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1. Geschichte des Mittelalters - S. 220

1866 - Freiburg im Breisgau : Herder
220 Das heilige römische Reich deutscher Nation. Liede. Das ganze Wesen des Ritterthums in seiner Blüte, wie in seiner Entartung spiegelte sich in einer eigenthümlichen poetischen Li- teratur ab, deren Träger und Pfleger Ritter und Höfe, deren Stoffe ritterliche Thaten und Tugenden, Gottes- und Frauenliebe waren. Von dieser ritterlichen oder höfischen Dichtung, die als Kunstpoesie im Gegensätze zur Volksdichtung auftrat, ist uns gar vieles erhalten und höchst wichtig für die Kenntniß der geselligen und sittlichen Zustände in den politischen Parteien des Mittelalters. Diese Gedichte sind zu- gleich die wichtigsteu Denkmäler der mittelhochdeutschen Sprache, denn die damaligen Schriftsteller bedienten sich ausschließlich der lateinischen Sprache; auch die Urkunden wurden noch im 13. Jahrhundert in der Regel lateinisch abgefaßt; die ältesten deutschen Rechtsbücher, der Sachsenspiegel (den wir nicht in seiner ursprünglichen Gestalt besitzen) und der Schwabenspiegel, gehören jedoch schon der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts an. Am frühesten erwachte der ritterliche Sang im Gebiete der proven- hñlischen Sprache, in Südfrankreich und im nordöstlichen Spanien; hier wanderten die Troubadours (Erfinder, von trouver; sie waren Dichter und Sänger in einer Person) von Burg zu Burg, von einem Feste zum andern, und fanden allenthalben gastliche Aufnahme, denn ihre Lieder waren die Würze der geselligen Unterhaltung für Herren und Frauen, und die Vornehmsten suchten ihren Ruhm darin, auch als Dichter zu glänzen oder doch die Dichtkunst auf jegliche Weise zu hegen und zu pflegen. Während Frauenliebe der Grundton der provenyalischen Dich- tung war und blieb, wurde in Nordfrankreich und England vorzugs- weise die ritterliche Heldendichtung gepflegt, welche theils die Thaten und Sagen von Karl dem Großen, von König Artus, dem walisischen Helden und dessen Genossen, und vom heiligen Gral (die Schüflel des heiligen Abendmahls) zu ihrem Mittelpunkte machte, theils Helden der heidnischen Vorzeit, Alerander den Großen und Aeneas, zu christlichen Rittern um- schuf und besang. Die Kreuzzüge verliehen dem ganzen Leben der Zeit und nament- lich auch der Dichtkunst höheren Schwung und religiöse Weihe, das ferne wunderbare Morgenland in seinen Beziehungen und Kämpfen mit dem Abendland bot der dichterischen Einbildungskraft unerschöpfliche Stoffe; sie brachten aber auch die Völker Europas in gegenseitigen und innigen Verkehr, sie lernten ihre Sprachen, Geschichten und Sagen gegenseitig kennen, und in dieser Zeit war es, wo auch im deutschen Reich die Ritterdichtung aufkam und schönere Blüten trieb als irgendwo (1150 bis 1240). Unter den Hohenstaufen, welche die Dichtkunst liebten und fast sämmtlich selbst Dichter waren, erreichte die Dichtkunst ihre höchste Voll-

