Autor: Dreyer, Friedrich, Meyer-Wimmer, J., Meyer, Johannes
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bezeichnen. Zur Einigung drängen alle sittlichen Gewalten hin, das zeigt sich auch in dem Abschnitte unserer deutschen Kulturgeschichte, dessen staatliches Leben wir in großen Zügen zu schildern versucht haben. Durch die „goldene Bulle" war das Verhältnis des Kaisers zu den Fürsten sowie die Machtstellung derselben in ihren Landen geordnet worden. Sie alle stützten ihre Herrschaft besonders durch die Waffen; in betreff der Rechte und Gesetzte herrschte in deutschen Landen eine so große Mannigfaltigkeit, daß eine wahrhafte Stütze geordneter Verhältnisse darin kaum erkannt werden kann.
Die Verordnungen Karls des Großen, im Laufe der Zeit durch Eigentümlichkeiten der einzelnen Stämme in manchen Punkten geändert, bestanden noch zu Recht, neben ihnen hatten der „Sachsenspiegel" und der „Schwabenspiegel" große Verbreitung gefunden. Aber in das zuletzt genannte Gesetzbuch hatte sich bereits der Fremdling eingeschlichen, der unsern heidnischen Vorfahren ein Greuel war und ihren christlichen Nachkommen vielfach znr drückendsten Plage geworden ist: das römische Recht.
römische Ursprünglich durch das römische Volk ausgebildet und lediglich den Recht. Verhältnissen desselben angepaßt, entwickelten sich aus ihm die allgemeinen Rechtsgrundsätze, welche der Verkehr mit andern Völkern erforderte. Kaiser Justinian veranstaltete nach dem Vorgänge anderer Kaiser von 528 —534 eine Sammlung der noch gültigen Gesetze, denen später die von ihm selbst erlassenen hinzugefügt wurden. Die Sammlung bekam den Namen »Corpus Juris civilis«. Es enthielt das Staats-, Kirchen-, Straf- und Prozeßrecht, sowie das Privatrecht (d. i. der Inbegriff aller Rechtsbestimmungen, welche sich auf Familien-, Eigentumsund Forderungsrechte der Einzelnen beziehen). Die Anwendung dieser Rechte übten einzig und allein kaiserliche Richter aus, während dem Volke jede Beteiligung bei der Bildung des Rechts und dessen Gebrauch versagt war.
Das römische Recht herrschte im ganzen römischen Reich und behielt auch dann noch seine Gültigkeit für die Eingeborenen, als germanische Reiche auf den Trümmern des weströmischen errichtet wurden. Da aber die germanischen Könige nicht den ganzen Umfang der Gesetze beherrschten, ließen einige von ihnen kurze Zusammenstellungen aus den kaiserlichen Gesetzen anfertigen (Edictum Theodorici, Lex Romana Visigothorum u. a.). Seit dem zwölften Jahrhundert machten die Professoren an der Rechtsschule zu Bologna den Codex des Justiuian
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1794) an eine Neuordnung der zertrümmerten alten Einrichtungen ging, mußte das römische Recht dem französischen weichen, das auch für die deutschen Länder am linken Rheinufer maßgebend wurde. Auch für den übrigen Teil Deutschlands brach der Tag der Befreiung an. Bereits hatten einzelne Staaten neue Strafgesetzbücher, neue Straf- und Civilprozeßordnungen erlassen, welche dem römischen Rechte wenig Boden mehr ließen, da erschienen die großen deutschen Justizgesetze (1879, 1. Okt.), denen ein allgemeines bürgerliches Gesetzbuch folgen wird. Mit der Verkündigung dieser Gesetze fällt die Feffel endlich ganz, die dem Rechtssinn unseres Volkes eine der Natur desselben zuwiderlaufende Richtung aufzwang und es wesentlich mitverschuldet hat, daß dem deutschen Manne das „Recht" als Plage und nicht als Wohlthat erschien. Freigelegt sind die alten Bahnen wieder, die dem naturgemäßen Entwickelungsgänge deutscher Rechtspflege eine wirklich gedeihliche Förderung sichern. Aug' in Auge wie in den ältesten Zeiten stehen die Gegner einander gegenüber, Gesetz und Schuld, und in Red' und Gegenrede spiegelt sich ein Kampf ab, den die freie Entfaltung der Persönlichkeit zu einem entscheidenden Ende führen muß. (Meist nach Meyer, Univers.-Lex., Art. Rom. Recht.)
