32 Heimatkunde des Großherzogtums Hessen. Nr. 10.
wobei 83 Gebäude eingeäschert wurden. Die Bewohner des nahen Vorfes
Heuchelheim treiben durchweg Landwirtschaft. Fast zusammengebaut mit
Gettenau ist das Pfarrdorf Echzell, das aus einer römischen Siedelung her-
vorgegangen ist. Huf den Grundmauern der mittelalterlichen Burg steht
jetzt,das Besitztum der Herren von garnier. Zweimal ist der Grt durch ge-
waltige Feuersbrünste heimgesucht worden, 1634 und 1706. Das einemal
verlor er 115 Häuser, das anderemal 350 Gebäulichkeiten. Aber Fleiß und
Sparsamkeit und der gesunde Sinn seiner Bewohner haben es dahin ge-
bracht, daß das Dorf immer wieder schöner erstand denn zuvor. Seine Kirche,
eine der drei Mutterkirchen der fuldischen Mark, ist ein beachtenswerter
Bau, der in seinen hauptteilen wohl im 13. Jahrhundert errichtet, später
aber umgeändert wurde. Echzell ist weithin bekannt durch seinen Kartoffel-
bau und Handel sowie sein vorzügliches Mineralwasser. Letzteres
kommt von Grundschwalheim oder den Tchwalheimer Hosen, welche eine
halbe Stunde talaufwärts an der Horloff liegen. Grund-Schwalheim war
ursprünglich Deutschordensgut und zur Kommende Schiffenberg gehörig.
Nach der Kufhebung des deutschen Ordens durch Napoleon I. (1809) kam
es an das Großherzogtum Hessen. Zu den wohlhabendsten Grten des Kreises
gehört das weiter nordwestlich gelegene Berstadt, wo ebenfalls eine der
drei Mutterkirchen der fuldischen Mark war. Die jetzige Kirche stammt
in ihren hauptteilen aus der Mitte des 13. Jahrhunderts. Im Mittelalter
hatte der Grt ein eigenes (fuldisches) Gericht' etwa seit 1300 kam er durch
Verpfändungen in die Hände verschiedener Herren, bis er 1570 durch Kauf
an Hessen-Marburg überging, 1604 fiel er an Hessen-Darmstadt. von der
mittelalterlichen Grtsbefestigung ist nichts mehr wahrzunehmen. Nahe bei
Unter-Widdersheim steht im Felde ein merkwürdiger Stein, mehrere Me-
ter hoch, der ,,Kindchesstein" genannt, wohl ein Malstein aus altgermani-
scher Zeit' das ,,Massohl" am pfahlgraben ist eine alte Nömerstätte. Das
talaufwärts liegende ehemalige Gerichtsdorf Ober-lviddersheim, überragt
von seinem malerisch gelegenen, dem 13. Jahrhundert entstammenden Kirch-
lein, birgt mehrere alte, beachtenswerte Holzhäuser mit hübschen
Schnitzereien. Der Grt hat in neuerer Zeit durch seine blühende Basalt-
industrie und seine Bierbrauerei wieder größere Bedeutung gewonnen. Ein
wohlhabender Grt ist auch das Filialdorf Borsdors, das sich durch seinen
Gbst- und Getreidebau auszeichnet. Nicht weit davon liegt im Walde das
Forsthaus Glaubzahl.
Iv. Ortenberg und Umgebung.
Zu den schönsten Gegenden unseres gesegneten Hessenlandes gehört un-
streitig das liebliche Niddertal. Zwischen frischgrünen Wiesen, reich mit
Blumen übersät, windet sich der fischreiche Bach hin, anfangs jugendlich
feurig über Steine hinspringend, später bedächtig langsam hinfließend und
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Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Deutsche Geschichte
Geschlecht (WdK): Jungen
282 Xix. Oncken, Die Kaiserproklamation zu Versailles.
gebildet und den deutschen Parlamentarismus in akademischem Geiste erzogen hat; der es wunderbar verstand, die Geschäftsordnung zu handhaben mit attischem Salz und römischer Urbanität, sodaß in jedem guten Kammerpräsidenten noch jetzt sein mittelbares oder unmittelbares Vorbild zu erkennen ist, und der von seinem unvergleichlichen Talent zu würdevoller Repräsentation auch jetzt bei dem denkbar feierlichsten Anlaß glänzend Gebrauch machen sollte.