2. Geschichte des Mittelalters - S. 225

1866 - Freiburg im Breisgau : Herder
Die Wissenschaft. 225 Bogen gegen das Himmelsgewölbe, welches die Spitze des Thurmes zu berühren scheint. Um die strebenden Pfeiler und Bögen schlingen sich Blumengewinde und rankende Pflanzen; denn die Blumen, die dem dunkeln Schooße der Erde entkeimen, sehnen sich nach dem Lichte, und die Regungen der Andacht, welche das Angesicht des Menschen verklären, richten auch dessen Auge himmelwärts. Die Fundamente des christlichen Glaubens sind mannigfaltig in dem Bau und dessen Bildwerken auf der Außenseite und dem Innern ausgesprochen. Im Innern tragen zwei hohe Säulenreihen das Gebäude, und wieder sind es die schlanken Spitz- bögen, in welche die Säulen auslaufen und als Kreuzgewölbe die Decke tragen. Die Seitenhallen zwischen den Säulen und Mauern sind mit Nebenaltärcn und Denkmälern geziert; sie und das Schiff enden in dem Chore, wo der Hochaltar steht, der immer gegen Sonnenaufgang ge- richtet ist; er ist gleichsam der Juwel des Baues, wie das heilige Meß- opfer die Vollendung des Cultus ist. Im Chore haben Baumeister, Maler, Bildhauer und andere Künstler ihre ganze Kunst aufgeboten (auch die ersten Künstler waren die Mönche, der bürgerliche Künstler ist ihr Schüler, der den Meister übertrifft); denn im Chore wurde der feierliche Gottesdienst gehalten und ihn betraten in der Regel nur die Priester, er ist gleichsam die Fassung des Edelsteins. Die Fenster, durch welche das Licht eindringt, wurden kunstvoll gemalt; die Bilder der hl. Geschichte, auch Begebenheiten, welche die Kirche selbst betrafen, wurden in den Scheiben dargestellt und es strahlt eine wunderbare Farbenpracht in den Kirchenraum, wenn die Fenster von der Sonne beschienen werden. Die Orgel, welche mit ihrem majestätischen Tone das Innere füllt, das Geläute der großen Glocken, welche von der Höhe des Thurmes im wogenden Schalle in weite Ferne rufen, vollenden würdig das Ganze. Deutsche Meister haben diese Baukunst erfunden, vervollkommnet und in andere Länder verpflanzt, wo, wie z. B. in Frankreich, herrliche Dome stehen; selbst den berühmten Dom in Mailand hat ein Deutscher entworfen, den die Italiener Henriko da Gamundia nennen; es war Heinrich Arler von Gmünd in Schwaben. Die Wissenschaft. Es ist bereits gesagt worden, wie durch die von Klugny ausgehende Reformation und durch den großen Sieg Gregors Vii., welcher der Kirche ihre Freiheit wieder gab, ein neues geistiges Leben erwachte. Hat ein großes Streben die Menschheit einmal ergriffen, so entbinden sich alle Kräfte und suchen im Dienste desselben das Feld ihrer Thätig- keit. Die Blüte dieses Zeitalters, gleichsam sein zur That werdender Grundgedanke, sind die Kreuzzüge; durch diese wurde auch die Wissen- schaft vielfältig gefördert; durch die Kreuzfahrer, sowie durch die Aus- Bumüller, Mittelalter. . r