Das^ Ein anschauliches Bild des Gerichtsverfahrens, wie es im drei-gericht. zehnten Jahrhundert geübt wurde, gewähren die Fern- ober Freigerichte. Sie waren kaiserliche Landgerichte, hatten ihren Sitz in dem Winkel zwischen dem Rheine und der Weser, in Westfalen und einem Teile von Engern und richteten unter Königsbann namentlich über diejenigen Verbrechen, welche todeswürdig waren. Sie werden auch Freigerichte genannt, da jeder Freie zur Teilnahme an diesem Gerichte berechtigt war. Man findet auch wohl den Namen heimliches Gericht, Still- (oder Stuhl-)geri cht, heimliche Acht, heimlich beschlossene Acht. Damit soll angedeutet werden, daß das Femgericht nicht immer öffentliche Sitzungen hielt, sondern auch geheime, d. H. solche, an denen nur Mitglieder des Gerichts teilnehmen durften. In einem solchem Falle bezeichnete man das Gericht als verbotenes. Hatte ein Nichteingeweihter sich eingeschlichen, so traf ihn der Tod auf der Stelle. Das Gericht konnte nur in Westfalen, „auf roter Erde", gehalten werden.
Die alte Gauverfassung hatte sich nach der karolingischen Zeit allmählich aufgelöst; die Grafen, bisher kaiserliche Beamte, fingen an sich als Landesherren in ihren Bezirken zu betrachten und unterwarfen auch
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Ergebnisse, deren spätere Durchschlinguug mit den Wirkungen der geistigen Bewegung das Schicksal der Reformation, ja unseres Volkes überhaupt mindestens während der ersten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts bestimmt hat.
Noch Kaiser Sigmund hatte im Anfange seiner Regierung eine monarchische Reform der Verfassung mit Hilfe der Städte gegen die Fürsten versucht. Er war bamit infolge der Lauheit der Städte und noch mehr infolge des energischen Hanbelns der Kurfürsten gescheitert. Seit Mitte des fünfzehnten Jahrhunberts war dann keine Frage mehr-gewesen, daß die Reichsverfassung nur noch in föberalistisch-fürstlichem Sinne entwickelt werben könne.
Der fürstliche Föberalismns hatte benn auch die Wahl Karls V. beherrscht. In seiner Wahlkapitulation hatte der Kaiser versprechen müssen, ein Reichsregiment im Sinne des Regiments unter Kaiser Max einzurichten, und alsbalb, nachbem er ins Reich gekommen, war er an die Ausführung bieses Versprechens gemahnt worben. Auf dem Wormser Reichstage des Jahres 1521 überreichten ihm die Stänbe einen Entwurf über Errichtung des Reichsregiments wie des Kammergerichts: auf biefem Gebiete vor allem andern brangeu sie auf feste Beschlüsse.
Der stänbische Entwurf des Reichsregiments ging sehr weit; durch-gesührt hätte er die Herabsetzung des kaiserlichen Amtes zu einer bloßen Würbe, zu einem Ornament bebentet. Und mich die Städte wären babei ihrer verfassungsmäßigen Bebentnng im Reiche fast ganz ent-kleibet worben.
Karl V. bachte natürlich nicht baran, einen solchen Entwurf ohne weiteres anzunehmen. Allein in den langwierigen Verhanblungen, die jetzt begannen, mußte er sich boch, ba er der kriegerischen Hilfe des Reiches bedurfte, in manchen Punkten den fürstlichen Ansprüchen fügen. Zwar sollte das Regiment nur währenb der Abwesenheit Karls selb-stänbig, sonst nur als Reichsrat neben ihm thätig sein; man wußte aber, daß der Kaiser viel außerhalb des Reiches sein werbe. Auch sollten dem Kaiser die auswärtigen Angelegenheiten grundsätzlich vorbehalten sein; doch wurde durchgesetzt, daß das Reichsregimeut mit andern christlichen Ständen und Gewalten handeln möge, um deu Anfechtern des Reiches Widerstand zu thun. Im ganzen war das Regiment politisch doch ziemlich ständisch, d. H. fürstlich charakterisiert. Dem Widerpart zu halten war auch die Statthalterschaft des Erzherzogs Ferdinand zunächst wenig imstande; denn Ferdinand war einstweilen
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Zweiter Abschnitt.
