1870 -
Halle
: Schwetschke
- Autor: Traut, Heinrich Theodor
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Fortbildungsschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Höhere Schule, Fortbildungsanstalt
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
242
Mittel-Europa.
er im Frühjahr um 5 bis 6 Fuß anwächst, er wird von 7 Dampfschiffen
befahren. Der Bodensee liegt zwischen der Schweiz und Deutschland,
fast das ganze südwestliche Ufer gehört zur Schweiz. Er ist 15 Stunden
lang und an der breitesten stelle 3 Vr Stunden breit. Der Rhein durch-
strönlt ihn. Seine sanft ansteigenden Ufer gehören zu den lieblichsten
Gegenden Deutschlands und der Schweiz; er wird von 20 Dampfschiffen
befahren, und ist sehr fischreich. Der Neufchateller See hat eine
Länge von 8, und die größte Breite von 2 Stunden. Auch hier fördern
mehrere Dampfschiffe in regelmäßigen Cursen die Frequenz. Dervier-
waldstätter See ist von hohen Bergen eingeschlossen, 8 Stunden lang,
1 Stunde breit. Die Reuß durchfließt ihn, außerdem nimmt er noch
viele Bäche auf. Am Fuße des Rigi und des Pilatus, wo Kastanien-
bäume gedeihen, glaubt man sich plötzlich in einen wärmeren Himmels-
strich versetzt. Kein andrer See in der Schweiz ist so reich an Natur-
schönheiten, fast mit jedem Ruderschlage wechseln die Ansichten auf die
Felsenwelt. Auch sind diese Ufer der wahrhaft classische Boden für die
Geschichte der Schweiz. Die mehr zu Italien gehörigen Seen, der Lago
Maggiore und der Lugano-See, liegen auch zum Theil auf Schweizer
Gebiet.
3. Das Klima ist sehr ungleich; die tief in die Thäler sich hinab-
ziehenden Gletscher erkälten die Lust; am wärmsten ist der Kanton Tessin.
Ein merkwürdiger Wind ist der Föhn, ein stürmender Südwind; er ist
warm und bringt plötzliches Thauwetter.
Das Land besitzt gewürzreiche Kräuter, Hanf, Flachs, Obst,
Wein, Kartoffeltl, wenig Getreide; es gibt Rindvieh, Pferde, Maul-
thiere, Ziegen, Schafe, Esel, Gemsen, Bären, Wölfe, Luchse, Murmel-
thiere, Fische, Bienen; die Ausbeute an Metallen gibt Eisen, Blei,
Asphalt, Marmor, Alabaster. Kalte und warme Mineralquellen sind
zahlreich.
Ausfuhrprodukte sind: Vieh, Käse, Kirschwasser, Baumwollen-
garn, Baumwollen-, Stroh- und Seidenwaaren, Uhren, Maschinen. Aus-
fuhr 60, Einfuhr 125 Mill. Thaler.
179,3 Meilen Eisenbahn, 516 Meilen Telegraphen.
4. Staatsausgaben 5,8g, Schuld 9,«, Banknoten 5,, Mill.
Thaler. Heer 85,138 Mann Bundesauszug; 50,559 Mann Reserve
und 64,323 Mann Landwehr.
5. Die Mehrzahl der Schweizer ist germanischen Stammes; in
der westlichen Schweiz (französischen) ein Gemisch von Kelten, Römern,
Germanen und Franzosen; in der südlichen Schweiz (italienischen)
Italiener. Je nach den Naturverhältnissen sind vorherrschend die deutsche
Sprache (Schweizer Dialect), französische Dialecte und roma-
nische (rhätisch). Fast eine Million Einwohner sind katholisch, die
übnqen reformirt. Viehzucht und Alpenwirthschaft sind Haupt-
erwerbsquellen. Industrie besonders in Genf, Neufchatel, Basel rc.;
Acker-, Wein- und Bergbau von geringer Bedeutung; Transito-
und Eigenhandel (mit Vieh, Käse, Uhren rc.) wichtig.^
Die Schweizer Lehranstalten stehen in hohem Rufe, überhaupt wird
für das Unterrichtswesen viel gethan.
6. Der Staat ist eine Bundesrepublik, die im westphälischen Frieden
1870 -
Halle
: Schwetschke
- Autor: Traut, Heinrich Theodor
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Fortbildungsschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Höhere Schule, Fortbildungsanstalt
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
Die Schweiz. 243
(1648) förmlich anerkannt wurde. An der Spitze steht der Bundesrath.
Eintheilung in 22 Kantone.
Die Schweizer Kantone.
1. Bern, der größte und bevölkertste Kanton, mit 120 Q.-M. und
V- Mill. Einw. Der ganze südliche Theil gehört dem Berner Ober-
lande an, Hochalpennatnr; die mittleren und nördlichen Gegenden
sind weniger gebirgig.
Bern, 29,000 Einw., an der Aar, Universität, wissenschaftliche
Sammlungen n>id Gesellschaften, Fabriken. Nördlich liegt Hoswyl,
durch Fellenberg's landwirthschastliches Institut, und nordöstlich
Burgdorf, an den Emmen, durch Pestalozzi berühmt. Langen-
thal, der Stapelplatz des untern Emmenthals (Emmenthaler Käse).
