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1. Vaterländisches Lesebuch für die Evangelische Volksschule Norddeutschlands - S. 468

1868 - Wiesbaden Schleswig Hannover : Schulbuchh. Schulze Jurany & Hensel
468 Schlei und Eider vor Räubern zu sichern. Die Stadt Schleswig, welche die Wenden verbrannt hatten, erstand unter seiner segensreichen Regierung neu aus ihren Trümmern. Zahlreiche deutsche Kaufleute und Handwerker rief er in seine Residenz; er selbst kleidete sich deutsch, liebte deutsche Sitte und war von deutschen Sängern und Kriegern umgeben. Die Bevölkerung hing ihm an, und er selbst war Mitglied einer Gilde, deren Genossen einander Leib und Leben zu schützen gelobten. So regierte Knud, obwohl als Däne geboren, wie ein deutscher Fürst sein Land. Mit Freuden vernahm Lothar, der unterdessen Kaiser geworden war, wie Knud die Wenden bezwang; deshalb erhob er ihn zum König derselben und setzte ihm mit eigener Hand die Krone auf's Haupt. Seit der Zeit nannten ihn seine Unterthanen Hlaford(Lord) d. h. ihren Herrn und verliehen ihm gleiche Ehre und Würde, als seinem Oheim, dem dänischen Könige. Mit Neid und Eifersucht sahen die Dänen, wie seine Macht immer mehr zunahm. Denn selbst in ihrem Lande galt sein Wort >iehr, als dasjenige Niels. Als nämlich zwischen seinen Brüdern auf Seeland ein blutiger Krieg ausbrach, den Niels vergebens zu endigen suchte, mußten sie bei Strafe der Verstümmelung am Hofe des Herzogs in Schles- wig erscheinen und sich seinem Richtersprucbe fügen. Vor Zorn entbrannte vor allen Magnus, der Sohn des Königs, als er einst in einer Versammlung in Schleswig den Knud mit der Wendenkrone ans dem Haupte neben seinem Vater vor allem Volke sitzen sah. Er begann zu fürchten, daß Knud ihm dereinst Reich und Leben nehmen könnte, und auch die Seele des Königs erfüllte Mißtrauen und Angst vor seinem mächtigen Neffen. Zn Ripen klagte Niels vor dem versammelten Volke: „Knud will meinen Tod nicht erwarten, sondern sich des Thrones bemächtigen. Darum nennt er sich auch jetzt schon König!" Knud erwiderte, auf das Heft seines Schwertes gestützt: „Laward, einen Herrn nennen mich die Meinen, nicht König. Ich habe die Wenden im Kampfe bezwungen, die Küsten und Meere sind jetzt sicher, daß der Däne ruhig am Ufer der Inseln wohnen und der König ohne Wachen am Grenzwall in Schles- wig schlafen kann. Aber für all die Mühen und Wunden, die ich im Kampfe für das Vaterland davon getragen habe, ernte ich jetzt nur Haß und Verfolgung. Und doch bin ich ein treuer Dienstmann des Königs und trachte nicht nach der dänischen Krone." Das versammelte Volk jubelte Knud Beifall zu, und der König entließ ihn scheinbar versöhnt aus der Versammlung. Aber Magnus, mit furchtbarem Haß im Herzen, beschloß, sich mit Gewalt seines gefürchteten Gegners zu entledigen, und viele dänische Prinzen standen zu ihm. Durch einen feierlichen Eid band er alle, nichts von ihrer Absicht zu verrathen. Bei der Berathung lagerten sie auf dem Boden, um schwören zu können, daß sie weder sitzend noch stehend ans den Untergang des Herzogs bedacht gewesen seien. Nur der Schwager Knud's verließ plötzlich die Versammlung, als er den Mordanschlag gegen das Leben seines Ver- wandten vernahm; er wollte den Plan nicht theilen, aber ihn auch nicht verrathen. Bald darauf verlautete, Magnus wolle zum heiligen Grabe pilgern, vorher aber solle eine Versammlung aller Familienmitglieder auf Seeland stattfinden. Auch Knud ward geladen, das heilige Weihnachtsfest im frohen Kreise der Seinen mit zu begehen; ihm vor allen gedenke Magnus Habe und Gut anzuvertrauen. In der Königsburg zu Roeskilde gab es fröhliche Tage; ein festliches Gelage