3. Geschichte der neuen Zeit für Mittelschulen und zum Selbstunterricht - S. 593

1862 - Freiburg im Breisgau : Herder
Verfassungsrevision in Luzern. Berufung der Jesuiten. Erster Freischaarenzug. 593 Das eidgenössische Schießen in Basel im Juli gestaltete sich zu einer bewaffneten Volksversammlung, in der zwar kein augenblicklicher Auf- bruch beschlossen, aber über die Bundesakte der Stab gebrochen wurde, weil dieselbe die Bildung einer Behörde unmöglich mache, welche das Vaterland vor Bürgerkriegen wie im Wallis und vor Parteiverfolgungen wie in Luzern zu schützen vermöge. Der Bund müsse umgestaltet wer- den, sonst reibe sich die Schweiz selbst auf, wurde das Losungswort, das die Schützen von Basel nach Hause brachten, und in dieser Richtung begann nun in allen Gauen die lebhafteste Agitation. Zunächst galt es den Sturz der Luzerner Regierung, deßwegen wurden fast in jedem Kanton Volksversammlungen abgehalten, welche das Begehren stellten, der Gesandte des Kantons sei dahin zu instruieren, daß er auf der Tagsatzung für die Fortweisung der Jesuiten aus Luzern stimme; diesem Andrange wich zuerst die Regierung von Zürich, unterlag vollständig einige Wochen darauf (15. Febr. 1845) die waadtländische, eine der tüchtigsten, die je ein Kanton hatte. Sie erklärte sich im allgemeinen wohl gegen die Berufung der Jesuiten nach Luzern, behauptete aber, dem Kanton Luzern könne niemand das Recht dazu streitig machen, und überdies sei es eine Abgeschmacktheit zu behaupten, einige Patres seien der Schweiz gefährlich und bedrohen die Religion der Reformierten. Die Volksmaffe glaubte anders, sie dachte sich die Jesuiten im Bunde mit weiß Gott was für Mächten, mit einer Art Zaubergewalt ausge- rüstet, zudem war sie gegen die Pietisten (Momiers) mit ihren Ora- torienversammlungen erbost, daher ließ sie sich zu einer Versammlung auf dem Moutbenon berufen und erklärte dort die Regierung als ab- gesetzt. Die Zügel der Bewegung hatte der Staatsrath Druep (ge- storben als Bundesrath 1855) ergriffen, der gleiche Mann, der sich zu- erst gegen die Klosteraufhcbung im Aargau entschieden ausgesprochen und ebenso, auf das Prinzip der Kantonalsouveränität fußend, nicht ein Jahr vorher noch behauptet hatte, man könne Luzern nichts in den Weg legen, wenn es die Jesuiten zu berufen für gut finde. Jetzt sprach er, das Volk habe recht, weil es so wolle, und für ihn gebe es keine andere Pflicht, als dem Volkswillen mit allen Kräften zu dienen. Druep hatte in Berlin Hegel studiert und wandte die Sätze des deutschen Philosophen so folgerichtig in seiner demokratischen Heimat an, als vor Zeiten der Minister Altenstein in anderer Weise es in Preußen zu thun versuchte. Volksversammlungen fanden auch in Solothurn, in Baselland, in Bern und im Aargau statt, und diese führten zunächst zur Ausführung eines großartigen Freischaarenzugs. Die aargauische Negierung sorgte dafür, daß sich ihre Angehörigen in Aarburg mit Kanonen und Munition ver- sehen konnten, die bernische that den ihrigen möglichen Vorschub mit Gewehren und Schießbedarf, Privatleute gaben Stutzer und Musketen Dumüller, Neue Zeit. Oo

4. Geschichte der neuen Zeit für Mittelschulen und zum Selbstunterricht - S. 560

1862 - Freiburg im Breisgau : Herder
560 Die Zeit von 1815 bis 1857. land zu einem Königreiche, aber zu einem so kleinen, daß dasselbe in die Zukunft gar nicht eristieren kann, und aus eben diesem Grunde, so lange es existiert, nicht ruhig sein wird, um so weniger, da jede seiner drei Schutzmächte in demselben eine eigene Partei hegt. Bedroht Grie- chenland die südlichen Provinzen der europäischen Türkei, so ist dieses zerrüttete Reich im Norden vielleicht noch mehr gefährdet. Durch den Frieden von Adrianopel wurden die Moldau und die Walachei der Pforte eigentlich entrissen, obwohl dieselbe jährlich 6 Mill. türkische Piaster Tribut bezieht und der von den Bojaren gewählte Hospodar von ihr installiert wird, jedoch erst, wenn die Wahl auch von Rußland bestätigt ist. Es darf kein Türke in einem der Fürstenthümer bleibenden Wohnsitz nehmen, und die Donaufestungen, welche ihren großen Werth im Kriege gegen Rußland 1828 — 29 zuletzt noch bewiesen hatten, muß- ten von der Pforte geräumt werden und wurden von den Russen ge- sprengt. Die Fürstenthümer haben selbstständige Verwaltung und Rechts- pflege, neben den Milizen reguläre Truppen, selbst Artillerie, seit 1834 eine eigene Flagge und sogar eine Art konstitutioneller Verfassung. Nach derselben wird der Hospodar aus den Bojaren ersten Rangs durch eine außerordentliche Versammlung erwählt, welche aus den Großbojaren, den Abgeordneten des niederen Adels, den akademischen Korporationen und den großen Kaufleuten besteht. Jährlich wird ein Landtag gehalten, der aus den Abgeordneten der Bojaren ersten und zweiten Rangs, der kleineren Grundeigenthümer und aus der hohen Geistlichkeit besteht. Die Minister sind verantwortlich, die Richter unabsetzbar; ihre Urthcile un- terliegen der Bestätigung des Fürsten. Diese Verfassung stammte aus Petersburg und mit Recht durfte man sich fragen: was hat Rußland mit einer solchen liberalen Einrichtung in den beiden Donaufürstenthü- mcrn eigentlich stiften wollen? Wir müssen die Antwort schuldig bleiben, Thatsache aber ist es, daß dadurch die Unabhängigkeit der Fürstenthümer von dem Einflüsse der Pforte gefördert wurde, insofern sie wohl nie mehr einen Hospedaren durchsetzen wird, der ihr Werkzeug wäre, wie ehedem, als derselbe seine Stelle ausschließlich ihrer Gunst verdankte. Gleichzeitig zeigte es sich unverkennbar, daß die Fürstenthümer sich auch dem russischen Ein- flüsse entziehen möchten; es war nach 1840 von geheimen Verbindungen die Rede, die von einem dacischen Reiche träumen sollten, man hörte von russischen und türkischen Warnungen an die Hospedare, 1842 endlich wurde der Hospodar der Walachei, Alexander Demetrius Ghika, von den beiden Schutzmächten abgesetzt, weil er nicht zu regieren verstehe und von den Bojaren vielfach angcklagt werde. Dieser Bojarenhader dauerte aber auch unter dem Fürsten Bibesko fort und beunruhigte ebenso den mol- dauischen Fürsten Michael Stourdza, schien überhaupt die Frucht der Konstitution von 1834 zu sein, welche endlich reif als walachische Revo-