Jnterlaken, an der Aar, zwischen dem Thuner- und Brienzer See,
mit einer Molkenkur-Anstalt. Neuenstadt, von Weinbergen umgeben.
2. Zürich, nlit bl,2 Q.-M. und 250,000 Einw. Mehr eben als
gebirgig, gestattet der Boden Getreideanbau; Obst ist genügend vorhan-
den; Weinbau besonders reichlich an den Ufern des Züricher Sees.
Zürich, !9,0 oo Einw., schön gelegen am Ausflusse der Limat aus
dem Züricher See, mit Universität und berühmter polytechnischer Schule.
Lebhafter Handelsverkehr (in Wein und Korn). Mit mehreren gelehrten
und gemeinnützigen Vereinen, bedeutenden Maschinen-, Seiden- und
Baumwoll-Fabnken. (Hier lebte Zwingli, gest. 1501.) Winterthur,
südlich davon die uralte Kyburg, einst das Stammschloß mächtiger Grasen.
Das Schloß Lausen, mit dem Rheinfall und dem Bergschlosse Anger-
stein in der Nähe.
3. A arg au, mit 24,2s D.-M. und 200,000 Einw. Das Land
ist durch Zweige des Jura meist hügelig, enthält jedoch viel Thal- und
Hochebenen.
Aarau, 5000 Einw., an der Aar, zwischen Weinbergen, Wald
und Kornfeldern, hat Fabriken und Spinnereien. Dorf Schinznach,
in der Nähe das alte Schloß Habsburg, das Stammschloß des öster-
reichischen Hauses. Baden, wichtige Festung und Waffenplatz Oester-
reichs in der Schweiz. Muri, reiche Benediktiner-Abtei.
4. Waadt, Pays de Vaud, in der französischen Schweiz, mit
60,7s Q.-M. und 200,000 reformirten Einwohnern. Der größte Theil
dieses Kantons gehört zum Jura. Das Klima ist besonders an den
Ufern des Genfer-Sees sehr mild, daher großer Reichthum an Obst
und Wein.
Hauptstadt Lausanne, 19,000 Einw., Stunde vom Genfer -
See, aus 3 Hügeln, Lieblingsaufenthalt der Fremden (Engländer). Von
allen Seiten umgeben Lausanne die lieblichsten Spaziergänge. Vevey,
am Genfer-See, Weinbau. Montreux, Winter- und Frühlingsauf-
enthalt für Fremde. Yverdun (Jfferten), Pestalozzi's Erziehungs-
institut. Granson, ebenfalls am See, Sieg der Schweizer über Karl
den Kühnen (1446). St. Croix, verfertigt jährlich 50,000 Spieldosen.
5. St. Gallen, 38,z» Q.-M. und 170,000 Einw., umschließt
zwischen^dem Boden- und Züricher-See den ganzen Kanton Appen-
zell. Im südlichen Theile ist das Land sehr gebirgig, im Norden hügelig.
16 *
1870 -
Halle
: Schwetschke
- Autor: Traut, Heinrich Theodor
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Fortbildungsschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Höhere Schule, Fortbildungsanstalt
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
Mittel-Europa.
244
Hauptstadt St. Gallen, 14,000 Einw., 1 Meile südlich vom -
Bodensee, mit Baumwollenfabriken. In ihr bis 1805 die gefürstete
Benediktiner-Abtei. („Der Abt von St. Gallen", von Bürger.) Nor-
schach, Hanpthafen der Schweiz am Bodensee, mit einem Getreidemarkt.
An der obern Thur die frühere Grafschaft Toggenburg. Dorf Wild-
haus, Geburtsort Zwingli's (1484). Bad Pfäffers, im schauerlichen
Taminathale.
6. Luzern, 22,^ Q.-M. und 13.0,000 katholische Einw., mit dem
Vierwaldtstätter- und dem Sempacher-See, mit der Reuß und
deren linker Nebenfluß, der Kleinen Emme.
Hauptstadt Luzern, 11,600 Einw., an der Reuß und dem Vier-
waldftätter-See, mit lebhaftem Handel, gewährt durch ihre vielen Thürme
einen schönen Anblick. Südlich von Luzern, an der Unterwaldener Grenze,
der zerklüftete Berg Pilatus, mit schöner Aussicht. Bei dem Städtchen
Sempach die Schlacht am 9. Juni 1386.
7. Tessin, die italienische Schweiz, 50 Q.-M. und 120,000 katho-
lische Einw., der einzige Kanton, der an dem südlichen Abhange der
Hauptkette der Alpen liegt, mit mildem Klima.
Bellinzona, am Tessin, mit den Straßen über den Gotthard,
Lnkmanier und Bernhardin. Lugano, am See gleichen Namens,
hat Handel und Seidenbau, — und Locarno, unweit des Lago-Mag-
giore, sind die Hanptorte, welche alle 6 Jahre als Hauptstädte (mit dem
Sitze der Regierung) wechseln. Weinhandel und Seidenprodnction sind
die Hanptnahrnngsquellen.