Dir Kipper- und Wipperzrit odrr dir Geldnot brr Beginn des dreißigjährigen Krieges.
Werfen wir einen Blick auf die Weltlage im Anfange des sieb-zehnten Jahrhunderts, so finden wir, allenthalben ist der Katholizismus [a9e-gewaltig vorgedrungen, aber allenthalben ist er auch auf einen mächtigen Widerstand gestoßen. In Polen vermag er seine Widersacher schon darum nicht zu erdrücken, weil sie an den benachbarten Reichen einen unüberwindlichen Rückhalt finden. In Deutschland hat sich eine eng geschlossene Opposition dem vordringenden Dogma, der zurückkehrenden Priesterschaft entgegengeworfen. Der König von Spanien hat sich entschließen müssen, den vereinigten Niederlanden einen Stillstand zu ge-gewähren, der nicht viel weniger als eine förmliche Anerkennung in sich enthält. Die französischen Hugenotten sind durch feste Plätze, kriegsbereite Mannschaften und zweckdienliche finanzielle Einrichtungen gegen jeden Angriff gerüstet. In der Schweiz ist das Gleichgewicht der Parteien schon lange ausgebildet, und auch der regenerierte Katholizismus vermag es nicht zu erschüttern.
Europa ist in zwei Welten geschieden, die sich auf jedem Punkt umfassen, beschränken, ausstoßen, bekämpfen.
In dem Katholizismus herrschten jetzt die monarchischen Tendenzen vor. Jdeeen von populären Berechtigungen, von gesetzlichem Widerstände gegen die Fürsten, von Volkssouveränität und Königsmord, wie sie dreißig Jahre früher selbst von den eifrigsten Katholiken verfochten worden, waren nicht mehr an der Zeit. Es gab jetzt keinen bedeutenden Gegensatz einer katholischen Bevölkerung gegen einen protestantischen Fürsten: selbst mit Jakob I. von England vertrug man sich; jene Theorien fanden keine Anwendung mehr. Schon daraus folgte, daß das religiöse Princip sich dem dynastischen immer enger anschloß, es kam, wenn ich mich nicht irre, hinzu, daß die fürstlichen Persönlichkeiten auf der katholischen Seite ein gewisses Übergewicht entwickelten. Wenigstens darf man das von Deutschland sagen. Da lebte noch der alte Bischof Julius von Würzburg, der bei uns den ersten durchgreifenden Versuch einer Gegenreformation gemacht hatte; Kurfürst Schweikhard von Mainz verwaltete fein Erzkanzleramt mit einem durch warmen innerlichen Anteil erhöhten Talente und verschaffte demselben wieder
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Der Große Kurfürst hatte sein Lebtag zu ringen gehabt mit dem^s-Andrange feindlicher Nachbarn. Seine starke Natur verlor aber über den großen Entwürfen der europäischen Politik nicht jenen sorgsam Hans-Fam hälterischen Sinn, der den meisten seiner Vorfahren eigen war und ^eim§ L schon in den Anfängen des Hauses an dem häufig wiederkehrenden Beinamen »Oeconomus« sich erkennen läßt; er that das mögliche, den zerstörten Wohlstand des Landes zu heben, erzog den Stamm eines monarchischen Beamtentums und begann den Staatshaushalt nach den Bedürfnissen moderner Geldwirtschaft umzugestalten. Doch eine durchgreifende Reform der Verwaltung kam in den Stürmen dieser kampf-erfüllteu Regierung nicht zustande; des Fürsten persönliches Ansehen und die schwerfällige alte Centralbehörde, der geheime Rat, hielten das ungestalte Bündel ständischer Territorien notdürftig zusammen. Erst sein Enkel zerstörte den alten ständischen Staat.