2. Vaterländisches Lesebuch für die Evangelische Volksschule Norddeutschlands - S. 8

1868 - Wiesbaden Schleswig Hannover : Schulbuchh. Schulze Jurany & Hensel
8 einiger Zeit ging die arme Frau wieder in den Wald, und als sie mit ihrer Bürde Holz auf dem Rückwege wieder an die Stelle kam, wo das kranke Kätzchen gelegen hatte, da stand eine ganz vornehme Dame dort, winkte die arme Frau zu sich und warf ihr fünf Stricknadeln in die Schürze. Die Frau wuszte nicht recht, was sie denken sollte, und es dünkte diese abson- derliche Gabe ihr gar gering; doch nahm sie die Stricknadeln, zeigte sie ihren Kindern und legte sie des Abends auf den Tisch. Aber als die Frau am andern Morgen ihr Lager verliesz, siehe, da lagen ein Paar neue, fertig gestrickte Strümpfe auf dem Tische. Das wunderte die alte Frau über alle Maszen, und am nächsten Abend legte sie die Nadeln wieder auf den Tisch, und am Morgen darauf lagen neue Strümpfe da. Jetzt merkte sie, dasz zum Lohne ihres Mitleids mit dem kranken Kätzchen ihr diese Nadeln beschert waren, und liesz dieselben nun jede Nacht stricken, bis sie und die Kinder Strümpfe genug hatten. Dann verkaufte sie auch Strümpfe und hatte genug bis an ihr seliges Ende. 13. Drei Räthsel. 1. Oben spitz und unten breit, 2. Fünf Finger und doch keine Hand, durch und durch voll Süszigkeit, ein Schuh, doch ohne Sohle, weisz am Leibe, blau am Kleide, bald kreideweisz wie eine Wand, kleiner Kinder grosze Freude. bald schwarz wie eine Kohle. 3. Es saszen vierzehn Spatzen auf meines Nachbars Dach; der Jäger schosz darnach. Da fielen sieben Spatzen. Nun sag’, — soll ich dich loben, — wie viel noch sitzen droben? 14. Der treue Hund. Ein Kaufmann hatte einen Hund, der sehr wachsam und treu war. Einst ritt der Kaufmann von einem Markte, wo er viel Geld eingenommen hatte, nach Hause. Er hatte sein Geld in einem Man- telsacke hinter sich auf das Pferd geschnallt, und sein Hund lief neben ihm her. Nach und nach wurden die Riemen locker, mit denen der

3. Vaterländisches Lesebuch für die Evangelische Volksschule Norddeutschlands - S. 54

1868 - Wiesbaden Schleswig Hannover : Schulbuchh. Schulze Jurany & Hensel
54 3, Hänschen hat noch viel begonnen, brachte nichts zu Ende; drüber ist die Zeit verronnen, schwach sind seine Hände. Hänschen ist nun Hans geworden, und er sitzt voll Sorgen, Ach, nun glaub' ich selbst daran, daß aus mir nichts werden kann!" hungert, bettelt, weint und klaget abends und am Morgen! „Ach, warum nicht war ich Dummer in der Jugend fleißig? Was ich immer auch beginne — dummer Hans nur heiß' ich. 102. Jungfer Margareth. 1. Das war bte träge Margareth, die wollte die Hand nicht regen; da mußte die alte Mutter allein wischen, waschen und fegen. 2. Das war die eitle Margareth, die putzte sich schon am Morgen; da mußte die alte Mutter allein Keller und Küche besorgen. 3. Das war die sch öne Margareth, die that den Burschen gefallen; sie tanzten und kosten gern mit ihr, doch nahm sie keiner von allen. 4. Das war die verlaßne Margareth, es kamen und gingen die Jahre, vorbei war Putz und Spiel und Tanz, die Mutter lag auf der Bahre. 5. Das ist die hungrige Margareth, sie mag die Hand nicht rühren; dort kommt sie mit dem Bettelsack und bettelt vor den Thüren. 103. Treue Freundschaft. Einst trafen auf ihrer Wanderschaft zwei Handwerksburschen zusammen; der eine war ein Schmidt, der andere ein Schneider. Sie reiseten mehrere Wochen miteinander, bis sie endlich nach Polen kamen. Während dieser Zeit hatten sie sich genauer kennen ge- lernt, einander ihr Herkommen und ihre Lebensgeschichte erzählt und endlich Brüderschaft mit einander gemacht. Sie theilten ge- wöhnlich, was sie von Lebensmitteln hatten, unter sich und halfen sich gegenseitig in allem brüderlich aus. Es fügte sich, dasz der Schmidt in Polen krank wurde und in einem fremden Dorfe unter fremden Leuten, die nicht einmal deutsch verstanden, liegen bleiben muszte. Hier wäre er übel daran gewesen, wenn er seinen Ka- meraden nicht bei sich gehabt hätte; denn er hatte kein Geld, und sein Felleisen war mit allem, was sich darin befand, kaum einige Thaler werth. Dies wurde nun freilich verkauft; aber das daraus gelöste Geld war bald verzehrt, und noch sah man keine Besserung. Nun bewies sich der Schneidergeselle recht brüderlich gegen ihn und verliesz ihn nicht in seiner Noth. „Hier in diesem fremden Lande bin ich ihm ja der Nächste !“ dachte er bei sich selbst, und

