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1. Geschichtliches Lesebuch - S. 55

1903 - Göttingen : Vandenhoeck u. Ruprecht
Iv. v. Syöel, Einwirkung der Julirevolution auf Deutschland. 55 furter Pöbels; Zuzüge polnischer Flüchtlinge aus Frankreich und unruhiger Handwerker aus der Schweiz standen in Aussicht. Am 3. April 1833 entlud sich dieses Ungewitter in der Bundesstadt. Das Revolutiousheer, 51 Mann stark, erstürmte die Hauptwache; ehe die Empörer aber die Bundesversammlung verhaften konnten, wurden sie von dem Frankfurter Bataillon auseinander getrieben. Die Bevölkerung Frankfurts sah bedächtig und verwundert zu. Achtzig heranrückende Bauern wurden nicht in die Stadt gelassen. Die Polen kamen überhaupt nicht zum Vorschein. Hier also war in der That eine Verschwörung zu Tage gekommen, und obwohl außer den 130 Frevlern das ganze deutsche Volk in tiefer Ruhe lebte, schien doch den leitenden Höfen die Notwendigkeit offenbar, nicht bloß die Verschwörer einzusperren, sondern Europa zu retten. Die Minister Rußlands, Österreichs und Preußens traten in Teplitz, bald nachher die beiden Kaiser und der preußische Kronprinz in Münchengrütz zusammen und versprachen sich wechselseitigen Beistand gegen jede Empörung, insbesondere gegen jeden polnischen Aufstand. Im folgenden Jahre versammelte darauf Metternich die Minister aller deutschen Staaten in Wien, um die Bundesbeschlüsse von 1819 und 1832 im einzelnen auszuarbeiten und zu vervollständigen. Die Ergebnisse dieser Beratung wurden in ein geheimes Protokoll zusammengefaßt, und sämtliche Regierungen verpflichteten sich zu genauer Befolgung der hier niedergelegten Vorschriften, auch wenn dieselben mit der bestehenden Landesverfassung oder Gesetzgebung in Widerspruch ständen. Seitdem ließ auf Metternichs Standpunkt die deutsche Einheit und Reichsregierung, soweit sie vom Bundestag geübt und vertreten wurde, nichts mehr zu wünschen übrig. Daß hier ein gewagtes Spiel getrieben wurde, sagten sich im Herzen die meisten deutschen Regierungen. Auch war die große Mehrzahl eifrig bestrebt, durch die Pflege der materiellen Interessen die Schmälerung der politischen Rechte den Unterthanen weniger empfindlich zu machen. Nichts begünstigte sie dabei mehr als die jetzt zu voller Fruchtbarkeit gediehene Entfaltung des Zollvereins, welcher zugleich die Bevölkerung des außerösterreichischen Deutschland in ökonomischer Beziehung immer fester an einander schloß. So erfreuten sich mit wenigen Ausnahmen die deutschen Lande einer umsichtigen und erfolgreichen Verwaltung, wie kaum in irgend einer frühern Periode. Von Preußen und Württemberg ist dies schon erwähnt worden. In Hannover vollzog sich unter Dahlmanns Schöpfung, der

