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Schlei und Eider vor Räubern zu sichern. Die Stadt Schleswig, welche die Wenden
verbrannt hatten, erstand unter seiner segensreichen Regierung neu aus ihren
Trümmern. Zahlreiche deutsche Kaufleute und Handwerker rief er in seine Residenz;
er selbst kleidete sich deutsch, liebte deutsche Sitte und war von deutschen Sängern
und Kriegern umgeben. Die Bevölkerung hing ihm an, und er selbst war Mitglied
einer Gilde, deren Genossen einander Leib und Leben zu schützen gelobten. So
regierte Knud, obwohl als Däne geboren, wie ein deutscher Fürst sein Land.
Mit Freuden vernahm Lothar, der unterdessen Kaiser geworden war, wie
Knud die Wenden bezwang; deshalb erhob er ihn zum König derselben und
setzte ihm mit eigener Hand die Krone auf's Haupt. Seit der Zeit nannten ihn
seine Unterthanen Hlaford(Lord) d. h. ihren Herrn und verliehen ihm gleiche Ehre
und Würde, als seinem Oheim, dem dänischen Könige. Mit Neid und Eifersucht
sahen die Dänen, wie seine Macht immer mehr zunahm. Denn selbst in ihrem
Lande galt sein Wort >iehr, als dasjenige Niels. Als nämlich zwischen seinen
Brüdern auf Seeland ein blutiger Krieg ausbrach, den Niels vergebens zu endigen
suchte, mußten sie bei Strafe der Verstümmelung am Hofe des Herzogs in Schles-
wig erscheinen und sich seinem Richtersprucbe fügen. Vor Zorn entbrannte vor
allen Magnus, der Sohn des Königs, als er einst in einer Versammlung in
Schleswig den Knud mit der Wendenkrone ans dem Haupte neben seinem Vater
vor allem Volke sitzen sah. Er begann zu fürchten, daß Knud ihm dereinst Reich
und Leben nehmen könnte, und auch die Seele des Königs erfüllte Mißtrauen und
Angst vor seinem mächtigen Neffen.
Zn Ripen klagte Niels vor dem versammelten Volke: „Knud will meinen
Tod nicht erwarten, sondern sich des Thrones bemächtigen. Darum nennt er sich
auch jetzt schon König!" Knud erwiderte, auf das Heft seines Schwertes gestützt:
„Laward, einen Herrn nennen mich die Meinen, nicht König. Ich habe die Wenden
im Kampfe bezwungen, die Küsten und Meere sind jetzt sicher, daß der Däne ruhig
am Ufer der Inseln wohnen und der König ohne Wachen am Grenzwall in Schles-
wig schlafen kann. Aber für all die Mühen und Wunden, die ich im Kampfe für
das Vaterland davon getragen habe, ernte ich jetzt nur Haß und Verfolgung. Und
doch bin ich ein treuer Dienstmann des Königs und trachte nicht nach der dänischen
Krone." Das versammelte Volk jubelte Knud Beifall zu, und der König entließ
ihn scheinbar versöhnt aus der Versammlung. Aber Magnus, mit furchtbarem
Haß im Herzen, beschloß, sich mit Gewalt seines gefürchteten Gegners zu entledigen,
und viele dänische Prinzen standen zu ihm. Durch einen feierlichen Eid band
er alle, nichts von ihrer Absicht zu verrathen. Bei der Berathung lagerten sie auf
dem Boden, um schwören zu können, daß sie weder sitzend noch stehend ans den
Untergang des Herzogs bedacht gewesen seien. Nur der Schwager Knud's verließ
plötzlich die Versammlung, als er den Mordanschlag gegen das Leben seines Ver-
wandten vernahm; er wollte den Plan nicht theilen, aber ihn auch nicht verrathen.
Bald darauf verlautete, Magnus wolle zum heiligen Grabe pilgern, vorher
aber solle eine Versammlung aller Familienmitglieder auf Seeland stattfinden.
Auch Knud ward geladen, das heilige Weihnachtsfest im frohen Kreise der Seinen
mit zu begehen; ihm vor allen gedenke Magnus Habe und Gut anzuvertrauen.
