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1. Dichtung des Mittelalters - S. 38

1884 - Freiburg im Breisgau : Herder
38 Dritte Periode, von 1150—1300. Da sprach wieder Brunhild: „Wie weidlich sei dein Mann, Wie schön und wie bieder, so steht ihm doch voran Günther, der Recke, der edle Bruder dein: Der muß vor allen Königen, das wisse du wahrlich, sein." Da sprach Kriemhild wieder: „So wert ist mein Mann, Daß er ohne Grund nicht solch Lob von mir gewann. An gar manchen Dingen ist seine Ehre groß. Glaubst du das, Brunhild? er ist wohl Günthers Genoß!" „Das sollst du mir, Kriemhild, im Argen nicht versteh'n; Es ist auch meine Rede nicht ohne Grund gescheh'n. Ich hört' es beide sagen, als ich zuerst sie sah. Und als des Königs Willen in meinen Spielen geschah, „Und da er meine Minne so ritterlich gewann, Da sagt' es Siegfried selber, er sei des Königs Mann: D'rum halt' ich ihn für eigen: ich hört' es ihn gesteh'n." Da sprach die schöne Kriemhild: „So wär' mir übel gescheh'n. „Wie hätten so geworben die edlen Brüder mein, Das ich des Eigenmannes Gemahl sollte sein? Darum will ich, Brunhild, gar freundlich dich bitten, Laß mir zulieb die Rede hinfort mit gütlichen Sitten." Die Königin versetzte: „Sie lassen mag ich nicht: Wie thät' ich auf so manchen Ritter wohl Verzicht, Der uns mit dem Degen zu Dienst ist Unterthan?" Kriemhild die schöne hub da sehr zu zürnen an. „Dem mußt du wohl entsagen, daß er in der Welt Dir irgend Dienste leiste. Werter ist der Held Als mein Bruder Günther, der Degen unverzagt. Erlaß mich der Dinge, die du mir jetzo gesagt. „Auch muß mich immer wundern, wenn er dein Dienstmann ist, Und du ob uns beiden so gewaltig bist, Warum er dir so lange den Zins versessen hat; Deines Übermutes wär' ich billig nun satt." „Du willst dich überheben," sprach da die Königin. „Wohlan, ich will doch schauen, ob man dich fürderhin So hoch in Ehren halte, als man mich selber thut." Die Frauen waren beide in sehr zornigem Mut. Da sprach wieder Kriemhild: „Das wird dir wohl bekannt: Da du meinen Siegfried dein eigen hast genannt, So sollen heut' die Degen der beiden Kön'ge seh'n, Ob ich vor der Königin wohl zur Kirche dürfe geh'n."

2. Dichtung des Mittelalters - S. 14

1884 - Freiburg im Breisgau : Herder
14 Dritte Periode, von 1150—1300. Dritte Periode, von 1150—1300. S «. Erste Blütcperiode. Die Ursachen des großartigen Aufschwunges der Poesie in dieser Periode, die wir mit Recht die erste Blüteperiode nennen, sind vor- wiegend folgende: 1. Die Krenzzüge. Das Christentum hatte mit der Zeit Herz und Gemüt der Deutschen ganz durchdrungen, hatte sie gelehrt, ihr Leben und Wirken auf eine höhere Welt zu beziehen. So war das Volk erfüllt von Glauben, Liebe und Hingabe an die Lehren des Christentums, ohne aber von seinem Nationalcharakter, seinem Hang nach Krieg und Abenteuern, feiner Wanderlust etwas abzugeben. Daher mußten die Kreuzzüge, die einerseits, ausgehend von dem kirchlich-frommen Sinne der Christen, die Befreiung des heiligen Landes bezweckten, andrerseits den Deutschen die beste Gelegenheit zu Kampf und Abenteuern boten, das deutsche Volk gewaltig anziehen und eine mächtige Begeisterung hervorrufen. Zugleich ' wurde durch die Verbindung mit anderen abendländischen Völkern und mit dem Orient der Jdeenkreis erweitert, die Phantasie belebt und mit ritterlich romantischen Gedanken gefällt, und der Dichtung mannigfaltiger und herrlicher Stoff geboten. 2. Der Glanz des hohen st aufi scheu Kaiserhauses. Galt überhaupt schon der deutsche Kaiser als das weltliche Haupt der Christen- heit und das deutsche Volk unter ihm als die weltgebietende Nation, so mußte diese Anschauung um so ausgedehntere Geltung erlangen, als in den Hohenstaufen lebensfrische, heldenhafte, von den höchsten Ideen er- füllte Herrscher den Kaiserthron inne halten und durch glorreiche Thaten in Deutschland, Italien und dem Oriente den Glanz ihres Namens weit- hin verbreiteten. Kein Wunder daher, daß damals alle Stände, alle Geschlechter Deutschlands ein allgemeines, stolzes Nationalgefühl beseelte, daß alle der Größe und der Bedeutung ihres Volkes sich lebhaft bewußt wurden. So bot dieser glanzvolle Zeitraum fruchtbare poetische Clemente, die das ganze Volk bewegten und begeisterten. 3. Die Blüte des deutschen Rittersta ndes, welcher durch die Kreuzzüge eine idealere Richtung erhielt, feinere gesellige Bildung an- nahm und äußern Glanz entwickelte. Wie die Kaiser und Fürsten, namentlich die Herzöge von Ästerreich und die Landgrafen von Thüringen, die Dichtkunst förderten und ihre Vertreter begünstigten, so bemühten sich die Ritter, auf ihren Burgen ein Gleiches zu thun, fa sie wurden sogar