König Wilhelm hätte in Versailles das prachtvolle Schloß König Ludwigs Xiv. beziehen können, in dessen Giebelfeld die Worte stehen: A toutes les gloires de la France. Er zog es vor, dies Schloß als Lazarett für deutsche und französische Verwundete einzurichten, selbst aber in der kaiserlichen Präfektur abzusteigen, in der er seit dem 5. Oktober seinen Wohnsitz hatte, und in dem großen Saale dieses Gebäudes fand am Sonntag den 18. Dezember der feierliche Empfang der Kaiserabordnung des Reichstags statt.
Die Verlesung der Adresse leitete der Präsident durch eine kurze Ansprache ein, in der er hinwies auf zwei Verfassungsänderungen, mittels deren dem künftigen deutschen Staat und seinem höchsten Oberhaupt Benennungen J) gesichert würden, „auf denen die Ehrfurcht langer Jahrhunderte geruht, auf deren Herstellung das Verlangen des deutschen Volkes sich zu richten nicht aufgehört habe". Er erinnerte daran, daß der Empfang der Abgeordneten des Reichstags stattfinde in einer Stadt, in welcher mehr als ein verderblicher Heereszug gegen unser Vaterland ersonnen und ins Werk gesetzt worden sei, und an die Nachbarschaft der Hauptstadt, in der unter dem Druck fremder Gewalt die Verträge geschloffen worden waren, in deren unmittelbarer Folge das Reich zusammenbrach 2). Und dann verlas er die Adresse selbst mit solcher Wärme, solchem Nachdruck, daß allen Hörern die Thränen ins Auge traten. Am tiefsten bewegt war der König selbst. In beständigem Kampf mit der Rührung, die ihn mehr als einmal übermannte, las er die Antwortrede, in der er seinem Dank gegen die göttliche Vorsehung Ausdruck gab für die Wunder ihrer Führung, seine Freude ausdrückte darüber, daß die für das gemeinsame staatliche Leben der Deutschen neu gewonnenen Grundlagen „von den füd-
1) Seit den Beschlüssen vom 10. Dezember las man im Eingang der Ver-sassnng die Worte: „Dieser Bund wird den Namen Deutsches Reich führen" und im Artikel 11: „Das Präsidium des Bundes steht dem König von Preußen zu, welcher den Namen Deutscher Kaiser führt."
2) Die Pariser Rheinbundverträge vom 12. Juli 1806.
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Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Deutsche Geschichte
Geschlecht (WdK): Jungen
22 Vii. v. Treitschke, Anfänge der Eisenbahnen in Deutschland.
stand. Unterdessen leitete Hauptmann Kunz den Bau umsichtig und thatkräftig. Eine Lokomotive, der Komet, wurde in England angekauft und eine Weile für Geld zur Schau gestellt; auch der Wagenbauer und der erste Lokomotivenführer kamen aus England. Im April 1837 konnte endlich die erste Strecke von Leipzig nach einem nahen Dorfe befahren werden; dicht gedrängt standen die Massen zu beiden Seiten der Bahn, kein lautes Wort ließ sich hören, so schreckhaft wirkte der unerhörte Anblick. Dann mußte „der Einschnitt" bei Machern ausgeschaufelt werden, durch eine Bodenwelle, welche der Reisende heute kaum bemerkt; von weither kamen die Fremden, auch der länderkundige Frhr. v. Strombeck, um das Wunderwerk zu betrachten und gründlich zu beschreiben. Der schwierigste Kunstbau der Bahn, der Tunnel bei Oberau, wurde durch Freiberger Bergleute ganz nach Bergmannsbrauch wie ein Stollen von vier niedergesenkten Schachten aus in Angriff genommen; als alles beendet war, bildeten die Knappen in ihrem Paradeanzug, mit Fackeln in der Hand, im Tunnel Spalier, um den ersten durchbrausenden Zug mit dem alten Glückauf-Ruf des Erzgebirges zu begrüßen. . . .