In der Königsburg zu Roeskilde gab es fröhliche Tage; ein festliches Gelage
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Extrahierte Personennamen: Knud Lothar Knud Niels Niels Magnus Magnus Knud Knud Niels Knud Knud_Beifall Magnus Magnus Magnus Magnus Knud Magnus Magnus
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einiger Zeit ging die arme Frau wieder in den Wald, und als
sie mit ihrer Bürde Holz auf dem Rückwege wieder an die
Stelle kam, wo das kranke Kätzchen gelegen hatte, da stand
eine ganz vornehme Dame dort, winkte die arme Frau zu sich
und warf ihr fünf Stricknadeln in die Schürze. Die Frau wuszte
nicht recht, was sie denken sollte, und es dünkte diese abson-
derliche Gabe ihr gar gering; doch nahm sie die Stricknadeln,
zeigte sie ihren Kindern und legte sie des Abends auf den Tisch.
Aber als die Frau am andern Morgen ihr Lager verliesz, siehe,
da lagen ein Paar neue, fertig gestrickte Strümpfe auf dem
Tische. Das wunderte die alte Frau über alle Maszen, und am
nächsten Abend legte sie die Nadeln wieder auf den Tisch, und
am Morgen darauf lagen neue Strümpfe da. Jetzt merkte sie,
dasz zum Lohne ihres Mitleids mit dem kranken Kätzchen ihr
diese Nadeln beschert waren, und liesz dieselben nun jede
Nacht stricken, bis sie und die Kinder Strümpfe genug hatten.
Dann verkaufte sie auch Strümpfe und hatte genug bis an ihr
seliges Ende.
13. Drei Räthsel.
1. Oben spitz und unten breit, 2. Fünf Finger und doch keine Hand,
durch und durch voll Süszigkeit, ein Schuh, doch ohne Sohle,
weisz am Leibe, blau am Kleide, bald kreideweisz wie eine Wand,
kleiner Kinder grosze Freude. bald schwarz wie eine Kohle.
3. Es saszen vierzehn Spatzen
auf meines Nachbars Dach;
der Jäger schosz darnach.
Da fielen sieben Spatzen.
Nun sag’, — soll ich dich loben, —
wie viel noch sitzen droben?
14. Der treue Hund.
Ein Kaufmann hatte einen Hund, der sehr wachsam und treu
war. Einst ritt der Kaufmann von einem Markte, wo er viel Geld
eingenommen hatte, nach Hause. Er hatte sein Geld in einem Man-
telsacke hinter sich auf das Pferd geschnallt, und sein Hund lief neben
ihm her. Nach und nach wurden die Riemen locker, mit denen der
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3, Hänschen hat noch viel begonnen,
brachte nichts zu Ende;
drüber ist die Zeit verronnen,
schwach sind seine Hände.
Hänschen ist nun Hans geworden,
und er sitzt voll Sorgen,
Ach, nun glaub' ich selbst daran,
daß aus mir nichts werden kann!"
hungert, bettelt, weint und klaget
abends und am Morgen!
„Ach, warum nicht war ich Dummer
in der Jugend fleißig?
Was ich immer auch beginne —
dummer Hans nur heiß' ich.
102. Jungfer Margareth.
1. Das war bte träge Margareth,
die wollte die Hand nicht regen;
da mußte die alte Mutter allein
wischen, waschen und fegen.
2. Das war die eitle Margareth,
die putzte sich schon am Morgen;
da mußte die alte Mutter allein
Keller und Küche besorgen.
3. Das war die sch öne Margareth,
die that den Burschen gefallen;
sie tanzten und kosten gern mit ihr,
doch nahm sie keiner von allen.
4. Das war die verlaßne Margareth,
es kamen und gingen die Jahre,
vorbei war Putz und Spiel und Tanz,
die Mutter lag auf der Bahre.
5. Das ist die hungrige Margareth,
sie mag die Hand nicht rühren;
dort kommt sie mit dem Bettelsack
und bettelt vor den Thüren.
103. Treue Freundschaft.
Einst trafen auf ihrer Wanderschaft zwei Handwerksburschen
zusammen; der eine war ein Schmidt, der andere ein Schneider.
