichstag nach Augs-
bürg aus, auf dem vor allem die Beseitigung der Glaubensspaltung
durchgesetzt werden sollte. Nachdem aber die Evangelischen das
„Bekenntnis ihres Glaubens" überreicht hatten, war das nicht
mehr möglich. Von einigen hervorragenden katholischen Theologen,
darunter der Dr. Eck, wurde eine Widerlegung ausgearbeitet, die
aber die Protestanten als solche nicht gelten ließen. Nun legte der
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Extrahierte Personennamen: Johann_Oekolampad Johann Philipp_Melanchthon Philipp Melanchthon Philipp_Melanchthon Philipp Melanchthon Karl Karl Melanchthon Karl_V. Karl_V.
Die deutsche Reformation.
Luthers Ausbildung und erste Kampfe.
Die große religiöse Bewegung, welche Deutschland in zwei Lager
schied, entstand nicht mit einem Male, sondern hatte Vorboten und
Vorläufer. Die Kirchenversammlungen im 15. Jahrhundert hatten
die Abstellung der in der Kirche eingerissenen Mißbräuche nur teilweise
erzielen können. In der Hauptsache war es beim alten geblieben.
Und, im Unterschied zu den großen streitbaren Päpsten des Mittel-
alters, waren solche Männer auf den Stuhl Petri gelangt, die weniger
an die Aufrechterhaltung eines Gottesstaates, als an die Erreichung
von Zielen weltlichen Ehrgeizes dachten. Aus der Sorge der Seele
für das Gewissen wurde auf deutscher Erde die religiöse Resor-
mation geboren, als deren vornehmster Vertreter Martin Luther
anzusehen ist, der seine ersten Gewissenskämpfe etwa um die nämliche
Zeit ausfocht, da der Genuese Christoph Kolumbus den neuen
Erdteil entdeckte.
Martin Luthers Jugend. Die Stätten seiner Ausbildung.
Martin Luther wurde im Jahre 1483 am 10. November in
Eis leben geboren. Sein Vater Hans Luther und seine Mutter-
Margarete, geb. Lindemann, lebten in dem Dorfe Möhra bei Eis-
leben. Sie kamen nach Eisleben und später nach Mansfeld, wo
Martin seinen ersten Unterricht erhielt. Vater, Mutter und Lehrer
straften ihn zuweilen recht hart. Als Martin 14 Jahre alt war,
wurde er nach Magdeburg und bald darauf nach Eisenach auf die
Schule geschickt. In Eisenach nahm sich Frau Cotta seiner besonders
an, indem sie ihm Wohnung und Kost gab, für ihn das Schulgeld
bezahlte und ihn in der Musik unterrichten ließ. Der Aufenthalt im
Hause der Frau Cotta bildet in Luthers Leben einen denkwürdigen
Abschnitt. Er steht zwischen dem schlichten Elternhaus zu Möhra und
dem Augustinerkloster zu Erfurt als wichtige Lebensstation des
kommenden Streiters für das Evangelium.
Der kleine Kurrendeschüler, der hier katholische Weisen sang und
betete, wie's ihn noch der Mutter Mund gelehrt, fand hier in not-
Mensch, Weltgeschichte iv. i
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Extrahierte Personennamen: Luthers Martin_Luther Christoph_Kolumbus Martin_Luthers Martin_Luther Hans_Luther Margarete Lindemann Martin Martin Cotta Cotta
2
Die deutsche Reformation.
bedrängter Zeit Haus und Herd. An einem Relief des Lutherdenk-
mals zu Eisenach hat mit Recht auch das Bild der Frau Cotta
seine Stelle gefunden.
Frau Ursula Cotta war die Liebreiche, die dem armen Berg-
mannssohn aus Möhra hier gastlich den Tisch deckte, ihm das Lager
bereitete, denn sie hatte zu dem Knaben eine aufrichtige Zuneigung
gefaßt um feines Gesanges und seines herrlichen Gebets wegen.
Ursula Cotta stammte aus der Eisenacher Familie Schwalbe.