8. Freiburg, im N. und O. von Bern, im S. und W. von
Waadt und dem Neuenburger See begrenzt, hat 29,^ Q.-M. und 100,000
Einw. Der südliche Theil gebirgig, der übrige Theil liegt ganz auf der
Hochebene; die Saane fließt mitten durch das Land.
Hauptstadt Freiburg (im Uechtlande), 10,000 Einw., an der
in die Aar mündende Saane, hat eine merkwürdige Bauart: aus der
Unterstadt (am Flusse) führt eine steile Straße in die Oberstadt, die
auf einer Sandsteinplatte liegt. Die Oberstadt ist mit dem gegenüber-
liegenden Ufer der Saane durch zwei Drahtbrücken (von 941 Fuß und
894 Fuß Länge) verbunden. Nördlich liegt Murten, am See gleichen
Namens, Sieg der Schweizer über Karl den Kühnen (1476).
9. Graubündten, 126 Q.-M. und 90,000 Einw., von den
höchsten Gebirgen umgeben und durchschnitten (den rhätischen Alpen).
Der Kanton zerfällt in drei Bünde: den (katholischen) Grauen, den
(reformirten) Gotteshaus- und den (reformirten) Zehngerichten-
Bnnd. Bekannt ist, daß die Einwohner des Thales Ober-Engadin
sich in ganz Europa als Schweizerbäcker zerstreuen.
Chur, 6000 Einw., an der Plessur unweit des Rheins, Haupt-
stapelplatz für den Handel zwischen Italien und Deutschland. Das schöne
19 Stunden lange, über V* Stunde breite Thal Engadin, vom Inn
durchflossen, mit dem Hauptorte Samaden.
10. Thurgau, im N. und O. vom Bodensee und dem Ithein,
im S. von St. Gallen, im W. von Zürich begrenzt, hat 17,^ Q.-M.
und 90,000 meist reformirte Einw. Sehr fruchtbares, von der Thur
durchflossenes Land, ohne Alpengebirge.
1870 -
Halle
: Schwetschke
- Autor: Traut, Heinrich Theodor
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Fortbildungsschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Höhere Schule, Fortbildungsanstalt
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
Die Schweiz.
245
\
Hauptort Frauenfeld, an der Murg. Nur sehr kleine Orte.
11. Wallis, Le Valais, iu der französischen Schweiz, 80 Q.-M.
und 81,000 katholische Einw. Die Berner und Walliser Alpen
umgeben das Land, zu beiden Seiten, durch welche sich von No. nach
Sw. das Längenthal des Rhone zieht. Berühmt der Paß über
den Großen St. Bernhard, mit dem Hospiz für Reisende. Man
unterscheidet Ober- und Unter-Wallis, das erstere mit deutscher,
das letztere mit französischer Bevölkerung.
Hauptstadt Sitten, (Sion), 4000 Einw., am Rhone, war früher
eine Hauptstätte des Cretinismus.
12. Neuenburg (Neufchatel), im W. von Frankreich begrenzt,
14,5 O.-M. und 70,000 reformirte Einw., besteht aus mehreren Jura-
thälern. Der Kanton wurde durch Vertrag vom 26. Mai 1857 von
Preußen an die Schweiz abgetreten.
Hauptstadt Neufchatel (Neuenburg), 10,000 Einw., in einer
der unmuthigsten Gegenden der Schweiz am See gleichen Namens, mit
Uhren- und Messerfabrikation. lla Chaux de Fonds, Locle, Travers
sind Thäler mit reichen Fabrikorten: Uhrenfabrikation, Arbeiten in Gold und
Silber, Spitzenklöppelei.
13. Solothurn, im S. und W. von Bern begrenzt, 13,^ Q.-M.
und 70,000 katholische Einw., vom Jura durchzogen.
Hauptstadt Solothurn, 5000 Einw., in einer fruchtbaren Ebene
an der Aar, hat in der Nähe bedeutende Steinbrüche. Olten, an der
Aar, Central - Eisenbahnhof.
14. Genf, im W. und N. von Frankreich und Waadt, im O.
und S. von Savoyen begrenzt, 5,z Q.-M. und 66,000 Einw., die Landes-
sprache ist französisch.
Hauptstadt Genf, 42,000 Eiuw., am Ausfluß des Rhone aus dem
Genfer See, mit reizender Lage und prächtiger Aussicht über die Ufer
des Sees und die ganze Alpenkette (mit dem Mont-Blanc), ist die volk-
reichste Stadt in der Schweiz und größte Fabrikstadt derselben (in Uhren),
hat eine Academie und viele gemeinnützige Gesellschaften. Cal bin's
Reformation (1541). Die Umgegend besteht aus den lieblichsten Land-
schaften.
5) Basel, im W. von Frankreich begrenzt, 8,g Q.-M. und 77,000
reformirte Einw., liegt ganz im nördlichen Jura und ist sehr fruchtbar.
Der Kanton wird in zwei unabhängige Landestheile getheilt: in Basel-
stadt und Baselland.