König Friedrich Wilhelm I. stellte die Grundgedanken der inneren Ordnung des preußischen Staates so unverrückbar fest, daß selbst die Gesetze Steins und Scharnhorsts und die Reformen unserer Tage das Werk des harten Mannes nur fortbilden, nicht zerstören konnten. Er ist der Schöpfer der neuen deutschen Verwaltung, unseres Beamtentums und Offizierstandes; sein glanzlos arbeitsames Wirken war nicht minder fruchtbar für das deutsche Leben als die Waffenthaten seines Großvaters; denn er führte eine neue Staatsform, die geschlossene Staatseinheit der modernen Monarchie, in unsere Geschichte ein. Er gab dem neuen Namen der Preußen Sinn und Inhalt, vereinte sein Volk zur Gemeinschaft politischer Pflichterfüllung und prägte den Gedanken der Pflicht für alle Zukunft diesem Staate ein. Nur wer den knorrigen Wuchs, die harten Ecken und Kanten des niederdeutschen Volkscharakters kennt, wird diesen gewaltigen Zuchtmeister verstehen, wie er so atemlos durchs Leben stürmte, der Spott und Schrecken seiner Zeitgenossen, rauh und roh, scheltend und fuchtelnd, immer im Dienst, sein Volk und sich selber zu heißer Arbeit zwingend, ein Mann von altem deutschen Schrot und Korn, kerndeutsch in seiner kindlichen Offenheit, seiner Herzensgüte, seinem tiefem Pflichtgefühl wie in seinem furchtbaren Jähzorn und feiner formlos ungeschlachten Derbheit. Der alte Haß des norddeutschen Volkes wider die alamodische Feinheit der welschen Sitten, wie er aus Laurenbergs niederdeutschen Spottgedichten sprach, gewann Fleisch und Blut in diesem königlichen Bürgersmanne; auch seine Härte gegen Weib und Kind zeigte ihn als den echten Sohn jenes klassischen Zeitalters
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Inhalt Raum/Thema: Deutsche Geschichte
Neunter Zeitraum.
Deutschland in der ersten ßälfte des iy. Jahrhunderts.
Erster Abschnitt.
Politische Übersicht.
V Der Kampf gegen die französiscbe Revolution.
^789—^804.
1789. Beginn der französischen Revolution. Ursachen: Die Verderbnis bei gesellschaftlichen Zuftönbe Frankreichs, die Finaitznot des Staates, der schroffe Gegensatz zwischen dem frühern Druck in religiöser und noch mesir in politischer Beziehung und der jetzt anf-tretenben Aufklärung, enblich die Beteiligung Frankreichs ant norb-amerikanifchen Freiheitskriege.
In feiner Gelbnot beruft der mohtmeinenbe König Lub-wig Xvi. nach Versailles die Reichsstünbe, die seit 1675 nicht versammelt worben waren: 300 Ablige, 300 Geistliche und 600 Vertreter des britten Stanbes (Bürger und Bauern). Letztere erklären sich auf Mirabeaus Vorschlag als die Nationalverf ammlung und beschließen, nicht eher auseinanberzugehen, bis sie dem Lanbe eine neue Verfassung (Konstitution) gegeben hätten.
1789—1791. Die fonstituierenbe Nationalversammlung hebt, nachdem in Paris am 14. August das Volk die Bastille zerstört hat, alle Vorrechte des Abels und der Geistlichen auf und nimmt dem Könige das Recht der Gesetzgebung. Durch Brotmangel erbittert, führt das Volk den König nach Paris. Die Nationalversammlung, in bei die Umsturzmänner (Jakobiner, vom Kloster St. Jakob) bic Herrschaft gewinnen, folgt. Der König sucht zu entfliehen, wird aber zurückgebracht. Zahlreiche Ablige verlassen das Land.
1791 1792. Die gefetzgebettbe Versammlung, ein nach der neuen Verfassung zusammengerufener ßanbtag, zwingt den König, an Österreich, das mit Preußen ein Bünbnis zu Lubwigs Xvi.
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Extrahierte Personennamen: August Jakob)
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Inhalt Raum/Thema: Deutsche Geschichte
255
Auch die neuen Verfassungen gaben davon Zeugnis. Tie wesentlichen Regierungsrechte blieben gewahrt, und die stärkere Beschränkung des souveränen Willens in der kurhessischen Verfassung entsprang nicht aus radikalen Theorien, sondern ctuv einer leider nur zu begründeten Vorsicht gegenüber dem persönlichen Naturell sowohl des Kurfürsten als seines Thronfolgers.