Sie reiseten mehrere Wochen miteinander, bis sie endlich nach Polen
kamen. Während dieser Zeit hatten sie sich genauer kennen ge-
lernt, einander ihr Herkommen und ihre Lebensgeschichte erzählt
und endlich Brüderschaft mit einander gemacht. Sie theilten ge-
wöhnlich, was sie von Lebensmitteln hatten, unter sich und halfen
sich gegenseitig in allem brüderlich aus. Es fügte sich, dasz der
Schmidt in Polen krank wurde und in einem fremden Dorfe unter
fremden Leuten, die nicht einmal deutsch verstanden, liegen bleiben
muszte. Hier wäre er übel daran gewesen, wenn er seinen Ka-
meraden nicht bei sich gehabt hätte; denn er hatte kein Geld, und
sein Felleisen war mit allem, was sich darin befand, kaum einige
Thaler werth. Dies wurde nun freilich verkauft; aber das daraus
gelöste Geld war bald verzehrt, und noch sah man keine Besserung.
Nun bewies sich der Schneidergeselle recht brüderlich gegen ihn
und verliesz ihn nicht in seiner Noth. „Hier in diesem fremden
Lande bin ich ihm ja der Nächste !“ dachte er bei sich selbst, und
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die Augen weit auf. „Lene“, sprach er zu seiner Frau, „geschwind
springe hinauf und hole ein feines Hemd und meinen Sonntagsstaat
herunter, dasz der gute Freund da sich umkleiden kann! “ Der
Schneider wollte allerlei dagegen einwenden, aber der Meister hielt
ihm den Mund zu und sagte : „‘Schweig’ und sprich mir kein Wort
dagegen ! Du hast’s wohl um mich verdient, dasz ich mein bischen
Hab’ und Gut mit dir theile.“ Es half nichts: der Schneider muszte
sich putzen und aus einer langen Pfeife rauchen. Der Meister gebot
ihm, sich gerade so zu pflegen, als ob er in seinem eigenen Hause
wäre, und nachdem er in möglichster Eile sein Tagewerk vollends
geendet hatte, setzte er sich mit ihm zu Tische und liesz alle seine
Leute herein kommen, dasz sie den Fremden nun recht genau
besehen muszten. Dabei erzählte er ihnen denn, wer der Fremde
eigentlich sei, und was es mit ihrer beiderseitigen Freundschaft für
eine Bewandtnisz habe. Da hatten alle eine herzliche Freude über
den Ankömmling, besonders aber die Frau vom Hause, die ihren
Mann sehr liebte und oft dem guten Schneiderburschen, der in
Polen eine so treue Stütze für ihren Mann gewesen war, ehe sie ihn
persönlich kannte, Gottes Segen gewünscht hatte. Der Meister liesz
noch am nämlichen Abend zwei fette Gänse schlachten und auf den
folgenden Tag alle Freunde und Gevattern des Dorfes zu sich zu
Gaste laden. „Juchhei! das soll mir ein Freudentag werden !“ rief
er laut auf — und schwang dabei seine Mütze vor Freuden. Der
Sonntag kam, und in der Schmiede ging’s so fröhlich her, als wenn
es Kindtaufe gewesen wäre. Nachdem die Mahlzeit geendigt war,
erzählte der Schmidt alle seine Erlebnisse und besonders, was er
seinem Kameraden für einen Liebesdienst zu verdanken habe.
Der Schneider muszte dann seine Erlebnisse auch erzählen, und die
Gäste gewannen ihn so lieb, dasz sie durchaus darauf bestanden, er
solle sich in diesem Dorfe häuslich niederlassen und ihr Schneider
werden. Der Schmidt jauchzte darüber laut und versprach, ihn mit
Geld zu unterstützen, so viel er könne. Er hielt auch Wort; der
Schneider fand sein reichliches Brot im Dorfe, verheirathete sich
mit einer guten Wirthin und lebte froh und glücklich.
104. Ehrlichkeit und Dankbarkeit eines Juden.
Ein Jude, Namens Isaak ernährte sich lange Zeit vom Handel
mit alten Kleidern, wobei er oft kaum das tägliche Brot verdiente. Doch
dankte er seinem Gott, daß er ihm wenigstens dieses gab, und war in seiner
Dürftigkeit zufrieden.