Bafel, 37,000 Einw., der größte Stadttheil liegt am linken Rhein-
ufer, Universität, Missionsinstitut, die bedeutendste Handelsstadt der
Schweiz. Merkwürdig ist der schöne Münster (in einem Saale des
Münstergebäudes war das Concilium 1431—1443 versammelt).
16. Schaffhausen, der einzige Kanton auf dem rechten Rhein-
ufer, 5,8 Q.-M. und 35,000 reformirte Einw. Der Hohe Randen
(2814' hoch) ist ein Ausläufer des Jura.
Schaffhaufen, 8700 Einw., Handelsstadt in der Nähe des be-
rühmten Rheinfalles, Geburtsort des Geschichtschreibers Johannes
von Müller (1752).
17. Appenzell, ganz von St. Gallen eingeschlossen, 7,z Q.-M.
1870 -
Halle
: Schwetschke
- Autor: Traut, Heinrich Theodor
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Fortbildungsschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Höhere Schule, Fortbildungsanstalt
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
246
Mittel-Europa.
und 55,000 Einw. Der Kanton besteht (seit 1597) aus zwei Theilen:
Inner-Rhoden, mit katholischer, und Außer-Rhoden, mit refor-
mirter gewerbsamer Bevölkerung.
18. Schwyz, von welchem Kantone die ganze Eidgenossenschaft
den Namen führt, hat 18,zq.-M. und 44,000 katholische Einw. Alpen-
wirthschaft ist fast die einzige Beschäftigung der Bewohner.
Hauptort Schwyz, 5800 Einw., auf der Nordseite des Vierwald-
stätter Sees, und Küftnacht, wohin von Schwyz über den Rigi die
Straße führt, sind berühmte Oerter in der Schweizergeschichte. Bei
Küßnacht befand sich die Hohle Gasse, und die Tellskapelle be-
zeichnet den Ort, wo Geßler von Tell erschossen worden sein soll.
Nordöstlich liegt Ein siedeln, berühmter Wallfahrtsort, ein Benedik-
tiner - Stift.
19. Glarus, im W. von Schwyz und Uri begrenzt, 18 O.-M.
und 30,000 Einw., von allen Seiten, ausgenommen gegen N., von
hohen, mit Schnee und Gletschern bedeckten Bergen ummauert, von der
Linth durchflossen.
Hauptort Glarus, 4800 Einw., 1861 fast ganz abgebrannt.
20. Zug, der kleinste Kanton, 4,g O.-M. und 17,500 katholische
Einwohner.
Hauptort Zug, 3900 Einw., anl Zuger See. Am östlichen User
des Vierwaldstätter Sees ist der Morgarten, ein Bergabhang, wo
die Schweizer (am 16. Nov. 1355) den Herzog Leopold von Oesterreich
schlugen.
21. Uri, mit der schwächsten Bevölkerung, 19,75 O.-M. und
14,500 katholische Einw. Der Kanton besteht aus dem Thalsystem der
oberu Reuß und erstreckt sich vom St. Gotthard bis an den Vierwald-
stätter See.
Hauptort Altorf, 2400 Einw., unweit des Einflusses der Renß
in den Vierwaldstätter See, wo die Geschichte des Tell mit dem Hute
sich zugetragen haben soll; südöstlich davon das Dorf Bürg len, Telus
Geburtsort, und Altorf gegenüber Attinqhausen, Walter Fürst's
Wohnsitz. Am westlichen Ufer des Vierwaldstätter Sees befindet sich das
Rütli, eine Bergwiese, wo der Schwur der drei Männer (1307)
stattfand.
22. Unterwalden, im W. vom Vierwaldstätter See begrenzt,
13,z O.-M. und 25,000 katholische Einw., mit hohen Gebirgen, ist einer
der U rkantone der Schweiz (Schwyz, Uri und Unterwalden). Er zer-
fällt (durch den sogenannten Kernwald) in zwei Theile: das Land Ob
dem Walde und in das Land Nid dem Walde.
Hauptort in Ob dem Walde ist Sarnen, wo der Voigt Landen-
berg restdirte. Hauptort von Nid dem Walde ist Stanz, wo die mar-
morne Bildsäule Arnold's von Winkelried aufgestellt ist. Von Sarnen
aus, der Heimat Arnold's an der Halden, einer der Stifter der Schweizer
Freiheit, zieht sich das Melch-Thal ins Gebirge.
Orographie der Schweizer Alpen.
Der Professor B. Studer unterscheidet als Haupttheile der Alpen: West-
alpen, Nordalpen, Südalpen und Ostalpen und zerlegt diese wieder in einzelne
Gruppen.
1870 -
Halle
: Schwetschke
- Autor: Traut, Heinrich Theodor
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Fortbildungsschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Höhere Schule, Fortbildungsanstalt
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
300
Der Norddeutsche Bund.
5. Regierungsbezirk Trier. Trier, 22,000 Einw., au der
Mosel, Weinbau. Sitz eines Bischofs, hat einen sehr alten Dom. In
der Nähe Ucbcrreste aus der Römcrzcit; hier steht daö merkwürdigste er-
haltene Römerwerk in Deutschland: die Porta Nigra, 115' lang, 50'
breit. Auch Trümmer römischer Bäder und eines Amphitheaters. Saar-
louis, 7500 Einw., Festung an der Saar. Saarbrück, 13,000
Einw., an der Saar, hat bedeutende Steinkohlengruben.
