Hilfe und Dokumentation zu WdK-Explorer

Diagramm für Aktuelle Auwahl statistik

1. Beschreibende und lehrende Prosa - S. 494

1889 - Freiburg im Breisgau : Herder
494 B. Aufsatzlehre. allitterieren (s. Teil I, 2. Auflage, S. 7), z. B.: Ach wüßtest du, wie 's Fischlein ist so Wohlig auf dem Grund; daz wilt und daz gewürme die stritent starke stürme (Walther v. d. Vogelweide). Allitterierende Rede- weisen giebt es auch in der Prosa in großer Zahl, z. B.: Feld und Flur; Haus und Herd; Glück und Glas; ganz und gar; matt und müde; samt und sonders; hoffen und harren; singen und sagen; vergeben und vergessen. b) Assonanz, der Gleichklang der Vokale in den Stammsilben aufeinander folgender Wörter, z. B.: Die Schollen rollten Stoß auf Stoß; angst und bange; mit Wissen und Willen; bei Tag und Nacht. e) Reim, der Gleichklang ganzer Silben in Vokalen und Konsonanten am Ende der Wörter bei ungleichem Wortanfange; z. B.: Saft und Kraft; Handel und Wandel; schlecht (— schlicht) und recht; schalten und walten. d) Kongruenz, Nachahmung einer Sache oder einer Vorstellung durch den lautlichen Klang der Wörter, z. B.: Du liebes Kind, komm, geh mit mir! Gar schöne Spiele spiel' ich mit dir; Die Werke klappern Nacht und Tag, Im Takte geht der Hämmer Schlag. Mit der Kon- gruenz verbindet sich gern e) die Harmonie, die Nachahmung des Gedankens oder der Hand- lung durch den Rhythmus, z. B.: Hurtig mit Donnergepolter entrollte der tückische Marmor; Quando conveniunt Maria, Camilla, Sibylla, Sermonem faciunt et ab hoc et ab hac et ab illa. f) Onomatopöie (ovopa-cotroiia), Nachahmung des Lautes durch den Klang des Wortes, z. B.: Nun dappelt's und rappelt's und klappert's im Saal; Näher und näher kam das Gekling' und das Klatschen der Peitsch' und der Pferde Getrampel. 2. Figuren der Wortwiederholung, welche in der Wieder- holung desselben Wortes oder einer Redewendung in derselben oder in veränderter Form und Bedeutung bestehen. Die wichtigsten derselben sind: a) Anaphora (dvacpopd — Zurückführung), die Wiederholung des- selben Wortes oder derselben Wendung am Anfange mehrerer auf- einander folgenden Sätze, z. B.: Arbeit ist des Blutes Balsam, Arbeit ist der Tugend Quell; Sehe jeder, wie er's treibe, Sehe jeder, wo er bleibe; Testis est Italia, testis est Sicilia, testis est Africa, testis est Gallia (Cic. pro 1. M.). b) Epiphora (eiwpopd — Zugabe), die Wiederholung desselben Wortes am Ende mehrerer aufeinander folgenden Sätze oder Satzglieder, z. B.: Die Eintracht ist hin, die Freiheit ist hin; Vielleicht vor wenig Tagen noch, heut' nicht mehr, Seit der Sesin gefangen sitzt, nicht mehr. c) Symploke (aofitrxoxvj — Verflechtung) oder Komplepion, die Verbindung von Anaphora und Epiphora, z. B.: Ist das Glück dein Los, bete! Ist dein Leiden groß, bete!

