1872 -
Stuttgart
: Schweizerbart
- Autor: Reuschle, Carl Gustav
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Lehranstalt, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): Jungen
Sonnenstand in den Polarzonen. 57
1 Die bedeutendsten unter diesen Artikeln, zum Theil in wahrhaft erstaunlichen
Massen, sind die Kolonial waa ren (vorzugsweise): Baumwolle, Zucker, Kaffee und
Kakao, Reis und Sago, Tabak (Cigarren), Indigo, die Gewürze (§. 47). — Dazu kom-
men Hölzer (Mahagony-, Eben-, Tikholz- und Farbhölzer wie Campeche-, Brasilienholz);
Fieberrinde, Aloe, Jpecacuanha u. a. Droguen; Kautschuk und Guttapercha; Balsame,
Gummis, Firnisse, Oele; endlich manche Früchte (Kokos, Ananas u. a.) und ganze
Pflanzen für Gewächshäuser.
1 Im Alterthum bedeutendere Thierausfuhr (Kampffpielthiere, Kriegselephanten),
heutzutage besonders zu Menagerien, und in größerer Menge vornehmlich nur Papageien.
Sonstige Artikel aus dem tropischen Thierreich: Schildkröten und Vogelnester; Lack und
Karmin (§. 49); Federn und Felle, Elfenbein und Schildpat, Korallen und Perlen;
endlich Seide, deren Production aber die heiße mit der gemäßigten Zone bis nach den
mittleren Breiten hin theilt.
3 Gesammtproduction an Rohrzucker über 38 Mill. Centner, wovon Euba allein
über den dritten Theil und 3mal mehr als jedes andere Tropenland liefert; an Kaffee
gegen 3 Mill. Ctr., davon Brasilien beinahe die Hälfte; an Thee c. 20 Mill. Ctr.,
wovon auf China 5/e kommen (außerdem nur Japan und befonders die indischen Huna-
lajaregionen betheiligt); an Baumwolle c. 20 Mill. Ctr., neuesten» am meisten (2/s)
aus Ostindien, vor 12 Jahren Nordamerika ganz überwiegend (über ^/s).
Ii. Die Polarwelt.
§. 52. Sonnenstand. — An jedem Polarort steht die Sonne um
die Zeit der Sommersonnenwende selbst Mitternachts über, und um die
Zeit der Wintersonnenwende selbst Mittags unter dem Horizont (oder wenig-
stens, und zwar ihr Mittelpunkt, im Horizont) '. Um beide Zeiten ist als-
dann der 2/istündige Wechsel von Tag und Nacht aufgehoben, nämlich im
Sommer so, daß die Sonne länger als 24 St. über, und im Winter so,
daß sie ebensolange unter dem Horizont bleibt. Diese Zwischenzeiten
des „aufgehobenen Tag- und Nachtwechsels" oder die große Tagzeit im
Sommer und die große Nachtzeit im Winter dauern um so länger (Wochen
und Monate), je näher ein Ort dem Pol sich befindet2. Aber im übrigen
Jahr (vor und nach den Nachtgleichen, welche auch hier eintreten) geht die
Sonne auf und unter wie bei uns, nur mit rascherem Wechsel der Tages-
dauert — An der Gränze, im Polarkreis, unterbleibt der Wechsel (dem
Begriff nach) einmal, dergestalt daß die Sonne am 21. Juni um Mitter-
nacht eben bis zum Horizont sich senkt, um dann sogleich wieder zu steigen,
am 21. Dec. dagegen um Mittag eben nur den Horizont erreicht, um dann
sogleich wieder zu sinkend Am Pol selbst findet gar kein täglicher Wechsel
von Tag und Nacht mehr statt, in der einen (der Sommer-) Hälfte des
Jahrs nämlich kein Untergang, in der andern (der Winterhälfte) kein Auf-
gang der Sonne, und der einzige Sonnenaufgang ereignet sich an der einen
(der Frühlings-), der einzige Sonnenuntergang an der anderen (der Herbst-)
Nachtgleiche 5.
1 Nach der allgemeinen Regel (§. 5) wird alsdann die kleinste Mittagshöhe der
Sonne iwelche es eigentlich nicht mehr gibt) null und negativ (ebenso die kleinste
Mitternachts tief e). Am Polarkreis nämlich ist die kleinste 0, die mittlere 23'/2", die
größte 47";^ am Pol findet der mittlere Mittagsstand im Horizont statt, der höchste 231/2°
über, der niedrigste 23'/2u unter dem Horizont (oder die erste Höhe ist 0, die 2. -f- 23 V20,
die 3. - 23'/2ü). .
2 Jede der beiden Zeiten ohne Tag- und Nachtwechsel dauert schon in 672/s0 Breite
1 vollen Monat, 2 Mon. in 695/6°, 3 Mon. in 73/z», 4 Mon. in 78l/6°_und 5 Mon.
in 84°; auch diese Zonentheile von ungleicher Erstreckung hat man „Klimate" ge-
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Menschenrassen. 37
von der Ungewißheit üb^r die Bevölkerung Ostasiens (besonders Chinas) und Afrikas
herrührt; da aber die höhere Volkszahl bei China kaum mehr zu bezweifeln ist, dagegen
Afrikas Volkszahl häufig bedeutend tiberschätzt worden ist (§. 92), so kommt man in
runder Zahl auf 1300 Mill.
4 Zur Beurtheilung der Volksdichtigkeit eines Landes oder Erdtheils gibt man an,
wie viel Menschen durchschnittlich auf die Quadratmeile kommen; für das gesammte
Land der Erde sind es 540 (bei 1300 Mill.); in jenen bevölkertsten Ländern steigt die
Volksdichtigkeit auf 4 bis 6 T., und wenn man nur wieder ihre bevölkertsten Striche
berücksichtigt, selbst bis i'ber 10000 (übrigens immer noch abgesehen von den Großstädten
für sich), während die schwächsten Bevölkerungen großer Räume kaum 10 Atenschen auf
die Q.m. geben.