5. Geschichte der neuen Zeit für Mittelschulen und zum Selbstunterricht - S. 570

1862 - Freiburg im Breisgau : Herder
570 Die Zeit von 1815 bis 1857. dem erleichterten Kreditwesen zu Schulden und oft genug zur Verarmung führte, die noch immer die reichlichste Quelle der Unzufriedenheit gewesen ist. Außerdem hatte die junge Generation auf den Schulbänken viel lernen müssen; die deutschen Negierungen hatten wetteifernd für ihren Unterricht gesorgt und die Väter durch Gesetze gezwungen, die Söhne Sachen lernen zu lassen, denen sie, wenn es von ihrem Willen abge- hangen hätte, immer fremd geblieben wären. Diese mannigfaltigen Kennt- nisse konnten nicht anders als sehr oberflächlich sein, aber dieser Grad der Bildung reizt am meisten zum leichtfertigen Verneinen, zum vor- schnellen Aburtheilen, zum unzufriedenen Raisonnieren. Die junge Ge- neration wurde überhaupt fast unaufhörlich gespornt und angetrieben, in der Kindheit durch den Unterricht, später durch die unaufhörlichen Verän- derungen, welche von Oben herab durch Verordnungen im hergebrachten Zustande hervorgerufen wurden; das Stetige und Gleichförmige der Lebens- gewohnheiten, wie es früher geherrscht hatte, wurde von oben herab nicht mehr geduldet, und so konnte es kaum anders sein, als daß der Charakter der jungen Generation ein unruhiger werden mußte. Kehren wir jedoch zu dem Gange der Ereignisse zurück, denn sie erklären sich selbst am besten. Wie durch die Konstitutionen in einzelnen deutschen Mittel- und Kleinstaaten das Volksleben verbittert und ein Theil der Staatsbeamten in ein schiefes Licht gebracht wurde, davon ist oben die Rede gewesen; in ihrem Gefolge zog auch die Mißstimmung gegen den Bundestag oder vielmehr gegen Oesterreich und Preußen, welche jeder Konstitution, wenn dieselbe flügge geworden ihre Flügel versuchte, durch Bundesbeschlüsse oder geheime Konferenzbeschlüsse die Schwungfedern ausrißen. Die Konstitutionen standen zwar in keinem großen Ansehen, weil das Volk selten eine gute Frucht derselben sah und sie viel Geld kosteten; aber man betrachtete sie einmal als Eigenthum und ärgerte sich über das beständige Zerren an denselben, man hätte sie lieber geradezu weggegeben. Oesterreich nahm man es weniger übel, weil man ihm keine Zuneigung für Konstitutionen anmuthen konnte und es überhaupt eine konsequente Haltung beobachtete und keine unnöthigen Worte machte; dagegen ärn- tete die preußische Regierung für ihre Bemühungen um die deutschen Konstitutionen einen sehr aufrichtigen Haß, einmal darum, weil sie bis 1824 den Glauben an das Zustandekommen einer preußischen Konstitu- tion genährt hatte, sodann weil jedermann wußte, daß sie sich doch nur von dem Wiener Kabinete leiten ließ, und endlich weil sie alle ihre Schritte in dieser Richtung mit Anpreisungen der an der Spree einhei- mischen politischen Weisheit begleitete, den Konstitutionellen aber be- schränkten Verstand, Unerfahrenheit, Nachäfferei des Franzosenthums u. dgl. vorwerfen ließ. Damit wurden die konstitutionellen Doktrinäre aber nicht von ferne bekehrt; daß die Konstitutionen in den Kleinstaaten

