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1. Von der Reformation bis zum Tode Friedrichs des Großen - S. 34

1910 - Berlin : Salle
34 Die deutsche Reformation. trat Johann Oekolampad, Prediger in Augsburg, für die Sache Luthers mit einer kleinen Schrift ein. Aber der schon gealterte Reuchlin blieb den durch Luther angeregten Fragen ganz fern und hätte auch am liebsten seinen Neffen Philipp Melanchthon von einem engen Zusammengehen mit dem kühnen Reformator zurückgehalten. In Melanchthon aber sollte Luther der treuste Gefährte und Bundesgenosse in seiner Arbeit erwachsen. Philipp Melanchthon (1497—1560) war der Sohn eines Waffenschmiedes zu Bretten in der Unterpfalz. Schon im dreizehnten Jahre ging er auf die Universität zu Heidelberg, gab im sechzehnten Jahre eine griechische Grammatik heraus. Im Alter von 21 Jahren wurde er als Professor an die Universität Wittenberg berufen, wo seine Vorträge solchen Beifall fanden, daß zu ihnen 2000 Zuhörer und darüber strömten. Die, welche nicht auf Bänken oder stehend in den Zwischenräumen derselben Platz fanden, kletterten an den Fenstern empor und lauschten von oben herab. Mit Luther schloß Melanchthon bald innige Freundschaft und wußte den raschen Eifer desselben durch seinen sanften, milden Sinn, oft zum Heile der guten Sache, zu mäßigen. Als Kaiser Karl den Anhängern Luthers — diese hatten auf dem Reichstage zu Speier den Spottnamen Protestanten erhalten — befahl, ihm schriftlich zu überreichen, was sie eigentlich wollten, ver- faßte Melanchthon in ihrem Auftrage die Denkschrift, welche unter dem Namen „Augs bürg er Konfession" (Glaubensbekenntnis) welt- bekannt geworden ist und worin alle Glaubenssätze der Protestanten enthalten sind. Auf dem Augsburger Reichstage wurden sie laut vor Kaiser und Fürsten verlesen. Ter Reichstag zu Augsburg, die Augsburger Konfession und die Gründung des Schmalkaldischen Bundes. Mit dem Frieden von Cambrai hatte Karl V. wieder die Mög- lichkeit erhalten, sich den deutschen Angelegenheiten zuzuwenden. Mit dem Papst war er in so gute Beziehungen getreten, daß er sich von ihm mit großer Pracht in Bologna 1530 krönen ließ. Das war die letzte Kaiserkrönung auf italienischem Boden und durch die Hand des Papstes. Noch in Bologna schrieb der Kaiser einen Reichstag nach Augs- bürg aus, auf dem vor allem die Beseitigung der Glaubensspaltung durchgesetzt werden sollte. Nachdem aber die Evangelischen das „Bekenntnis ihres Glaubens" überreicht hatten, war das nicht mehr möglich. Von einigen hervorragenden katholischen Theologen, darunter der Dr. Eck, wurde eine Widerlegung ausgearbeitet, die aber die Protestanten als solche nicht gelten ließen. Nun legte der