Derweil die Deutschen sich noch an ihrer ersten großen Eisenbahn abmühten, versuchte schon eine andere folgenschwere Erfindung, die deutsche Erfindung der elektromagnetischen Telegraphie sich Raum zu schaffen. Das alte optische Telegraphenwesen hatte in Preußen während der jüngsten Jahre eine hohe Ausbildnug erlangt. Auf eine Anfrage aus Berlin traf die Antwort aus Koblenz schon binnen vier Stunden ein, freilich nur bei hellem Wetter. Wenn das hohe Balken-{jerüste auf dem Tnrmhanse in der Dorotheenstraße einmal den ganzen Tag hindurch ununterbrochen seine rätselhaften Bewegungen ausführte, dann meinten die Berliner bedenklich, die Zeiten würden schlimm. Ans Petersburg konnten die Nachrichten durch den Telegraphen und durch Kuriere in fünfzig Stunden befördert werden, und man hoffte noch auf größere Beschleunigung, da der Zar soeben bei Fraunhofer in München 450 Fernröhre für die russischen Telegraphen bestellt hatte. Aber der optische Telegraph diente ausschließlich den Behörden. Ein rascher Nachrichtendienst für den allgemeinen Gebrauch ward erst möglich, als der junge Wilhelm Weber nach Göttin gen kam und Gauß entzückt ausrief: der Stahl schlägt aus den Stein. Der Physiker und der Mathematiker, sie verbanden den elektromagnetischen Apparat ihrer Sternwarte durch einen 3000 Fuß langen Draht, über den Turm der Johanniskirche hinweg, mit dem Physikalischen Kabinett
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Extrahierte Personennamen: Kunz Wilhelm_Weber Wilhelm
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland England England Leipzig Oberau Berlin Koblenz Dorotheenstraße Petersburg München Johanniskirche
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
Inhalt: Zeit: Geographie
Geschlecht (WdK): koedukativ
28 Kopenhagen.
weit aus; ihr Dunkel wird dann und wann durch lichte Wiesen-
gründe unterbrochen, auf welchen läutende Herden der benach-
karten Gehöfte weiden. Vortreffliche Landstraßen durchkreuzen
die Inseln in verschiedenen Richtungen und verknüpfen die
Ortschaften. Ein mäßiger Wohlstand unter dem Landvolke ist
allgemein.
14. Koptnhagcn.
a) Lage, b) Der Neumarkt, c) Die Friedrichstadt, d) Die Bibliothek,
e) Die Museen.
a) Die geographische Lage Kopenhagens ^), dieses
„Riesenhauptes auf dem Zwergkörper"2), wird uns am deut-
lichsteu durch einen Vergleich mit Konstantinopel. Die Ver-
Hältnisse am dänischen Sunde gleichen in gewissem Grade denen
am thrakischen Bosporus. Wie hier im N. die große Skandi-
navische Halbinsel, so wendet sich dort im S. Kleinasien dem
Hauptkörper des europäischen Kontinents zu, aus welchem hier
die Cimbrische Halbinsel (Jütland), dort der thrakische Chersones
hervorgreift. Die Ostsee mit ihren weitverzweigten Armen und
Flüssen (Oder, Weichsel, Newa u. a.) erinnert an das Becken
des Schwarzen Meeres mit seinen großen Armen und Strömen
(Donau, Duiepr, Don u. a.). Konstantinopel ist an dem
schönsten Hasen des Bosporus, am „goldenen Horn", ans-
geblüht wie Kopenhagen an dem besten Naturhafen des Ore-
sundes. Wie am Bosporus, so erstand auch am Sunde eine
bedeutende, politische Macht, und es bildete sich ein staatlicher
Mittelpunkt, ein mächtiger Herrschersitz. — b) In keiner Haupt-
stadt kann der Fremde fick so leicht zurecht finden, wie in
Kopenhagen. Ihr wahrer Mittelpunkt ist der Königs-Neu-
markt, unzweifelhaft einer der schönsten Plätze aller Haupt-
städte Europas. Hier liegt das Theater, das königliche Schloß
Charlottenburg, wo Thorwaldsen wohnte, sein Atelier und die
Akademie der Künste sich befindet. Hier münden nicht weniger
als zwölf Straßen, darunter die belebtesten der Stadt. — c) Der
1) — Kjöbenhavn oder Kaufmannshafen.