Ihr Mann war einer der angesehensten Bürger der Stadt, aus einem
adeligen Geschlecht italienischer Herkunft, das dem Handel seine Wohl-
habenheit verdankte. In Eisenach hat Luther auch einen guten
Schulunterricht vier Jahre hindurch genossen. Die Unterrichtsmethode,
die dort herrschte und die schon humanistische Bestrebungen erkennen
läßt, hat Luther später zu Melanchthon gerühmt.
Im 18. Jahre kam Luther nach Erfurt auf die Universitär.
Er sollte eigentlich ein Rechtsgelehrter werden. Aber eine lateinische
Bibel, die er in der Universitätsbibliothek sand, brachte ihn auf andere
Gedanken. Je mehr er feine Bibel las, desto weniger Gefallen fand
er an der Rechtsgelehrsamkeit. Er beschloß daher, seine Laufbahn zu
ändern. In seinem Beschluß bestärkte ihn noch der plötzliche Tod
seines Freundes Alexius. Er ging in das Augustinerkloster zu Erfurt
und wurde Mönch.
Der Augustinermönch.
Mit Wohlbedacht hatte Luther sich seinen Orden gewählt. Die
Augustinermönche zählten damals, wo schon ein großer innerer
Verfall in der Kirche eingerissen war, zu den geachtetsten in Deutsch-
land, führten ein strenges, den Ordensregeln entsprechendes Leben,
pflegten aber dabei auch die theologischen Studien. Luther vertiefte
sich während seiner Mönchsjahre eifrig in die Lehren des Kirchenvaters
Augustin, nach welchem sein Orden sich nannte, und hatte auch Ge-
legenheit, durch das Lesen einer alten Bibel, die er zufällig fand, in
die Grundwahrheiten des Heils einzudringen. Häufig fühlte er sich
in seinem Herzen durch Gewissensnöte, durch Sorge um seine Selig-
keit, heftig beunruhigt und bedrängt. Sein Ordensvikar, der milde
und gerechte Johann von Staupitz, der bei seinen Besuchen im
Kloster auf den stillen und gelehrten Mönch aufmerksam wurde, ver-
mochte ihm den innern Frieden wiederzugeben, indem er ihn auf das
den Menschen in Christo Jesu erschienene Heil verwies.
In seinen späteren Kämpfen hat Martin Luther sich meistens
des Beistandes und der Zustimmung seiner Ordensbrüder, der Au-
gustiner, gegen seine Feinde, die Dominikaner, zu erfreuen gehabt.
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Luthers Ausbildung und erste Kämpfe.
3
Die Zelle, welche Luther in Erfurt bewohnte, ist erst im
Jahre 1822 durch einen Brand zerstört worden.
Als im Jahre 1508 der Kurfürst Friedrich der Weise von
Sachsen für die Universität Wittenberg einen Professor der Theologie
suchte, wandte er sich deshalb an Dr. Johann von Staupitz, den Vor-
steher des Augustmerklosters zu Erfurt. Dieser schlug Luther zu der
Stelle vor, und so kam Luther von Erfurt nach Wittenberg.
Luther in Wittenberg. Luther war mit Zagen nach Witten-
berg gegangen. Und doch ging es mit seinen Predigten so gut, daß
er bald darauf zum Prediger gewählt wurde. Nach einigen Jahren
bekam Luther, der noch immer Mönch war, den Auftrag, in Ange-
legenheiten seines Ordens nach Rom zu reisen. Auf dieser Reise,
noch mehr aber in Rom, lernte er die Schäden der Kirche kennen.
Namentlich empörte ihn die Art, mit welcher viele italienische
Priester die heiligen Handlungen verrichteten. Nach seiner Rückkehr
wurde Luther zum Doktor der Theologie ernannt. Da geschah es,
daß ein Dominikanermönch, Johann Tetzel, Norddeutschland durch-
zog und Ablaß oerkaufte. Die Papste sagten nämlich, es sei in vielen
Kirchen, besonders in Rom, ein großer Schatz von guten Werken
aufbewahrt. Diese guten Werke seien diejenigen, welche die Heiligen
mehr getan hätten als sie eigentlich zu tun brauchten. Wenn nun
jemand viel gesündigt habe, wofür er von Gott oder von der Obrig-
keit bestraft werden müsse, so brauche er nur, um der Strafe zu ent-
gehen, sich solche guten Werke zu kaufen. Das abergläubische Volk
glaubte dergleichen, und so wurde der Ablaßkram auf eine schamlose
Weise getrieben. Anfangs setzte man Ablaßjahre fest, später schickte
man sogenannte Ablaßkrämer umher, die für alle möglichen Sünden
Ablaßzettel verkauften. Tetzel war einer der unverschämtesten. Er
pflegte vor seiner Bude zu singen: „Sobald das Geld im Kasten
klingt, die Seele aus dem Fegefeuer in den Himmel springt." Ein
solches Unwesen konnte der fromme Martin Luther nicht ertragen.