4. Vaterländisches Lesebuch für die Evangelische Volksschule Norddeutschlands - S. 56

1868 - Wiesbaden Schleswig Hannover : Schulbuchh. Schulze Jurany & Hensel
56 die Augen weit auf. „Lene“, sprach er zu seiner Frau, „geschwind springe hinauf und hole ein feines Hemd und meinen Sonntagsstaat herunter, dasz der gute Freund da sich umkleiden kann! “ Der Schneider wollte allerlei dagegen einwenden, aber der Meister hielt ihm den Mund zu und sagte : „‘Schweig’ und sprich mir kein Wort dagegen ! Du hast’s wohl um mich verdient, dasz ich mein bischen Hab’ und Gut mit dir theile.“ Es half nichts: der Schneider muszte sich putzen und aus einer langen Pfeife rauchen. Der Meister gebot ihm, sich gerade so zu pflegen, als ob er in seinem eigenen Hause wäre, und nachdem er in möglichster Eile sein Tagewerk vollends geendet hatte, setzte er sich mit ihm zu Tische und liesz alle seine Leute herein kommen, dasz sie den Fremden nun recht genau besehen muszten. Dabei erzählte er ihnen denn, wer der Fremde eigentlich sei, und was es mit ihrer beiderseitigen Freundschaft für eine Bewandtnisz habe. Da hatten alle eine herzliche Freude über den Ankömmling, besonders aber die Frau vom Hause, die ihren Mann sehr liebte und oft dem guten Schneiderburschen, der in Polen eine so treue Stütze für ihren Mann gewesen war, ehe sie ihn persönlich kannte, Gottes Segen gewünscht hatte. Der Meister liesz noch am nämlichen Abend zwei fette Gänse schlachten und auf den folgenden Tag alle Freunde und Gevattern des Dorfes zu sich zu Gaste laden. „Juchhei! das soll mir ein Freudentag werden !“ rief er laut auf — und schwang dabei seine Mütze vor Freuden. Der Sonntag kam, und in der Schmiede ging’s so fröhlich her, als wenn es Kindtaufe gewesen wäre. Nachdem die Mahlzeit geendigt war, erzählte der Schmidt alle seine Erlebnisse und besonders, was er seinem Kameraden für einen Liebesdienst zu verdanken habe. Der Schneider muszte dann seine Erlebnisse auch erzählen, und die Gäste gewannen ihn so lieb, dasz sie durchaus darauf bestanden, er solle sich in diesem Dorfe häuslich niederlassen und ihr Schneider werden. Der Schmidt jauchzte darüber laut und versprach, ihn mit Geld zu unterstützen, so viel er könne. Er hielt auch Wort; der Schneider fand sein reichliches Brot im Dorfe, verheirathete sich mit einer guten Wirthin und lebte froh und glücklich. 104. Ehrlichkeit und Dankbarkeit eines Juden. Ein Jude, Namens Isaak ernährte sich lange Zeit vom Handel mit alten Kleidern, wobei er oft kaum das tägliche Brot verdiente. Doch dankte er seinem Gott, daß er ihm wenigstens dieses gab, und war in seiner Dürftigkeit zufrieden. Aber nun starben ihm schnell hinter einander zwei Kinder, und er mußte, um sie begraben zu lassen, fast alle seine Habseligkeitcn verkaufen. Zudem wurde seine Frau krank, mit der er zwanzig Jahre in Frieden gelebt hatte, und da er sie selbst Pflegen mußte, so konnte er seinen kleinen Handel