2) Allerdings erscheint K. für den kleinen Staat zu groß, denn
die übrigen Städte des Landes haben zusammen nicht viel mehr Ein-
wohner als K. allein.
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Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
Inhalt: Zeit: Geographie
Geschlecht (WdK): koedukativ
Rom. 89>
Hütten des Ghetto^), das Säulenrund des sog. Vesta-
tempels, die stillen Kirchen und Klostergärten des Aventins
und der aus den Scherben von Millionen Thongefäßen aufge-
türmte grünbewachsene Monte Testaccio, von dessen ein
Holzkreuz tragender Höhe man auf die nahe düstere aurelia-
nische Stadtmauer, die Grabpyramide des Cestius
und den Cypressenwald des protestantischen Friedhofes
schaut. — Sieben Brücken, zum teil noch auf antiken Stein-
Pfeilern und Bogen ruhend, verbinden die beiden Ufer. Auf
dem westlichen liegt zwischen dem Fluß und dem Höhenzuge des
Jauiculus, der mit Villen, Gärten und Klöstern bedeckt ist,
der volkstümliche Stadtteil Trastevere. Seine kräftigen,
schönen, an altem Herkommen festhaltenden Einwohner rühmen
sich, altrömisches Blut in den Adern zu haben. Dort liegt
auch am äußersten Nw.-Ende der Stadt die gewaltige Peters-
kirche mit ihrer herrlichen Riesenkuppel, dicht daneben der
päpstliche Palast, der Vatican. mit seinem 20 Höfen, 11000
Gemächern, zahllosen Schätzen der Kunst und Wissenschaft, vor
der Kirche aber der riesige Petersplatz, umgeben von Säulen-
hallen, geschmückt mit einem Obelisken und zwei großartigen
Springbrunnen. — c) Der größte Teil Roms liegt auf
dem linken Tiberufer, wo noch die sieben Hügel zu unter--
scheiden sind. Durch das nördliche Stadtthor, die Porta b e t
P opolo, durch das früher jeder von N. kommende Fremde ein-
fuhr, gelangt man unmittelbar auf einen umfangreichen länglich
runden Platz mit einem Obelisken und wasserspeienden Löwen,
auf den links die immergrünen, in Terrassen aufsteigenden Garten-
anlagen des Monte Pincio herabschauen. Von hier laufen
fächerförmig drei Straßen aus: in der Mitte der gerade auf
das Kapitol zulaufende Korso. Er ist, obwohl nur 15 bis
20 Schritte breit, die Hauptstraße des älteren Rom. Hier be-
wegen sich nachmittags lange Reihen glänzender Karossen; hier
lustwandelt die unbeschäftigte, feine Welt; hier drängt sich zur
Karnevalzeit das Maskengewühl und fliegt ein Regen von
Gypskügelchen, Consetti und Blumensträußen zwischen den
Wandelnden oder Fahrenden und den bis hoch hinauf dicht be-
setzten, mit Teppichen und Laubwerk gezierten Ballonen und
Fenstern hin und wieder. — Die meisten Straßen der älteren
*) Judenviertel.