2. Beschreibende und lehrende Prosa - S. 495

1889 - Freiburg im Breisgau : Herder
Iii. Die, sprachliche Darstellung. 495 6) Epizeuxis (eiriceufo = Hinzufügung), die Wiederholung des- selben Wortes hintereinander, z. B.: Dahin, dahin zieht unser Weg! Seid einig, einig, einig! e) Epanalepsis (sravar^t; — Wiederaufnahme), die Wieder- holung des Anfangswortes zum Schluffe, z. B.: Endlos unter mir seh' ich den Äther, über mir endlos; Freuet euch im Herrn, ja, freuet euch! f) Annomination, die Wiederholung derselben Wortstämme, z.b.: Das unheimliche Dunkel ward dunkler. g) Wortspiel oder Paronomasie (Trapovogaaia), die Verbin- dung gleicher oder ähnlich klingender Wörter in verschiedener Bedeutung, z. B.: Fiele, sed vide — Trau, aber schau! Der Rheinstrom ist worden zu einem Peinstrom; Ein Schlachten war's, nicht eine Schlacht. Eine Unterart des Wortspiels ist das Anagramm, welches entweder in der rückwärts erfotgenbeit Versetzung von Buchstaben oder Wörtern (Nebel — Leben), oder in der Versetzung von Buchstaben oder Wörtern besteht, um daraus andere Wörter von verschiedenem Sinne zu bilden. 3. Figuren der Wortverbindung. Die wichtigsten sind: a) Asyndeton (dauvosxov = a priv., cuv und Ss<o — ich binde), die Weglassung der Verbindungspartikeln, z. B.: Vvui, vidi, vioi: Ich kam, sah, siegte; Alles rennet, rettet, flüchtet. b) Polysyndeton (ttoxucjuvostov), Häufung der Verbindung, z. B.: Und drinnen waltet die züchtige Hausfrau Und lehret die Mädchen Und wehret den Knaben Und reget ohn' Ende Die fleißigen Hände. c) Ellipse (sxxei'ji'.?), die Auslassung eines oder mehrerer Wörter, welche aus dem Sinne leicht ergänzt werden können, z. B.: In die Ecke, Besen, Besen! Seid's gewesen! d) Inversion (inversio, hyperbaton), i)ie absichtliche Abweichung von der gewöhnlichen Wortfolge, z. B.: Wohl ist sie schön, die Welt! Sie scheint dir selbst gelegen, diese Frist! e) Chiasmus (ylaagos), Kreuzstellung der Worte innerhalb eines Satzes in der Gestalt eines griechischen X, z. B.: Tod ist ein langer Schlaf, Schlaf ist ein kurzer Tod; Der König wartet, und es harrt das Volk. Ii. Die Satz- oder Sinnfiguren. Die Satzfiguren bestehen in einer von der gewöhnlichen abweichen- den Gestaltung des Gedankens, welche durch eine Erregung der Seele hervorgerufen wird. Man unterscheidet: X. Satzfiguren, welche ans einer Umgestaltung der gewöhnlichen grammatischen Form des Satzes beruhen. Dahin gehören: 1. Satzfiguren, welche eine Abweichung von der natürlichen Form der Behauptung oder Erzählung enthalten. Die wichtigsten sind:

3. Beschreibende und lehrende Prosa - S. 497

1889 - Freiburg im Breisgau : Herder
Iii. Die sprachliche Darstellung. 497 Güterverlust läßt sich ersetzen, über andern Verlust tröstet die Zeit — nur ein Übel ist unheilbar: wenn der Mensch sich selbst aufgiebt. 3. Satzfiguren, welche eine Gegenüberstellung von Gedanken enthalten. Dahin gehören: a) Die Vergleichung. Diese setzt neben den eigentlichen Ausdruck einen verwandten, der einer andern Begrifsssphäre entlehnt ist. Es besteht die Vergleichung daher aus drei Teilen: ans Bild, Gegenbild und dem tartiuin eoinparationis, d. h. dem Merkmale oder dem Vergleichungs- punkte, in welchem die beiden verglichenen Gegenstände übereinstimmen, z.b.: Tosenden Winden gleich ans die Feinde losstürzen; Vernehm' ich dich, so wendet sich, o Teurer! Wie sich die Blume nach der Sonne wendet, Die Seele, von dem Strahle deiner Worte Getroffen, sich dem süßen Troste nach (Goethes Iphigenie). Bild und Gegenbild werden durch eine vergleichende Partikel verbunden, das tertium eoinparationm wird meistens ausgelassen. Die Vergleichung wird zu einem Gleichnisse, wenn sie weiter ausgeführt wird, so daß sie zu einem Gemälde wird, z. B.: Steht nicht da, schroff und unzugänglich, Wie die Felsenklippe, die der Strandende, Vergeblich ringend, zu erfassen strebt; Gleichnis zwischen dem menschlichen Leben und einem Flusse. Das Gleichnis wird zur Parallele, wenn die Ähnlichkeiten zwi- schen Bild und Gegenbild vollständig nebeneinander gestellt werden, d) Der Parallelismusz die Gegenüberstellung ähnlicher Gedanken, z. B.: Es toben die Völker, und die Nationen brüten Verderbliches, o) Die Anti- these (Mvuftsai?), die Gegenüberstellung von Gedanken mit entgegengesetz- tem Inhalte, z. B.: Der Wahn ist kurz, die Reu' ist lang. Die Antithese wird zum Kontraste, wenn Satz und Gegensatz parallel in Anti- thesen nebeneinander gestellt werden, z. B.: Der König furchtbar präch- tig, wie blut'ger Nordlichtschein, Die Königin süß und milde, als blickte Vollmond drein. Werden zwei widersprechende Vorstellungen in einem Satze grammatisch miteinander verbunden, so entsteht ä) das Oxymoron Gtög.kug?)v — spitze oder witzige Dummheit), z.b.: der arme Reiche; ein beredtes Schweigen; Es wird mir eng im weiten Land, o) Das Para- doxon (mcpáoosov = das Unerwartete), wenn unter scheinbarem Wider- sprüche ein überraschender Gedanke eintritt, z. B.: Am größten ist der Große in dem Kleinen; Die Feinde gerieten nahe genug aneinander, Doch um als Freund, als Gast sich zu bewirten, f) Die Ironie (etpcovcia) sagt das Gegenteil von dem, was sie meint, z. B.: Jst's der im Nachen, den ihr sucht? — Reit' zu! Wenn ihr frisch beilegt, holt ihr ihn noch ein. — Ein vorzügliches Muster einer weit durchgeführten Ironie ist die Rede des Antonius an das Volk in Shakespeares „Julius Cäsar". Ton und Zu- sammenhang lassen meistens keinen Zweifel, was eigentlich gemeint sei. 1 Dieser Parallelismus ist vorzugsweise der hebräischen Poesie eigen. H ense, Lesebuch. Iii. oo