2. Von der Reformation bis zum Tode Friedrichs des Großen - S. 1

1910 - Berlin : Salle
Die deutsche Reformation. Luthers Ausbildung und erste Kampfe. Die große religiöse Bewegung, welche Deutschland in zwei Lager schied, entstand nicht mit einem Male, sondern hatte Vorboten und Vorläufer. Die Kirchenversammlungen im 15. Jahrhundert hatten die Abstellung der in der Kirche eingerissenen Mißbräuche nur teilweise erzielen können. In der Hauptsache war es beim alten geblieben. Und, im Unterschied zu den großen streitbaren Päpsten des Mittel- alters, waren solche Männer auf den Stuhl Petri gelangt, die weniger an die Aufrechterhaltung eines Gottesstaates, als an die Erreichung von Zielen weltlichen Ehrgeizes dachten. Aus der Sorge der Seele für das Gewissen wurde auf deutscher Erde die religiöse Resor- mation geboren, als deren vornehmster Vertreter Martin Luther anzusehen ist, der seine ersten Gewissenskämpfe etwa um die nämliche Zeit ausfocht, da der Genuese Christoph Kolumbus den neuen Erdteil entdeckte. Martin Luthers Jugend. Die Stätten seiner Ausbildung. Martin Luther wurde im Jahre 1483 am 10. November in Eis leben geboren. Sein Vater Hans Luther und seine Mutter- Margarete, geb. Lindemann, lebten in dem Dorfe Möhra bei Eis- leben. Sie kamen nach Eisleben und später nach Mansfeld, wo Martin seinen ersten Unterricht erhielt. Vater, Mutter und Lehrer straften ihn zuweilen recht hart. Als Martin 14 Jahre alt war, wurde er nach Magdeburg und bald darauf nach Eisenach auf die Schule geschickt. In Eisenach nahm sich Frau Cotta seiner besonders an, indem sie ihm Wohnung und Kost gab, für ihn das Schulgeld bezahlte und ihn in der Musik unterrichten ließ. Der Aufenthalt im Hause der Frau Cotta bildet in Luthers Leben einen denkwürdigen Abschnitt. Er steht zwischen dem schlichten Elternhaus zu Möhra und dem Augustinerkloster zu Erfurt als wichtige Lebensstation des kommenden Streiters für das Evangelium. Der kleine Kurrendeschüler, der hier katholische Weisen sang und betete, wie's ihn noch der Mutter Mund gelehrt, fand hier in not- Mensch, Weltgeschichte iv. i

3. Von der Reformation bis zum Tode Friedrichs des Großen - S. 2

1910 - Berlin : Salle
2 Die deutsche Reformation. bedrängter Zeit Haus und Herd. An einem Relief des Lutherdenk- mals zu Eisenach hat mit Recht auch das Bild der Frau Cotta seine Stelle gefunden. Frau Ursula Cotta war die Liebreiche, die dem armen Berg- mannssohn aus Möhra hier gastlich den Tisch deckte, ihm das Lager bereitete, denn sie hatte zu dem Knaben eine aufrichtige Zuneigung gefaßt um feines Gesanges und seines herrlichen Gebets wegen. Ursula Cotta stammte aus der Eisenacher Familie Schwalbe. Ihr Mann war einer der angesehensten Bürger der Stadt, aus einem adeligen Geschlecht italienischer Herkunft, das dem Handel seine Wohl- habenheit verdankte. In Eisenach hat Luther auch einen guten Schulunterricht vier Jahre hindurch genossen. Die Unterrichtsmethode, die dort herrschte und die schon humanistische Bestrebungen erkennen läßt, hat Luther später zu Melanchthon gerühmt. Im 18. Jahre kam Luther nach Erfurt auf die Universitär. Er sollte eigentlich ein Rechtsgelehrter werden. Aber eine lateinische Bibel, die er in der Universitätsbibliothek sand, brachte ihn auf andere Gedanken. Je mehr er feine Bibel las, desto weniger Gefallen fand er an der Rechtsgelehrsamkeit. Er beschloß daher, seine Laufbahn zu ändern. In seinem Beschluß bestärkte ihn noch der plötzliche Tod seines Freundes Alexius. Er ging in das Augustinerkloster zu Erfurt und wurde Mönch. Der Augustinermönch. Mit Wohlbedacht hatte Luther sich seinen Orden gewählt. Die Augustinermönche zählten damals, wo schon ein großer innerer Verfall in der Kirche eingerissen war, zu den geachtetsten in Deutsch- land, führten ein strenges, den Ordensregeln entsprechendes Leben, pflegten aber dabei auch die theologischen Studien. Luther vertiefte sich während seiner Mönchsjahre eifrig in die Lehren des Kirchenvaters Augustin, nach welchem sein Orden sich nannte, und hatte auch Ge- legenheit, durch das Lesen einer alten Bibel, die er zufällig fand, in die Grundwahrheiten des Heils einzudringen. Häufig fühlte er sich in seinem Herzen durch Gewissensnöte, durch Sorge um seine Selig- keit, heftig beunruhigt und bedrängt. Sein Ordensvikar, der milde und gerechte Johann von Staupitz, der bei seinen Besuchen im Kloster auf den stillen und gelehrten Mönch aufmerksam wurde, ver- mochte ihm den innern Frieden wiederzugeben, indem er ihn auf das den Menschen in Christo Jesu erschienene Heil verwies. In seinen späteren Kämpfen hat Martin Luther sich meistens des Beistandes und der Zustimmung seiner Ordensbrüder, der Au- gustiner, gegen seine Feinde, die Dominikaner, zu erfreuen gehabt.