Wesentlich in diesem Sinne faßten auch die preußischen Minister die Lage auf. Von politischer Erschütterung war in den weiten Provinzen der Monarchie wenig zu spüren; selbst in der beweglichsten derselben, dem Rheinland, hielt das wachsende Gedeihen von Industrie und Handel den verlockenden Eindrücken der französischen Einheit die Wage. In der That, es war begreiflich genug. Seit 1815 hatte die preußische Verwaltung in den hundert Bruchstücken von Bruchstücken, aus welchen damals der Staat neu zusammengesetzt worden war, Landschaften, die teils von alters her unter dem Krummstab verkommen, teils durch die lange Kriegsnot verelendet waren, Bewundernswertes geleistet. Mit Recht hat man dies Jahrzehnt die klassische Zeit des preußischeil Beamtenstandes genannt. Alle Zweige des öffentlichen Dienstes hatten ihre neue zweckmäßige Organisation erhalten; fast überall hatte man den rechten Mann für die rechte Stelle gefunden; überall hatte über den Trümmern der vergangenen Zeit ein frifch emporblühendes Leben begonnen.
Vor allem saud die Bevölkerung sich einig mit der Regierung in dem Wunsche aus Erhaltung des Friedens. Ter König hatte gleich nach der Revolution den Entschluß ausgesprochen, in Frankreich keine Einmischung zu versuchen, in bestimmtem Gegensatz zu Österreich und Rußland, welche einen solchen Kreuz-zug zu Gunsten der Legitimität sehr gerne gesehen hätten. Als dann die Entwicklung der belgischen Wirren die Gefahr eines französischen Angriffs hervortreten ließ, erschienen in Berlin dringende Aufforderungen der süddeutschen Höfe, unter preußischer Leitung feste Maßregeln zu gemeinsamer Abwehr des drohenden Unheils zu ergreifen. Bayern und Württemberg rüsteten mit Eifer; die übrigen Staaten des achten Bnndeseorps gedachten, dem König von Württemberg den Corpsbefehl zu übertragen; sie hofften, weit über das Maß des Buudeskontin-gents hinaus, in einigen Monaten looooo Mann auszustellen. Aber von einer Anlehnung an den Bundestag oder gar von der Ernennung eines Bundesfeldherrn wollten sie nichts wissen.
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Extrahierte Personennamen: Württemberg
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Inhalt Raum/Thema: Deutsche Geschichte
385
Zur Kompetenz des Reiches gehören n. a. die Bestimmungen über Freizügigkeit, Heimats- und Niederlassungsverhältnisse, Staatsbürgerrecht (jeder Unterthan, Staatsbürger eines jeden Bundesstaates ist in einem andern Bundesstaate als Inländer zu behandeln), Paßwesen, Fremdenpolizei, Zoll- und Handelsgesetzgebung, Reichssteuern (indirekte Steuern), Ordnung des Maß-, Münz- und Gewichtssystems, Ersindnngspatente, Schutz des geistigen Eigentums, Schutz des deutschen Handels im Auslande, Post- und Telegraphenwesen (Bayern und Württemberg besitzen Rerservatrechte), Gesetzgebung über bürgerliches Recht, Straf recht und gerichtliches Verfahren, Militärwesen, Bestimmungen über Presse und Vereinswesen, Maßregel der Medizinal-nnd Veterinärpolizei, einiges über Eisenbahnen (Tariswesen und einige andere).
So war der Bau des neuen deutschen Reiches unter Dach und Fach gebracht. Wie doch ganz anders stand er da, als einst das heilige römische Reich deutscher Nation! Das Sehnen eines ganzen Volkes war unter Gottes Führung allein durch seine eigene Thatkraft erfüllt worden; keine fremde Macht hatte es gewagt, wie früher so oftmals, den Aufbau durch ihren Einspruch zu stören; auf der Siegesstätte deutscher Tapferkeit hatte der Kaiser die Krone aus dem freien Entschluß der Fürsten und Völker Deutschlands empfangen; weder die ausschließliche Vertretung der Interessen einer Kirche, noch die Weltherrschaftsgelüste römischer Cäsaren waren an sie geheftet. Ein rein nationales deutsches Kaisertum war auf den Siegesgesilden in Frankreich entstanden, dem die Ausgabe ward, den inneren Ausbau des Reiches auf der Grundlage deutscher Frömmigkeit, deutscher Art und deutscher Zucht zu fördern.