4. Beschreibende und lehrende Prosa - S. 499

1889 - Freiburg im Breisgau : Herder
Iii. Die sprachliche Darstellung. 499 weiterer Ausführung sind z. B.: der Staat unter dem Bilde eines Schiffes, „Mahomets Gesang" von Goethe, die „Einkehr" von Uhland u. a. 2. Die Metonymie (jisra-unb Zvop.« — Namensvertauschung), welche in der Vertauschung oder Übertragung von Vorstellungen besteht, die miteinander in natürlichem Zusammenhange stehen. Ein solcher natürlicher Zusammenhang besteht: a) zwischen Ursache und Wirkung. Daher kann stehen a) die Ursache statt der W i r k u n g, z. B.: So wandert er an leichtem Stabe Aus Rhegium, des Gottes voll; Wer rief euch in das fremde Land, Den blühenden Fleiß der Felder zu verwüsten? So steht der Verfasser für sein Werk, die Arbeit des Landmanns statt der Frucht; ß) Die Wirkung statt der Ursache, z. V.: Denn was er sinnt, ist Schrecken, und was er schreibt, ist Blut; das grämliche Grau (— Greisenalter). b) Zwischen dem Wesen eines Dinges und seinen Eigenschaften, zwischen Besitzer und Besitz. Daher kann stehen: a) die Eigenschaft für das Subjekt, dem sie zukommt, und umgekehrt, z. B.: Die Unschuld wohnt nicht mehr auf Erden, statt: unschuldige Menschen; Er ist ein Cicero, statt: tüchtiger Redner; ß) die Person für die ihr zugehörende Sache, z. B.: Der Nachbar brennt, statt: das Haus des Nachbars, o) Zwischen dem Orte und dem an demselben Befind- lichen, z. B.: Der Wald singt, d. h. die Vögel singen, ä) Zwischen der Zeit und dem in derselben Vorgehenden, z. B.: Das Jahr übt eine heiligende Kraft; ein aufgeklärtes Jahrhundert; die Gegenwart, statt: die Zeitgenossen, e) Zwischen dem Stoffe und dem aus ihm Verfer- tigten, z. B.: Mit dem Stahl (statt Schwert) durchbohrt' er ihm die Brust, t) Zwischen dem Zeichen und der bezeichneten Sache, z. B.: Der Halbmond, statt: Türken; die Krone, statt: Reich. Die Umschreibung (itspicppaai?), eine besondere Art der Meto- nymie, entsteht, wenn statt eines Gegenstandes mehrere Eigenschaften desselben hervorgehoben werden, um ein besonders anschauliches Bild des- selben zu erwirken, z. B.: Kennst du das Land, wo die Citronen blühn, Im dunklen Laub die Goldorangen glühn u. s. w. Auch der Euphe- mismus ist eine Umschreibung, welche dazu dient, eine unangenehme oder häßliche Sache durch mildere oder angenehmere Worte zu ersetzen, z. B. statt sterben die Umschreibungen: entschlafen, hinscheiden, zum bessern Leben übergehen, in die ewige Heimat reisen u. a.; Landsmann, tröstet Ihr mein Weib, Wenn mir was Menschliches begegnet. 3. Die Synekdoche (cuvsxooyrj (von au vsxosy sabai — mit oder zu- gleich auffassen)), welche in der Vertauschung oder Übertragung von Vor- stellungen besteht, die in einem Teil- oder Zahlverhältnisse zu einander stehen. So wird gesetzt: a) ein Teil für das Ganze und umgekehrt (selten), z. B.: Von fernher kommen wir gezogen Und flehen 32 *