§. 32. Menschenrassen. — Die körperlichen Verschiedenheiten zwi-
schen den Menschen sind nicht- so bedeutend, wie bei manchen Thierarten
(Hund), aber uin so zahlreicher und betreffen (außer gradweisen Merkmalen,
wie Statur und Wuchs, Muskelkraft und Sinnenschärfe): Hautfarbe und
Haarwuchs, Schädelgestaltung und Gesichtsbildung. Man war bemüht, sie
auf einige Hauptunterschiede im Großen zurückzuführen und hat demnach
bald mehr bald weniger Rassen in der Menschengattung unterschieden, welche
aber zunächst eigentlich nur gewisse Extreme in der Körperbildung
bezeichnen und in der Wirklichkeit in zahlreichen Abartungen und Ueber-
gängen sich verlaufend — Die gewöhnlichste Eintheilung setzt 5 Rassen
fest, schließt sich einigermaßen an die „5 Erdtheile" an und gründet sich
zunächst auf die Hautfarbe: die kaukasische oder weiße, die mongo-
lische oder gelbe (bis graue), die äthiopische oder schwarze, die malayische
oder braune und die amerikanische oder rothe. Man ist aber neuerdings
eher geneigt, nur 3 Grundrassen in den 3 ersten von jenen anzuerken-
nen, welche auch der Anzahl nach weit überwiegen 2, und dann alle übrigen,
namentlich die 2 letzten der obigen Eintheilung, als bloße „Neben-", „Ueber-
gangs-" und „Misch-"Rafsen zu betrachten, wobei man dann hauptsächlich
von der Schädelgestaltung ausgeht, welche aufs engste mit der Gesichts-
bildung zusammenhängt. Der Schädel bietet nämlich drei Grundformen
dar: den ebenmäßigen, ovalen Schädel des Kaukasiers mit annähernd
rechtem Gesichtswinkel (d. h. Winkel der Linie von Stirn nach Mund mit
der von Ohr nach Nase), und dessen' 2 Hauptverunstaltungen, welche ent-
stehen, wenn man den Kopf entweder zwischen Wangen (Ohren) oder zwi-
schen Nase und Hinterhaupt (Halsende) auseinander gezogen denkt. Im
ersten Fall entsteht nämlich der breite und kurze Mongolierschüdel mit
den weit auseinander liegenden schief gestellten Augen, den hervorstehenden
Backenknochen und dem platten Gesicht; im anderen der schmale und lange
Negerschädel mit der schiefen Stirne, wülstig hervortretender Nase und
Mund und daher auch ziemlich schwachem Gesichtswinkel (doch noch über
70°, beim Orang, dem menschenähnlichsten Affen, nicht über 65°) 3.
1 Dazu kommt noch, daß die körperlichen Rassenunterschiede mit der Lebensart zu-
sammenhängen und mit ihr sich ändern sollen, namentlich selbst die Schädelbildung, wäh-
rend die Hautfarbe mehr klimatisch zu sein scheint; was aber die meisten und bedeutend-
sten Veränderungen bewirkt, ist die Vermischung der Rassen, welche auch förmliche „Misch-
rassen" vramlaßt (z. B. Mulatten).
2 Von den c. 1300 Mill. darf man nämlich etwa 550 auf die kaukasische, 580
auf die mongolische (hochasiatische mit Einschluß aller Polarvölker), 120 aus die
Schwarzen (die afrikanischen und australischen Neger), 40 auf die malayische, 10 auf
die amerikanische, nebst 15 Mill. lediglicher Mischlinge (besonders in Amerika) rechnen.
3 Auch der Haarwuchs führt auf 3 Grundformen: das krause (wollige) Haar des
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Staaten. 41
oder brah minische Religion, welche sich bis heute erhalten hat, und zwar
in ihrer Heimat, welches letztere von der ebenfalls aus hohem Alterthum
erhaltenen monotheistischen Religion, der jüdischen, nicht gilt, deren
Bekenner über die halbe Erde . zerstreut sind l. — Die drei verbreitetsten
Religionen der Gegenwart sind neueren Ursprungs und stammen
sämmtlich aus Asien her; das vorzüglich in Europa und Amerika verbreitete
Christenthum hat dieselbe Heimat mit dem Judenthum, und der 600
Jahre jüngere, hauptsächlich in Vorderasien und Afrika verbreitete Muha-
medanismus oder Islam stammt ebenfalls aus der semitischen Welt; wäh-
rend der 600 Jahre ältere und gewölmlich zu den höheren Formen des
Heidenthums gerechnete Buddhismus Hinterasiens indischen Ursprungs
ist, wie der alte Brahmismus. Diese weitverbreiteten Religionen erscheinen
wieder in mehrere Secten, beziehungsweise Kirchen, getheilt, welche im
Christenthum am zahlreichsten und ausgeprägtesten sind und sich durch Mis-
sionen, vornehmlich unter den Heiden, weiter auszubreiten streben
' Die Anzahl der „Heiden" ini obigen Sinn mag 320 unter den 1300 Mill. be-
tragen, wovon 600 Mill. Buddhisten, 150 Mill. Brahmisten, der Rest (70 Mill.) rohe
Heiden sind; übrigens neigen sich gewisse Secten oder Klassen in jenen beiden Religionen
stark zum Monotheismus- Unter den 480 Mill. Monotheisten sind etwa 6 Mill. Ju-
den, 84 Mill. Muhamedaner, 390 Mill. Christen.