Er predigte, als Tetzel in der Gegend von Wittenberg Ablaßzettel
verkaufte, von der Kanzel gegen den Ablaßkram und schlug an die
Schloßkirche von Wittenberg 95 Sätze gegen den Ablaßhandel, so
daß sie jedermann lesen konnte. Das war am 31. Oktober 1517.
Mit dieser Tat beginnt in Deutschland die Reformation oder Kirchen-
Verbesserung.
Luther war sich wohl bewußt, daß er bei diesem Vorgehen sich
keinen besonderen Dank bei seinem gnädigen Landesherrn verdient
hatte. Friedrich der Weise wollte wohl innerhalb seines Landes
den Ablaßkram nicht zulassen, damit nicht zuviel Geld weggeschleppt
i*
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Extrahierte Personennamen: Luthers Friedrich Johann_von_Staupitz Johann Luther Johann_Tetzel Johann Gott Martin_Luther Friedrich
Extrahierte Ortsnamen: Erfurt Sachsen Erfurt Erfurt Wittenberg Wittenberg Rom Rom Norddeutschland Rom Wittenberg_Ablaßzettel Wittenberg Deutschland
Luthers Ausbildung und erste Kämpfe.
5
bischof Albrecht darum angegangen hatte, den Behauptungen zwei
Reihen eigener Thesen in scholastisch-wissenschaftlicher Form gegenüber.
Die Frage nach dem Ansehn und der Gewalt des Papstes, der
in Glaubenssachen keinem Irrtum unterworfen sei, stellten diese Thesen
in den Mittelpunkt des Streites.
Ein Geistlicher aus der Umgebung des Papstes, Silvester Mazolini
von Prierio verfuhr in seiner Entgegnung auf Luthers Thesen ähnlich,
indem auch er allen Nachdruck auf die unantastbare Autorität des
Papstes legte. Dabei behandelt er den obskuren Deutschen, dessen
„hündisch-bissige" Sätze er nur in aller Kürze abtun wolle, so gering-
schätzig als möglich.
Der Prior in Köln, Jakob von Hoog st raten, auch ein Domini-
kaner, bekannt aus seinem Streit mit Reuchlin, fordert in einer Schrift,
daß gegen den neuen gefährlichen Ketzer Luther sofort mit dem Feuer
eingeschritten werde.
Ein gefährlicherer und bedeutenderer Gegner erwuchs Luther in
Johann Eck, Professor an der Universität Ingolstadt und Kanonikus
zu Eichstätt. Eck hatte anfangs Fühlung mit dem Kreise der
Humanisten gesucht, sich auch gut mit Luther gestanden, so daß dieser
sehr überrascht war, als Eck unter dem Titel „Obelisken" eine Streit-
schrist gegen ihn erscheinen ließ, die ebenso gehässig wie oberflächlich
abgefaßt war. Es wurde u. a. darin gesagt, das, was Luther vor-
bringe, sei böhmisches Gift, hufsitische Ketzerei.
Das Verhör durch Kajetan in Augsburg.
Papst Leo X. war anfangs geneigt, diese ganze durch Luther
angeregte Streitsache leicht zu nehmen, zumal er mit den Mitteln der
päpstlichen Gewalt jederzeit den unruhigen Mönch mundtot machen
konnte. Luther seinerseits hielt in den Schreiben an den Statthalter
Christi noch immer den Ton höchster Ehrfurcht und Demut fest, war
auch innerlich der Überzeugung, der Papst selbst werde in dem Streit
gegen die unverschämten Ablaßkrämer sein Beschützer werden. Eine
Kirchenspaltung herbeizuführen, lag ihm ganz fern. Erst allmählich
wurde er durch die Ereignisse zu diesem Schritt gedrängt.