2. Geschichtliches Lesebuch - S. 57

1903 - Göttingen : Vandenhoeck u. Ruprecht
Iv. v. Sybel. Einwirkung der Julirevolution auf Deutschland. 57 leise, Verkennen der Bedürfnisse des realen Lebens neben Übertreibung des juristischen Formalismus, Nachlassen des geistigen Verkehrs zwischen Regierenden und Regierten, zwischen Beamten und Volk, in Preußen ebenso wie in den kleineren Staaten. Ein nicht immer nötiger Befehlshaberton galt für unerläßlich zur Aufrechthaltung der Autorität, und vollends die Sicherheitspolizei, angestachelt durch die politischen Sorgen der höchsten Stellen, bewegte sich in einem hofmeisternden, argwöhnischen und kleinlichen Treiben, welches die herrschende Mißstimmung nie zur Ruhe kommen ließ. Denn trotz alles Guten, welches wir eben berichtet haben, blieb der Zorn über die Ausnahmegesetze von 1832 im Wachsen und verbreitete sich durch alle Klassen der Bevölkerung. Zwar die äußere Ordnung wurde an keiner Stelle mehr gestört; die Zeitungen lagen in den Fesseln der Censur, und das neue badische Preßgesetz mußte nach Bundesbefehl durch den Großherzog zurückgenommen werden. In den Kammern verlor die liberale Partei wieder die Majorität und hielt sich in behutsamer Defensive, um nicht neue Gewaltschritte des Bundes hervorzurufen. Aber nur um so tiefer fraß sich der Groll in die Herzen ein. Viele Tausende, die 1830 bei den Aufläufen in Kassel und Dresden den Pöbelexceffen gewehrt oder 1832 ans dem Hambacher Feste harmlos gejubelt hatten, gelobten sich jetzt, wenn es wieder losginge, selbst mit kräftigem Handeln dabei zu fein. Neun Zehntel der deutschen Bürger erfüllten sich im Angesichte der Reaktion mit demokratischen Gedanken, die Gemäßigten mit Begeisterung für den parlamentarischen Staat, wo ein Beschluß der Volksvertretung die Minister aus dem Amte entfernt oder in dasselbe einsetzt, die Heißblütigen mit dem Ideale der Republik, wo der Wille des gesamten Volkes über Gesetzgebung und Exekutive in unbeschränkter Freiheit entscheidet. Noch hatte keine Erfahrung darüber belehrt, wie notwendig jedem großen Gemeinwesen ein mächtiges Organ der Stetigkeit in seiner Politik ist, ein Organ, für welches keine andere Staatsform gleiche Aussicht wie die Erbmouarchie darbietet. Auch darüber war man begreiflicher Weise damals noch nicht klar, daß die parlamentarische Regierung in England nur deshalb einen sichern und gedeihlichen Gang hatte behaupten können, weil sowohl die Volksvertretung als die Verwaltung von zwei fest organisierten und politisch geschulten Adelsgruppen geleitet wurde, die sich im Besitz der Ministerien ohne Störung der Geschäfte ablösten. Außer aller Beachtung blieb die für die Beurteilung eines demokratischen Staatswesens entscheidende That-

3. Geschichtliches Lesebuch - S. 60

1903 - Göttingen : Vandenhoeck u. Ruprecht
60 Iv. v. Sybel, Einwirkung der Julirevolution auf Deutschland. horsam unter den Satzungen der klerikalen Hierarchie auferlegt hatte. Der Kampf mit den Staatsgewalten konnte nicht ausbleiben. In Preußen entspann er sich in Sachen des theologischen Universitätsunterrichts und der gemischten Ehen: nach langen Verhanblungen kam es 1837 zum offenen Zwiespalt, und die Regierung ließ den wortbrüchig geworbenen Erzbischof von Köln nach Minben in Haft bringen, den in gleichem Sinne wirkenben Erzbischof von Posen aber durch gerichtliches Urteil absetzen. Das Kölner Domkapitel und der Fürstbischof von Breslau hielten zur Regierung, bei der rheinischen und polnischen Bevölkerung jeboch zeigte sich eine heftige Gärung. Eben bamals war in München der eifrig klerikale Herr von Abel leitenber Minister geworben und ließ der ultramontanen Presse bei den heftigsten Angriffen gegen Preußen freien Lauf, und bieses Mal erhob auch Metternich, welcher soeben den Jesuiten den von Kaiser Franz stets geweigerten Zugang nach Österreich eröffnet hatte, keinen Einspruch gegen die bunbeswibrige Verstattung schrankenloser Preßfreiheit. So war in allen deutschen Lauben eine in den mannigfachsten Farben durch einanber wirbelnbe Bewegung der Geister erwacht. Der ganze bisherige Zustand war ohne eine Spur materieller Auflehnung durch eine kecke Kritik in Frage gestellt. Da trat 1837 ein Ereignis ein, welches die politische Agitation für ein volles Jahrzehnt in ihren Bestrebungen fixierte und ihr einen unverrückbaren gemeinsamen Zielpunkt gab: der Verfafsungssturz in Hannover durch den neuen König Ernst August. Unter lügenhaften Vorwanben, hauptsächlich zu dem Zwecke freierer persönlicher Verfügung über das Staatsvermögen unternommen, staub die Umwälzung sowohl mit dem Lanbrecht als mit der Wiener Schlußakte in fchreienbem Wibersprnch. Der Unwille in ganz Dentschlanb trat offen au das Licht, als mit einem neuen Gewaltstreich der König sieben Göttinger Professoren, die unter Dahlmanns Vorgang ihrem Verfaffungseibe treu zu bleiben erklärten, kurzer Hand absetzte und brei berselben aus dem Laube jagte. Die deutschen Volksvertretungen, Universitäten, Spruchkollegien wetteiferten, in den schärfsten Beschlüssen und Gutachten der öffentlichen Entrüstung Ausbruck zu geben; die Verteidigungsschriften Dahlmanns und Jakob Grimms stmbert die weiteste Verbreitung; ein großer Verein, der sich zur Unterstützung der Vertriebenen gebilbet hatte, gewann Mitglieber in allen deutschen Städten. Dagegen war in Hannover selbst nach der ersten Aufwallung bei der bebächtigen nieberfächsischen Bevölkerung der Kampfeseifer Weber heiß noch thätig, inbefsen kam es zu einer