2 Sie theilen sich zunächst in die morgenländischen und abendländischen; jene beste-
hen aus der griechischen („orthodoxen") Kirche (80 Mill.) und verschiedenen jetzt unter
die Muhamedaner versiirengten Resten der alten Kirche des Orients; diese bestehen aus
der katholischen (römischen) Kirche (unter dem Papst) mit 190 und aus den verschiedenen
(neueren) protestantischen Kirchen und Secten mit 120 Mill.
§. 36. Staaten. — Noch wichtiger für die Geographie sind die poli-
tischen Vereine der Menschen, welche man Staaten nennt, d. h. Vereine zu
Schutz und Wohlfahrt unter gemeinsamem Gesetz und Oberhaupt auf dem
Grund eines Landesraums und, was zwar nicht unumgänglich, aber sehr
wesentlich ist, einer (wenigstens vorherrschenden) Nationalitätl. Denn sie
sind zugleich Abtheilungen des Landes, welche der Mensch abgegränzt hat,
und die Länder der Erde (der Hauptgegenstand der besonderen Geographie)
beruhen mindestens ebensosehr auf politischen als natürlichen Gränzen (§.
lö)2. Häufig haben die Staatengebiete weder natürliches. l1,i) noch „ab-
gerundete" Gränzen, ja sie durchkreuzen einander manchmal und haben ab-
getrennte Stücke (Enclaven, Exclaven). — Die Staaten der Erde unter-
scheiden sich sehr nach der Größe, wobei sowohl Flächenraum als Volks-
menge in Betracht konnnt, sowie nach dem Grad der Selbständigkeit und
Macht, welcher nicht lediglich auf der Größe beruht Es gibt Staaten
von wenigen Quadratmeilen Landes und einigen Myriaden Seelen bis zu
Hunderttausenden von Q.m. imd Hunderten von Mill. Manchmal bilden
mehrere Staaten zusammen eine höhere politische Einheit: sei es daß meh-
rere für sich gleich „souveräne" Staaten zu einem St aaten bünd oder
einem Bundesstaat sich vereinigt haben; sei es daß halb so uv eräne
Staaten unter der Oberhoheit (Suzeränität) eines mächtigeren als dessen
Vasallen oder Schutzstaateu stehen; sei es endlich, daß gänzlich von einander
unabhängige Staaten ein gemeinschaftliches Oberhaupt haben oder in „Per-
sonalunion stehen. Inden beiden letzteren Fällen, sowie in einem Bun-
desstaat mit einem überwiegenden Herrscherstaat hat man ein eigentliches
Reichs. Die kleineren Staaten, deren es gegenwärtig eine sehr beträcht-
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42 Die Erdoberfläche überhaupt.
liche Menge gibt (kaum alle bekannt), ja selbst manche unter den größeren,
stehen, wenn auch an sich völlig souverän, doch unter dem Einfluß anderer,
der eigentlichen M ächte
' Aus diesem Grundbegriff erwächst bei vorgeschrittener Cultur ein ziemlich ver-
wickelter Staatsorganismus mit mehreren in Wechselwirkung stehenden Hauptabthei-
lungen („Departements"). — Hinsichtlich der Gesetzgebung und des Staatsoberhaupts ver-
schiedene Statssormen (§. 88).
2 Daher wird auch die „besondere Geographie" vorzugsweise als politische behau-
delt; allein man würde zu weit gehen oder nur die eine Hauptseite verfolgen, wenn man
der Beschreibung der Länder lediglich die politischen Gränzen der Gegenwart zu Grunoe legen
würde. Denn aus der andern Seite ist zu l?deuken, daß die Pol i tis chcn Gr änz e n ini Ver-
laus ver Zeit sich ändern, daß Staaten entstehen und vergehen, während die Landessor-
men und Naturgränzen bleiben; die jeweiligen Staaten sind im Grund nur das neueste
Ergebniß der Weltgeschichte, und in jedem Hauptzeitraum derselben sind die politischen
Verhältnisse der Länder andere.
3 Sondern auch auf der Güte des Staatsorgauismus, welche zuletzt im Finanzwesen
zum Vorschein kommt, als einem wahren „Kraftmesser"; kleine Staaten haben schon die Rolle
von Mächten gespielt, große sind machtlos geworden, äußeren Einflüssen preisgegeben.
4 Sofern der Name Reich, welchen man zwar häufig jedem großen Staat gibt
(ja in Verbindung mit König, „Königreich", selbst kleineren) doch vorzugsweise einem
solchen zukommt, welcher verschiedenartige Bestandtheile (oft mit abweichenden Einrich-
tungen und Gesetzen, beziehuugsweise halbsouveräne) zu einer politischen Einheit vereinigt.
^ Die größten politischen Ganzen, welche es heutzutage gibt, sind das chinesische,
das russische und das britische Reich; die beiden ersten Landmächte in einem Stück, das
dritte eine rund um die Erde reichende Seeherrschaft in zahlreichen Stücken; an Flächen-
inhalt steht das russische mit gegen 400000 O.m., an Volksmenge das chinesische mit
gegen 500 Mill. voran.
§. 37. Weltmächte und Weltreiche. - Unter der Meuge von Staa-
ten, welche es im Verlauf der Zeit gegeben hat, sind die wichtigsten: theils
(wenn auch kleine) (5ulturstaaten, deren älteste auf den Religionen be-
ruhen (§. 35, ^nesterstauten); theils große durch Eroberung angewachsene
Reiche, und unter diesen wieder die sogenannten Weltreiche, d. h. solche,
welche einen namhaften Theil der (damals bekannten) cultivirten Länder
der Erde wirklich umfaßt und es auf die Unterwerfung aller abgesehen ge-
habt haben. Heutzutage fällt kein Staat der Erde unter diesen Begriff,
wohl aber kann man einige der jetzigen europäischen Staaten, namentlich
England und Rußland, wegen ihrer ausgedehnten Herrschaft in anderen
Erdtheilen als Weltmächte bezeichnen (§. 36, Anm. 5). — Unter den
eigentlichen Weltreichen aber, wovon die meisten keinen längern Bestand
hatten, war entschieden das bedeutsamste nach Ausdehnung und nach Dauer
zugleich, sowie nach der Fülle der Wirkungen, das römische im Alterthum '.