Ein Vierteljahr nach dem Erscheinen der Thesen verordnete der
Papst, der Generalvikar des Augustinerordens solle „den Menschen be-
sänftigen". Dann wurde in Rom ein Ketzergericht eingesetzt. Binnen
sechzig Tagen sollte Luther vor ihm erscheinen. Feind und Freund
konnten jich sagen, daß es von dort für ihn keine Wiederkehr gab.
Zugleich versuchte man in Rom, den Kaiser Maximilian wie auch den
Kurfürsten von Sachsen dahin zu bearbeiten, daß sie sich Luthers nicht
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von_Prierio Jakob_von_Hoog Johann Leo_X Leo Christi Maximilian Maximilian Luthers
Extrahierte Ortsnamen: Luthers Johann_Eck Augsburg Rom Rom Sachsen
Ter Bildersturm in Wittenberg und der Bauernkrieg.
23
Der Bildersturm in Wittenberg und der
Bauernkrieg.
Als zu Luther die Nachricht dringt, daß der unbesonnene Eifer
seines Freundes Karlstadt, der die Bilder und Altäre, welche so-
lange Gegenstand der Verehrung gewesen, zerstört, in Wittenberg
große Unruhen erregt, duldet es ihn nicht länger auf der Wartburg.
Er eilt, trotz Acht und Bann, nach Wittenberg, wo er so lange
predigt, bis Ruhe und Ordnung hergestellt sind. Großer Kummer
und schwerer Verdruß erwuchs dem Dr. Luther durch den Aufstand
der Bauern im mittleren und südlichen Deutschland. Die von Adel
und Geistlichkeit arg bedrückten Bewohner des Landes verwechselten
Luthers Lehre von der Freiheit in Glaubenssachen mit der
Freiheit im Staatsleben. Sie begehrten Aufhebung der drückendsten
Fronden.
Der Bauernkrieg (1524—25).
Die Bauern sind erst allmählich von Reformern, d. h. Verbesserern,
ihrer armseligen Zustände zu Revolutionären geworden, zu Umstürzlern,
die unbedenklich zu Gewalttätigkeiten schritten. Wolfgang Goethes
scharfer Instinkt hat im „Götz von Berlichingen", obgleich dieses Drama
in bezug auf den „Bauernkrieg" noch alten Quellen folgt, Recht und
Unrecht scharf auseinander gehalten.
Den ersten Vorstoß der Besitzlosen gegen die Besitzenden, eine
sogenannte proletarische Bewegung, sehen wir in Deutschland im
„Bauernkrieg" vor uns, als sich in der Rhein- und Maingegend,
namentlich im Frankenlande, zu Miltenberg, Würzburg usw. die unter-
drückten Landleute gegen ihre Herren empörten und unter der Leitung
gewissenloser Hetzer sehr bald aus Reformern zu Brandstiftern und
Mördern wurden. Es ist kein Zufall, daß diese Bewegung von
unten auf in die Zeit der religiösen Reformation hineinfällt, wenn
auch Luther sich stets bemüht hat, Geistliches und Weltliches zu
trennen. Mit seinem Wort von der „Freiheit des Christenmenschen"
war denn doch schließlich auch die Losung für eine Neuordnung sozialer
und wirtschaftlicher Verhältnisse gegeben. Die Aufständischen sammelten
sich in den einzelnen Landschaften zu sogenannten „Haufen", die
namentlich im Odenwald unter Führung eines verkommenen Wirts
Georg Metzler schmähliche Gewalttaten verübten. In Weinsberg
jagten die Bauern den Grafen von Helfenstein und 20 andere
Edelleute durch die Spieße. Nur gezwungen hatte der Ritter Götz
von Berlichingen sich von ihnen zum „Hauptmann" wählen lassen.