Aber nun starben ihm schnell hinter einander zwei Kinder, und er
mußte, um sie begraben zu lassen, fast alle seine Habseligkeitcn verkaufen.
Zudem wurde seine Frau krank, mit der er zwanzig Jahre in Frieden gelebt
hatte, und da er sie selbst Pflegen mußte, so konnte er seinen kleinen Handel
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109. Dornröschen.
(Märchen.)
Vor Zeiten war ein König und eine Königin, die sprachen jeden Tag:
„Ach, wenn wir doch ein Kind hätten!" und krigten immer keins. Endlich
aber bekamen sie ein so schönes Mädchen, daß der König vor Freude sich
nicht zu lassen wußte und ein großes Fest anstellte. Er lud nicht bloß
seine Verwandten, Freunde und Bekannten, sondern auch die weisen Frauen
dazu ein, damit sie dem Kinde hold und gewogen würden. Es waren ihrer
dreizehn in seinem Reiche; weil er aber nur zwölf goldene Teller hatte,
von welchen sie essen sollten, konnte er eine nicht einladen. Die geladen
waren, kamen, und nachdem das Fest gehalten war, beschenkten sie das Kind
mit ihren Wundergaben: die eine mit Tugend, die andere mit Schönheit,
die dritte mit Reichthum, und so mit allem, was Herrliches auf der Welt
ist. Als elf ihre Wünsche eben gethan hatten, kam die dreizehnte herein,
die nicht eingeladen war und sich dafür rächen wollte. Sic rief: „Die
Königstochter soll sich in ihrem fünfzehnten Jahre an einer Spindel stechen
und todt hinfallen." Da trat die zwölfte hervor, die noch einen Wunsch
übrig hatte; zwar konnte sie den bösen Ausspruch nicht aufheben, aber sie
konnte ihn doch mildern und sprach: „Es soll aber kein Tod sein, sondern
ein hundertjähriger, tiefer Schlaf, in den die Königstochter fällt."
Der König hoffte, sein liebes Kind noch vor dem Ausspruch zu be-
wahren, und ließ den Befehl ausgehen, daß alle Spindeln im ganzen König-
reich sollten abgeschafft werden. An dem Mädchen aber wurden alle Gaben
der weisen Frauen erfüllt, denn cs war so schön, sittsam, freundlich und
verständig, daß es jedermann, der es ansah, lieb haben mußte. Es ge-
schah, daß an dem Tage, wo es gerade fünfzehn Jahre alt war, der König
und die Königin nicht zu Haus waren und das Fräulein ganz allein im
Schlosse zurück blieb. Da ging es aller Orten herum, besah Stuben und
Kammern, wie cs Lust hatte, und kam endlich auch an einen alten Thurm.
Es stieg eine enge Treppe hinauf und gelangte zu einer kleinen Thür. In
dem Schlosse steckte ein gelber Schlüssel, und als sie umdrehte, sprang die
Thür auf und saß da in einem kleinen Stübchen eine alte Frau und spann
emsig ihren Flachs. „Ei, du altes Mütterchen", sprach die Königstochter,
„was machst du da?" „Ich spinne", sagte die Alte und nickte mit dem
Kopfe. „Wie das Ding herumspringt!" sprach das Fräulein und nahm
die Spindel und wollte auch spinnen. Kaum hatte sie die Spindel an-
gerührt, so ging die Verwünschung des Zauberweibes in Erfüllung, und sie
stach sich damit.
In dem Augenblicke aber, wo sie sich gestochen hatte, fiel sie auch
nieder in einen tiefen Schlaf. Und der König und die Königin, die eben
zurückgekommen waren, fingen an mit dem ganzen Hofstaat einzuschlafen.