Deßhalb bildet auch die Auflösung des eben christlich gewordenen römischen
Weltreichs durch die große Völkerwanderung den einen Haupteinschnitt in
der Weltgeschichte, indem von da an die jetzigen europäischen Staaten
sich zu bilden anfangen, welchen heutzutage in ihrer Gesammtheit eine Art
großartiger Weltherrschast und die umfassendste geistige Ueberlegenheit zu-
kommt; den anderen Haupteinschnitt bildet dann die Eröffnung einer neuen
Welt oder das Auftreten Amerikas 2.
1 Nächstdem wohl das arabische ini Mittelalter; außerdem sind das altpersische
(Chrus) und mongolische (Tschingischan) im Orient, das altfränkische (Carl der Große) und
spanische (Carl vi im Oceident zu nennen; endlich, obwohl sehr vorübergehend, wegen
des geschichtlichen Glanzes, das macedonische (Alexander) und das neufranzösische (Na-
Poleon I.).
2 Dabei kommt noch in Betracht, daß die erstere Epoche mit dem Auftreten des
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44 Die Erdoberfläche überhaupt.
Handel- und gewerbtreibenden Theils, Dörfer die offenen Wohnsitze des acker-
bauenden Theils der Bevölkerung sind. Die meisten Städte erster Größe
sind eigentlich Sammlungen mehrerer Ortschaften, welche ost in weiter Runde
nm die ursprüngliche Stadt her entstanden und mit derselben nun zu einem
Ganzen mehr oder weniger verwachsen sind. — Die Anzahl der größeren
Städte der Erde ist nicht wohl anzugeben, selbst wenn man nicht unter
10099 (ja nicht unter 100000) Einwohner herabgeht; auch herrscht bei den
meisten großen asiatischen und afrikanischen Städten Ungewißheit über ihre
eigentliche Bevölkerung. Bei allen oder wenigstens bei der überwiegenden
Mehrzahl der Großstädte aber sind verschiedene Angaben möglich, je nach-
dem man rechnet, sei es hinsichtlich der verschiedenen Bestandteile der Be-
völkeruug 2 oder hinsichtlich der Gränzen der Stadt3. - Dazu kommt noch
die Veränderlichkeit der Volkszahl, oft schon in kurzen Zeiträumen be-
trächtlich 4, in langen ohnehin; aufblühende und verfallende Städte, Trüm-
merstädte. Die Einwohnerzahl der größten Städte beläuft sich bis
auf 3 Mill. und darüber, jedoch erreicht von den heutigen wohl nur Lon-
don .diese Größe (jetzt 3l/4 Mill. auf 53/* D.m.), während weitere 7
Städte 1 bis 2 Mill. zählen 5. Es werden aber auch von manchen, jetzt
entweder ganz verschwundenen oder doch sehr herabgekommenen, Städten ahn-
liche Bevölkerungen gemeldet oder vermuthet6.
1 Es gibt Städte von weniger als 1900 und Dörfer und Märkte von mehr als
10000 E. (ja in China angeblich zu Hunderttauscndcn, wofern darunter nicht vielmehr
ganze Fabrikdistricte zu verstehen sind). Unter den Wohnplätzen nehmen in der Topo-
graphie eines Landes natürlich die volkreichsten die erste Stelle ein, allein es können oft
kleinere Ortschaften (wegen Lage, Natur, Geschichte) den Vorrang vor weit größeren in
Anspruch nehmen (§. 40).
2 Verschiedene Angaben, je nachdem es sich um die Orts an geh ör igen oder
Ortsanwes enden handelt (bei großen Städten auch in der Regel sehr verschieden), die letz-
tere entschieden geographisch wichtiger, die erstere „rssicieller"; in den folgenden Angaben
ist daher immer die ortsanwesende Bevölkerung gemeint.
5 Was die Stadtgränzen betrifft, so unterscheiden sich von der eigentlichen (ur-
sprünglichen oder inneren) Stadt in dreifacher Erweiterung: die (wirklichen) Vorstä dte, die
Banmeile (Anbau), das Stadtgebiet. Die beiden ersten sind vom geographischen
Standpunkt aus stets mitzurechnen, nämlich auch die Banmeile, die aus meistens dicht
angränzenden „Vororten" besteht, aber häufig nicht zur Stadtgemeinde gehört (wie die
von vorn herein als Erweiterung der Stadt angelegten Vorstädte). Die Stadtgebiete
enthalten aber auch ganz getrennte Ortschaften, welche also geographisch nicht zur Stadt
gehören, selbst wenn sie in Gemeindeverband mit ihr stehen. — Endlich kommt es manch-
mal vor, daß zwei iauch mehrere) Städte zusammengebaut erscheinen, welche nicht nur
selbständige Gemeinden sind, sondern selbst zu verschiedenen politischen Bezirken, ja zu
verschiedenen Staaten gehören können; -dietz sind Doppel st ädte, wenn sie von glei-
chem Rang sind, während, wenn eine bedeutend überwiegt, die andern als Nebenstädte
von jener erscheinen.
4 Ab- oder Zunahme der Volkszahl nach jährlichen Proeenten (durchschnittlich);
z. B. Berlin 4 Procent, was die rascheste Vermehrung unter Europas Großstädten ist
(London nur 3 Procent); darnach Berechnung künftiger Volkszahlen unter Voraussetzung
einer gleichmäßigen Zunahme oder Abnahme.