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Ter Bildersturm in Wittenberg und der Bauernkrieg. 25
einen gedruckten Brief hochhielt. Ein mit Kränzen und Bändern
gezierter Wagen, auf dem die schwarz-rot-goldene Sturmfahne wehte,
fuhr hinter den beiden. Der Brief offenbarte das in zwölf Artikel
eingeteilte Verlangen der Bauern: christliche Freiheit, wie sie solche in
der neuen evangelischen Lehre enthalten glaubten; Abschaffung der
die Leibeigenschaft begleitenden schweren Lasten, insbesondere der den
Leibeigenen niederdrückenden Bestimmungen über Jagd, Fischerei,
den Zehnten, die Fronden und die Gülten; Abschaffung der harten
Strafen. So zog die immer mehr anwachsende Bauernschar nach dem
Kloster St. Blasien, verwüstete dasselbe in rohester Weise, drang durch
den Schwarzwald und die Baar, überall Furcht und Schrecken ver-
breitend, bis an den Bodensee und schenkte keinerlei Gegenvorstellungen
Gehör. Wer weiß, welche Ausschreitungen das mißleitete Volk noch be-
gangen hätte ohne Markgraf Philipps kluges Eingreifen. Er hatte
ein Herz für die Armen und Bedrückten und war einer der wenigen
Fürsten, die den tüchtigen Kern im Volke trotz der rauhen Schale er-
kannten. Sein Rechtlichkeitsgefühl hieß ihn die Forderungen der
Bauern prüfen. Was daran wirklich berechtigt war, unterzog er ein-
gehender Beratung. Er richtete an die Ritterschaft der Ortenau und
den Rat der Stadt Straßburg, welche Besitzungen in der Ortenau
hatte, das Ersuchen, gemeinsam mit den markgräflichen Räten die
Beschwerden der Bauern anzuhören und mit ihnen darüber zu unter-
handeln. Er selbst und sein geschäftskundiger Kanzler sorgten für die
Abstellung vieler das Landvolk bedrückenden Mißbräuche.
Bald war auf diese Weise die Ordnung in der Ortenau her-
gestellt, die Gefahr, welche durch eine Vereinigung der Ortenauer mit
den Odenwalder Bauern drohte, aus der Welt geschafft. Markgraf
Philipp rettete durch sein Vorgehen seine Bauern und die der Ortenauer
Herren vor strenger Strafe. Die Scharen Georg Metzlers und des
Bulgenbacher Hans besiegte Graf Truchfeß von Waldburg bei
Königshofen an der Tauber, südwestlich von Würzburg. Beide An-
führer büßten mit dem Leben.
Thomas Münzer und die Wiedertäufer.
Die von Thomas Münzer geleiteten thüringischen Bauern
gingen noch viel weiter. Sie forderten allgemeine Gleichheit und den
gemeinsamen Besitz aller Güter (Kommunismus). Wiedertäufer
nannten sie sich, weil sie die Kindertaufe verwarfen und bei den Er-
wachsenen eine zweite Taufe vornahmen, die sie als Zeichen der Zu-
gehörigkeit zu einer echten christlichen Gemeinde betrachteten. Bei
Thomas Münzer treffen alle Gegensätze der alten Zeit zusammen. Er
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Extrahierte Personennamen: Philipps Philipps Philipp Philipp Georg_Metzlers Hans Graf_Truchfeß_von_Waldburg Thomas_Münzer Thomas_Münzer Thomas_Münzer
26
Tie deutsche Reformation.
haßt Verfassung, Gottesdienst, Lehre der alten Kirche — aber auch Luther,
weil dieser, seiner Meinung nach, auf halbem Wege stehen geblieben
ist —. Wo die Bauern aufstanden zwischen Main und Rhein, zwischen
Oberschwaben und Thüringen, da hetzt Thomas Münzer sie durch
flammende Reden gegen die geistlichen und weltlichen Herren auf und
bedient sich dabei der bilderreichen flammenden Sprache der Propheten
des Alten Bundes.
Der Bauernkrieg erlag an dem Mangel tüchtiger Führung.
Am 15. Mai 1525 wurden bei Frankenhausen südwestlich
von Eislebeit Münzers Bauernhaufen durch die Heere des hessischen
Landgrafen, des Kurfürsten Johann und der Herzöge Johann und
Heinrich oon Sachsen aufs Haupt geschlagen. Der Hauptmann des
Schwäbischen Bundes, Truchseß von Waldburg, und die Kurfürsteit
von Pfalz und Trier machten in Württemberg dem Aufstand ein Ende.
Das Verhängnis einer mißlungenen Erhebung erfuhren die Bauern
in härtestem Maße.