5. Beschreibende und lehrende Prosa - S. 500

1889 - Freiburg im Breisgau : Herder
500 C. Musteraufsätze für Schüler. um ein wirtlich Dach; Segel, statt: Schiff; die Biene, statt: Honig; Die ganze Stadt jubelt, statt: viele Einwohner, b) Das Besondere für das Allgemeine und umgekehrt, das Individuum für die Gattung und umgekehrt, z. B.: der Süd, statt: Wind überhaupt; Mücenas, statt: Beschützer der Künste und Wissenschaften; Eiche, statt: Baum; Künstler, statt: Musiker, Maler, Bildhauer, o) Das Bestimmte für das Unbestimmte, das Kleinere für das Größere und um- gekehrt, z. B.: Tausendmal gedenk' ich dein; Und schaudernd dacht' ich's, da kroch's heran, Regte hundert Gelenke zugleich. Findet in letzterem Falle eine Vergrößerung über die Wahrheit oder Wirklichkeit hinaus statt, so entsteht die Hyperbel (u7rspßo>.7j — Übertreibung), z. B.: Bis zum Himmel spritzt der dampfende Gischt; Er eilt dahin, hurtiger als der Wind; ein Strom von Thränen. Eine meist nur scheinbare Verminde- rung oder Herabsetzung unter die Wahrheit ist die Litotes (Xtror/js — Geringfügigkeit), z. B.: Nicht unbedachtsam zog ich hin, Das Ungeheuer zu bekriegen; ein nicht gemeiner Geist; ein nicht unedles Wort. Die Nedefigureu und Tropen werden nur dann ihren Zweck der Belebung und Veranschaulichung erreichen, wenn sie wahr, natürlich und ungesucht sind. Ein absichtliches Suchen nach den- selben und eine unnatürliche Häufung beeinträchtigen eher den Stil, als daß sie denselben fördern und beleben. 6. Musteraufsätze für Schüler. I. Sedeutung der drei Eingangsliedchen in Schiller» „Wilhelm Teil". Disposition. Einleitung: Die Kunst des Dichters, in dem Drama „Wilhelm Tell" ein Land mit seinen Einwohnern, welches er nie gesehen, auf das treueste zu zeichnen. Abhandlung: Diese Kunst zeigt sich sofort in den drei Eingangs- liedchen, denn sie zeichnen klar: I. Das Land: 1. die Seen, 2. die Matten, 3. das Hochgebirge. Ii. Die Leute: 1. Fischer, 2. Hirten, 3. Jäger; diese drei Klassen der Bevölkerung sind die Träger der Handlung. Schluß: Durch diese meisterhafte Schilderung ist für das Stück von vornherein eine große Teilnahme erweckt.