6. Geschichte der neuen Zeit für Mittelschulen und zum Selbstunterricht - S. 574

1862 - Freiburg im Breisgau : Herder
574 Die Zeit von 1815 bis 1857. bis sie sich selbst aufteibt und der Kromwell und Bonaparte erscheint, der die Meisterschaft zu üben versteht. Die Konstitution wurde demnach als Mittel gegen die Revolution bezeichnet, zugleich aber an eine preußische Konstitution die kaum etwas verschleierte Weissagung poli- tischer Größe geknüpft; ein Fingerzeig deutete darauf hin, daß England nach dem Sturze Jakobs Ii. durch Wilhelm von Oranien, unter dem die englische Konstitution ihre Ausbildung erhielt, zu der großen Welt- rolle zurückgeführt wurde, die Elisabeth begonnen, die Stuarts aber unterbrochen hatten, weil sie dieselben mit dem Streben nach unum- schränkter Herrschaft vertauschten und sich lieber mit Spanien und Frank- reich, den Musterstaaten des modernen Despotismus, verbündeten, an- statt mit ihnen um den Preis zu ringen, der dem konstitutionellen Eng- land seitdem zugefallen ist. Wie Preußen durch die nationale That des Zollvereins eine Gruppe deutscher Mittel- und Kleinstaaten durch die materiellen Interessen sich unauflöslich verbunden hätte, so müßten diese Staaten, seit Jahrzehnten konstitutionell, aber durch das Entgegen- wirken Oesterreichs und Preußens im Genüsse ihrer Rechte verkümmert, sich an ein konstitutionelles Preußen anschließen und diesem die Hege- monie in die Hand geben. Was in Dahlmanns Schriften nur durch- scheint, sprach 1830 der Württemberger Paul Pfizer, ein hervorragendes Mitglied der württembergischen Ständekammer, in seinem „Briefwechsel zweier Deutschen" unumwunden aus; er fand sogar in dem Umstande, daß Sachsen, Franken, Schwaben, Bayer und Oesterreicher, aber kein Preuße die Krone des Reichs getragen, eine Vorbedeutung, daß Preußen die Hegemonie eines neuen deutschen Reichs beschieden sei und der Adler Friedrichs des Großen das verwaiste Deutschland mit seiner Schwinge decken werde, Gedanken, die im Frühjahre 1849 eine große, wenn auch nur vorübergehende praktische Bedeutung erhielten. Von Oesterreich war bei solchen Erörterungen kaum die Rede; denn es schien von Deutschland nur dann Notiz zu nehmen, wenn es sich um die Züchti- gung irgend einer politischen Bewegung handelte, sonst schloß es sich durch eine strenge Zolllinie von dem deutschen Gewerbeleben ab und von der deutschen Wissenschaft durch Beschränkung des Unterrichts und viel- fache Bücherverbote; es ging seinen Weg für sich, schien überhaupt nur im Falle eines Kriegs gegen Frankreich für das nördliche und westliche Deutschland die Bedeutung eines mächtigen Bundesgenossen zu haben. Begreiflich konnten die Schutzredner des Konstitutionalismus von Oester- reich nichts erwarten, denn daß auch Oesterreich nach der doktrinären Schablone konstitutionell werden könnte, daran dachte niemand, weil die Unmöglichkeit dieses Regierungssystems für Oesterreich einleuchtete. Man hätte es aber auch aus anderen Gründen in das neue Reich nicht auf- nehmen können; denn es war zu groß für dasselbe, eine preußische