6. Regierungsbezirk Siegmaringen (vor 1850 diefürsten-
thümcr Hohenzollern Hechingen und Siegmaringen). Siegmaringen,
2100 Einw., an der Donau. Hechingen, 3000 Einw., Schwefelbad.
8. Die neuerworbencn Landesthtile.
I. Herzogtum Schleswig-Hotslein und Lauenburg.
Schleswig-Holstein 312,zo..-M. und 981,700 Einw. Lauen-
burg 21,2g O.-M. und 50,000 Einw.. Diese Herzogtümer liegen an
der Nord- und Ostsee, sind im S. von der Elbe begrenzt und im N.
durch die Königsaue von Nordjütland geschieden. Holstein und Schles-
wig sind durch die Eider getrennt, werden in der Mitte von einem san-
digen Haideznge, abwechselnd mit Moorflächen durchzogen, welcher west-
wärts in fruchtbares Marschland übergeht, das im Holstein'schen von den
Dithmarscn bewohnt wird; an der Ostküste hin zieht sich der schleswig-
holstein'sche Landrücken mit vielen Seen und schönen Buchenwaldungen;
an der Westküste liegen viele kleine Inseln, darunter die Halligen. Die
Hauptbeschäftigung der Bewohner, meist lutherisch, ist Ackerbau und Vieh-
zucht (holstein'sche Butter, holsteinische Pferde), Fischerei und Austern-
fang, Schiffahrt und Handel.
1. Schleswig-Holste Schleswig, 12,000 Einw., am lan-
gen Meerbusen Schley, mit dem Schloß Gottorp. In der Nähe
C'ckernsörde, 4700 Einw., und Idstedt, wo 1850 Deutsche mit Dä-
nen kämpften. Sonderburg, 4400 Einw., auf der Insel Alfen,
Schloß, Handel und Schiffahrt, und Augustenburg, gegenüber die
Düppler Schanzen, welche 1864 von den Preußen erstürmt wurden. Die
Insel Fehmarn. Apenrade, 5500 Einw. Hadersleben, 8000
Einw. Tondern, 3300 Einw. Husum, 5000 Einw., Hafen für
kleine Schiffe. Friedrichsstadt, 2000 Einw., an der Eider. Die
Inseln Sylt und Föhr mit Seebädern. Flensburg, 22,000 Einw.,
bedeutende Handelsstadt (besonders nach Westindien).
Kiel, 24,000 Einw., mit Hafen, Seebädern, Universität. (Kieler
Sprotten). Nendsburg, 12,000 Einw., Festung an der Eider. Itze-
hoe, älteste Stadt Holsteins. Glückstadt, 5000 Einw., an der Elbe,
Freihafen, hat Fabriken, Schiffsbau und Schiffahrt. Neumünster,
7800 Einw., Knotenpunkt der Eisenbahnen. Altona, 67,000 Einw.,
an der Elbe, bei Hamburg, hat Fabriken und wichtigen Seehandel. Im
nahen Dorfe Ottensen das Grab Klopstock's (gest. 1803 in Ham-
burg). Nordöstlich liegt Wandsbeck, bekannt durch den Dichter Clau-
dius. Oldesloe. Segeberg. Plön. Bornhöved. Heiligen-
hafen.
1869 -
Braunschweig
: Schwetschke
- Autor: Blanc, Ludwig Gottfried, Lange, Henry
- Auflagennummer (WdK): 8
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrer- und Schülerbuch
- Schultypen (WdK): Landschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Europa
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): offen für alle
166
A. Europa.
je nach ihrer Stellung zu den Einzelregierungen, von diesen streng über-
wacht. Inzwischen war Wilhelm I. am 2. Januar 1861 König von
Preußen geworden, das sogenannte freisinnige Ministerium Schwerin hatte
dein Ministerium Bis mark weichen müssen und in Preußen sich zwischen
den Vertretern des Volles und dem Ministerium ein hitziger Kampf ent-
wickelt. Ueberall in Deutschland, auch in Oesterreich machte sich eine
große politische Verstimmung und das Verlangen, andere Zustände herbeizu-
führen, bemerkbar.
Nun war es einmal Oesterreich, das an eine Re
form in Deutschland gehen wollte. Im Jahre 1863, Anfang August, lud
Kaiser Franz Joseph sämmtliche Fürsten des Bundes zu einem Congreß
nach Frankfurt, der auch am 17. August eröffnet ward. Doch der König
von Preußen und einige kleine Fürsten kamen nicht zu diesem Congreß.