4. Geschichtliches Lesebuch - S. 107

1903 - Göttingen : Vandenhoeck u. Ruprecht
Viii. Oncken, Das Schattenreich in der Paulskirche. 107 imstande, wenig Worte zu Ihnen zu reden. — Ich gelobe hier feierlich vor dem ganzen deutschen Volke, daß seine Interessen mir über alles gehen, daß sie die Richtschnur meines Betragens sein werden, solange ein Blutstropfen in meinen Adern rinnt; ich gelobe hier feierlich, als das von Ihnen gewählte Organ Ihrer Versammlung, die höchste Unparteilichkeit. Wir haben die größte Aufgabe zu erfüllen. Wir sollen schassen eine Verfassung für Deutschland, für das gesamte Reich. Der Beruf und die Vollmacht zu dieser Schaffung, sie liegen in der Souveränität der Nation. (Stürmisches-Bravo.) Den Berus und die Vollmacht, dieses Versassuugs-werk zu schassen, hat die Schwierigkeit in unsere Hände gelegt, um nicht zu sagen die Unmöglichkeit, daß ey auf anderem Wege zustande kommen könnte. Die Schwierigkeit, eine Verständigung unter den Regierungen zustande zu bringen, hat das Vorparlament richtig vorgefühlt und uns den Charakter einer konstituierenden Versammlung vindiciert. Deutschland will Eins sein, ein Reich, regiert vom Willen des Volkes, unter der Mitwirkung aller seiner Gliederungen; diese Mitwirkung auch der Staaten-Regierungen zu erwirken, liegt mit im Berufe dieser Versammlung. Wenn über manches Zweifel besteht und Ansichten auseinandergehen, über die Forderung der Einheit ist kein Zweifel, es ist die Forderung der ganzen Nation. Die Einheit will sie, die Einheit wird sie haben, sie befestigen, sie allein wird schützen vor allen Schwierigkeiten, die von außen kommen mögen, die im Innern drohen." Die Versammlung, der diese Worte galten, ging an ihr Werk, fest überzeugt von ihrem Recht und ihrer Macht: in dem uner-schüttlichen Glauben, daß sie dürfe und daß sie könne, was sie sich vorgesetzt, daß ihre Vollmacht unbestreitbar und unanfechtbar sei wie das Licht der Sonne und daß dem nationalen Willen, dem sie Körper und Gestalt zu verleihen habe, nichts unerreichbar sei, daß ihm nichts, schlechterdings gar nichts widerstehen werde. Von diesem Glauben war Heinrich von Gagern erfüllt mit Leib und Seele; ihn bekannte er in dieser seiner ersten Rede mit dem Brustton tiefster Durchdrungenheit und in Worten, die zündend einschlugen, weil sie ganz kunstlos und unmittelbar das trafen, worüber alle einig waren oder einig zu sein glaubten, und nichts von dem berührten, was die Geister trennte. Und in der Seelenkraft, mit der er hier zum erstenmal gewirkt, lag nun das, was ihm an der Spitze dieses Parlaments eine ganz eigenartige Stellung gab. Obgleich weder ein geistreicher Kops, noch ein