5. Vaterländisches Lesebuch für die Evangelische Volksschule Norddeutschlands - S. 61

1868 - Wiesbaden Schleswig Hannover : Schulbuchh. Schulze Jurany & Hensel
61 109. Dornröschen. (Märchen.) Vor Zeiten war ein König und eine Königin, die sprachen jeden Tag: „Ach, wenn wir doch ein Kind hätten!" und krigten immer keins. Endlich aber bekamen sie ein so schönes Mädchen, daß der König vor Freude sich nicht zu lassen wußte und ein großes Fest anstellte. Er lud nicht bloß seine Verwandten, Freunde und Bekannten, sondern auch die weisen Frauen dazu ein, damit sie dem Kinde hold und gewogen würden. Es waren ihrer dreizehn in seinem Reiche; weil er aber nur zwölf goldene Teller hatte, von welchen sie essen sollten, konnte er eine nicht einladen. Die geladen waren, kamen, und nachdem das Fest gehalten war, beschenkten sie das Kind mit ihren Wundergaben: die eine mit Tugend, die andere mit Schönheit, die dritte mit Reichthum, und so mit allem, was Herrliches auf der Welt ist. Als elf ihre Wünsche eben gethan hatten, kam die dreizehnte herein, die nicht eingeladen war und sich dafür rächen wollte. Sic rief: „Die Königstochter soll sich in ihrem fünfzehnten Jahre an einer Spindel stechen und todt hinfallen." Da trat die zwölfte hervor, die noch einen Wunsch übrig hatte; zwar konnte sie den bösen Ausspruch nicht aufheben, aber sie konnte ihn doch mildern und sprach: „Es soll aber kein Tod sein, sondern ein hundertjähriger, tiefer Schlaf, in den die Königstochter fällt." Der König hoffte, sein liebes Kind noch vor dem Ausspruch zu be- wahren, und ließ den Befehl ausgehen, daß alle Spindeln im ganzen König- reich sollten abgeschafft werden. An dem Mädchen aber wurden alle Gaben der weisen Frauen erfüllt, denn cs war so schön, sittsam, freundlich und verständig, daß es jedermann, der es ansah, lieb haben mußte. Es ge- schah, daß an dem Tage, wo es gerade fünfzehn Jahre alt war, der König und die Königin nicht zu Haus waren und das Fräulein ganz allein im Schlosse zurück blieb. Da ging es aller Orten herum, besah Stuben und Kammern, wie cs Lust hatte, und kam endlich auch an einen alten Thurm. Es stieg eine enge Treppe hinauf und gelangte zu einer kleinen Thür. In dem Schlosse steckte ein gelber Schlüssel, und als sie umdrehte, sprang die Thür auf und saß da in einem kleinen Stübchen eine alte Frau und spann emsig ihren Flachs. „Ei, du altes Mütterchen", sprach die Königstochter, „was machst du da?" „Ich spinne", sagte die Alte und nickte mit dem Kopfe. „Wie das Ding herumspringt!" sprach das Fräulein und nahm die Spindel und wollte auch spinnen. Kaum hatte sie die Spindel an- gerührt, so ging die Verwünschung des Zauberweibes in Erfüllung, und sie stach sich damit. In dem Augenblicke aber, wo sie sich gestochen hatte, fiel sie auch nieder in einen tiefen Schlaf. Und der König und die Königin, die eben zurückgekommen waren, fingen an mit dem ganzen Hofstaat einzuschlafen. Da schliefen die Pferde im Stalle ein, die Hunde im Hofe, die Tauben auf dem Dache, die Fliegen an der Wand, ja, das Feuer, das aus dem Herde