Die beabsichtigte Einigung konnte also auch von dieser Seite nicht zu Stande
gebracht werden. Inzwischen entwickelte sich wiederum an der Nordgrenze
Deutschlands, in Schleswig-Holstein, die immer noch nicht zur Ausgleichung
gekommene Streitfrage zwischen den Herzogthümern und Dänemark. Auf
dem Bundestage vom 7. December 1863 wurde die Bundesepecution gegen
Dänemark beschlossen und ausgeführt. Oesterreicher und Preußen schlugen
die Dänen bald zum Lande hinaus, es kam zum Wiener Friedensvertrage
(30. October 1864), nach welchem Oesterreich und Preußen gemeinsame
Rechte auf die Herzogthümer Schleswig-Holsteinerwarben, diese gemeinsam
verwalteten und besetzten. Doch als der Friede mit Dänemark geschlossen,
standen sich wieder die deutschen Großstaaten als Feinde gegenüber. Der
Vertrag von Gastein konnte den offenen Bruch zwischen Preußen und
Oesterreich nur vertagen. Endlich brach das für Deutschland und beson-
ders für Preußen so bedeutungsvolle Jahr 1866 an.
Wir haben gesehen, daß der österreichische Einfluß auf die gedeihliche
Entwickellmg Deutschlands zu einer starken Achtung gebietenden Macht wie
ein Hemmschuh wirkte. Eine Macht wie Oesterreich, die im überwiegend
größten Theil aus nichtdeutscheu Gebieten besteht und die es niemals ver-
standen hat, im eigenen Lande eine geregelte Finanzwirthschast herzustellen,
eine Macht, die unter dem Alp des römischen Concordáis seufzt, konnte
Deutschland keinen Segen, keinen Frieden, keine nach außen hin imponirende
Stellung schaffen. Alle materiellen Wohlthaten, welche Deutschland genießt
Ii r ■ » ■ ^
durch den Zollverein und durch die Handelsverträge mit Frankreich, Eng-
land, Belgien und Italien rc., hat es Preußen zu danken. Die fortdauern-
den Dissonanzen zwischen Oesterreich und Preußen und die entweder zwei-
deutige oder zu Oesterreich hinneigende Stellung der Mittelstaaten zu diesem
inneren Kriege brachten einen unhaltbaren Zustand herbei, der für die preußische
Machtstellung nicht länger zu ertragen war. Oesterreich arbeitete mit aller
Macht und allen Mitteln dahin, Preußen tvieder zu demüthigen. In Hol
stein begann endlich der Conflict dadurch, daß am 5. Juni der Feldmarschall
Lieutenant v. Gab lenz in Kiel die holsteinischen Stände zum 11. Juni
nach Itzehoe berief. Gegen diese Verletzung der Souveränetätsrechte des
Königs von Preußen*) erfolgte von preußischer Seite ein Protest, der
*) Oesterreich und Preußen besaßen ja nach den bestehenden Verträgen die ge-
meinsame Verwaltung der Herzogthümer.
1869 -
Braunschweig
: Schwetschke
- Autor: Blanc, Ludwig Gottfried, Lange, Henry
- Auflagennummer (WdK): 8
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrer- und Schülerbuch
- Schultypen (WdK): Landschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Europa
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): offen für alle
Vit Deutschland. A. Staaten des Norddeutschen Bundes.
917
liegende Höfe, die zu Bau erschuften vereinigt sind: mehrere Bauer-
schaften bilden zusammen ein Kirchspiel. Hier findet mau noch in Woh-
nung, Gebräuchen und Lebensart die meisten Spuren von den ältesten
deutschen Sitten. Aus den ärmeren Gegenden wandern jährlich Tausende
nach Holland, um dort durch Heumachen, Mähen, Torfgraben ihr Brod
den Sommer über zu verdienen. Der Ackerbau hat sich in neuerer Zeit
sehr vervollkommnet; der Bauer, vorzüglich der isolirt wohnende, genießt
am liebsten das aus Roggen gebackene, zwar sehr grobe, aber äußerst kräf-
tige und wohlschmeckende Brod, welches unter dem Namen Pumpernickel
bekannt ist und weit und breit versendet wird. Der Hauptgegenstand der
Betriebsamkeit ist das Spinnen und Weben der Leinwand, und für diesen
Handel ist Bielefeld der Hauptort. Andere Gegenden treiben viel Bergbau,
wodurch Kupfer und Blei, vorzüglich aber Eisen, Steinkohlen und Salz
gewonnen werden. Diese Provinz ist vorzüglich reich an Salz, und die
bedeutendsten Salinen sind die von Unna (Königsborn), Werl und
Sassendorf in der Grafschaft Mark: Neu-Salzwerk, südwestlich von
Minden; Salzkotten im Paderbornschen, und Rh ei na an der Ems.