5 Diese 7 Städte sind: Paris,. Sutscheufu; Jedo, Peking; Kanton, Constan-
tinopel,. Hangtschenfu, Newyork (selbst ohne die Nebenstadt Brooklyn). Anstatt
Hangtscheusu wird auch eine andere chinesische Stadt „Tschantscheusu in Fukian" genannt,
was aber schwerlich richtig ist (sie würde so gut wie Hangtschenfu in der projectirten
Telegraphenlinie zwischen Kanton und Schanghai liegen und daher in den statistischen
Angaben dieses Projekts nicht übergangen worden sein).
6 Es ist kaum zu bezweifeln, daß manche Städte in der Vergangenheit den größten
heutigen nicht nachstanden, wie Rom, Baghdad, Delhi; vielleicht gehören auch einige
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50
Zonen und Erdtheile.
' Sie zeigt sich in folgenden Merkmalen: 1) größte Menge von Gattungen und
Arten, dabei eine große Menge ganzer Familien, ja selbst Ordnungen eigenthümlich, ge--
meinschaftliche Familien aber in eigentümlichen und zahlreicheren Gattungen: 2) größte
Mannigfaltigkeit der Gruppirung bei der üppigsten Fülle der Individuen3) die üppig-
sten und riesenhaftesten Formen und Organe; 4) die feinsten und schärfsten Säfte und
Stoffe.
2 Ja dieß erstreckt sich selbst auf die leblose Natur, denn neben der anhalten-
den ungetrübten Heiterkeit des Himmels stehen Regengüsse und Gewitter, neben der mil-
den balsamischen Luft Stürme, welche sich zu den unsrigen Verhalten, wie die dortigen
Nesseln und Nattern zu den unsrigen. Es zeigt sich auch in den Krankheiten des
Menschen, denn während langsames Siechthum (Schwindsucht) daselbst nicht auskommt
oder gar heilt, sind die Tropen Heimat und Ausgangspunkt entsetzlicher Hautübel
(Aussatz) und acuter Seuchen von rasch zerstörender Heftigkeit (Pest, Cholera, Gelbfieber).
§. 44. Sonnenstand. — An jedem Tropenort kommt die Mittags-
sonne zweimal jährlich in den Scheitelpunkt zu stehen, und dazwischen
hinein selbst über den Scheitelpunkt hinaus dem Pol zu, so daß auf
der nördlichen Halbkugel der Mittagsschatten nach Süden fällt und die
Mittagshöhe der Sonne (indem man nach §. 5 stets vom Sübhorizont
ausgeht) über 90"° beträgt; umgekehrt auf der südlichen Halbkugel. Die
beiden S ch eitel st än de der Sonne finden an jedem Ort gleich lang
vor und nach der Sommersonnenwende (§. 4), für verschiedene Crte aber
zu verschiedenen Zeiten statt, und jene sommerliche Zwischenzeit des
Südschattens dauert um so länger, je näher der Ort dem Aequator liegt'.
Auch im Winterhalbjahr hat der Sonnenstand etwas Eigenthümliches; denn
den sommerlichen Zenithständen der Mittagssonne entsprechen zwei Winter-
lerliche Nadirstände (§. 5) der Mitternachtssonne, gleich lang vor und
nach der Wintersonnenwende und von jenen je um 1 Halbjahr abstehend; in
der mit der sommerlichen Zwischenzeit gleich lang dauernden Winter-
lichen Zwischenzeit steht die Sonne um Mitternacht über den Fuß-
Punkt hinaus dem Südpunkt zu2. — Im Aequator selbst fallen die Zenith-
stünde der Mittagssonne und die Nadirstünde der Mitternachtssonne auf
dieselben Jahrestage, 21. März und 21. September, an welchen die Mittags-
höhe der Sonne 90° beträgt, während sie nie kleiner als 661/^° wirb3.
Zugleich finbet hier bestänbige Tag- und Nachtgleiche statt (§. 2); über-
haupt aber bleibt in der ganzen Zone die Ungleichheit der Tage und Nüchte
gering und die Aenderung geht sehr langsam vor sich. Selbst an der
Gränze, in den Wendekreisen, dauert der längste Tag erst 13'/2 St.;
ebenbaselbst fallen die beiben Scheitelstänbe sozusagen in einen einzigen zu-
sammen (größte Sonnenhöhe 90°, mittlere 66v20, kleinste 43"), und jene
Zwischenzeit verschwinbet; ebenso verhält es sich mit den Nabirstänben und
der Zwischenzeit im Winter.
* Es gibt keine einfache Regel dafür, wann die Scheitelstände der Sonne in jedem
Tropenparallel eintreten: die Sonne weicht nämlich durchschnittlich vom Aequator ab
(vgl. auch §. 5):
1. April um 4,5 Grad nördlich 1. Oet. um 3,2 Grad südlich.
2 Auch hier ist für die südliche Halbkugel Nord und Süd zu vertauschen. Diese
winterliche Eigenschaft der Tropenorte ist zwar ebenso charakteristisch wie die sommerliche,
I. Mai „ 15,1 „
1. Juni „ 22,1 „
1. Juli „ 23,1 „
1. Aug. „ 18,1 „
1. Sept. „ 8,3 „
1. Nov. „ 14,4 „
1. Dec. „ 21,8 „
1. Jan. „ 23,0 „
1. Febr. „ 17,1 „
1. März „ 7,6 „
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70 Zonen und Erdtheile.
lsammt Oliven) und des Reises; der Kastanie, des Weins und des Maises; der Eiche
und Buche, des Obsts und des Weizens; der Kiefer und Birke, des Roggens und der
Gerste.