7. Geschichte der neuen Zeit für Mittelschulen und zum Selbstunterricht - S. 719

1862 - Freiburg im Breisgau : Herder
Schluß. 719 davon, wie das Streben schnell und mühelos reich zu werden die Köpfe verrückt, zu waghalsigen Spekulationen verleitet, den Unerfahrenen um sein Erworbenes bringt, so daß aus dem Uebermaß des geschenkten Kredits ein allgemeiner Mißkredit hervorzugehen droht, der namenloses Unheil bringt. Auch die gewaltige Entwicklung der Industrie hat ihre großen Gefahren, indem dadurch die Anzahl der Arbeiter wächst, welche es selten zu einem sichern Besitze bringen, gewöhnlich von der Hand in den Mund leben, bei industriellen Krisen brotlos dastehen, daher einen Hauptbestandtheil des Proletariats bilden, auf welches jetzt wie in den alten Zeiten die zerstörungslustigen Elemente zählen. Was sie vermögen und wollen, hat das Jahr 1848 bewiesen, und je bewegter unser Leben wird, je reger sich eine allseitige Thätigkeit entwickelt, das alte bürger- liche und bäuerliche Stillleben mehr und mehr verschwindet, der Besitz immer beweglicher wird: um so mehr steigert sich auch die Begierde nach Geld, Genuß, Ehre und Macht, verbittern sich die Gemüther, denen jene Güter vor Augen schweben, aber unerreichbar sind wie Speise und Trank dem Tantalus der alten Mythe. Die Aufgabe der Staatenlen- ker wird daher eine schwierigere als sie jemals gewesen, das stete Zusammenwirken der erhaltenden Elemente zur unbedingten Pflicht; aber alle Staatsklugheit könnte die finstern Mächte nicht bannen, wenn einmal der christliche Geist aus unserer Civilisation entschwände.

8. Geschichte der neuen Zeit für Mittelschulen und zum Selbstunterricht - S. 113

1862 - Freiburg im Breisgau : Herder
Wallenstein. Der dänische Krieg. 113 auferlegt; zwar drohten die Holländer, die Hanseaten aus der Ostsee zu verdrängen, und mit ihnen wetteiferten die Engländer; zwar unterdrückte Richelieu in Frankreich die Hugenotten — das alles hinderte aber die Hingebung der protestantischen Deutschen, namentlich der Fürsten, welche für ihre Säkularisationen fürchteten, an die Ausländer nicht, wollte ja der Kaiser, wie es schien, die Bedingungen des Augsburger Religions- friedens auch für die Katholiken geltend machen. Waucnstrin. Äcr dänische Krieg (1625 — 1629). Kaiser Ferdinand war durch den Bayer und die Liga gerettet wor- den, und der Krieg wurde auch nach der Schlacht auf dem weißen Berge durch die Liga geführt, denn was der Kaiser an Truppen hatte, brauchte er in Ungarn und in den unruhigen Erbländern; dieser Rolle mußte er überdrüssig sein und wünschen, in den Kampf, der das ganze Reich be- wegte, mit eigener Kriegsmacht einzuschreiten. Er wandte sich deßwegen an den reichen und kühnen Alb recht von Wall enstein mit dem Auf- träge, 10,000 Mann für den kaiserlichen Dienst zu werben. Dieser aber sagte: „mit 10,000 Mann ist nichts gethan, die sind überall unwerth, aber 40,000 werden sich Respekt verschaffen und für sich selbst sorgen", und in wenigen Wochen standen sie da, so sehr wirkte Wallensteins Name auf das junge Volk. Denn er war als Feldherr in hohem Ansehen, und der Soldat glaubte, der Sieg sei an seine Fahne gebannt; zudem ver- langte er von dem Soldaten nur zwei Dinge: Gehorsam und Tapfer- keit. Dabei war er freigebig wie ein König, wählte ohne auf Geburt und Stand zu sehen die Tüchtigsten aus und beförderte sie zu den höch- sten militärischen Würden. Er selbst hatte in den Sternen gelesen, daß er zu hohen Dingen bestimmt sei, und er hatte Genie und Kühnheit genug nach dem Höchsten zu streben; Fanatiker war er so wenig, daß er dem Bekehrungseifer der Geistlichen gegen seine protestantischen Bauern Einhalt gebot, ohne Unterschied Katholiken und Protestanten in sein Heer aufnahm und beförderte; doch achtete er den Protestantismus als Religion nicht und betrachtete ihn als ein politisches Werkzeug, dessen sich die hohen Herren bedienten. Diesen Mann ernannte der Kaiser zum Her- zog von Friedland und zum Generalissimus der kaiserlichen Heere. Der Feldzug von 1625 war ohne bedeutende Ereignisse; Christian Iv. fiel, als er den Wall von Hameln beritt, in eine Wallgrube und kam fast um das Leben; Tilly aber eroberte einige feste Plätze in Nie- dersachsen. Im folgenden Jahre erstürmte er Hameln, Minden, Ha- velberg, Göttingen»und Hannover, und da auch Wallenstein mit seinem mächtigen Heere heranzog, wollte Mansfeld ihn von der Vereinigung mit Tilly abhalten. Wallenstein aber zermalmte Mansfelds Heer bei Bumüller, Neue Zeit. o