Die wichtigsten Steinkohlengruben befinden sich in der Grafschaft Mark, an
der Ruhr: zu Jbbenbühreu, Lingenschen; zu Böhlhorst, in der Nähe
derporta westphalica. Die reichsten Eisengruben liegen im ehemaligen
Fürstenthum Siegen und im Sanerlande, und die Verarbeitung dieser
Prodncte ist ein zweiter wichtiger Gegenstand der Betriebsamkeit, am regsten
in der Grafschaft Mark, am geringsten in dem Münsterschen. Außer den
schon erwähnten Orten sind noch zu bemerken:
Münster (iuonaatormm), in einer durchaus ebenen Gegend an
der Aa, unweit der Ems, mit 27,773 Einw. Sie entstand im 8. Jahrh.,
als der heil. Ludger, dem hier noch eine Kirche geweiht ist, ein Kloster
(mona8torinm, Münster) anlegte. Unter den öffentlichen Gebäuden
zeichnen sich der Dom und die Lambertuskirche durch ihre Schönheit, das
Rathhaus durch den Saal aus, in welchem am 24. October 1648 der
westfälische Friede geschlossen ward und welcher mit den Geinälden aller
damaligen Gesandten geschmückt ist. Die ehemaligen Festungswerke sind in
Spaziergänge verwandelt, und an der Stelle der ehemaligen Citadelle
befindet sich das Schloß, Sitz des Oberpräsidiums der Provinz; hinter
demselben ist der öffentliche Schloßgarteu, welcher auch einen botanischen
Garten enthält, und davor der Schloßplatz, der schönste Platz der Stadt. Ehe-
mals war hier eine blühende katholische Universität, welche 1818 insofern auf-
gehoben wurde, daß ihr nur eine theologische lind eine philosophische Facultät und
eine chirurgische Lehranstalt geblieben ist. Münster war zur Zeit der Refor-
mation der Mittelpunkt der Wiedertäufer-Unruhen, lind noch sieht inan an
dem Thurm der Lambertuskirche die 3 eisernen Käsige, in welchen 1535
die Leichname der Anführer dieser fanatischen Secte, Johann Bockholds,
gewöhnlich Johann von Lehden genannt, Knipperdollingö und Krechtings
aufgehangen wurden. — Paderborn, mit 11,931 Einw., eine, alte
finstere Stadt, mit wenig Betriebsamkeit. Der im Aeußern unansehnliche
Doin ist im Innern eins der zierlichsten und großartigsten Gebäude und
enthält mancherlei Merkwürdigkeiten. Unter ihm und in seiner Nähe ent-
springt ans 5 Quellen die Pader und treibt schon wenige Schritte davon
1869 -
Braunschweig
: Schwetschke
- Autor: Blanc, Ludwig Gottfried, Lange, Henry
- Auflagennummer (WdK): 8
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrer- und Schülerbuch
- Schultypen (WdK): Landschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Europa
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): offen für alle
Vii. Deutschland. A. Staaten des Norddeutschen Bundes.
227
vertrag abzuschließen, demzufolge Preußen für die Summe von 500,000
Thalern an der westl. Seite des Jadebusens 1211 Morgen 57 d Ruthen,
und an der östl. Seite 8 Morgen 139'/, d Ruthen Binnendeichland, mit
dem Wasser % □ Meile erhielt. Preußen übernahm ferner den Schutz
Oldenburgs zur See und Oldenburg gestattete die Anlage einer Eisenbahn
von dem Kriegshafen über Varel und Stadt Oldenburg zum Anschluß an
die Köln-Mindener Bahn.
Der Hafen wird den Namen Neu-Heppens erhalten. Die Admi-
nistration des Jadegebiets, mit (1867) 1747 Einw., gehört zum Ressort
der Admiralität zu Berlin. Der Jadebusen ist zu einem Kriegshafen des
Norddeutschen Bundes bestimmt.
11. Die Provinz oder die Herzogthümer Schleswig und
Holstein*) nebst Lauenburg.
a) Das Herzogthum Schleswig ging mit estrigen Gebietsver-
kürzungen seiner alten Grenze 1866 in den Besitz Preußens über. Die
Größe wird angegeben (nach 1864) auf 165,4 D®. mit 409,907
Einw., also 2469 auf der □Üdi. Ueber eine im Prager Frieden in Aus-
sicht genommene Abtretung des nördlichen Theils von Schleswig an Däne-
mark schweben die Verhandlungen noch zur Zeit. Schleswig wird im N.
von Jütland, im S. durch die Eider und den Eidercanal von Holstein ge-
schieden. Als Zankapfel für Deutschland und Dänemark ist dies Herzog-
thum in neuester Zeit oft Gegenstand des allgemeinen Interesses geworden.
Seit dem 14. Jahrhundert, als es in den Besitz der Grafen von Holstein
gelangte, führt es den Namen Schleswig, früher hieß es Süd-Jütland
(ducatus Sonderjutia), und die Westküste Nordfriesland. Dänische Schrift-
steller und Geographen haben versucht, der alten Benennung Süd-Jüt-
land wieder Eingang zu verschaffen, üblich ist diese Bezeichnung aber
durchaus nicht. — Auch die Bevölkerungs- und Sprachverhältnisse des Herzog-
thums haben in neuester Zeit vielfach Veranlassung zu ausführlichen Erör-
terungen und Streitigkeiten zwischen deutschen und dänischen Schriftstellern
gegeben; Thatsache ist nun, daß das Land von verschiedenen Volksstämmeu
bewohnt wird, welche in der überwiegenden Mehrzahl dem deutschen und
nicht dem skandinavischen Zweige des germanischen Volksstammes ange-
hören. Deutsche, friesischen, sächsischen und angelsächsischen Stammes,
wohnen im Süden und fast an der ganzen Westseite des Landes Dänen;
vornehmlich Jüten bewohnen mit Deutschen vermischt den nordöstlichen
Theil. Was die Sprachverhältnisse betrifft, so ist die deutsche Sprache
*) Holstein hatte 1864...................155 □ Sdí. mit 554,419 Einw.