Da schliefen die Pferde im Stalle ein, die Hunde im Hofe, die Tauben auf
dem Dache, die Fliegen an der Wand, ja, das Feuer, das aus dem Herde
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will mich für mein Geld nicht gesund machen?" — Endlich hörte er von
einem Arzte, der hundert Stunden weit von Amsterdam wohnte, aber so
geschickt wäre, daß die Kranken gesund würden, wenn er sie nur recht an-
blicke; und der Tod ginge ihm aus dem Wege, wo er sich sehen ließe. Zu
diesem faßte der Kranke Zutrauen und schrieb ihm seinen Umstand. Der
Arzt merkte bald, was ihm fehle, und sagte: „Warte, dich will ich bald
geheilt haben!" Deshalb schrieb er ihm ein Briefchen folgenden Inhalts:
„Guter Herr! Ihr habt einen schlimmen Umstand an Euch; doch wird
Euch noch zu helfen sein, wenn Ihr folgen wollt. Ihr habt ein böses
Thier im Bauche, einen Lindwurm mit sieben Mäulern; mit diesem muß
ich selber reden, und Ihr müßt zu mir kommen. Aber Ihr dürft nicht
fahren noch reiten, sondern müßt auf des Schusters Rappen zu mir kom-
men; sonst schüttelt Ihr den Lindwurm, und er beißt Euch die Eingeweide
ab, sieben Därme auf einmal ganz entzwei. Sodann dürft Ihr nicht mehr
essen, als zweimal des Tags einen Teller voll Gemüse, mittags ein Brat-
würstchen dazu und abends ein Ei, und am Morgen ein Fleischsüppchen
mit Schnittlauch daraus. Was Ihr mehr esset, davon wird der Lindwurm
nur größer, also daß er Euch die Leber erdrückt; der Schneider wird Euch
dann nicht viel mehr anzumessen haben, wohl aber der Schreiner. Dies
ist mein Rath, und wenn Ihr diesem nicht folgt, so hört Ihr im andern
Frühjahr den Kuckuk nicht mehr rufen. Thut übrigens, was Ihr wollt."
— Gleich nach Empfang dieses Briefs ließ sich der Kranke die Stiefel
wichsen, machte sich den andern Morgen auf den Weg und that alles so,
wie cs ihm der fremde Doctor befohlen hatte. Den ersten Tag ging er so
langsam, daß wohl eine Schnecke sein Vorreiter hätte sein können, und wer
ihn grüßte, dem dankte er nicht, und wo ein Würmchen auf der Erde kroch,
das zertrat er. Aber schon am zweiten und am dritten Morgen kam es
ihm vor, als wenn die Vögel früher gar nicht so lieblich gesungen hätten,
wie heute; und der Thau schien ihm so frisch und die Kornblumen im
Felde so blau, und alle Leute, welche ihm begegneten, sahen so freundlich
aus, und er auch; und alle Morgen, wenn er sein Nachtquartier verließ,
war die Welt schöner, und er ging leichter und munterer dahin. Und
als er am achtzehnten Tage nach seiner Abreise in der Stadt ankam, wo
der Arzt wohnte, und den andern Morgen aufstand, war es ihm so wohl,
daß er sagte: „Ich hätte zu keiner ungelegenern Zeit können gesund wer-
den, als jetzt, wo ich zum Doctor soll. Wenn's mir doch nur ein wenig
in den Ohren brauste, oder der Magen mich drückte!" Als er zum Arzte
kam, nahm der ihn bei der Hand und sagte: „Jetzt erzählt mir denn noch
einmal von vorn an, was Euch fehlt." Da sagte er: „Herr Doctor, mir
fehlt Gottlob nichts, und wenn Ihr so gesund seid, wie ich, so soll mich's
freuen." Der Arzt sagte: „Das hat Euch ein guter Geist gerathen, daß
Ihr meinen Rath befolgtet. Der Lindwurm ist jetzt abgestanden. Aber
Ihr habt noch Eier von ihm im Leibe; daher müßt Ihr wieder zu Fuß
heimgehen und daheim Holz sägen und nicht mehr essen, als Ihr Hunger
habt, damit die Eier nicht ausschlüpfen; dann könnt Ihr ein alter Mann
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ein Herz, geht zum Meister in's Haus und sagt: „Meister, ich kann ohne
Gottes Wort nicht länger bestehen, und wenn ich mich den Sonntag in der
Werkstatt abarbeite, bin ich die Woche nur ein halber Mensch; darum seid
so gut und gebt mir den Sonntag meine Freiheit." Der Meister sagt:
„Nein, das geht nicht an; denn du hast die Aufsicht in der Werkstatt, und
außerdem, wenn einer fortginge, könnten sie alle fortgehen, und dann stände
das Geschäft still." — „Aber ohne Gottes Wort verkomm' ich", sagte der
Gesell, „und cs geht einmal nicht mehr. Ihr wißt, faul bin ich nicht, und
euren Schaden will ich auch nicht; aber was nicht geht, das geht nicht.