2 Die 6 thätigen Vulkane: Vesuv, Stromboli, Volcano, Aetna, der von
i^antorin und der untermeerische von Ferdinande« (§. 10) gehören, mit Ausnahme eines
einzigen, Unteritalien an. Die 20 erloschenen, wobei übrigens z. B. die Eifelvulkane,
sowie die der Auvergne, nur je als einer gezählt sind, befinden sich in Italien (10), in
Frankreich (4), Deutschland (4), Pyrenäenhalbinsel (2).
3 Am seltensten die höheren Edelsteine; dagegen gibt es kaum ein Nutzmineral,
welches nicht das eine oder andere Land in höherem Maßstab producirte; Europas
Gold-, Silber-, Quecksilber- u. s. w., Marmor-, Salz, Schwefelländer. Die Stein-
kohlenländer folgen sich so: Britannien, Deutschland, Belgien, Frankreich, Oester-
reich u. s. w. (bis hieher je über 40 Mill. Ctr. jährlich); die Eisenländer: Britan-
nien, Frankreich, Deutschland, Oesterreich, Belgien, Schweden, Rußland u. ). w. (bis
hieher je über 31 2 Mill. Ctr. jährlich); so aber, daß Britannien jährlich in Kohlen
(2096 Mill. Ctr.) mehr als die Hälfte, in Eisen (über 100 Mill. Ctr.) gegen die Hälfte
von dem liefert, was in diesen Artikeln auf der ganzen Erde producirt wird.
4 Die Thiere des „zoologischen Reichs Europa" (§. 29) zeigen übrigens
in den meisten Breiten eine bedeutende Liebereinstimmung und weichen davon nur im
äußersten Norden und Süden, wie auch im Hochgebirg, ab; eigentümliche Thiere
gegenüber von andern Erdtheilen: Auerochs, Gemse, Steinbock, Reh, Muflon u. s. w.
Zu den allbekannten Hausthieren, die im äußersten Norden mit Ausnahme des Hundes
fehlen, dem Rennthiere Platz machend, kommen im Süden noch Esel sammt Maulthier,
Büffel (eben hier gezähmt) und selbst das Kameel. Theils mit Abnahme der Wälder,
theils mi? Zunahme des menschlichen Verkehrs ist das europäische Wild in fort-
gehender Abnahme begriffen: sowohl die schon in manchen großen Räumen (Deutschland,
Britannien) ganz oder nahezu ausgerotteten Raubthiere: Bär, Wolf, Fuchs, Luchs,
Wildkatze; als die (zum Theil selten gewordenen) Grasfresser: Hirsch, Wildschwein,
Gemse, Steinbock, Auerochs (Europas größtes dem Untergang entgegengehendes Thier,
nur noch in Litauens Wäldern). — Der Viehstapel Europas (für Fleisch) beträgt
862/.? Mill. Rinder, über 200 Mill. Schafe, gegen 42 Mill.-Schwane, wo überall Ruß-
land voransteht, und hinsichtlich der Rinder und Schweine Oesterreich, hinsichtlich der
Schase Britannien folgt.
5 Länder der vorzugsweisen Bodencultnr, Viehzucht, Industrie; insbesondere:
Leder-, Seide-, Glasländer; Schwein-, Pferde-, Schafländer; Muchs-, Holz-, Tabaks-
länder u. s. w. Die Weinlander gehören Hocheuropa in seinen Mittelstufen und
Bergabhängen an, während die östlichen Tiefländer die großartigsten Vorrathskammern
an Cerealien bilden. Gefammtproduetion an Wein durchschnittlich 70 Mill. Hekto-
liter, wovon auf Frankreich 35, Oesterreich gegen 20, Pyrenäenhalbinsel gegen 10, Zoll-
verein 3, Italien l'/z, Schweiz über I, Griechenland '/u, Südrußland '.u Mill. Hin-
sichtlich des Getreides sind Länder mit regelmäßiger Getreideausfuhr und Überschüssen:
Rußland, Oesterreich, Rumänien, Dänemark; dagegen Länder mit regelmäßiger Getreide-
zufuhr: Britannien, Schweiz, Belgien, Italien, Deutschland, Holland, Frankreich; in
abfoluter Production steht Rußland mit 538'. 2 Mill. Heetoliter unter 1722 Mill. voran,
was der Gesammtertrag an Getreide in Europa im Jahr 1888 war; dagegen Britan-
nien im relativen Ertrag mit beinahe 41 Hectoliter Weizen vom Hectare, worauf zu-
nächst Württemberg mit mehr als 31, zuletzt die Schweiz mit 10 Hektoliter folgen.
§. 66. Bevölkerung. — Die rund 300 Mill. betragende (also mitt-
lere Volksdichtigkeit 1680) und fast ganz der kaukasischen Rasse' ange-
hörige Bevölkerung Europas, ist trotz aller Auswanderung in steter Ver-
mehrung begriffen-. Sie bildet 15, oder wenn man die Glieder des Deut-
schen Reichs und die halbsouveränen Staaten (resp. die in „Personalunion") ^
besonders zählt, 45 Staaten, mit einander in ein Staatensystem ver-
bunden (§. 69). Mit Ausnahme von etwa 1 Mill. Nomaden haben sie
feste Wohnsitze, deren Mittelpunkte eine große Menge von Großstädten
bilden, wovon 3: London, Paris, Constantinopel (§. 39), über 1
Million und im Ganzen wenigstens 70 100000 und mehr Einwohner
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Stuttgart
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- Autor: Reuschle, Carl Gustav
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- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Lehranstalt, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): Jungen
Europas Bevölkerung. 71
zählen verbunden durch regelmäßige Schifffahrtscurse auf Flüssen und
Meeren und durch ein vielverzweigtes System von Landstraßen, Eisenbahnen
und Telegraphen'. — Bis auf fast 12 Mill., wovon über 43l± Mill.