Im Jahre 1866 trat Preußen an Oldenburg ab . 2,« lum. mit 12,604 Einw.
Demnach erhielt Holstein die Größe von . . . . 152,, □ M. mit 541,815 Einw.
Hierzu Schleswig.........................165,, □ M. mit 409,907 Einw.
Schleswig und Holstein zusammen.........317,s □ 2jí. mit 951,722 Einw.
Einwohnerzahl von Schleswig u. Holstein nach der Zählung von 1867 983,362
dazu das Herzogthum Lauenburg........................... 48,527
15*
1869 -
Braunschweig
: Schwetschke
- Autor: Blanc, Ludwig Gottfried, Lange, Henry
- Auflagennummer (WdK): 8
- Sammlung: Realienbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrer- und Schülerbuch
- Schultypen (WdK): Landschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Europa
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
- Konfession (WdK): offen für alle
Oqq
A. Europa.
jedenfalls sehr frühzeitig die vorherrschend gebräuchliche geworden; denn es
kommen seit etwa dem Ende des 13. Jahrhunderts in dänischer Sprache
geschriebene Urkunden, Gesetze u. s. w. für das Herzogthum nicht mehr vor
und so weit die geschichtliche Erinnerung reicht, ist seitdem das Deutsche
allein und überall im Herzogthum die Sprache der Bildung, der Literatur
und des größeren Verkehrs gewesen und bis jetzt geblieben, früher das
niedersächsische Deutsch, später das Hochdeutsche. Daneben hat sich in den
unteren Schichten der Bevölkerung der alte Volksdialekt, je nach der ver-
schiedenen Abstammung derselben, erhalten, und es wird daher von den
unteren Volksclassen des Herzogthums im täglichen Leben, und init ihres
Gleichen nur Plattdeutsch, Plattdänisch und in einigen Bezirken, be-
sonders ans den Inseln der Westküste, Friesisch gesprochen, doch scheint
diese letztere Sprache immer mehr und mehr zu verschwinden. Nach diesen
Verhältnissen richtete sich, nach Einführung der Reformation und Verbesse-
rung des Volksschulnnterrichtö, der Gebrauch der deutschen und dänischen
Sprache in der Kirche und Volksschule. Wo die Bevölkerung deutsch und
friesisch war, wzirde der Gottesdienst und der Unterricht Hochdeutsch, wo
das dänische Volksidiom vorherrschte, wurde in der reinen dänischen Schrift-
sprache die Predigt gehalten und der Unterricht in der Volksschule ertheilt.
In den Städten so wie in allen höheren Schulen wurde nur die deutsche
Sprache gebraucht, friesisch ist niemals zur gebräuchlichen Schriftsprache
geworden. Dieser anscheinend in den Sprachverhältnissen liegenden, übrigens
in Grenzländern gewöhnlichen Mißstände ungeachtet, sind die unteren Volks-
classen in allgemeiner Bildung nicht zurückgeblieben, sie zeichnen sich in dieser
Beziehung viel eher vor denen mancher anderen Länder aus. Auch sind
sonstige davon herrührende Nachtheile nicht bemerkbar geworden. Wie
man aber in neuerer Zeit von Rechten der Sprache (die nur zur Ver-
mittelung des geistigen Verkehrs zwischen Mensch und Älen sch dient, wes-
halb immer diejenige, welck^e die Meisten und Gebildetsten sprechen von
selbst den Vorrang gewinnt) zu reden und zu schreiben angefangen hat, so
wurde auch von Dänemark ans auf Gleichberechtigung der dänischen und
der deutschen Sprache in allen, auch den höheren Verkehrsverhälttiissen
Schleswigs gedrungen, und wie der Streit hierüber immer weiter und
weiter geführt wurde, so ist es auch im Herzogthum Schleswig wie in
Belgien und Ungarn, wo ein ähnlicher Sprachenkampf stattfand, gegangen,
daß Blutvergießen das Ende davon ward. — Die alte Hauptstadt des
Landes Schleswig mit dem Schlosse Gottorf (richtiger Gottorp)
l0,050 Einw., liegt am Westende der Schlei, vormals der Sitz des Statt
Halters und der höchsten Regierungsbehörde beider Herzogthümer, des
Obergerichts, der Ständeversammlung n. s. w., hat jetzt ihre politische Be-
dentnng verloren: geblieben sind ihr nur noch an für beide Herzogthümer
gemeinschaftlichen Landesanstalten: das große Irrenhaus und das Taub-
stummeninstitut, nahe südlich davon die Ueberreste des uralten Dannewirks,
Schlacht am 23. April 1848, eine halbe Meile nördlich das Dorf Jdstedt
mit dem Schlachtfelde vom 25. Juli 1850. Flensburg, die größte und
ansehnlichste Stadt des Herzogthums mit circa 20,140 Einw., am Meer
busen gleichen Namens mit vortrefflichem Hafen für die größten Seeschiffe,
deren seit lange großartiger, nach allen Welttheilen, besonders nach Westindien