Und wofür bin ich ein Christ, wenn ich keinen Sonntag habe?"
Dem Meister kam das wunderlich vor, und er hatte schon ein Wort
von Narrenpossen und dergleichen auf der Zunge. Wie er aber dem ehr-
lichen Gesellen in's Gesicht sah, besann er sich und sagte: „Nun meinet-
halben geh' in die Kirche, so viel du willst. Aber eins beding' ich mir aus:
wenn viel zu thun ist, mußt du auch am Sonntage auf dem Platze fein."
— Wer war froher, als unser Gesell! Am nächsten Sonntag zieht er
seinen blauen Rock au, nimmt das Gesangbuch unter den Arm und geht in
die Kirche. Solch' einen schönen Tag hat er lange nicht gehabt; ihn hat
die Predigt und der Gesang ganz aufgeweckt, und unser Grobschmidt war
so munter wie ein Vogel. Nun vergeht die Woche; und wie der Sonntag
kommt, sagt der Meister: „Gesell, es ist viel zu thun; heute mußt du in
der Werkstatt sein." — „Gut", sagt der Gesell, „wenn's nicht anders sein
kann." — Den nächsten Sonntag sagt der Meister wiederum: „Es ist
viel zu thun", und so auch den dritten.
Als^ aber nach dem dritten Sonntag der Gesell den Wochenlohn
bekam, fünfthaler und fünfundzwanzig Silbergroschen, wie es ihm zukam,
da spricht er: „Das ist zu viel!" und schiebt die fünfundzwanzig Silber-
groschen zurück. „Warum?" sagt der Meister, „es ist für die sieben Tage."
— Aber der Gesell spricht: „Nein, ich hab's mir bedacht, und für den
Sonntag nehme ich kein Geld mehr; denn der Sonntag ist nicht zum
Geldverdienen, und wenn ich am Sonntag arbeite, so geschieht's euch zu
Liebe, und Geld will ich nicht." Da sah der Meister den Gesellen groß
an; und seit dem Tage war die Schmiede jeden Sonntag verschlossen, und
kein Hammer, noch Blasebalg mehr zu hören.
Merke: Man soll unserm Herrgott nicht sein drittes Gebot stehlen;
und wer in die Kirche will, der findet den Weg schon.
82. Der Kirchthurm.
1. Kirchthurm, was stehst du nur immer
so da
und zeigest so ernsthaft nach oben?
Immer und immer, so oft ich dich
sah,
haft du auch den Finger erhoben.
2. Lieb'kindlein, ich stehe als Wegweiser
hier
und zeige den Menschen hienieden
die sicherste Straße, o glaube es
mir,
die einstens sie führet zum Frieden.
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deutscher Handwerksbursche in Amsterdam durch den Irrthum zur Wahr-
heit und zu ihrer Erkenntniß. Denn als er in diese große und reiche Han-
delsstadt voll prächtiger Häuser, wogender Schiffe und geschäftiger Menschen
gekommen war, fiel ihm sogleich ein großes und schönes Haus in die Augen,
wie er auf seiner ganzen Wanderschaft von Tuttlingen bis nach Amsterdam
noch keins erlebt hatte. Lange betrachtete er mit Verwunderung dieses
kostbare Gebäude, die Kamine auf dem Dache, die schönen Gesimse und die
hohen Fenster, größer als an des Vaters Haus daheim die Thür. Endlich
konnte er sich nicht enthalten, einen Vorübergehenden anzureden. „Guter
Freund," redete er ihn an, „könntihr mir nicht sagen, wie der Herr heißt,
dem dieses wunderschöne Haus gehört mit den Fenstern voll Tulipanen,
Sternenblumen und Levkoyen?" —Der Mann aber, der vermuthlich etwas
Wichtigeres zu thun hatte und zum Unglück gerade so viel von der deutschen
Sprache verstand, als der Fragende von der holländischen, nämlich nichts,
sagte kurz und schnauzig : „Kannitverstanund schnurrte vorüber. Dies
war ein holländisches Wort, oder drei, wenn man's recht betrachtet, und
heißt auf deutsch so viel als: „ich kann euch nicht verstehen." Aberder
gute Fremdling glaubte, es sei der Name des Mannes, nach dem er gefragt
hatte. „Das muß ein grundreicher Mann sein, der Herr Kannitverstan,"
dachte er, und ging weiteri Gass' aus Gass' ein kam er endlich an den
Meerbusen , der da heißt: Het Ey, oder aus deutsch: Das Ipsilon. Da
stand nun Schiff an Schiff und Mastbaum an Mastbaum, und er wußte
anfänglich nicht, wie er es mit seinen zwei einzigen Augen durchfechten werde,
alle diese Merkwürdigkeiten genug zu sehen und zu betrachten, bis endlich
ein großes Schiff seine Aufmerksamkeit an sich zog, das vor kurzem aus
Ostindien angelangt war und jetzt eben ausgeladen wurde. Schon standen
ganze Reihen von Kisten und Ballen auf- und nebeneinander am Lande.