Der Bauernstand versank in eine rechtlose Leibeigenschaft,
aus der er sich erst wieder in der neuen Zeit, namentlich unter den
preußischen Königen Friedrich Wilhelm I. und Friedrich Ii. empor-
gearbeitet hat.
Die Sekte der Wiedertäufer und ihr ferneres Treiben.
Die Sekte der Wiedertäufer war durch Thomas Münzers Tod
noch keineswegs ausgerottet, sondern zeigte sich, bald hier, bald da, in
ganz Deutschland, ihren Hauptsitz aber hatte sie in den Niederlanden
uitd Westfalen. Besonderen Nachdruck legten die Anhänger dieser
Sekte auf ihr Gefühl des „Auserwähltseins", die Gütergemeinschaft
und auf die Überzeugung vom baldig bevorstehenden Weltende.
Die bekanntesten „Propheten" der Wiedertäufer waren Jan Bockel-
söhn aus Leiden (auch kurzweg Johann von Leiden genannt),
seines Handwerks ein Schneider, ein Mensch voll abenteuerlicher Ge-
danken, und Johann Matthefon, ein Bäcker aus Hadem. Die
Stadt Münster war der Hauptschauplatz ihrer verrückten Regierung,
die etil Zerrbild des altjüdischen Staats errichtete. Johann von
Leiden ließ sich zum „König von Zion" ausrufen und führte die
Vielweiberei ein. Einen Mann, namens Knipperdolling, bestellte
er zum Scharfrichter, der seine wahnsinnigen Bluturteile vollstreckte.
Denn wer sich im „Neuen Jerusalem" dem Regiment Jan Bockel-
fohns nicht fügen wollte, büßte die Widersetzlichkeit mit dem Leben.
1535 wurde dem Treiben dieser Schwarmgeister ein Ende bereitet.
Der Bischof von Münster belagerte die Stadt und eroberte sie. Philipp
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Extrahierte Ortsnamen: Main Rhein Oberschwaben Frankenhausen Sachsen Waldburg Württemberg Deutschland Westfalen Jerusalem
Luthers Heirat und Katharina von Bora.
27
von Hessen mußte auch Kriegsvolk stellen, um die gefährlichen Fana-
titer zu vernichten.
Die Erinnerung an den phantastischen überspannten „Johann
von Leiden" haben der französische Theaterschriftsteller Eugen Scribe
und der deutsche Komponist Jakob Meyerbeer in etwas idealisierender
Weise verarbeitet in der einst sehr beliebten Oper „Der Prophet".
Luthers Heirat und Katharina von Bora.
Im Herbst 1524 hatte Luther die Mönchskutte mit der welt-
lichen Kleidung eines Gelehrten vertauscht, weilte aber noch immer in
seinem Kloster, dessen Einkünfte freilich aufhörten, da die Mönche
größtenteils austraten. Luther war mit der bescheidensten Verpflegung
zufrieden und konnte tatsächlich lange von Wasser und Brot leben.
Bei seinem Leben voll angestrengter Arbeit und Aufregung begnügte
er sich mit den einfachsten Erholungen und Genüssen.
Der Gedanke an den Ehestand kam ihm erst, als ein großes
Gesühl der Vereinsamung ihn ergriff und er des Bibelworts gedachte-
„Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei . . ." Da wandte sich
seine Erinnerung der früheren Nonne Katharina von Bora zu.
Diese, geboren 1499, stammle aus einem alten adeligen Geschlecht.
Schon als Kind hatte man sie in einein Kloster untergebracht, und
mit 16 Jahren war sie als Nonne eingesegnet worden, ohne wirklichen
inneren Beruf zu diesem Leben. Mir noch anderen Schwestern entfloh
sie der Klosterzelle. Der Torgauer Ratsherr Koppe nahm sich ihrer
an, und Luther rechtfertigte ihren Austritt in einem öffentlichen Send-
schreiben an Koppe und sammelte auch Beiträge für ihren Unterhalt,
bis sie weiter versorgt werden könnten. Zuerst kamen sie nach Witten-
berg, und hier blieb Katharina im Hause des Stadtschreibers Philipp
Reichenbach, bis sie Luthers Ehefrau wurde.