Israeliten, 63/4 Mill. Muhamedaner, gegen ''ji Mill. Heiden (und Menschen
von unbekannter Confession), bekennen die Einwohner Europas die christ-
liche Religion, und zwar gegen 70 Mill. die griechische (und die älteren
orientalischen) im Osten, gegen 148 Mill. die katholische (mit Einschluß der
„unirten" Griechen), vorzugsweise im Südwesten, und über 71 Mill. die
verschiedenen protestantischen Kirchen (mit Einschluß der neueren Secten),
vorzugsweise im Nordwesten des Erdtheils^. In Folge der Wanderungen
und Unterjochungen besteht die europäische Bevölkerung zum großen Theil
nicht mehr aus den ursprünglichen Nationalitäten, sondern aus neuen,
welche aus Nölkervermischung beruhen, und während jene nur theilweise
ganz rein sich erhalten haben, findet auch in manchen Ländern ein buntes
Gemenge gesonderter Nationalitäten statt. Ueberhaupt aber weichen die
jetzigen Nationalgränzen sowohl von den politischen als von den natür-
liehen Ländergränzen bedeutend ab. Es gibt heutzutage auf europäischem
Boden gegen 60 verschiedene Völkerschaften (mit fast ebensoviel
Sprachen); derjenigen Sprachen aber, in welchen geschrieben und regiert
wird, sind es wenig über 20, welche, außer dem Ungarischen und Türkischen,
durchgängig der indogermanischen Familie angehören und in dieser wie-
der vornehmlich den 3 nach Seelenzahl und politischer Bedeutung herrschen-
den Völkerstümmen, dem romanischen, germanischen und slavischen (§. 70)7.
1 Nicht kaukasisch einige Polarvölker und einige Mongolenreste im Südosten, wo-
fern nicht, was die andere Ansicht, die Türken und dann wohl auch die Finnen zur
mongolischen gehören (wenigstens ursprünglich, §. 83).
4 1786: 167, 1812: 191, 1852: 260 Mill.; Auswanderung 1849 bis 1858 c.
5 Mill., wovon auf Britannien 23/<t, auf Deutschland lj/4, aus Frankreich Mill.,
Nest auf die übrigen Länder.
3 Staatenbünde gibt es nicht mehr; Bundesstaaten: Deutschland und
Schweiz- besondere Staaten unter fremder Oberhoheit: die ziemlich unabhängigen
Vasallen des türkischen Reichs: Rumänien, Serbien, Montenegro, sowie, aber ungleich
abhängiger, Finnland (Polen wohl früher, aber jetzt nicht mehr) unter Rußland; Staa-
ten in Personalunion: Norwegen und Luxemburg, annähernd auch Ungarn. Kaum
zu erwähnen, daher auch in obigen Zahlen nicht inbegriffen, sind die „freien Gemein-
den" Andorra und San Marino, fowie die „Fürst enthümer" Lichtenstein und
Monaco.
4 Unter diesen Städten haben (außer den 3 ersten) 1jz Mill. und mehr Einwohner:
Berlin, Wien, Petersburg, Neapel (mit Banmeile), Liverpool, (Manchester mit Salsord
als Doppelstadt, §. 39). Bis zu lji Mill. folgen alsdann: Glasgow, Moskau; Man-
chester (sür sich), Birmingham, Madrid, Lyon, Brüssel (mit Banmeile), Marseille; Amster-
dam, Dublin, Hamburg (auch ohne Altona), Leeds, Warschau, (Banmeile), Rom, Mai-
land (Banmeile), (Pest-Osen als Doppelstadt). — Die große Mehrzahl der eurpäischen
Großstädte ist erst im laufenden Jahrhundert so sehr gewachsen, zu Anfang desselben
z. B. London kaum 1 Mill., Berlin 180000; mehrere noch förmlich unbedeutend (wie
Odessa, Newcaftle, Bradford), was zu Anfang des vorigen Jahrhunderts selbst von
Liverpool und Glasgow gilt. Dagegen waren auch manche ehedem volkreicher, nament-
lich Rom unter obigen, und noch mehrere andere hätten mit ihren einstigen Volkszahlen
ihre Stelle neben denselben gefunden, wie Cordova, Sevilla, Granada, Lissabon, Venedig,
Brügge, Gent, Antwerpen und, wenn man bis ins Alterthum zurückgeht: Korinth,
Syracns, Girgenti (als Agrigenturn), Tarragona (als Tarraco), Merida (als Emerita),
Salonich (als Thessalonice), vielleicht auch Athen.
* Die Eisenbahnen bilden wahre Netze in den mitteleuropäischen l§. 67) Ländern,
sowie in Britannien, Frankreich und Italien; greisen aber auch in Rußland und Skandi-
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Die europäischen Völkerstämme. 75
4 Vom Bedarf kommen auf die Kriegsmacht c. 800 ,^t>ie Schuldzinsen c.
1000 Mill. ^zusammen 66 Procent). Während die britische Staatsschuld mit c.
5400 Mill. Thlr. bisher als Größtes galt, wird hierin wohl nun Frankreich mit (schä-
tzungsweise, mehr als 6000 Mill. ebenso voranstehen, wie,schon bisher im Staats-
bedarf (Viidget), und ohnehin im Deficit, in welchem sonst Spanien mit c. 60 Mill.
die größte Ziffer stellt; unter den kleineren Staaten zeichnen sich die Niederlande (mit
550'Mill.) ebenso sehr aus, wie England unter den großen. Ausgleichung zwi-
schen Bedarf und Reineinnahme bei Deutschland, Britannien (nahezu), Belgien, Nieder-
lande, Schweiz, sonst überall namhafte Deficite.