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Extrahierte Personennamen: Consetti
Extrahierte Ortsnamen: Rom Trastevere Roms Rom Judenviertel
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
Inhalt: Zeit: Geographie
Geschlecht (WdK): koedukativ
Rumänien. 67
man die dichten Staubmassen unverdrossen mit in den Kauf
nimmt; sobald aber große Regenmengen gefallen sind, den tiefen
Lehmboden erweicht und die vielen Wasserrinnen, Bäche und
Flüsse angefüllt und über die flachen Ufer gejagt haben, gebe
man jede, auch die kleinste Reise auf. In neuester Zeit wird
indes der Eisenbahnbau in mehreren Hauptrichtungen mit großem
Eifer betrieben. — e) Die Hauptstadt des Landes ist Bukarest,
aus deutsch „Freudenstadt". Zur Zeit als der tapfere Bojar
Mircea in den walachifchen Steppen gebot, drohte Sultan Bajazid
dem Lande mit Feuer und Schwert, falls es nicht einen Tribut
leiste. Mircea aber war ein sparsamer Herr und entschloß sich,
den Türken statt mit klingendem Golde mit rasselndem Eisen
heimzuzahlen. Er besiegte den Sultan in blutiger Schlacht.
Darob großer Jubel in der Burg, welche Mircea deshalb
„Freudenstadt" nannte. Aus der Ferne bietet Bukarest eines
der glänzendsten Städtebilder von Europa. Wenn die Sonne
auf dies ungeheuer ausgedehnte Häusermeer herabbrennt, das
den Raum einer Millionenstadt einnimmt, aber nicht ganz
eine viertel Million Menschen beherbergt, flimmern die un-
zähligen Weißblechbedachungen wie ein riesiger Flitterschmuck.
Die weißen, hellen Flecken werden noch wesentlich gehoben durch
das viele Garteugrün, welches das silberhelle Gewoge unterbricht,
und durch die zahlreichen Türme und türkischen Kuppeln, die
von dem unbegrenzten Horizont sich abheben. Aus solcher Ent-
sernnng ist das Bild voll Licht und Farbe. Man meint, an
der Pforte einer Märchenstadt zu stehen. Der Farbensinn der
Bukarester geht so weit, daß sie die einzelnen Teile der Stadt
nach Farben geschieden haben. Den eigentlichen Kern der Stadt
bildet das „rote Viertel", das Geschäftsviertel, in dem auch die
verschwenderisch ausgestatteten Villen sich in die Nähe des be-
scheidenen Königspalastes an der „Siegesstraße" drängen. Um
diesen Mittelpunkt der „Freudenstadt" ordnen sich die andern
Vorstädte: das „gelbe Viertel", das „grüne Viertel", im Osten
das „schwarze" und im Süden das „blaue Viertel". Das
„schwarze" ist ein wahres Wirrsal von schmutzigen und krummen
Gassen, aus dem keine Ariadne Rettung brächte. Zum Glück
ist Bukarest noch immer nicht ausgedehnt genug, daß der Fremde
nicht endlich doch ans Ende dieser farbigen Welt gelangen niüßte.
*) — Die Besseren, Edelleute.
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Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
Inhalt: Zeit: Geographie
Geschlecht (WdK): koedukativ
86 Venedig,
Sorgsam sammelt man in Zisternen das Wasser der Regengüsse
in den kurzen Wintermonaten, die mit heißen, trockenen Sommern
in strenger Regelmäßigkeit abwechseln.
Gedichte „Andreas Hofer" von Mosen (Mantna).
„Alboin vor Tinnum" von Kopisch (Pavia).
„Hartmann von Siebeneichen" von Pocci und G. Görres
(Susa).
„Lage von Urbino" von Platen (Rafael).