Die Universität Wittenberg schenkte Luther zu seiner Vermählung
einen fein gearbeiteten silbernen Becher, und das Klostergebäude
verblieb nach Verfügung des Kurfürsten seine Wohnung. In diesem
richtete Frau Käthe ihren Haushalt ein.
Martin Luther hat einen gesegneten Haus- und Ehe-
stand geführt. Wenn er von seiner Familie, seiner Frau und seinen
Kindern redet, ist er immer des Dankes gegen Gott voll, das Herz
geht ihm auf, er atmet unter den heißen Kämpfen eine frische und
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Extrahierte Personennamen: Luthers Katharina_von_Bora Eugen_Scribe Eugen Jakob_Meyerbeer Luthers Katharina_von_Bora Katharina_von_Bora Koppe Katharina Philipp
Reichenbach Philipp Käthe Martin_Luther
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Tie deutsche Reformation.
erquickende Luft. Im Anfang ihrer Ehe besaßen Frau Käthe und
Martin nur sehr mäßige Einkünfte. Als Luther einst auf den Tod
krank lag, konnte er seine Frau auf keine Hinterlassenschaft verweisen
als auf einige Becher, die er zum Geschenk erhalten hatte. Aber all-
mählich wuchs Einkommen und Besitz. Luthers Gehalt bei der Uni-
versität wurde ihm bei seiner Verheiratung durch den Kurfürsten von
100 auf 200 Gulden erhöht. Der Wert eines damalige:: Guldens
stellt sich etwa 16 Mark unserer heutigen Währung gleich. Hierzu
traten gewisse regelmäßige Einkünfte an Naturalien: ab und zu kam
aus den kurfürstlichen Händen ein außerordentliches Geschenk, ein
schönes Stück Tuch, ein Faß Wein, ein Stück Wildpret.
Luthers Gattin war eine umsichtige, praktische Hausfrau, die mit
ihrer Tätigkeit und ihrem Fleiß den bescheidenen Wohlstand sichtlich
vermehrte. Ein Acker und Gartenstücke, in denen sie Maulbeerbäume,
Hovsen und Feigen pflanzte, wurden von dem Ehepaar erworben.
Allen Lebensmittelbedarf suchte Frau Katharina aus der eigenen Wirt-
schaft zu ziehen. So braute sie nach damaligem Brauch selbst ihr
Bier und befaßte sich auch mit Schweinezucht.
Da die weitgehende Gutherzigkeit und Freigebigkeit Luthers häufig
von elenden Gesellen ausgebeutet wurde, hatte Katharina oft ihre liebe
Not, den Gatten vor allzu großer Brandschatzung zu bewahren. Seiner
ausgedehnten Wohltätigkeit hat sie aber nie Einhalt gebieten können,
noch wollen. Luther war alles ängstliche Sorgen um Gut und
Besitz von Herzen zuwider. Für seinen Dienst als Prediger an der
Wittenberger Stadtkirche bezog er kein Gehalt, erhielt von der Stadt
nur hin und wieder Wein aus dem Ratskeller und Kalk und Steine
zum Bau seines Hauses. Für seine Schriften nahm er von den Ver-
legern nichts. Fünf Kinder wuchsen ihm heran: Johannes, Elisabeth,
Magdalena, Martin und Paul. Wie schlicht und verständlich er mit
den Kleinen zu reden wußte, sagt uns ein Brief an den vierjährigen
Hans. Bei ihm lernten die Kinder beten, singen und den Katechismus
hersagen. Das frische, freudige Weihnachtslied „Vom Himmel hoch,
da komm' ich her" hat Luther als Vater gedichtet.
Vor leidenschaftlichem Aufbrausen und Härte den Kindern gegen-
über warnte Luther, in Erinnerung an eigene schwere Jugend-
erfahrungen, doch konnte auch er zürnen und Strenge üben, und
er wollte, wie er sagte, lieber einen toten als einen ungezogenen Sohn
haben. Luthers Haus stand vaterlosen Kindern, Verwandten und
Freunden stets offen. Da selten ein Tag verging, in dem nicht
Schüler, Studenten oder Amtsbrüder bei Luther zu Tisch saßen, haben
des Reformators
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Extrahierte Personennamen: Käthe Martin Luthers Luthers Katharina Katharina Johannes Elisabeth Magdalena Martin Luther