5. Geschichtliches Lesebuch - S. 113

1903 - Göttingen : Vandenhoeck u. Ruprecht
Viii. Oncken, Das Schattenreich in der Paulskirche. 113 der Allgewalt" nicht nur gestattet, sondern auch durch die Not geboten sei, als Ga gern, der den Vorsitz abgegeben hatte, als Abgeordneter das Wort ergriff: „Ich thue einen kühnen Griff und sage Ihnen, wir müssen die provisorische Centralgewalt selbst schaffen. (Lang anhaltender stürmischer Jubelruf.) Darum müssen wir sie selbst schaffen: sie muß stark sein, sie muß Vertrauen einflößen. Wir müssen sie aber besonders darum selbst schaffen, weil wir ihrer schnell bedürfen und weil wir nicht gewiß sind, daß sie dann schnell geschaffen werden wird, wenn wir eine Mitwirkung der Regierungen in Anspruch nehmen wollen. — Wollen wir, wie jetzt unzweifelhaft, der Mehrheit nach Einen, so ist ein Mann hochstehend gefunden, der der Unterstützung der Nation für die höchste Stelle sich wert gezeigt hat und ferner wert zeigen wird. Aus der höchsten Sphäre müssen wir den Reichsverweser nehmen, denn es giebt keinen Privatmann, der unter solchen Umstünden das Amt übernehmen könnte, wie vielleicht einzelne oder auch Parteien gedacht haben. (Vielstimmiges Bravo auf der Rechten.) Ich gehe nicht ein auf die Frage unserer künftigen Verfassung; ich halte mich lediglich an den gegenwärtigen Zustand und unsere jetzigen Bedürfnisse. Ich spreche Ihnen nicht von Monarchie und Republik, ich sage Ihnen aber: jetzt bedürfen wir eines Mannes, der hoch steht und sich der Unterstützung aller Staaten ohne Widerspruch muß versichert halten können, wenn er das Amt antreten soll, welches Sie ihm zudenken." (Vielstimmiges, wiederholtes Bravo.) Darauf wies er der Linken nach, wie das Prinzip der Volkssouveränität dadurch gewahrt sei, daß er ja die Nation selber in ihren Vertretern die Wahl vollziehen lasse aus Gründen des Rechts, der Nationalsicherheit, der Nationalwohlfahrt. „Und auch darin wird keine Abdankung dieses Prinzips gefunden werden können, wenn meine Meinung, wie sie es wirklich ist, etwa die sein sollte, daß die hochstehende Person ein Fürst sein müsse, was auch Sie einräumen können, nicht weil es, sondern obgleich es ein Fürst ist. (Allgemeines wiederholtes Bravorufen in der Versammlung und auf den Galerien.) Wenn wir thun, was die Wohlfahrt des Vaterlandes fordert, ohne Rücksicht auf Sophismen, die einzelnen als Prinzipien gelten, wenn wir in der Überzeugung handeln, daß das Priuzip, welches durch uns zum Gesetz wird, Gehorsam verlangt, dann werden wir thun, was unsere Schuldigkeit, und die Nation wird uns Beifall zurufen. Wir stellen nicht die Freiheit bloß, und wir schaffen die Einheit unseres Volkes und Vaterlandes, nach der wir schon so lange uns sehnten." (Stürmischer, lang an- Müller, Geschichtliches Le'ebuch. g

6. Geschichtliches Lesebuch - S. 124

1903 - Göttingen : Vandenhoeck u. Ruprecht
124 Ix. Oncken, Die Trennung von Österreich und der preußische Erbkaiser. wüchsige Germania aus der Grube steige." (Anhaltendes Bravo auf der Linken und im Centrum.) Die Annahme der §§ 2 und 3 des Reichsverfassnngsentwnrfs bedeutete das Auswerfen einer Frage, auf welche die Antwort nur von Österreich selbst gegeben werden konnte. In den letzten Tagen des November erfolgte sie; am 27. durch den neuen Ministerpräsidenten Österreichs, Fürsten Felix Schwarzenberg in Kremsier und am 30. November durch den Abgeordneten Grafen Deym in der Pauls-kirche selbst: und wenn diese Kundgebungen noch nicht ausreichten, um in Frankfurt vollständige Klarheit zu verbreiten und jeder Selbsttäuschung über das Verhältnis zu Österreich ein Ende zu machen, so lag die Schuld jedenfalls an Österreich nicht, denn dessen Offenherzigkeit war hier wie dort eine unbedingte gewesen. In der Rede, mit welcher Fürst Schwarzenberg den von Wien nach Kremsier verlegten Reichstag eröffnet hatte, befand sich über das Verhältnis Österreichs zu Deutschland folgende Stelle: „Das große Werk, welches uns im Einverständnisse mit den Völkern obliegt, ist die Begründung eines neuen Bandes, das alle Lande und Stämme der Monarchie zu einem großen Staatskörper vereinigen soll. — Dieserstand-pnnkt zeigt zugleich den Weg, den das Ministerium in der deutschen Frage verfolgen wird. Nicht in dem Zerreißen der Monarchie liegt die Größe, nicht in ihrer Schwächung die Kräftigung Deutschlands. Österreichs Fortbestand in staatlicher Einheit ist ein deutsches, rote europäisches Bedürfnis. Von dieser Überzeugung durchdrungen, sehen wir der natürlichen Entwickelung des noch nicht vollendeten Umgestaltungsprozesses entgegen. Erst wenn das verjüngte Österreich und das verjüngte Deutschland zu neuen und festen Formen gelangt sind, wird es möglich sein, ihre gegenseitigen Beziehungen staatlich zu bestimmen. Bis dahin wird Österreich fortfahren, feine Bundespflichten treulich zu erfüllen." Diese Rede war vollständig klar über die Frage, auf die hier alles ankam: Österreich lehnte für seine eigne Neugestaltung jede Rücksicht auf die Beschlüsse der Nationalversammlung ab und wies die Zumutung eines Verzichtes auf die eigne Staatseinheit, roie sie der § 3 aus-sprach, mit der unumwundensten Entschiedenheit zurück. Dagegen, deutete der Hinweis auf die fortdauernde Erfüllung seiner Bundespflichten an, daß es auf seine früheren Rechte im deutschen Bunde keineswegs verzichte. Die zweite Kundgebung erfolgte am 30. November in der Pauls-