4. Von der Reformation bis zum Tode Friedrichs des Großen - S. 3

1910 - Berlin : Salle
Luthers Ausbildung und erste Kämpfe. 3 Die Zelle, welche Luther in Erfurt bewohnte, ist erst im Jahre 1822 durch einen Brand zerstört worden. Als im Jahre 1508 der Kurfürst Friedrich der Weise von Sachsen für die Universität Wittenberg einen Professor der Theologie suchte, wandte er sich deshalb an Dr. Johann von Staupitz, den Vor- steher des Augustmerklosters zu Erfurt. Dieser schlug Luther zu der Stelle vor, und so kam Luther von Erfurt nach Wittenberg. Luther in Wittenberg. Luther war mit Zagen nach Witten- berg gegangen. Und doch ging es mit seinen Predigten so gut, daß er bald darauf zum Prediger gewählt wurde. Nach einigen Jahren bekam Luther, der noch immer Mönch war, den Auftrag, in Ange- legenheiten seines Ordens nach Rom zu reisen. Auf dieser Reise, noch mehr aber in Rom, lernte er die Schäden der Kirche kennen. Namentlich empörte ihn die Art, mit welcher viele italienische Priester die heiligen Handlungen verrichteten. Nach seiner Rückkehr wurde Luther zum Doktor der Theologie ernannt. Da geschah es, daß ein Dominikanermönch, Johann Tetzel, Norddeutschland durch- zog und Ablaß oerkaufte. Die Papste sagten nämlich, es sei in vielen Kirchen, besonders in Rom, ein großer Schatz von guten Werken aufbewahrt. Diese guten Werke seien diejenigen, welche die Heiligen mehr getan hätten als sie eigentlich zu tun brauchten. Wenn nun jemand viel gesündigt habe, wofür er von Gott oder von der Obrig- keit bestraft werden müsse, so brauche er nur, um der Strafe zu ent- gehen, sich solche guten Werke zu kaufen. Das abergläubische Volk glaubte dergleichen, und so wurde der Ablaßkram auf eine schamlose Weise getrieben. Anfangs setzte man Ablaßjahre fest, später schickte man sogenannte Ablaßkrämer umher, die für alle möglichen Sünden Ablaßzettel verkauften. Tetzel war einer der unverschämtesten. Er pflegte vor seiner Bude zu singen: „Sobald das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Fegefeuer in den Himmel springt." Ein solches Unwesen konnte der fromme Martin Luther nicht ertragen. Er predigte, als Tetzel in der Gegend von Wittenberg Ablaßzettel verkaufte, von der Kanzel gegen den Ablaßkram und schlug an die Schloßkirche von Wittenberg 95 Sätze gegen den Ablaßhandel, so daß sie jedermann lesen konnte. Das war am 31. Oktober 1517. Mit dieser Tat beginnt in Deutschland die Reformation oder Kirchen- Verbesserung. Luther war sich wohl bewußt, daß er bei diesem Vorgehen sich keinen besonderen Dank bei seinem gnädigen Landesherrn verdient hatte. Friedrich der Weise wollte wohl innerhalb seines Landes den Ablaßkram nicht zulassen, damit nicht zuviel Geld weggeschleppt i*