6. Vaterländisches Lesebuch für die Evangelische Volksschule Norddeutschlands - S. 64

1868 - Wiesbaden Schleswig Hannover : Schulbuchh. Schulze Jurany & Hensel
64 will mich für mein Geld nicht gesund machen?" — Endlich hörte er von einem Arzte, der hundert Stunden weit von Amsterdam wohnte, aber so geschickt wäre, daß die Kranken gesund würden, wenn er sie nur recht an- blicke; und der Tod ginge ihm aus dem Wege, wo er sich sehen ließe. Zu diesem faßte der Kranke Zutrauen und schrieb ihm seinen Umstand. Der Arzt merkte bald, was ihm fehle, und sagte: „Warte, dich will ich bald geheilt haben!" Deshalb schrieb er ihm ein Briefchen folgenden Inhalts: „Guter Herr! Ihr habt einen schlimmen Umstand an Euch; doch wird Euch noch zu helfen sein, wenn Ihr folgen wollt. Ihr habt ein böses Thier im Bauche, einen Lindwurm mit sieben Mäulern; mit diesem muß ich selber reden, und Ihr müßt zu mir kommen. Aber Ihr dürft nicht fahren noch reiten, sondern müßt auf des Schusters Rappen zu mir kom- men; sonst schüttelt Ihr den Lindwurm, und er beißt Euch die Eingeweide ab, sieben Därme auf einmal ganz entzwei. Sodann dürft Ihr nicht mehr essen, als zweimal des Tags einen Teller voll Gemüse, mittags ein Brat- würstchen dazu und abends ein Ei, und am Morgen ein Fleischsüppchen mit Schnittlauch daraus. Was Ihr mehr esset, davon wird der Lindwurm nur größer, also daß er Euch die Leber erdrückt; der Schneider wird Euch dann nicht viel mehr anzumessen haben, wohl aber der Schreiner. Dies ist mein Rath, und wenn Ihr diesem nicht folgt, so hört Ihr im andern Frühjahr den Kuckuk nicht mehr rufen. Thut übrigens, was Ihr wollt." — Gleich nach Empfang dieses Briefs ließ sich der Kranke die Stiefel wichsen, machte sich den andern Morgen auf den Weg und that alles so, wie cs ihm der fremde Doctor befohlen hatte. Den ersten Tag ging er so langsam, daß wohl eine Schnecke sein Vorreiter hätte sein können, und wer ihn grüßte, dem dankte er nicht, und wo ein Würmchen auf der Erde kroch, das zertrat er. Aber schon am zweiten und am dritten Morgen kam es ihm vor, als wenn die Vögel früher gar nicht so lieblich gesungen hätten, wie heute; und der Thau schien ihm so frisch und die Kornblumen im Felde so blau, und alle Leute, welche ihm begegneten, sahen so freundlich aus, und er auch; und alle Morgen, wenn er sein Nachtquartier verließ, war die Welt schöner, und er ging leichter und munterer dahin. Und als er am achtzehnten Tage nach seiner Abreise in der Stadt ankam, wo der Arzt wohnte, und den andern Morgen aufstand, war es ihm so wohl, daß er sagte: „Ich hätte zu keiner ungelegenern Zeit können gesund wer- den, als jetzt, wo ich zum Doctor soll. Wenn's mir doch nur ein wenig in den Ohren brauste, oder der Magen mich drückte!" Als er zum Arzte kam, nahm der ihn bei der Hand und sagte: „Jetzt erzählt mir denn noch einmal von vorn an, was Euch fehlt." Da sagte er: „Herr Doctor, mir fehlt Gottlob nichts, und wenn Ihr so gesund seid, wie ich, so soll mich's freuen." Der Arzt sagte: „Das hat Euch ein guter Geist gerathen, daß Ihr meinen Rath befolgtet. Der Lindwurm ist jetzt abgestanden. Aber Ihr habt noch Eier von ihm im Leibe; daher müßt Ihr wieder zu Fuß heimgehen und daheim Holz sägen und nicht mehr essen, als Ihr Hunger habt, damit die Eier nicht ausschlüpfen; dann könnt Ihr ein alter Mann