7. Geschichtliches Lesebuch - S. 149

1903 - Göttingen : Vandenhoeck u. Ruprecht
X. Aus der Frankfurter Nationalversammlung. 149 die Erblichkeit, schaffen Sie keinen herrschenden Einzelstaat, stoßen Sie Österreich nicht ab, retten Sie das Wahlrecht, dieses kostbare Volksrecht, dieses letzte fortwirkende Wahrzeichen des volksmäßigen Ursprungs der neuen Gewalt. Glauben Sie, meine Herren, es wird kein Haupt über Deutschland leuchten, das nicht mit einem vollen Tropfen demokratischen Öles gesalbt ist! (Lebhaftes Bravo und Beifallklatschen auf der Linken und dem linken Centrum.) 2. Rede Dahlmanns vom 22. Januar 1849 l). (Stenograph. Berichte, herausg. von Wizard. Seite 4819.) Meine Herren, Ich werde danach trachten, mich der ernsten und würdigen Haltung meiner beiden letzten Vorredner anzuschließen, keineswegs aber dem wieder lebendig gewordenen Pater Abraham a ^anta Clara nacheifern, welcher von dieser Tribüne einen tiefernsten Gegenstand mit mannigfaltigen Späßen überschüttet hat. Meine Herren! Sie haben in Ihrer letzten Abstimmung die Würde des Reichsoberhauptes einem der regierenden deutschen Fürsten übertragen und eben damit die Grenze bezeichnet, in welcher sich die heutige Diskussion zu halten hätte, wiewohl zu meinen Bedauern und nicht allein zu meinem Bedauern sich mehrere der Herren Vorredner keineswegs innerhalb dieser Grenzen gehalten haben. Ich habe mit neun Gesinnungsgenossen im Versassungsausschuß ein Minoritätsgutachten aufgestellt, welches also lautet: „Diese Würde ist erblich in dem Hause des Fürsten, dem sie übertragen worden; sie vererbt im Mannesstamme nach dem Rechte der Erstgeburt." Dies Minoritätserachten zu verteidigen, zu rechtfertigen bin ich hierher getreten, wiewohl ich Ihnen gestehe, daß das Geschäft, welches ich übernommen habe, mir nicht unähnlich dem Geschäfte zu sein scheint, alv hätte ich es übernommen, eine Lobrede auf das Einmaleins zu halten. Denn gerade wie es mit dem Einmaleins bewandt ist, daß sich diesem gar nichts besonders Scharfsinniges oder gar Liebenswürdiges nachsagen ließe, sondern immer nur einfach so viel, es sei 1) Zum Teil Erwiderung auf die vorige Rede. Vgl. Seite 136.