5. Von der Reformation bis zum Tode Friedrichs des Großen - S. 5

1910 - Berlin : Salle
Luthers Ausbildung und erste Kämpfe. 5 bischof Albrecht darum angegangen hatte, den Behauptungen zwei Reihen eigener Thesen in scholastisch-wissenschaftlicher Form gegenüber. Die Frage nach dem Ansehn und der Gewalt des Papstes, der in Glaubenssachen keinem Irrtum unterworfen sei, stellten diese Thesen in den Mittelpunkt des Streites. Ein Geistlicher aus der Umgebung des Papstes, Silvester Mazolini von Prierio verfuhr in seiner Entgegnung auf Luthers Thesen ähnlich, indem auch er allen Nachdruck auf die unantastbare Autorität des Papstes legte. Dabei behandelt er den obskuren Deutschen, dessen „hündisch-bissige" Sätze er nur in aller Kürze abtun wolle, so gering- schätzig als möglich. Der Prior in Köln, Jakob von Hoog st raten, auch ein Domini- kaner, bekannt aus seinem Streit mit Reuchlin, fordert in einer Schrift, daß gegen den neuen gefährlichen Ketzer Luther sofort mit dem Feuer eingeschritten werde. Ein gefährlicherer und bedeutenderer Gegner erwuchs Luther in Johann Eck, Professor an der Universität Ingolstadt und Kanonikus zu Eichstätt. Eck hatte anfangs Fühlung mit dem Kreise der Humanisten gesucht, sich auch gut mit Luther gestanden, so daß dieser sehr überrascht war, als Eck unter dem Titel „Obelisken" eine Streit- schrist gegen ihn erscheinen ließ, die ebenso gehässig wie oberflächlich abgefaßt war. Es wurde u. a. darin gesagt, das, was Luther vor- bringe, sei böhmisches Gift, hufsitische Ketzerei. Das Verhör durch Kajetan in Augsburg. Papst Leo X. war anfangs geneigt, diese ganze durch Luther angeregte Streitsache leicht zu nehmen, zumal er mit den Mitteln der päpstlichen Gewalt jederzeit den unruhigen Mönch mundtot machen konnte. Luther seinerseits hielt in den Schreiben an den Statthalter Christi noch immer den Ton höchster Ehrfurcht und Demut fest, war auch innerlich der Überzeugung, der Papst selbst werde in dem Streit gegen die unverschämten Ablaßkrämer sein Beschützer werden. Eine Kirchenspaltung herbeizuführen, lag ihm ganz fern. Erst allmählich wurde er durch die Ereignisse zu diesem Schritt gedrängt. Ein Vierteljahr nach dem Erscheinen der Thesen verordnete der Papst, der Generalvikar des Augustinerordens solle „den Menschen be- sänftigen". Dann wurde in Rom ein Ketzergericht eingesetzt. Binnen sechzig Tagen sollte Luther vor ihm erscheinen. Feind und Freund konnten jich sagen, daß es von dort für ihn keine Wiederkehr gab. Zugleich versuchte man in Rom, den Kaiser Maximilian wie auch den Kurfürsten von Sachsen dahin zu bearbeiten, daß sie sich Luthers nicht

6. Von der Reformation bis zum Tode Friedrichs des Großen - S. 23

1910 - Berlin : Salle
Ter Bildersturm in Wittenberg und der Bauernkrieg. 23 Der Bildersturm in Wittenberg und der Bauernkrieg. Als zu Luther die Nachricht dringt, daß der unbesonnene Eifer seines Freundes Karlstadt, der die Bilder und Altäre, welche so- lange Gegenstand der Verehrung gewesen, zerstört, in Wittenberg große Unruhen erregt, duldet es ihn nicht länger auf der Wartburg. Er eilt, trotz Acht und Bann, nach Wittenberg, wo er so lange predigt, bis Ruhe und Ordnung hergestellt sind. Großer Kummer und schwerer Verdruß erwuchs dem Dr. Luther durch den Aufstand der Bauern im mittleren und südlichen Deutschland. Die von Adel und Geistlichkeit arg bedrückten Bewohner des Landes verwechselten Luthers Lehre von der Freiheit in Glaubenssachen mit der Freiheit im Staatsleben. Sie begehrten Aufhebung der drückendsten Fronden. Der Bauernkrieg (1524—25). Die Bauern sind erst allmählich von Reformern, d. h. Verbesserern, ihrer armseligen Zustände zu Revolutionären geworden, zu Umstürzlern, die unbedenklich zu Gewalttätigkeiten schritten. Wolfgang Goethes scharfer Instinkt hat im „Götz von Berlichingen", obgleich dieses Drama in bezug auf den „Bauernkrieg" noch alten Quellen folgt, Recht und Unrecht scharf auseinander gehalten. Den ersten Vorstoß der Besitzlosen gegen die Besitzenden, eine sogenannte proletarische Bewegung, sehen wir in Deutschland im „Bauernkrieg" vor uns, als sich in der Rhein- und Maingegend, namentlich im Frankenlande, zu Miltenberg, Würzburg usw. die unter- drückten Landleute gegen ihre Herren empörten und unter der Leitung gewissenloser Hetzer sehr bald aus Reformern zu Brandstiftern und Mördern wurden. Es ist kein Zufall, daß diese Bewegung von unten auf in die Zeit der religiösen Reformation hineinfällt, wenn auch Luther sich stets bemüht hat, Geistliches und Weltliches zu trennen. Mit seinem Wort von der „Freiheit des Christenmenschen" war denn doch schließlich auch die Losung für eine Neuordnung sozialer und wirtschaftlicher Verhältnisse gegeben. Die Aufständischen sammelten sich in den einzelnen Landschaften zu sogenannten „Haufen", die namentlich im Odenwald unter Führung eines verkommenen Wirts Georg Metzler schmähliche Gewalttaten verübten. In Weinsberg jagten die Bauern den Grafen von Helfenstein und 20 andere Edelleute durch die Spieße. Nur gezwungen hatte der Ritter Götz von Berlichingen sich von ihnen zum „Hauptmann" wählen lassen.