7. Vaterländisches Lesebuch für die Evangelische Volksschule Norddeutschlands - S. 43

1868 - Wiesbaden Schleswig Hannover : Schulbuchh. Schulze Jurany & Hensel
43 ein Herz, geht zum Meister in's Haus und sagt: „Meister, ich kann ohne Gottes Wort nicht länger bestehen, und wenn ich mich den Sonntag in der Werkstatt abarbeite, bin ich die Woche nur ein halber Mensch; darum seid so gut und gebt mir den Sonntag meine Freiheit." Der Meister sagt: „Nein, das geht nicht an; denn du hast die Aufsicht in der Werkstatt, und außerdem, wenn einer fortginge, könnten sie alle fortgehen, und dann stände das Geschäft still." — „Aber ohne Gottes Wort verkomm' ich", sagte der Gesell, „und cs geht einmal nicht mehr. Ihr wißt, faul bin ich nicht, und euren Schaden will ich auch nicht; aber was nicht geht, das geht nicht. Und wofür bin ich ein Christ, wenn ich keinen Sonntag habe?" Dem Meister kam das wunderlich vor, und er hatte schon ein Wort von Narrenpossen und dergleichen auf der Zunge. Wie er aber dem ehr- lichen Gesellen in's Gesicht sah, besann er sich und sagte: „Nun meinet- halben geh' in die Kirche, so viel du willst. Aber eins beding' ich mir aus: wenn viel zu thun ist, mußt du auch am Sonntage auf dem Platze fein." — Wer war froher, als unser Gesell! Am nächsten Sonntag zieht er seinen blauen Rock au, nimmt das Gesangbuch unter den Arm und geht in die Kirche. Solch' einen schönen Tag hat er lange nicht gehabt; ihn hat die Predigt und der Gesang ganz aufgeweckt, und unser Grobschmidt war so munter wie ein Vogel. Nun vergeht die Woche; und wie der Sonntag kommt, sagt der Meister: „Gesell, es ist viel zu thun; heute mußt du in der Werkstatt sein." — „Gut", sagt der Gesell, „wenn's nicht anders sein kann." — Den nächsten Sonntag sagt der Meister wiederum: „Es ist viel zu thun", und so auch den dritten. Als^ aber nach dem dritten Sonntag der Gesell den Wochenlohn bekam, fünfthaler und fünfundzwanzig Silbergroschen, wie es ihm zukam, da spricht er: „Das ist zu viel!" und schiebt die fünfundzwanzig Silber- groschen zurück. „Warum?" sagt der Meister, „es ist für die sieben Tage." — Aber der Gesell spricht: „Nein, ich hab's mir bedacht, und für den Sonntag nehme ich kein Geld mehr; denn der Sonntag ist nicht zum Geldverdienen, und wenn ich am Sonntag arbeite, so geschieht's euch zu Liebe, und Geld will ich nicht." Da sah der Meister den Gesellen groß an; und seit dem Tage war die Schmiede jeden Sonntag verschlossen, und kein Hammer, noch Blasebalg mehr zu hören. Merke: Man soll unserm Herrgott nicht sein drittes Gebot stehlen; und wer in die Kirche will, der findet den Weg schon. 82. Der Kirchthurm. 1. Kirchthurm, was stehst du nur immer so da und zeigest so ernsthaft nach oben? Immer und immer, so oft ich dich sah, haft du auch den Finger erhoben. 2. Lieb'kindlein, ich stehe als Wegweiser hier und zeige den Menschen hienieden die sicherste Straße, o glaube es mir, die einstens sie führet zum Frieden.