6. Beschreibende und lehrende Prosa - S. 502

1889 - Freiburg im Breisgau : Herder
502 C. Musteraufsätze für Schüler. Der Stand der Fischer ist uns freilich zunächst nur vorgeführt durch den Fischerknaben; in seinen Mund paßt eben besser der Inhalt des von ihm gesungenen Liedchens; auch tritt der Fischer selbst sofort nach den drei Eingangsliedchen auf. Sich schaukelnd im Kahne auf dem lächelnden See, erfreut er sich der ersehnten Ruhe nach harter Arbeit und singt be- geistert von den süßen Engelstimmen, die aus der Tiefe des Wassers her- aufklingen und den am grünen Gestade schlafenden Knaben mit magischer Kraft in die Tiefe hinabziehen. Der Hirt wirft einen wehmütigen Blick zurück zu seinen Matten, von denen er beim nahenden Winter Abschied nehmen muß; doch schon freut er sich des kommenden Frühlings, wenn der Schnee zerrinnt und die Brüunlein sich füllen, so daß sie fließen im lieblichen Mai, wenn wieder der Vögel Sang ertönt und die Erde sich neu mit Blumen kleidet; denn dann beginnt wieder die „Alpenauffahrt", dann ist der Freudentag erschienen, an welchem Vieh und Hirten auf vier Monate fröhlich hinaus- ziehen aus dem engen und beengenden Hause in die frische, freie, fröh- liche Natur. Munter schreitet voran die Leitkuh, ihr nach die ganze Herde, und zuletzt folgeu die Sennen mit Saumrossen, welche die Gerät- schaften für die Milch tragen, aus welcher in der Sennhütte der mundende Schweizerkäse oder Emmenthaler bereitet wird. Wechselnder, aber ungleich gefährlicher ist das Leben des Jägers; er schreitet verwegen ans Feldern von Eis und zagt nicht, wenn er selbst- bewußt über den zitternden Steg geht, um kühn nachzueilen bent flüch- tigen Gemsbocke; er genießt erst dann seines Lebens recht, wenn er in Not und Gefahr es sich jeden Tag neu erbeutet. Fischer, Hirten und Jäger sind die Träger der Handlung des Stückes. Wir dürfen erwarten, daß diese kräftigen, wettergestählten, mit der Natur ihrer Heimat auf das innigste verwachsenen, für die Freiheit und für ihr schönes Vaterland begeisterten Gestalten, deren Heimats- und Vaterlands- liebe deutlich aus ihren Liedern hervorklingt, alles daran setzen werden, um das Vaterland in seiner Freiheit, dem teuersten Erbgute, zu schirmen und zu erhalten. So hat uns der Dichter durch meisterhafte Schilderung Land und Leute kennen gelehrt; er hat uns zugleich große Teilnahme erweckt für die erhabene Pracht des Landes und für die charakteristischen Züge der Hanptklassen der Bevölkerung und hat so unsere Erwartung auf die Handlung, die auf solchem Boden und von solchen Leuten vollführt sich abspielen soll, wesentlich gesteigert.

7. Beschreibende und lehrende Prosa - S. 507

1889 - Freiburg im Breisgau : Herder
Iv. Siegfried. Eine Charakteristik. 507 Ernte." Er erteilt jedem Menschen die Mahnung, rechtzeitig seine körper- lichen, intellektuellen und moralischen Kräfte zu bilden und zu stärken, damit er in den Stand gesetzt werde, seinen späteren Berufspflichten voll und ganz zu genügen, damit er, gleich dem Landmanne, der in Ruhe dem Winter entgegensieht, frei von Nahrungssorgen und in sich zufrieden, weil er den Zweck seines Daseins erfüllt, seinem Lebensabende ruhig entgegen- sehen kann. Sind Feld und Garten ihrer reichen Gaben entledigt, so redet der Herbst eine noch eindringlichere Sprache. Die Tage werden kürzer, die Nächte länger und kälter, dichter Nebel deckt am Morgen die Fluren. Verstummt ist der heitere Gesang der Vögel; viele derselben sammeln sich in Scharen, um beim Herannahen der rauhen, kalten Jahreszeit in wärmere Länder zu ziehen. Bald zeigen die Blätter des Waldes statt ihres bisherigen Grün eine bunte Färbung, bald decken sie, nach dem Reife einer kalten Nacht niederfallend, den Boden, und kahl und öde stehen die Bäume. So kündigt alles in der Natur uns die Vergänglich- keit des Irdischen an, so ruft uns der Herbst das eindringliche Wort zu: „Vergänglich bist auch du; auch du wirst dahinschwinden, wie der Herbst mit seiner Pracht dahingegangen ist." Wer sollte bei diesen mahnenden Worten des Herbstes seinen Blick nicht richten von diesem Thäte der Ver- gänglichkeit hinauf zu dem Jenseits, welches ewig und unwandelbar ist? Wer sollte nicht erkennen, daß übermäßiges Streben nach irdischen, d. h. vergänglichen Gütern eitel und nichtig, daß der Mensch zu höherem Zwecke berufen sei, berufen, sein wahres Heil zu wirken für die Ewigkeit? So redet der Herbst eine laute und eindringliche Sprache, eindring- lich für jeden Menschen, eindringlich besonders auch für den studierenden Jüngling, da für ihn die Jünglingszeit die richtige Zeit der Aussaat ist, von deren Aufgehen und Frucht nicht bloß das irdische Wohlergehen, sondern zumeist, was weit wichtiger ist, die Entscheidung für ein über- irdisches, ewiges Leben abhängig ist. Iv. Siegfried. Eine Charakteristik. Disposition. V. Wie Achilles die glänzendste Erscheinung der „Ilias", so ist im ersten Teile des „Nibelungenliedes" Siegfried, durch die herrlichsten Tugen- den hervorragend, die hehrste Lichtgestalt. B. Derselbe ist ausgezeichnet: 1. Durch unüberwindliche Tapferkeit: a.) persönliche Mannhaftigkeit, b) überirdische Kraft; 2. durch zarte Bescheidenheit;