3. Venedig.
a) Einst und jetzt, b) Berühmte Gebäude, c) Verkehr.
a) Nicht mehr durch Politik und Seeherrschaft, durch
Wasseuruhm, kühnen Unternehmungsgeist und üppigen Reichtum,
wie vor vier und fünf Jahrhunderten, wohl aber durch die
Schönheit der Lage, die glänzenden Bauten, die zahllosen Kunst
schätze ist Venedig noch heute die „Königin der Adria".
Wie der verarmten, aber hoheitsvollen Witwe eines Fürsten
sieht man ihr die edle Herkunst, den einstigen Glanz, die stolze
Vergangenheit an. Von Gold, Farben und buntem Gestein
strahlende Kirchen bergen kostbare Reliquien, Altertümer und
Kunstwerke. Marmorne Paläste, zum Teil unbewohnt und
altersgeschwärzt, säumen die Kanäle, auf denen jetzt das All-
tagsleben sich bewegt. In engen Gäßchen, kaum breit genug
für zwei Personen, sieht man Häuserfassaden, Bogenfenster,
Säuleuportale des herrlichsten Stiles. Aller Orten erinnern
Überreste und Denkmale an die wunderbare Vergangenheit.
Schauer des Despotismus, fürstlicher Pomp, unermüdliche Be-
triebsamkeit vereinigten sich hier mit ausgelassenem Genußleben,
mit Freude an prächtigen Maskeraden, an Musik und Blumen,
an den Herrlichkeiten der Künste. Traumhaft, wehmütig in
ihrer Stille und Verlassenheit spiegelt sich jetzt die Stadt in
den Lagunen, aus denen sie einst weltbeherrschende Flotten unter
dem Banner des Markuslöwen in alle bekannten Meere ent-
sendete. — fo) Der geflügelte steinerne Löwe begrüßt uns.
wenn wir in den Hafen einfahren, von einer der beiden frei-
stehenden Säulen am steinernen Uferrande der Piazzetta,
des marmorschimmernden Platzes, den westlich die Bibliothek,
der schönste Renaissancepalaft Italiens, östlich aber der hoch-
berühmte Dogenpalast begrenzt. Dieser, 1350 erbaut, ist
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Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
Inhalt: Zeit: Geographie
Geschlecht (WdK): koedukativ
Die Normandie. 149
sich ausdehnt. Wenden wir uns aber van der Kirche Notre-
Dame wieder auf die N.-Seite zurück und besuchen das Rat-
Haus (Stadthaus, Hotel de ville genannt), von wo so manche
Revolution, auch die allerneuesten, ausgegangen, dann den
Bastille-Platz, wo einst die alte Zwingburg der Könige stand.
— c) Alle diese Wanderungen haben uns auch über die Boule-
vards geführt: dies sind breite, schöne Alleen, auf beiden
Seiten mit stattlichen Häusern besetzt, welche, teils an Stelle
alter Wälle, teils vom letzten Napoleon neu angelegt, Paris
nach allen Seiten durchschneiden und umziehen. — d) Die
ganze Stadt ist von Mauer, Wall und Graben umgeben; quer-
durch in allen Richtungen und außerhalb dieser Befestigung
liegen in einer Entfernung bis zu 30 km von der Stadt 46
kleine selbständige Festungen (Forts), welche die Eroberung der
Stadt dem Feinde sehr beträchtlich erschweren.
Gedicht „Pariser Traum" von Blomberg.
5. Die Normandie.
a) Industrie, b) Bodenbeschaffenheit, c) Viehzucht.