7. Von der Reformation bis zum Tode Friedrichs des Großen - S. 25

1910 - Berlin : Salle
Ter Bildersturm in Wittenberg und der Bauernkrieg. 25 einen gedruckten Brief hochhielt. Ein mit Kränzen und Bändern gezierter Wagen, auf dem die schwarz-rot-goldene Sturmfahne wehte, fuhr hinter den beiden. Der Brief offenbarte das in zwölf Artikel eingeteilte Verlangen der Bauern: christliche Freiheit, wie sie solche in der neuen evangelischen Lehre enthalten glaubten; Abschaffung der die Leibeigenschaft begleitenden schweren Lasten, insbesondere der den Leibeigenen niederdrückenden Bestimmungen über Jagd, Fischerei, den Zehnten, die Fronden und die Gülten; Abschaffung der harten Strafen. So zog die immer mehr anwachsende Bauernschar nach dem Kloster St. Blasien, verwüstete dasselbe in rohester Weise, drang durch den Schwarzwald und die Baar, überall Furcht und Schrecken ver- breitend, bis an den Bodensee und schenkte keinerlei Gegenvorstellungen Gehör. Wer weiß, welche Ausschreitungen das mißleitete Volk noch be- gangen hätte ohne Markgraf Philipps kluges Eingreifen. Er hatte ein Herz für die Armen und Bedrückten und war einer der wenigen Fürsten, die den tüchtigen Kern im Volke trotz der rauhen Schale er- kannten. Sein Rechtlichkeitsgefühl hieß ihn die Forderungen der Bauern prüfen. Was daran wirklich berechtigt war, unterzog er ein- gehender Beratung. Er richtete an die Ritterschaft der Ortenau und den Rat der Stadt Straßburg, welche Besitzungen in der Ortenau hatte, das Ersuchen, gemeinsam mit den markgräflichen Räten die Beschwerden der Bauern anzuhören und mit ihnen darüber zu unter- handeln. Er selbst und sein geschäftskundiger Kanzler sorgten für die Abstellung vieler das Landvolk bedrückenden Mißbräuche. Bald war auf diese Weise die Ordnung in der Ortenau her- gestellt, die Gefahr, welche durch eine Vereinigung der Ortenauer mit den Odenwalder Bauern drohte, aus der Welt geschafft. Markgraf Philipp rettete durch sein Vorgehen seine Bauern und die der Ortenauer Herren vor strenger Strafe. Die Scharen Georg Metzlers und des Bulgenbacher Hans besiegte Graf Truchfeß von Waldburg bei Königshofen an der Tauber, südwestlich von Würzburg. Beide An- führer büßten mit dem Leben. Thomas Münzer und die Wiedertäufer. Die von Thomas Münzer geleiteten thüringischen Bauern gingen noch viel weiter. Sie forderten allgemeine Gleichheit und den gemeinsamen Besitz aller Güter (Kommunismus). Wiedertäufer nannten sie sich, weil sie die Kindertaufe verwarfen und bei den Er- wachsenen eine zweite Taufe vornahmen, die sie als Zeichen der Zu- gehörigkeit zu einer echten christlichen Gemeinde betrachteten. Bei Thomas Münzer treffen alle Gegensätze der alten Zeit zusammen. Er