9. Geschichte der neuen Zeit für Mittelschulen und zum Selbstunterricht - S. 271

1862 - Freiburg im Breisgau : Herder
Aufhebung des Jesuitenordens. 271 keineswegs leicht, vorerst nur in friedlichen Verkehr mit den Wilden zu treten. Es gelang ihnen vorzüglich durch die Musik; wenn sie am Abende auf dem Kahne hin- und herfuhren und die heiligen Gesänge begleitet vom Schalle der Instrumente anstimmten, so kamen die Kinder der Wildniß herbei und lauschten den neuen Tönen; sie verstanden diese Sprache, sie fühlten es, daß die Männer des wunderbaren Sangs und Klangs Boten des Friedens seien. Nach der alten Mythe sänftigte Or- pheus Löwen und Wölfe mit dem Klange der goldenen Leier, am Pa- rana aber sammelten Priesterväter durch das heilige Lied wilde Men- schen um sich und führten sie zum geselligen Leben, zur Erkenntniß, zum Christenthume, zur Arbeit und wahrer Lebensfreude. Aber was kostete es nicht, bis der Wilde, der bisher seine Nahrung mit dem Pfeil ge- sucht, oder Würmer und Insekten aus dem Boden gescharrt hatte, wenn kein Fruchtbaum genießbare Speise bot, sich zur Arbeit mit Pflug und Spaten wenden, sich mit dem Geräthe des mannigfaltigen Handwerks beschäftigen mochte! Sonst war es sein höchstes Glück gewesen: recht zu schmausen, wenn seine Jagd glücklich ausgefallen war, sich in dem gegohrenen Wurzelsafte zu berauschen und in träumerischer Ruhe so lange zu brüten, bis ihn der Hunger zu neuer Anstrengung nöthigte; jetzt sollte er dem herumschweifenden Leben in den Wäldern, das trotz Mühe und Entbehrung durch seinen Reiz selbst Europäer verführt, entsagen, der Wildniß Ackerboden abgewinnen und denselben im Schweiße des Angesichtes bebauen. So viel vermochten die Väter; dieses Wunder schuf die Macht der christlichen Religion und die Aufopferung jener Jesuiten, welche den Wilden alles wurden: Väter, Mütter, Priester, Lehrer, Aerzte, Bauern, Handwerker. Hatte der Orden einen Stamm an sich gezogen und zum gesitteten Leben angeleitet, so zerstörte manch- mal ein wilder die neue Pflanzung, und noch öfter thaten es Raub- schaaren europäischer Abkunft, welche die Indianer wie wilde Thiere jagten, wenn sie dieselben nicht zu ihren Sklaven machen konnten. Doch die Jesuiten ermüdeten nicht, und als sie von der Krone Spanien das Recht ausgewirkt hatten, ihre Bekehrten mit Feuergewehren zu bewaffnen, waren die Niederlassungen gegen indianische und europäische Wilde ge- sichert; damit sie aber durch europäische Laster nicht angesteckt würden, waren sie für die Europäer verschlossen. Eine solche Niederlassung oder „Reduktion" wurde immer in einer schönen, fruchtbaren Gegend ange- legt. Inmitten des Dorfes, das 3000 bis 7000 Einwohner zählte, er- hob sich die Kirche, groß genug, um die Gesammtzahl aufzunehmen, und so schön geschmückt, als es der wachsende Wohlstand erlaubte. Aus der Flur wurde ein größeres Stück abgesondert, das der Gottesbesitz genannt und gemeinschaftlich angebaut wurde; aus dessen Ertrag wur- den die Abgaben an die Krone Spanien, die Ausgaben für den Gottes-