a) Die Normandie ist eines jener Länder, um welches
Geschichte und Poesie den Zauber des Interesses und der Schön-
heit gesponnen. Die Normandie von heute ist ein Land, an
dem sich jeder, dem das Wohlbefinden des Volkes in erster
Reihe steht, voll erfreuen kann. Weniger epheuumsponnene
Ruinen, als man erwartet, dafür tausend hohe Schlote uuauf-
hörlich arbeitender Fabrikstädte. In der ungemein betriebsamen
und industriereichen Hauptstadt Rouen vergißt man über der
Blüte der Industrie bald den Dom und die Jungfrau von Or-
leans; und in Elboeuf, der Fabrikstätte für feine Tuche, wird
man ganz und gar nicht an die kriegerischen Ahnen der heutigen
Normannen gemahnt, welch' letztere nur darauf ausgehen, ihrer
Industrie stets neue Gebiete zu eroberu. — fo) Das von der
ruhigen Seine durchströmte Land ist eine wellige Fläche; keine
höheren Berge, keine großen dunklen Wälder, alles licht, hell,
gepflegt, grün, rasig, ohne viele Dörfer, aber besät mit grünen,
viereckigen Wäldern, die uns verlocken, tiefer einzudringen.
Man tritt näher, findet einen Erdwall, der oft mit doppelten
Reihen von Buchen, Ahorn oder Erlen besetzt ist; und dieser
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Extrahierte Personennamen: Napoleon Blomberg
Extrahierte Ortsnamen: Bastille-Platz Paris Rouen Elboeuf
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
Inhalt: Zeit: Geographie
Geschlecht (WdK): koedukativ
-64 Wien.
Walde entspringende Flüßchen Wien. — c) Um seine Residenz
zu verschönern, und zugleich aus Rücksicht auf die Gesundheit
und Bequemlichkeit der Einwohner verordnete Kaiser Franz
Joseph I. (1857) zum Zwecke einer besseren Verbindung der
inneren Stadt mit den sie umgebenden Vorstädten die Verwen-
duug der Glacis zu Bauplätzen. So entstand denn in wenigen
Jahren die großartige, fast 60 m breite Ringstraße, welche
an Pracht der Privathäuser, Parkanlagen und öffentlichen Bauten
die Pariser Boulevards überbietet. Unter den öffentlichen Ge-
bäuden ragt die sog. Burg oder der von der kaiserlichen Familie
bewohnte Palast ganz besonders durch Größe hervor, darf aber
vielleicht am wenigsten auf Schönheit Anspruch machen, denn
es ist eine in verschiedenen Zeiten entstandene Vereinigung von
Gebäuden sehr verschiedenen Geschmacks und ohne übereinstimmen-
den Zusammenhang. — d) Im O. der Stadt liegt eine bedeutende
Donauinsel, ursprünglich ein Auland, wie so viele Inseln der
Donau, wo sie Flachland durchströmt, aber im Laufe der Zeit
zu einem reizenden Gemisch von Wiese und Wald, von Park
und Tummelplatz, von menschenwimmelndem Spazierplan und
stillster Einsamkeit geworden. Viele Wiener mag es geben,
welche die Schönheiten ihres Praters nicht kennen, wenn er
auch noch so besucht ist; deuu so betäubend das Gewimmel an
einigen Stellen, so einsam ist es an anderen, so daß man
wähnen könnte, wenn man die Wiesen und Gehölze entlang
schritte, müsse man eher zu einer stillen Meierei gelangen, als
zu der riesenhaften Residenz einer großen Monarchie; aber
gerade die riesenhafte Residenz braucht einen riesenhaften Garten,
in den sich ihre Bevölkerung ausgießt, und der doch noch Teile
genug leer läßt für den einsamen Wanderer und Beobachter.
Ii). Ofenpelth und Prag
verglichen.
a) Lage und Bauart beider Städte, d) Beider Verhältnis zur Landschaft.
a)Die ganze Lage und Bauart von Buda-Pesth *) hat
große Ähnlichkeit mit der von Vrag. Beide Städte liegen an
meinem Strome, der sie in zwei sehr von einander verschiedene
i) Buda — Burg. Ofen bedeutet dasselbe wie Pesth — Grotte.