Noch immer wurden mehrere herausgewälzt, und Fäffer voll Zuckerund Kaffee,
voll Reis und Pfeffer. Als er aber lange zugesehen hatte, fragte er endlich
einen, der eben eine Kiste auf der Achsel heraustrug, wie der glückliche Mann
heiße, dem das Meer alle diese Waaren an das Land bringe? „Kannit-
verstan," war die Antwort. Da dachte er: „Haha, schaut's da heraus ?
Kein Wunder! Wem das Meer solche Reichthümer an das Land schwemmt,
der hat gut solche Häuser in die Welt stellen und solcherlei Tulipanen vor
die Fenster in vergoldeten Scherben." Jetzt ging er wieder zurück und
stellte eine recht traurige Betrachtung bei sich selbst an, was er für ein armer
Mensch sei unter so viel reichen Leuten in der Welt. Aber als er eben
dachte: „Wenn ich's doch nur auch einmal so gut bekäme, wie dieser Herr
Kannitverstan cs hat," kam er um eine Ecke und erblickte einen großen
Leichenzug. Vier schwarz vermummte Pferde zogen einen ebenfalls schwarz
überzogenen Leichenwagen langsam und traurig, als ob sie wüßten, daß sie
einen Todten in seine Ruhe führten. Ein langer Zug von Freunden und
Bekannten des Verstorbenen folgte nach, Paar an Paar, verhüllt in schwarze
Mäntel und stumm. In der Ferne läutete ein einsames Glöcklein. Jetzt
ergriff unsern Fremdling ein wehmüthiges Gefühl, das an keinem guten
#
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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liehe Herr. „Nun will ich dir aber auch eine Frage vorlegen. Wo-
hin gehört das?" fragte er und zeigte dem Kinde eine Apfelsine.
„In das Pflanzenreich", erwiderte schüchtern das Mädchen. „Wohin
nun das?" fragte der Herr weiter und zeigte auf ein Goldstück.
„In's Mineralreich“, war die Antwort. „Wohin gehöre ich denn,
mein Kind?“ war die dritte Frage. Freundlich blickte das Kind
den König an und sagte : „In's Himmelreich." — Da glänzte eine
Thräne in dem Auge des Königs, und er hob das Mägdlein empor
und küszte es.
126. Zimmerspruch.
Äas neue Haus ist ausgericht't,
gedeckt, gemauert ist es nicht,
noch können Regen und Sonnenschein
von oben und überall herein;
drum rufen wir zum Meister der
Welt,
er wolle von dem Himmelszelt
nur Heil und Segen gießen ans
hier über dieses offne Haus.
Zu oberst woll' er gut Gedeih'n
in die Kornböden uns verleih'n;
in die Stube Fleiß und Frömmigkeit,
in die Küche Maß und Reinlichkeit,
in den Stall Gesundheit allermeist,
in dem Keller dem Wein einen guten
Geist;
die Fenster und Pforten woll' er weih'n,
daß nichts Unsel'ges komm herein,
und daß aus dieser neuen Thür
bald fromme Kindlein springen für.