8. Von der Reformation bis zum Tode Friedrichs des Großen - S. 26

1910 - Berlin : Salle
26 Tie deutsche Reformation. haßt Verfassung, Gottesdienst, Lehre der alten Kirche — aber auch Luther, weil dieser, seiner Meinung nach, auf halbem Wege stehen geblieben ist —. Wo die Bauern aufstanden zwischen Main und Rhein, zwischen Oberschwaben und Thüringen, da hetzt Thomas Münzer sie durch flammende Reden gegen die geistlichen und weltlichen Herren auf und bedient sich dabei der bilderreichen flammenden Sprache der Propheten des Alten Bundes. Der Bauernkrieg erlag an dem Mangel tüchtiger Führung. Am 15. Mai 1525 wurden bei Frankenhausen südwestlich von Eislebeit Münzers Bauernhaufen durch die Heere des hessischen Landgrafen, des Kurfürsten Johann und der Herzöge Johann und Heinrich oon Sachsen aufs Haupt geschlagen. Der Hauptmann des Schwäbischen Bundes, Truchseß von Waldburg, und die Kurfürsteit von Pfalz und Trier machten in Württemberg dem Aufstand ein Ende. Das Verhängnis einer mißlungenen Erhebung erfuhren die Bauern in härtestem Maße. Der Bauernstand versank in eine rechtlose Leibeigenschaft, aus der er sich erst wieder in der neuen Zeit, namentlich unter den preußischen Königen Friedrich Wilhelm I. und Friedrich Ii. empor- gearbeitet hat. Die Sekte der Wiedertäufer und ihr ferneres Treiben. Die Sekte der Wiedertäufer war durch Thomas Münzers Tod noch keineswegs ausgerottet, sondern zeigte sich, bald hier, bald da, in ganz Deutschland, ihren Hauptsitz aber hatte sie in den Niederlanden uitd Westfalen. Besonderen Nachdruck legten die Anhänger dieser Sekte auf ihr Gefühl des „Auserwähltseins", die Gütergemeinschaft und auf die Überzeugung vom baldig bevorstehenden Weltende. Die bekanntesten „Propheten" der Wiedertäufer waren Jan Bockel- söhn aus Leiden (auch kurzweg Johann von Leiden genannt), seines Handwerks ein Schneider, ein Mensch voll abenteuerlicher Ge- danken, und Johann Matthefon, ein Bäcker aus Hadem. Die Stadt Münster war der Hauptschauplatz ihrer verrückten Regierung, die etil Zerrbild des altjüdischen Staats errichtete. Johann von Leiden ließ sich zum „König von Zion" ausrufen und führte die Vielweiberei ein. Einen Mann, namens Knipperdolling, bestellte er zum Scharfrichter, der seine wahnsinnigen Bluturteile vollstreckte. Denn wer sich im „Neuen Jerusalem" dem Regiment Jan Bockel- fohns nicht fügen wollte, büßte die Widersetzlichkeit mit dem Leben. 1535 wurde dem Treiben dieser Schwarmgeister ein Ende bereitet. Der Bischof von Münster belagerte die Stadt und eroberte sie. Philipp

9. Von der Reformation bis zum Tode Friedrichs des Großen - S. 27

1910 - Berlin : Salle
Luthers Heirat und Katharina von Bora. 27 von Hessen mußte auch Kriegsvolk stellen, um die gefährlichen Fana- titer zu vernichten. Die Erinnerung an den phantastischen überspannten „Johann von Leiden" haben der französische Theaterschriftsteller Eugen Scribe und der deutsche Komponist Jakob Meyerbeer in etwas idealisierender Weise verarbeitet in der einst sehr beliebten Oper „Der Prophet". Luthers Heirat und Katharina von Bora. Im Herbst 1524 hatte Luther die Mönchskutte mit der welt- lichen Kleidung eines Gelehrten vertauscht, weilte aber noch immer in seinem Kloster, dessen Einkünfte freilich aufhörten, da die Mönche größtenteils austraten. Luther war mit der bescheidensten Verpflegung zufrieden und konnte tatsächlich lange von Wasser und Brot leben. Bei seinem Leben voll angestrengter Arbeit und Aufregung begnügte er sich mit den einfachsten Erholungen und Genüssen. Der Gedanke an den Ehestand kam ihm erst, als ein großes Gesühl der Vereinsamung ihn ergriff und er des Bibelworts gedachte- „Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei . . ." Da wandte sich seine Erinnerung der früheren Nonne Katharina von Bora zu. Diese, geboren 1499, stammle aus einem alten adeligen Geschlecht. Schon als Kind hatte man sie in einein Kloster untergebracht, und mit 16 Jahren war sie als Nonne eingesegnet worden, ohne wirklichen inneren Beruf zu diesem Leben. Mir noch anderen Schwestern entfloh sie der Klosterzelle. Der Torgauer Ratsherr Koppe nahm sich ihrer an, und Luther rechtfertigte ihren Austritt in einem öffentlichen Send- schreiben an Koppe und sammelte auch Beiträge für ihren Unterhalt, bis sie weiter versorgt werden könnten. Zuerst kamen sie nach Witten- berg, und hier blieb Katharina im Hause des Stadtschreibers Philipp Reichenbach, bis sie Luthers Ehefrau wurde. Die Universität Wittenberg schenkte Luther zu seiner Vermählung einen fein gearbeiteten silbernen Becher, und das Klostergebäude verblieb nach Verfügung des Kurfürsten seine Wohnung. In diesem richtete Frau Käthe ihren Haushalt ein. Martin Luther hat einen gesegneten Haus- und Ehe- stand geführt. Wenn er von seiner Familie, seiner Frau und seinen Kindern redet, ist er immer des Dankes gegen Gott voll, das Herz geht ihm auf, er atmet unter den heißen Kämpfen eine frische und