§. 70. Die europäischen Völkerstämme. — Ueber ihre ursprüng-
liche Verwandtschaft und Verbreitung läßt sich wenig Sicheres nachweisen,
theils wegen Mangels an sprachlichen Denkmälern, theils wegen der Wandel-
barkeit der Wohnsitze bei den barbarischen (§. 30) Völkerschaften Im
Süden des Erdtheils wohnten in den 3 Halbinseln 3 Stämme: der
pelasgische oder griechische, der altitalische oder lateinische und der iberische;
im mittleren und nördlichen Europa befanden sich hinter einander her
die britischen, keltischen^, germanischen, slavischen und finnischen Völker und
an die Kelten schlössen sich ostwärts illyrische und thracische Völker an, an
Slaven und Finnen aber nach dem Kaspi zu die nicht mehr zu den euro-
päischen Stämmen gehörigen Türken. Das Loos dieser alten Nationali-
täten und ihr Verhältniß zu den gegenwärtigen ist sehr verschieden; einige
nämlich sind gänzlich verschwunden, dergestalt daß sie nicht einmal mit
Sicherheit als Element eines anderen späteren Volks erscheinen, wie die
thracischen und illyrischen Völker". Andere bilden nachweisbar die
Grundlagen neuer Völker, theils mit theils ohne jetzt noch vorhandene Reste
der ursprünglichen Nationalitäten, wie die iberischen^, keltischen und
britischen Völker''. Die übrigen endlich haben sich, mehr oder weniger
rein, in ihren ursprünglichen Wohnsitzen und außerhalb derselben erhalten,
wie die germanischen, slavischen und finnischen Völker des ehemaligen bar-
barischen Europa; sowie seine alten Kulturvölker, das griechische in den
(auch über Europa hinaus verbreiteten) Neugriechen und das lateinische
in den Italienern (beide mit, resp. slavischer und germanischer, Beimischung);
Latein ist überdieß das sprachgebende Element der übrigen romanischen Na-
tionalitäten. — Der große romanische Völkerstamm theilt sich im weite-
sten Sinn zunächst in 2 Aeste, die abendländischen oder eigentlichen
Romanen (d. h. Spanier und Portugiesen, Franzosen und Wallonen,
Italiener und Ladiner oder Rhütoromanen)^ und die morgenländischen
(d. h. die Walachen oder Rumänen in Ungarn, Siebenbürgen, Walachei
und Moldau). Der germanische theilt sich in 2 Aeste, den skandinavi-
schen und deutschen, letzterer wieder in 2, den hochdeutschen (deutschen
schlechtweg, denn die jetzige deutsche Sprache ist aus den hochdeutschen Mund-
arten erwachsen) und den plattdeutschen, welcher im Holländischen, beziehungs-
weise im Englischen, zu eigentlichen Sprachen sich entwickelt han. Die
jetzigen Deutschen umfassen übrigens einen großen Theil germanisirter Sla-
ven und in einem beträchtlichen Theil Europas sind Deutsche mit wirklichen
Slaven gemengt. ^)er slavische zerfällt im allgemeinen Sinn des Worts
zunächst in 2 größere Aeste: die Letten mit größtenteils verschwundener
Nationalst^ und die eigentlichen Slaven; diese wieder mit 3 Haupt-
zweigen: Westslaven (Polen und die slavischen Bewohner von Böhmen,
Mähren und Nordungarn), Ostslaven (zum Volk der Russen vereint) und
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Dritter Weil.
Die Länder der Erde.
In dm Zz. 67, 81, 93, 105, 116 sind 22 geographische Räume
ausgesondert worden, theils eigentliche Länder (d. h. selbständige Landesglie-
der), theils Zusammenfassungen, sei es von geschichtlich und politisch verbun-
denen Ländern, sei es von ungegliederten Landesräumen; sie bilden wiederum
nach dem Grad der Ausführlichkeit, in welchem sie zu betrachten sind, 3
Klassen, wie folgt: A. 1) Deutschland und zwar la) das Deutsche
Reich im Ganzen und das Reichsland, Ib) Preußen und seine Pro-
vinzen, Ic) die übrigen deutschen Staaten; 2) die Niederlande sin
weiterem Sinn, d. h. Holland und Belgien); 3) die Schweiz; 4) Oester-
reich und insbesondere seine deutschen Kronländer. — B. 5) Frank-
reich ; 6) Italien; 7) Pprenäenhalb insel; 8) Britannien; 9) Skan-
dinavien (mit Island); 10) Rußland (mit Kaukasien); 11) Balkan-
Halbinsel (nebst Rumänien). — C. 12) Borderasien; 13) Nord-
asrika oder die afrikanischen Länder diesseits der Sahara; 14) afrika-
nische Länder jenseits der Sahara oder Mittel- und Südafrika; 15)
australisch-polynesische Länder; 16) Ostindien; 17) Hinterasien
(im engern Sinn oder das chinesische und japanische Reich); 18) Sibirien;
19) Nord-Nordamerika; 20) Unionsland; 21) Mittelamerika
(im weitesten Sinn, d. h. in der Umgebung des amerikanischen Mittelmeers);
22) Süd-Südamerika (im weiteren Sinn, d. h. vom Marannon bis
zur Südspitze).
A. Mitteleuropäische Länder.
I. Deutschland.
I a. Das Deutsche Reich im Ganzen und das Reichsland.
§. 120. Grundzüge. — Im Wesentlichen Hocheuropas Nord ab-
dachung, vom Hauptrücken der Alpen (§. 71) bis zur Nord- und Ostsee,
wobei aber im Süden die Ostabdachung, der D on au (§. 73) entlang, tief in die
Nordabdachung hereingreift. Nach Westen und Osten fehlen die eigentlichen
(§. 11) Naturgränzen ', aber auch im Süden und Norden, wo solche vor-
Händen sind, weichen die politischen davon ab 2. Das Land besteht, außer
einem schmalen Alpenstreifen (bayerische Alpen), aus zahlreichen und mannig-
faltigen Mittelstufen, zusammengefaßt unter dem Namen des deutschen Pl a-