8. Vaterländisches Lesebuch für die Evangelische Volksschule Norddeutschlands - S. 74

1868 - Wiesbaden Schleswig Hannover : Schulbuchh. Schulze Jurany & Hensel
74 deutscher Handwerksbursche in Amsterdam durch den Irrthum zur Wahr- heit und zu ihrer Erkenntniß. Denn als er in diese große und reiche Han- delsstadt voll prächtiger Häuser, wogender Schiffe und geschäftiger Menschen gekommen war, fiel ihm sogleich ein großes und schönes Haus in die Augen, wie er auf seiner ganzen Wanderschaft von Tuttlingen bis nach Amsterdam noch keins erlebt hatte. Lange betrachtete er mit Verwunderung dieses kostbare Gebäude, die Kamine auf dem Dache, die schönen Gesimse und die hohen Fenster, größer als an des Vaters Haus daheim die Thür. Endlich konnte er sich nicht enthalten, einen Vorübergehenden anzureden. „Guter Freund," redete er ihn an, „könntihr mir nicht sagen, wie der Herr heißt, dem dieses wunderschöne Haus gehört mit den Fenstern voll Tulipanen, Sternenblumen und Levkoyen?" —Der Mann aber, der vermuthlich etwas Wichtigeres zu thun hatte und zum Unglück gerade so viel von der deutschen Sprache verstand, als der Fragende von der holländischen, nämlich nichts, sagte kurz und schnauzig : „Kannitverstanund schnurrte vorüber. Dies war ein holländisches Wort, oder drei, wenn man's recht betrachtet, und heißt auf deutsch so viel als: „ich kann euch nicht verstehen." Aberder gute Fremdling glaubte, es sei der Name des Mannes, nach dem er gefragt hatte. „Das muß ein grundreicher Mann sein, der Herr Kannitverstan," dachte er, und ging weiteri Gass' aus Gass' ein kam er endlich an den Meerbusen , der da heißt: Het Ey, oder aus deutsch: Das Ipsilon. Da stand nun Schiff an Schiff und Mastbaum an Mastbaum, und er wußte anfänglich nicht, wie er es mit seinen zwei einzigen Augen durchfechten werde, alle diese Merkwürdigkeiten genug zu sehen und zu betrachten, bis endlich ein großes Schiff seine Aufmerksamkeit an sich zog, das vor kurzem aus Ostindien angelangt war und jetzt eben ausgeladen wurde. Schon standen ganze Reihen von Kisten und Ballen auf- und nebeneinander am Lande. Noch immer wurden mehrere herausgewälzt, und Fäffer voll Zuckerund Kaffee, voll Reis und Pfeffer. Als er aber lange zugesehen hatte, fragte er endlich einen, der eben eine Kiste auf der Achsel heraustrug, wie der glückliche Mann heiße, dem das Meer alle diese Waaren an das Land bringe? „Kannit- verstan," war die Antwort. Da dachte er: „Haha, schaut's da heraus ? Kein Wunder! Wem das Meer solche Reichthümer an das Land schwemmt, der hat gut solche Häuser in die Welt stellen und solcherlei Tulipanen vor die Fenster in vergoldeten Scherben." Jetzt ging er wieder zurück und stellte eine recht traurige Betrachtung bei sich selbst an, was er für ein armer Mensch sei unter so viel reichen Leuten in der Welt. Aber als er eben dachte: „Wenn ich's doch nur auch einmal so gut bekäme, wie dieser Herr Kannitverstan cs hat," kam er um eine Ecke und erblickte einen großen Leichenzug. Vier schwarz vermummte Pferde zogen einen ebenfalls schwarz überzogenen Leichenwagen langsam und traurig, als ob sie wüßten, daß sie einen Todten in seine Ruhe führten. Ein langer Zug von Freunden und Bekannten des Verstorbenen folgte nach, Paar an Paar, verhüllt in schwarze Mäntel und stumm. In der Ferne läutete ein einsames Glöcklein. Jetzt ergriff unsern Fremdling ein wehmüthiges Gefühl, das an keinem guten #

9. Vaterländisches Lesebuch für die Evangelische Volksschule Norddeutschlands - S. 76

1868 - Wiesbaden Schleswig Hannover : Schulbuchh. Schulze Jurany & Hensel
76 liehe Herr. „Nun will ich dir aber auch eine Frage vorlegen. Wo- hin gehört das?" fragte er und zeigte dem Kinde eine Apfelsine. „In das Pflanzenreich", erwiderte schüchtern das Mädchen. „Wohin nun das?" fragte der Herr weiter und zeigte auf ein Goldstück. „In's Mineralreich“, war die Antwort. „Wohin gehöre ich denn, mein Kind?“ war die dritte Frage. Freundlich blickte das Kind den König an und sagte : „In's Himmelreich." — Da glänzte eine Thräne in dem Auge des Königs, und er hob das Mägdlein empor und küszte es. 126. Zimmerspruch. Äas neue Haus ist ausgericht't, gedeckt, gemauert ist es nicht, noch können Regen und Sonnenschein von oben und überall herein; drum rufen wir zum Meister der Welt, er wolle von dem Himmelszelt nur Heil und Segen gießen ans hier über dieses offne Haus. Zu oberst woll' er gut Gedeih'n in die Kornböden uns verleih'n; in die Stube Fleiß und Frömmigkeit, in die Küche Maß und Reinlichkeit, in den Stall Gesundheit allermeist, in dem Keller dem Wein einen guten Geist; die Fenster und Pforten woll' er weih'n, daß nichts Unsel'ges komm herein, und daß aus dieser neuen Thür bald fromme Kindlein springen für. Nun, Maurer, decket und mauert aus! Der Segen Gottes ist im Hauö. 127. Aus Schiller’s Glocke. Der Mann musz hinaus ins feindliche Leben, musz wirken und streben und pflanzen und schaffen, erlisten, erraffen, musz wetten und wagen, das Glück zu erjagen. Da strömet herbei die unendliche Gabe, es füllt sich der Speicher mit köst- licher Habe, die Räume wachsen, es dehnt sich das Haus, und drinnen waltet die züchtige Hausfrau, die Mutter der Kinder, und herrschet weise im häuslichen Kreise, und lehret die Mädchen und wehret den Knaben, und reget ohn’ Ende die fleiszigen Hände, und mehrt den Gewinn mit ordnendem Sinn, und füllet mit Schätzen die duften- den Laden, und dreht um die schnurrende Spin- del den Faden, und sammelt im reinlich geglätteten Schrein die schimmernde Wolle, den schneeigen Lein, und füget zum Guten den Glanz und den Schimmer, und ruhet nimmer.