10. Von der Reformation bis zum Tode Friedrichs des Großen - S. 28

1910 - Berlin : Salle
28 Tie deutsche Reformation. erquickende Luft. Im Anfang ihrer Ehe besaßen Frau Käthe und Martin nur sehr mäßige Einkünfte. Als Luther einst auf den Tod krank lag, konnte er seine Frau auf keine Hinterlassenschaft verweisen als auf einige Becher, die er zum Geschenk erhalten hatte. Aber all- mählich wuchs Einkommen und Besitz. Luthers Gehalt bei der Uni- versität wurde ihm bei seiner Verheiratung durch den Kurfürsten von 100 auf 200 Gulden erhöht. Der Wert eines damalige:: Guldens stellt sich etwa 16 Mark unserer heutigen Währung gleich. Hierzu traten gewisse regelmäßige Einkünfte an Naturalien: ab und zu kam aus den kurfürstlichen Händen ein außerordentliches Geschenk, ein schönes Stück Tuch, ein Faß Wein, ein Stück Wildpret. Luthers Gattin war eine umsichtige, praktische Hausfrau, die mit ihrer Tätigkeit und ihrem Fleiß den bescheidenen Wohlstand sichtlich vermehrte. Ein Acker und Gartenstücke, in denen sie Maulbeerbäume, Hovsen und Feigen pflanzte, wurden von dem Ehepaar erworben. Allen Lebensmittelbedarf suchte Frau Katharina aus der eigenen Wirt- schaft zu ziehen. So braute sie nach damaligem Brauch selbst ihr Bier und befaßte sich auch mit Schweinezucht. Da die weitgehende Gutherzigkeit und Freigebigkeit Luthers häufig von elenden Gesellen ausgebeutet wurde, hatte Katharina oft ihre liebe Not, den Gatten vor allzu großer Brandschatzung zu bewahren. Seiner ausgedehnten Wohltätigkeit hat sie aber nie Einhalt gebieten können, noch wollen. Luther war alles ängstliche Sorgen um Gut und Besitz von Herzen zuwider. Für seinen Dienst als Prediger an der Wittenberger Stadtkirche bezog er kein Gehalt, erhielt von der Stadt nur hin und wieder Wein aus dem Ratskeller und Kalk und Steine zum Bau seines Hauses. Für seine Schriften nahm er von den Ver- legern nichts. Fünf Kinder wuchsen ihm heran: Johannes, Elisabeth, Magdalena, Martin und Paul. Wie schlicht und verständlich er mit den Kleinen zu reden wußte, sagt uns ein Brief an den vierjährigen Hans. Bei ihm lernten die Kinder beten, singen und den Katechismus hersagen. Das frische, freudige Weihnachtslied „Vom Himmel hoch, da komm' ich her" hat Luther als Vater gedichtet. Vor leidenschaftlichem Aufbrausen und Härte den Kindern gegen- über warnte Luther, in Erinnerung an eigene schwere Jugend- erfahrungen, doch konnte auch er zürnen und Strenge üben, und er wollte, wie er sagte, lieber einen toten als einen ungezogenen Sohn haben. Luthers Haus stand vaterlosen Kindern, Verwandten und Freunden stets offen. Da selten ein Tag verging, in dem nicht Schüler, Studenten oder Amtsbrüder bei Luther zu Tisch saßen, haben des Reformators
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