8. Geschichtliches Lesebuch - S. 150

1903 - Göttingen : Vandenhoeck u. Ruprecht
150 X. Aus der Frankfurter Nationalversammlung. richtig damit, es lasse sich dem nicht widersprechen, es sei gar nicht auszukommen in Haus und Hof ohne das Einmaleins; gerade ebenso ist es im Staatswesen mit dem Erbrechte beschaffen, welches ich hier zu verteidigen übernommen habe. Da läßt sich freilich auseinandersetzen, vor welchen Übeln das Erbrecht uns bewahrt, wie es bewahrt vor den mannigfachen und schwer empfundenen Übeln der Wahlberechtigung, wie es bewahrt vor den Übeln des Zwischenreichs zc. Aber am Ende kehrt es doch immer auf das allereinfachste zurück, und wir müssen zugestehen, daß gerade da das Erbrecht sich am unliebenswürdigsten beweist, wo es am meisten staatsmännisch auftritt, indem es nämlich in seiner vollkommenen Ausbildung auf höchst ungalante Weise alle Frauen ausschließt von dem Throne, solange noch einer vom Mannesstamme vorhanden ist, indem es alle Jüngeren ausschließt, alle jüngeren Prinzen, solange noch ein älterer da ist, indem es endlich keinem Prinzen einen Teil am Genusse der Herrschaft vergönnt, bis die Reihe an ihn gekommen ist, überhaupt aber jedem Erbberechtigten nur das Ganze des Staates übrig läßt, indem es ihn jedes Anrechts an einen Staatsteil beraubt. Und dennoch hat dieses System der Erbherrschaft neben so vielen Herbigkeiten auch seine zarte und in das innere Wefen der Menschheit dringende Seite. Nachdem es vor allen Dingen den Staat sichergestellt hat, denn der Staat muß in alle Wege die Hauptsache bleiben, führt es in das Staatswesen die Wärme der Familie ein, indem es die Herrschaft an ein regierendes Haupt knüpft. Ich weiß gar wohl, meine Herren, daß ich hiermit, wenn ich das Lob der Erbherrschaft rede, eine Saite anschlage, die in den Augen vieler von Ihnen längst zersprungen ist. Das aber hindert mich auf keine Weise. Erlauben Sie, daß ich eine schlichte Thatsache schlicht erzähle, die sich zu Ende des Jahres 1812 in Mitteldeutschland begab. Damals war der erste Strahl der Hoffnung nach Deutschland gedrungen, daß wir wohl des fremden Regiments erledigt werden möchten. Da fanden sich in Mitteldeutschland Volksversammlungen vornehmlich von Landleuten und Bauern zusammen. Man beredete sich, wie es zunächst werden solle. Darin waren alle einig, die Fremden müßten vertrieben werden, aber sollte man den alten Fürsten wieder aufnehmen, das war die Frage. Es begab sich, daß auch in einem Lande, ich will es lieber nicht nennen, wo der alte Fürst keineswegs gelobt und sonderlich geliebt war, — man wußte ihm manches, was nicht zum Frieden diente, nachzureden, — in der Schänke eines Dorses diese Sache verhandelt ward. Viel war hin-

9. Geschichtliches Lesebuch - S. 200

1903 - Göttingen : Vandenhoeck u. Ruprecht
200 Xiii. Denkschrift Bismarcks vom März 1858. etwas anderes als eine gemeinsame Bürgschaft für die innere und äußere Sicherheit der 35 Paeiseenten. Sie müssen von Preußen mit Treue gehalten werden, solange die anderen sie nicht brechen. Aber was darüber hinausliegt, ist nicht bloß für Prenßen vom Übel, sondern auch für Deutschland, und sogar für die Festigkeit des Bundes selbst. Die Kämpfe widerstreitender Interessen, welche von einer weiteren Ausbildung des Bundes unzertrennlich sind, werden denselben lockern und früher oder später sprengen, und für die Entwickelung Deutschlands wird weder jetzt uoch später etwas geleistet werden durch ein Organ, dessen Majoritäten von undeutschen Interessen abhängig sind. Denn unter die letzte Kategorie fällt ebensowohl der Partiknlarismus der Mehrzahl kleinerer Regierungen, als die aus größtenteils außerdeutschen Beziehungen entspringenden Tendenzen der österreichischen Politik. Die Lage Preußens wäre vielleicht eine bessere, wenn der Bnnd gar nicht existierte; diejenigen näheren Beziehungen zu den Nachbarn, deren Preußen bedarf, hätten sich deshalb doch, und unter Preußens Leitung gebildet. Nachdem er aber besteht und der Mißbrauch seiner Institutionen gegen Preußen mit Aussicht auf Erfolg versucht wird, kann Preußens Aufgabe nur sein, alle unzweifelhaften Bundespflichten in Krieg und Frieden zwar treu zu erfüllen, aber jede Entwickelung der Buudesgewalt auf Kosten der Unabhängigkeit des einzelnen, welche über den strikten Wortlaut der Verträge hinausgeht, abzuschneiden. Diejenigen, welche unter einem „bundesfreundlichen" Verhalten Preußens nichts anderes als dessen möglichst weit getriebene Unterwerfung unter den durch das Präsidium und die Majorität ausgedrückten Willen der übrigen Bundesgenossen verstehen, werden allerdings in eine lebhafte Verstimmung geraten, wenn sie gewahr werden, daß Prenßen sich ihren Schlingen entzieht und das Maß feiner freien Selbstbeschränkung fernerhin nur dem wirklichen Inhalte der Bundesverträge entnehmen will. Unabweisliche Interessen, die einzige Grundlage haltbarer Beziehungen auch zwischen den deutschen Staaten, werden aber bald bewirken, daß die Verstimmten sich in das Unvermeidliche fügen, und dieselben Regierungen, welche jetzt bemüht sind, Preußen zu majorisieren, werden sich entschließen, Preußens Einverständnis zu suchen, sobald sie sich überzeugt haben, daß die Haltung Preußens nicht auf einer vorübergehenden Verstimmung, sondern auf festen und definitiven Entschließungen, auf einer wohlüberlegten Erkenntnis der eigenen Interessen beruht.