Wie waren doch die Urteile über Bismarck in Deutschland im Lause von zehn Jahren ins Gegenteil umgeschlagen! Aus dem „bestgehaßten" Junker war der große Staatsmann und Führer geworden, zu dem der größte Teil der Nation mit unbedingtem Vertrauen emporsah. Wer diesen Umschwung bloß mit der Anbetung des Erfolges erklären wollte, würde ungerecht urteilen. Es kam vielmehr daher, daß dem deutschen Volk sich mehr und mehr Gelegenheit bot, der ganzen Persönlichkeit dieses einzigartigen Mannes auf den Grund zu sehen und ihn nach allen Richtungen vollauf zu würdigen. Sein gigantischer Geist, getragen von einer gleich starken Willenskraft, hatte für
Deutsche Kulturgeschichte. Iv. 25
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Autor: Meyer-Wimmer, J., Dreyer, Friedrich, Meyer, Johannes
Sammlung: Kaiserreich Geschichtsschulbuecher
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Inhalt Raum/Thema: Deutsche Geschichte
r
28
So fest und unbeschränkt Friedrich das Steuer des Staates führte, es find doch überall durch ihn Überlieferungen von der alten königlichen Gewalt und der alten Art von sklavischem Gehorsam durchbrochen worden. Ein König, der schon in feiner ersten politischen Jugendschrift, im Antimacchiavell, die Meinung aussprach, der Fürst sei nicht Herr seiner Unterthanen, sondern deren Diener (domestique), und kein Mensch habe das Recht, sich eine unbeschränkte Herrschaft über die andern anzumaßen, der die Wahrheit des Satzes anerkannte, es sei besser von Gesetzen abzuhängen als von der Laune eiues Einzigen, ein solcher König wurde nicht mit Unrecht von den Trägern der alten Versailler Monarchie als ein gefährlicher Eindringling angesehen. Und er blieb bei den Worten nicht stehen. Wie er sid) gegen die alten Anschauungen von der Gewalt und vom Gehorsam richtete, so verließ er die politische Überlieferung feiner beiden Vorgänger, lehnte sid) gegen den Kaiser und die alte Reichsverfassung auf, griff mit gewaltsam umgestaltender Hand in die Ordnung der europäischen Verhältnisse ein, sd)ns eine neue Gruppierung der Staaten und ihres Gleichgewichts. Aber and) die Gedanken und Ansichten des Königs wirkten im Zusammenhang mit seinen Thaten bedeutungsvoll genug auf die Umwälzung der Geister, die in Friedrichs Zeitalter oorgegangen ist.
Die Anschauung des Königs war zu groß und umfassend, als daß er an die Vollkommenheit und Ewigkeit einer Staatsform hätte glauben können. Die Feudalität mit ihren oielen arifto-kratifchen Gewalten erschien ihm nur als eine Pflanzschule bürgerlicher Unruhen, als eine Quelle allgemeinen Unheils für die Gesellschaft. Ihre verderbliche Entartung nötigte ihm ein Geständnis ab, das wir bei dem größten und glücklichsten Vertreter deutschen Landenssürstentums kaum erwarten sollten. In Deutsdiland, sagte er, sind diese Vasallen unabhängig geworden; in Frankreich, England und Spanien hat man sie unterworfen. Das einzige Muster ■— fügt er hinzu — das wir von dieser abscheulichen Regierungsform noch übrig haben, ist die Republik Polen; und dabei scheint er kaum daran zu denken, daß ja Deutschland selbst, wenn aud) in anderer Weise entwickelt, einen ähnlid)en Wust aristokratischer Unförmlichkeiten darbot wie der in Auflösung begriffene Staat der Jagellonen.
Um die Monarchie bewegten sich die Gedanken des Königs; aber es hat nie ein Fürst ans seinem Throne gesessen, dessen
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Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Tie Grundlagen waren damit im allgemeinen gelegt; auch die leitenden Gedanken hatteu sich schon im Verlaufe der Dinge geklärt: auf religiösem Gebiete Duldsamkeit, auf politischem d e r S a tz vom gleichen Rechte und der gleichen Pflicht für alle, anf dem nationalen Pflege deutscher Ku l tu r und Sorge für deut) ch e Ehre. Aber noch war es übrig, die weitzerstückelten Gebiete am Niederrhein, in Westfalen, an der Elbe, der Oder und jenseit der Weichsel innerlich zu einem festgefügten Organismus zu verschmelzen und die von den Ahnen ererbten Gesinnungen und Bestrebungen mit vollem Bewußtsein zur unverrückbaren Richtschnur des gesamten politischen Verhaltens zu machen. Das war die Aufgabe und der Erfolg der Regierung des Großen Kurfürsten, den eine gütige Vorsehung achtundvierzig Jahre lang über unser Vaterland walten ließ.
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