8. Beschreibende und lehrende Prosa - S. 511

1889 - Freiburg im Breisgau : Herder
V. Bürgers „Settore" eine Musterballade. 511 der er nichts geheim hat, seine Mitwirkung bei der Überwältigung Brun- hildens mitteilt und ihr den Ring und Gürtel derselben schenkt, nicht allein nicht geschwächt, sondern vielmehr noch gehoben wird. Verstehen können wir daher auch die unendliche Klage Kriemhildens um den ihr ge- raubten so teuren Gemahl, ja, wir sind fast geneigt, ihr zu verzeihen, daß sie den unvergleichlichen, so innig geliebten Helden au seinen Mördern so furchtbar rächte; war er doch der herrlichste von allen, dessen Bild in ihr niemals verdunkelt werden konnte, dessen Gestalt auch heute noch dem deutschen Volksepos zur höchsten Zierde gereicht. V. Bürgers „Lenore" eine Mnsterballade. Disposition. A. Das Wesen der Ballade und ihre Einführung i}t die deutsche Littera- tur durch Bürger vermittelst der „Lenore". B. Diese ist eine wahre Musterballade: I. Durch ihren Stoff. 1. Derselbe ist zum Teil der Geschichte, vorwiegend aber der Sage entlehnt; 2. derselbe ist düster, selbst grausig und erschütternd; 3. er zeigt volkstümlichen Charakter, und zwar: a) Durch den Hinweis auf einen im Andenken des Volkes lebenden großen Krieg und durch die Behandlung einer all- gemein bekannten Volkssage; b) durch die dem Volke entnommenen Gestalten; o) durch manche volkstümliche Ausdrücke und Wendungen. Ii. Durch ihre Anlage; dieselbe zeigt: 1. Dramatischen Aufbau; 2. Anwendung des Dialoges; 3. stete Steigerung der Darstellung. Iii. Durch ihre Form: 1. Versmaß und Reimstellung; 2. Benutzung verschiedener Figuren. 6. Lenore ist daher ein wahres Kunstwerk, eine Musterballade, welche dem Dichter nach Schlegels Wort die Unsterblichkeit sichert. Ausführung. Die Ballade, schottisch-englischen Ursprungs, liebt einen ernsten, düstern, ja selbst grauenhaften und unheimlichen historischen, meist der Volkssage entnommenen Stoff, den sie in knapper Form bei rasch fort- schreitender, oft dramatisch gehaltener Handlung zur Anschauung bringt.

9. Beschreibende und lehrende Prosa - S. 513

1889 - Freiburg im Breisgau : Herder
V. Bürgers „Lenore" eine Musterballade. 513 Phantasie aufgeht. Das blutende.herz, das nach zertrümmerter Hoffnung mit Gottes Vorsehung vermessen hadert, das sich selbst den Tod wünscht „in Nacht und Graus", ist jeder Tröstung seitens der Mutter und seitens der Religion unzugänglich, da es nur Vereinigung mit dem Geliebten er- sehnt, bei dem es Seligkeit und ohne den es Hölle zu finden wähnt. Und als diese Vereinigung scheinbar erfolgt, da packt uns kalter Grans ob des furchtbaren Geisterrittes, der, immer schauerlicher sich gestaltend, end- lich mit dem schrecklichen Tode Lenorens seinen Abschluß findet. Dazu hat dieser Stoff einen durchaus volkstümlichen Charakter. Ein jeder Krieg läßt im Herzen des Volkes, welches ihn glücklich geführt, eine gewisse Begeisterung zurück, mit der es jede Erinnerung an denselben freudig aufnimmt. So lebte im preußischen und auch im ganzen deutschen Volke ein lebhaftes, begeistertes Gedenken des Siebenjährigen Krieges und des großen Friedrich, der durch denselben das bisher kleine Preußen zu einer Großmacht erhoben und deutsches Wesen wieder zur Geltung ge- bracht hatte. Kein Wunder daher, daß ein Stoff, welcher jenen großen Krieg zum Hintergründe hatte, das Volk mächtig anregte und begeisterte. Gar tief ist ferner bei dem Volke eingewurzelt der Glaube an Gespenster, an ein Wiedererstehen der Gestorbenen, die um Mitternacht erscheinen, entweder weil sie im Leben große Sünder gewesen und deshalb im Grabe keine Ruhe finden können, oder weil sie die Hinterbliebenen, die im Über- maße der Trauer sich an Gottes Vorsehung versündigen, warnen oder strafen wollen. Der volkstümliche Charakter zeigt sich ferner in den handelnd auf- tretenden Personen. Wilhelm ist ein Sohn ans dem Volke, der mit seinem Könige auszog, um für die Größe seines Vaterlandes das Schwert zu führen. Ihm gleichbürtig ist Lenore; in ihrer übergroßen Liebe setzt sie vermessen alles hintan, was ihr vordem heilig gewesen. Eine schlichte, einfache Frau ist Lenorens Mutter, die in wahrer Herzensfrömmigkeit als Heilmittel für das Leid ihrer geliebten Tochter nur Gebet und Sakrament kennt, deren Gedanken und Worte deutlich die Gottergebenheit und das gläubige Vertrauen eines einfachen Weibes ans dem Volke kennzeichnen. Auch die Sprache ist in vielen Ausdrücken und Wendungen echt volkstümlich, wie in: „Hurre, hurre, hvpp, hopp, hopp!" „Trab, trab, trab!" „Und hui!" „Hilf Gott!" „Ach, daß sich Gott erbarme!" „Was Gott thut, das ist wohlgethan." „Hin ist hin! Verloren ist ver- loren!" u. s. w. Wie durch die Eigenart des Stoffes, so ist die Ballade auch durch ihre Anlage ausgezeichnet. Sie ist ganz dramatisch aufgebaut, so daß man eine kleine Tragödie in Akten daraus bilden könnte mit Exposi-