10. Geschichte der neuen Zeit für Mittelschulen und zum Selbstunterricht - S. 307

1862 - Freiburg im Breisgau : Herder
Die christliche Religion abgeschafft. Der neue Kalender. 307 drei für den Winter: Nivose (Schnee-), Pluviose (Regen-), Ventose (Windemonat); drei für den Frühling: Germinai (Keim-), Floreal (Blumen-), Prairial (Wiesenmonat); drei für den Sommer: Messidor (Aernte-), Thermidor (Hitze-), Fruktidor (Obstmonat). Jeder Monat hatte drei Dekaden; jeder Tag hieß von seiner Stelle in der Dekade: Primidi, Duodi, Tridi, Quartidi u. s. w. und statt der Heiligennamen wurden sie nach ökonomischen Thieren, Pflanzen und Werkzeugen ge- nannt, wie das Jahr sie bringt oder die Menschen sie brauchen. Da- mit wollte man dein Volke den Reichthum der Natur zeigen, ihm Liebe für den Landbau einflößen und es methodisch die Folgenreihe der Ein- flüsse des Himmels und der Erzeugnisse der Erde kennen lehren. So hatte z. B. die erste Dekade des Vendemiaire folgende Namen: 1) Traube, 2) Safran, 3) Kastanie, 4) Zeitlose, 5) Pferd (ein Hausthier, um die Hälfte der Dekade zu bezeichnen), 6) Balsamine, 7) Möhre, 8) Tau- sendschön, 9) Pastinake, 10) Bütte (ein Werkzeug zur Bezeichnung des Dekadenschlusses). Die fünf Ergänzungstage des Jahres wurden an das Ende geworfen, Sanskulottiden genannt und waren Festtage: der 1. das Fest der Tugenden, der 2. des Genies, der 3. der Arbeit, der 4. der öffentlichen Meinung, der 5. der Belohnungen; im Schaltjahre hieß der 6. der Revolutionstag oder vorzugsweise der Sanskulottide. Die Periode von vier Jahren, nach deren Ablaufe die Zugabe des Schalt- tages nothwendig ist, um das bürgerliche Jahr mit den Bewegungen der Gestirne in Einklang zu bringen, sollte die Franziade heißen. „Auch wird die Republik alle Jahre die Feste vom 14. Juli 1789, vom 10. August 1792 und 21. Januar 1793 feiern." „Lehrer, Lehrerinen, Väter und Mütter, alle, welche die Erziehung der Kinder leiten, werden sich angelegen sein lassen, ihnen den neuen Kalender nach der beigegebenen Anweisung zu erklären" (Beschluß vom 2. Frimaire, 2. Jahr). Den Robespierre erzürnte das Treiben des wüsten Hebert und dessen thierisch schamloses Wesen, denn er berechnete, daß dadurch die Republik zum Abscheu aller nicht völlig entsittlichten Franzosen und Völker werden müsse, und nun dekretierte auf seinen Antrag der Konvent: „das französische Volk anerkennt das Dasein Gottes und die Unsterblichkeit der Seele; alle Gewaltthätigkeiten und der Freiheit Her Gottesverehrung zu- widerlaufenden Maßregeln sind verboten." Nun wurde auch ein Fest des höchsten Wesens gehalten, zu dem eigene Lieder gedichtet waren; Robes- pierre erschien selbst mit einem Blumensträuße an der Brust und hielt Reden von Gott und Freiheit. 20*
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