TM Hauptwörter (50): [T3: [Stadt Schloß Straße Berlin Kirche Haus Gebäude Platz Garten Universität], T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf]]
TM Hauptwörter (100): [T76: [Stadt Straße Haus Schloß Kirche Gebäude Mauer Platz Garten Dorf], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume]]
TM Hauptwörter (200): [T25: [Stadt Schloß Straße Garten Berg Dorf Nähe Park Ufer Haus], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T153: [Donau Ungarn Land Hauptstadt Böhmen Königreich Wien Stadt Galizien Siebenbürgen], T0: [Kirche Haus Gebäude Stadt Straße Säule Platz Fenster Seite Palast], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht]]
Extrahierte Personennamen: Franz Ofenpelth Buda-Pesth Buda
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
Inhalt: Zeit: Geographie
Geschlecht (WdK): koedukativ
148 Paris.
schaut. Wir wollen in Gedanken unseren Einzug von W. her
halten, wo die Seine, nachdem sie die Stadt durchflössen hat,
einen großen Bogen nach N. macht. Da ist zwischen Strom
und Stadt das angenehme Boulogner Wäldchen, bei gutem
Wetter der Tummelplatz der vornehmen und reichen Pariser
Welt. Wir bewegen uns eine Weile in all' dem Glanz und
Getümmel und richten dann unsern Weg gegen O. Da haben
wir eine breite, prachtvolle Straße vor uns, deren Ende wir
nicht absehen können. Sie führt uns durch einen prächtigen
Triumphbogen, von Napoleon I. erbaut. Wir folgen ihr und
kommen durch die „Elysäischen Felder", einen schönen, von
Menschen wimmelnden Park, zu dessen Rechten die Seine fließt.
Weiter, immer derselben Straße folgend, kommen wir dnrch den
Tnileriengarten. Hier stand früher das weitausgedehnte Tuile-
rieufchloß, in welchem die Könige und Kaiser der neuesten Zeit
wohnten. Lang zieht es sich mit seinen noch vorhandenen
Flügeln an der Seine hin und verbindet sich hier mit dem
Louvre, einem älteren Königsschlosse, dessen Säle die berühmten
Sammlungen von Bildern, Bildsäulen und anderen Herrlich-
keiten enthalten. Stadteinwärts nicht weit davon ist das Palais
Royal, längst schon kein königliches Schloß mehr, wohl aber in
seinen unzähligen, prächtigen Sälen, Läden und Restaurants der
Ort, wo Tausende Einheimischer und Fremder das Köstlichste
einkaufen, das Ausgesuchteste genießen, in allen ersinnlichen Ver-
gnügungen ihr Geld verschwenden. Wenn die eitlen Franzosen
sagen, Paris sei die Hauptstadt der Welt, so ist das allerdings
in dem Sinne wahr, daß es wohl keine zweite Stadt gibt, wo
der Mensch so sehr Gelegenheit hat, sich allen nur denkbaren
Lebensgenüssen zu ergeben. Weiter, immer ostwärts, gehen
wir am Ufer der Seine, zur Linken die prächtigsten Häuser-
reihen; dann wenden wir uns rechts über eine der vielen schönen
Brücken und sind nun auf der Seineinsel, wo vor bald zwei-
tausend Jahren, zur Römerzeit, der Anfang der Stadt erstand,
damals Lutetia genannt. Hier sehen wir die Notre Dame-Kirche
mit ihren beiden schönen, aber nicht bis zur Spitze vollendeten
Türmen. — d) Aus der südlichen Seite der Seine dehnt sich
die kleinere Hälfte der schönen Stadt aus, da finden wir die
Prachtgebäude, wo sich die Abgeordneten des Landes ver-
sammelten, wo die Invaliden so stattlich wohnen, wo an der
unteren Seine der ungeheure Paradeplatz, Marsfeld genannt,
TM Hauptwörter (50): [T3: [Stadt Schloß Straße Berlin Kirche Haus Gebäude Platz Garten Universität]]
TM Hauptwörter (100): [T76: [Stadt Straße Haus Schloß Kirche Gebäude Mauer Platz Garten Dorf]]
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