Nun, Maurer, decket und mauert aus!
Der Segen Gottes ist im Hauö.
127. Aus Schiller’s Glocke.
Der Mann musz hinaus
ins feindliche Leben,
musz wirken und streben
und pflanzen und schaffen,
erlisten, erraffen,
musz wetten und wagen,
das Glück zu erjagen.
Da strömet herbei die unendliche
Gabe,
es füllt sich der Speicher mit köst-
licher Habe,
die Räume wachsen, es dehnt sich
das Haus,
und drinnen waltet
die züchtige Hausfrau,
die Mutter der Kinder,
und herrschet weise
im häuslichen Kreise,
und lehret die Mädchen
und wehret den Knaben,
und reget ohn’ Ende
die fleiszigen Hände,
und mehrt den Gewinn
mit ordnendem Sinn,
und füllet mit Schätzen die duften-
den Laden,
und dreht um die schnurrende Spin-
del den Faden,
und sammelt im reinlich geglätteten
Schrein
die schimmernde Wolle, den
schneeigen Lein,
und füget zum Guten den Glanz
und den Schimmer,
und ruhet nimmer.
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Du hast zwei Hände und einen Mund,
lern' es ermessen!
Zwei sind da zur Arbeit, und
einer zum Essen.
138. Die Glieder.
Soll dein Thun Gott Wohlgefallen,
so gebeut den Gliedern allen:
deinem Auge, dasz es spähe
Gutes fern und in der Nähe;
deinem Ohre, dasz es höre
weisen Rath und fromme Lehre;
deiner Zunge, dasz sie bringe
Dank dem Schöpfer aller Dinge;
deinen Händen, dasz sie spenden,
das Erworb’ne nicht verschwenden ;
deinen Fiiszen, dasz sie gern
gehen in das Haus des Herrn.
139. Meister Hämmerlein.
Vor etlichen und dreißig Jahren starb in einem preußischen Dorfe
der Gemeindeschmidt Jakob Horn. Im gemeinen Leben hieß er nicht an-
ders als Meister Hämmerlein.
„Meister Hämmerlein? Ei, warum denn Meister Hammerlein?"
Weil er die sonderbare Gewohnheit hatte, wo er ging und stund, sein
Hämmerlein und ein paar Nägel in der Tasche zu führen und an allen
Tboren, Thüren und Zäunen zu hämmern, wo er etwas los und ledig fand.
Vielleicht auch, weil er über seinem Hämmerlein Gemcindeschmidt des Dorfes
geworden war.
„Wie wäre denn das zugegangen?"
Ganz natürlich, wie ihr sogleich hören sollt. Sein Vorfahr war ge-
storben. Vier wackere Burschen hatten sich um den Dienst gemeldet und
dem und jenem allerlei versprochen. Meister Hämmerlein hatte sich nicht
gemeldet und nichts versprochen; er hämmerte bloß ein wenig an einer
Gartenthür und erhielt dafür den Dienst.
„Und bloß für ein bißchen Hämmern?"
Bloß für ein bißchen Hämmern! An einer Gartenthüre, nahe am
Dorfe, hing schon wochenlang ein Brett ab. Meister Hämmerlein kam
mit seinem Felleisen des Weges her. Flugs langte er einen Nagel und
sein Hämmerlein aus der Tasche und nagelte das Brett fest. Das sah
der Dorfschulze. Ihm schien es sonderbar, daß der landfremde Mensch das
Brett nicht los sehen konnte, das doch selbst der Eigenthümer des Gartens
wohl zwanzigmal so gesehen hatte, ohne es fest zu machen. Er wollte ihn
anreden, aber der Bursche war fort, ehe er ihm nahe genug kam.
Ein paar Stunden darauf ging der Schulze in die Dorfschenkc.
Sogleich fiel ihm der junge Mensch in's Gesicht. Er saß ganz allein an
einem Tischchen und verzehrte sein Abendbrot. „Ei willkommen !" rief der
Schulze. „Treffen wir uns hier, guter Freund?" Der junge Mensch
stutzte, sah ihm steif in's Gesicht und wußte nicht, woher die Bekanntschaft
kam. „Ist er nicht der junge Wanderer," fragte der Schulze, „der diesen
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