10. Vaterländisches Lesebuch für die Evangelische Volksschule Norddeutschlands - S. 83

1868 - Wiesbaden Schleswig Hannover : Schulbuchh. Schulze Jurany & Hensel
83 Du hast zwei Hände und einen Mund, lern' es ermessen! Zwei sind da zur Arbeit, und einer zum Essen. 138. Die Glieder. Soll dein Thun Gott Wohlgefallen, so gebeut den Gliedern allen: deinem Auge, dasz es spähe Gutes fern und in der Nähe; deinem Ohre, dasz es höre weisen Rath und fromme Lehre; deiner Zunge, dasz sie bringe Dank dem Schöpfer aller Dinge; deinen Händen, dasz sie spenden, das Erworb’ne nicht verschwenden ; deinen Fiiszen, dasz sie gern gehen in das Haus des Herrn. 139. Meister Hämmerlein. Vor etlichen und dreißig Jahren starb in einem preußischen Dorfe der Gemeindeschmidt Jakob Horn. Im gemeinen Leben hieß er nicht an- ders als Meister Hämmerlein. „Meister Hämmerlein? Ei, warum denn Meister Hammerlein?" Weil er die sonderbare Gewohnheit hatte, wo er ging und stund, sein Hämmerlein und ein paar Nägel in der Tasche zu führen und an allen Tboren, Thüren und Zäunen zu hämmern, wo er etwas los und ledig fand. Vielleicht auch, weil er über seinem Hämmerlein Gemcindeschmidt des Dorfes geworden war. „Wie wäre denn das zugegangen?" Ganz natürlich, wie ihr sogleich hören sollt. Sein Vorfahr war ge- storben. Vier wackere Burschen hatten sich um den Dienst gemeldet und dem und jenem allerlei versprochen. Meister Hämmerlein hatte sich nicht gemeldet und nichts versprochen; er hämmerte bloß ein wenig an einer Gartenthür und erhielt dafür den Dienst. „Und bloß für ein bißchen Hämmern?" Bloß für ein bißchen Hämmern! An einer Gartenthüre, nahe am Dorfe, hing schon wochenlang ein Brett ab. Meister Hämmerlein kam mit seinem Felleisen des Weges her. Flugs langte er einen Nagel und sein Hämmerlein aus der Tasche und nagelte das Brett fest. Das sah der Dorfschulze. Ihm schien es sonderbar, daß der landfremde Mensch das Brett nicht los sehen konnte, das doch selbst der Eigenthümer des Gartens wohl zwanzigmal so gesehen hatte, ohne es fest zu machen. Er wollte ihn anreden, aber der Bursche war fort, ehe er ihm nahe genug kam. Ein paar Stunden darauf ging der Schulze in die Dorfschenkc. Sogleich fiel ihm der junge Mensch in's Gesicht. Er saß ganz allein an einem Tischchen und verzehrte sein Abendbrot. „Ei willkommen !" rief der Schulze. „Treffen wir uns hier, guter Freund?" Der junge Mensch stutzte, sah ihm steif in's Gesicht und wußte nicht, woher die Bekanntschaft kam. „Ist er nicht der junge Wanderer," fragte der Schulze, „der diesen ß*
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