10. Geschichtliches Lesebuch - S. 177

1903 - Göttingen : Vandenhoeck u. Ruprecht
Xii. Maurenbrecher, Deutschland von 1850 bis 1856. 177 Das deutsche Zukunftsreich erschien damals nur möglich auf Grund des Liberalismus: das galt als ein Dogma, ein Axiom, das man vor jeder weiteren Erörterung glauben mußte. Das alte historische Preußen mit feinem Heer, feiner straffen Verwaltung, seiner Bureaukratie und seinem Junkertum sah mehr wie eine Hemmung als wie ein Hülfsmittel aus. Über das spezifisch Preußentum ging man leicht hinweg; „national-deutsch" und „preußisch" erschienen damals als Gegensätze, es waren wenigstens sehr weit auseinandergehende Begriffe. Eine gewisse kosmopolitische Richtung eignete diesen Tendenzen. Man bildete sich ein, Preußen nach dem liberalen Prinzip erst umgestalten und verbessern zu sollen, ehe es als Grundlage für die deutsche Einheit brauchbar würde. Und doch wuchs in dieser selben Zeit, als die öffentliche Meinung, welche patriotisch dachte und fühlte, jene Irrwege ging und jenen Trugbildern anhing, aus dem Kreise des Junkertums preußischster Färbung der Staatsmann empor, der das Deutsche Reich in der Wirklichkeit schaffen sollte. Otto von Bismarck-Schönhausen (geb. 1. April 1815) war Junker vom Wirbel bis zur Zehe, aber von früh au, wie die preußischen und märkischen und pommerschen Junker, aufs engste mit dem Leben des preußischen Staats verwachsen. Zum erstenmale war man 1847 auf dem Vereinigten Landtag auf ihn aufmerksam geworden: 1849 trat er in der zweiten Kammerx), 1850 in dem Unionsparlament in Erfurt hervor, immer als Heißsporn der äußersten Rechten. Sein Auftreten gab jedesmal das Signal zu heftigem Streit. Schonungslos gegen alle Gegner, sehr antiliberal, aber sehr preußisch und sehr staatlich gesinnt bei allem Junkertum, brauste Bismarck besonders heftig gegen die demokratischen Angriffe wider das Heer und das Königtum auf; er verteidigte mannhaft den Staat gegen den kosmopolitischen Liberalismus — kühn, verwegen und rücksichtslos, redegewandt und schlagfertig ; und doch trotz aller heftigen Reden von Anfang an ein Mann sehr kühler Beobachtung und weitblickender Berechnung, ein Mann mit klarem Verstände, offenem Auge und entschlossenem Charakter, — zugleich Löwe und Fuchs. Mehrmals im Jahre 1849 war sein Name genannt als Minister-kandidat, wenn man einen Ultra-Reaktionär zum Minister zu machen 1) Vgl. Seite 166 (Rede Bismarcks vom 21. April 1849). Müller, Geschichtliches Lesebuch. 12
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