10. Beschreibende und lehrende Prosa - S. 519

1889 - Freiburg im Breisgau : Herder
Vi. Das Hildebrandslied ein Kleinod altdeutscher Dichtung. 519 Heiße Vaterliebe und das brennende Gefühl der Ehre, die dem Helden über alles geht, toben darin und zerren den vor innerem Schmerze in stöhnende Jammerlaute Ausbrechenden hin und her. Die Ehre siegt, sie heischt den Kampf, kostet es auch das Blut des einzigen geliebten Sohnes. In Wahrheit eine Scene, wie sie packender, erschütternder, herzzerreißen- der nicht gedacht werden kann, wie sie nur wenige dichterische Schöpfungen zu bieten vermögen. Und nun geschieht das Entsetzliche. Ein wütender Kampf bricht los. Waffen blitzen und sausen, und furchtbar sind ihre Wirkungen. Den Ausgang erfahren wir leider nicht, weil das Ende des Liedes nicht erhalten ist. Der Verlust ist jedoch zu verschmerzen, da wir das, was den Höhepunkt des Gedichtes ausmacht und ihm seine Groß- artigkeit und seinen Hauptwert verleiht, die Schilderung des innern Seelenkampfes, glücklicherweise ganz besitzen. Wird unsere Aufmerksamkeit auch vorzugsweise durch die Personen und die Handlung, welche sozusagen den Vordergrund des Liedes aus- machen, in Anspruch genommen, so erfahren wir auch noch manches andere, was der Beachtung wert ist. Auch die Schicksale Dietrichs von Bern und seines Feindes Otaker erhalten in dem Liede hinreichende Beleuchtung. Jener ist in einem Kampfe gegen diesen unterlegen, freilich im Wider- sprüche mit der Geschichte; er zieht an den Hof Etzels, der, wie wir aus dem „Nibelungenliede" wissen, in der Sage als eine Zufluchtsstätte für alle unglücklichen Landesflüchtigen und zugleich als Schauplatz ihrer wei- teren Heldenthaten gilt. Otaker ist der glückliche Sieger und hat ein starkes, wohlgeschütztes Reich gegründet. Dietrich ist ein echter germa- nischer Volkskönig, der seinen Unterthanen mehr Freund als Herrscher ist; aber auch Otaker ist ein Mann, von dem man, nach dem Verfahren gegen Hildebrands Familie zu rechnen, für das Verhältnis zu seinen Unter- thanen nur das Beste annehmen darf. So entfaltet sich denn im Hinter- gründe des Liedes ein bemerkenswertes Stück germanischer Geschichte. Nicht minder ansprechend ist, was dasselbe über die Zustände und Sitten dieses Zeitabschnittes, namentlich über die Mittel und den Brauch des Kampfes, zu melden weiß. Lanzen mit eschenen Schäften, Kampfbeile von Stein und Schwerter sind die Angriffs-, Ringpanzer und Schilde von Lindenholz sind die Verteidigungswaffen, goldene Armringe dagegen ein gesuchter Schmuck des Kriegers. Zuerst werden die Lanzen geworfen, dann stürmt man mit Beil und Schwert gegeneinander. Ziel des Kampfes ist der Tod des Feindes, Lohn desselben seine erbeutete Rüstung. Der Zweikampf der Anführer inmitten der feindlich gegenüberstehenden Heere ist ein beliebtes Mittel, einen Krieg zum Austrage zu bringen. Alle diese Dinge erregen doppeltes Interesse, wenn mau sich erinnert, daß die Kampfsitten der Helden der Homerischen „Ilias" fast dasselbe Bild dar-
   bis 10 von 26 weiter»  »»
26 Seiten  
CSV-Datei Exportieren: von 26 Ergebnissen - Start bei:
Normalisierte Texte aller aktuellen Treffer
Auswahl:
Filter:

TM Hauptwörter (50)50

# Name Treffer  
0 2
1 4
2 0
3 0
4 0
5 2
6 0
7 1
8 2
9 0
10 7
11 0
12 0
13 0
14 0
15 0
16 0
17 0
18 1
19 0
20 0
21 0
22 0
23 0
24 0
25 0
26 0
27 0
28 0
29 0
30 0
31 0
32 0
33 1
34 0
35 0
36 0
37 19
38 1
39 0
40 0
41 0
42 0
43 4
44 1
45 26
46 0
47 0
48 0
49 0

TM Hauptwörter (100)100

# Name Treffer  
0 0
1 11
2 0
3 4
4 0
5 0
6 0
7 0
8 0
9 1
10 0
11 0
12 0
13 0
14 0
15 0
16 1
17 12
18 0
19 0
20 0
21 4
22 0
23 2
24 0
25 0
26 0
27 0
28 1
29 0
30 0
31 0
32 0
33 0
34 0
35 18
36 0
37 0
38 0
39 1
40 0
41 0
42 0
43 1
44 0
45 15
46 0
47 0
48 0
49 0
50 0
51 0
52 9
53 0
54 3
55 0
56 0
57 0
58 0
59 0
60 0
61 0
62 1
63 0
64 0
65 0
66 0
67 0
68 3
69 0
70 0
71 1
72 0
73 0
74 0
75 0
76 0
77 9
78 0
79 0
80 0
81 0
82 2
83 0
84 0
85 0
86 0
87 0
88 0
89 0
90 0
91 0
92 17
93 0
94 1
95 0
96 0
97 0
98 2
99 0

TM Hauptwörter (200)200

# Name Treffer  
0 0
1 0
2 0
3 2
4 0
5 1
6 3
7 0
8 0
9 0
10 0
11 0
12 0
13 4
14 0
15 0
16 0
17 0
18 0
19 0
20 0
21 0
22 0
23 0
24 3
25 0
26 0
27 0
28 1
29 3
30 0
31 0
32 1
33 9
34 1
35 0
36 0
37 0
38 0
39 0
40 0
41 4
42 0
43 0
44 0
45 0
46 2
47 4
48 0
49 0
50 0
51 4
52 0
53 0
54 0
55 0
56 0
57 0
58 0
59 8
60 0
61 0
62 3
63 0
64 0
65 1
66 0
67 0
68 0
69 0
70 0
71 1
72 0
73 0
74 5
75 3
76 0
77 0
78 0
79 0
80 0
81 23
82 0
83 0
84 0
85 0
86 0
87 0
88 0
89 2
90 1
91 1
92 0
93 0
94 0
95 0
96 1
97 0
98 0
99 0
100 2
101 0
102 1
103 0
104 0
105 0
106 0
107 3
108 0
109 0
110 0
111 0
112 3
113 0
114 0
115 0
116 1
117 0
118 0
119 0
120 0
121 0
122 0
123 0
124 1
125 0
126 0
127 1
128 0
129 0
130 0
131 2
132 0
133 1
134 0
135 0
136 52
137 0
138 0
139 0
140 0
141 0
142 2
143 2
144 0
145 0
146 0
147 0
148 0
149 0
150 0
151 0
152 2
153 0
154 0
155 0
156 0
157 0
158 0
159 0
160 0
161 0
162 0
163 1
164 0
165 0
166 2
167 0
168 0
169 0
170 0
171 0
172 14
173 42
174 0
175 18
176 0
177 1
178 0
179 11
180 0
181 0
182 1
183 48
184 0
185 1
186 0
187 0
188 0
189 0
190 0
191 0
192 0
193 0
194 0
195 0
196 0
197 0
198 0
199 0