3. Dichtung des Mittelalters - S. 117

1884 - Freiburg im Breisgau : Herder
§ 12. Dichtungen der vorbereitenden Zeit des Kunstepos, von 1150—1180. 117 sorgsame und richtige Behandlung des Reimes und namentlich die Rein- heit der Sprache1 fehlten. Als bedeutendste Dichtungen gehören dieser Borbereitungszeit au: 1. Das Annolied, ein Lobgesang in hohem Schwünge auf den hl. Anno, Erzbischof von Köln (ch 1075), welches biblische Geschichte, Sage und Profangeschichte zwar bunt durcheinander mengt, aber dennoch gute Anordnung bei lebhafter Schilderung und inniger Gefühlstiefe fast nirgends vermissen läßt. 2. Das Alexanderlied vom Pfaffen Lamprecht, eine der schönsten Dichtungen des Mittelalters, in kräftiger und oft volkstümlich lebendiger Darstellung, welche neben manchen lieblichen Schilderungen von poetischer Kraft auch ernste und große Gedanken in sich birgt. In dem ersten, mehr historischen Teile werden in mittelalterlicher, durch die Kreuzzüge beein- flußter Anschauung die Jugendjahre und die Eroberungszüge des großen Weltbeherrschers dargestellt; in dem zweiten, mehr romantischen Teile, in welchem Alexander bis an das Ende der Welt vordringt, beschreibt er in einem Briefe an seine Mutter und seinen Lehrer Aristoteles die Abenteuer und Wunder seiner Fahrt (vgl. folgende Probe). Im Übermut dringt er vor bis zu des Paradieses Pforten, um auch dieses zu erobern, aber hier muß er umkehren; die Nichtigkeit alles Irdischen erkennend, befleißigt er sich nun der Mäßigung und Milde bis zu seinem Tode „und behielt nichts mehr für sich — von alledem, was er errang — als Erde, sieben Fuß lang, — wie's der ärmste Mann erhält, ■— der je kam in diese Welt". Ocr Iaubcrwatd. Als wir hinzogen an dem Meere, Da ritt ich außer meinem Heere Mit dreientausend Mannen. Darauf huben wir uns von bannen Und gedachten Wunder zu sehen; Da sahen wir fern von bannen stehen Einen großen, prächtigen Wald. Das Wunder, das war mannigfalt, Das wir da vernahmen. Als hinzu wir kamen, Da hörten wir wohl in ihm Manche wunderschöne Stimm', Lyren- und Harfenklang Und den süßesten Gesang. — Der herrliche, der alte Wald War wunderbarlich schön gestalt', Wir konnten's all genau gewahren. Stattlich hoch die Bäume waren, Die Zweige waren breit und dicht, Nur Wahrheit gibt euch mein Bericht. Das war eine große Wonne. Da konnte nicht die Sonne Hindurch bis zrir Erde scheinen. Ich und die Meinen, 1 Man nennt die Sprache, in welcher diese Dichtungen geschrieben sind, als Zwischenstufe zwischen dem Althochdeutschen der Vorzeit und dem Mittelhochdeutschen der Blütezeit, die mitteldeutsche, in welcher die thüringisch-hessische Mundart vorwiegende Geltung hat.

4. Dichtung des Mittelalters - S. 135

1884 - Freiburg im Breisgau : Herder
§ 16. Wolfram von Eschcnbach. 135 Rittertum umfaßt, die eben damals in ihre höchste Blüte traten, stellt er das gesamte, nur im Ritterstande atmende Leben seiner Zeit, das äußere wie das innere, mit solcher Treue und Gewissenhaftigkeit dar, als wenn er es darauf angelegt hätte, die Trachten, Sitten und Gebräuche nicht minder als den Glauben, die Gesinnung und die höchsten Ideen einer- schnell vorüberrauschenden Glanzperiode der Nachwelt in einem dauernden Spiegelbilde zu fesseln. Doch all dieser Reichtum der Begebenheit und Schilderung, alle Herrlichkeit des Grals, alle Pracht der Tafelrunde wären verschwendet, wenn sie der Gedanke des Dichters nicht beherrschte und durchdränge. Was den Parzival zum unvergänglichen Kunstwerke stempelt, wodurch Wolfram seine welschen Vorgänger, die ihm den Stofs überliefert haben, weit hinter sich läßt, ist eben das dichterische Bewußt- sein , womit er alle diese Äußerlichkeiten auf das innere Leben seines Helden bezieht, dessen geistige Entwicklung er in allen ihren Phasen offen vor uns darlegt, den er aus der kindischen Einfalt (tuinxlleit) in die Entzweiung (zwivel), ja zur Verzweiflung führt, um ihn aus dieser durch harte Prüfungen geläutert zur Versöhnung und Heiligung, zum höchsten Glück (chaeläs) gelangen zu lassen." Kein Wunder daher, daß schon die Zeitgenossen, außer Gottfried von Straßburg, welcher in der ihm eigenen Richtung für den strengen, sittlichen Ernst Wolframs kein Verständnis hatte, das Lob des großen Parzival- dichters trotz seiner häufig verwirrenden Stofffülle und trotz' seiner nicht selten dunkeln, in oft seltsamen Bildern sich bewegenden Sprache mit Begeisterung singerg, daß seine weisheitsvolle Kunst im 13. Jahrhundert sprichwörtlich war, und sein Werk unter den ersten deutschen bereits 1477 dem Druck übergeben wurde. Seine letzte Ruhestätte fand er im Frauenmünster zu Eschenbach, wo ihm ans dem Markte der knnstliebende König Max von Bayern im Jahre 1861 ein sinniges Denkmal setzte. parzival. parstvals Erstehung und Jugend. Parzival ist der Sohn Gamurets ans dem königlichen Hause von Anjou und der aus dem Geschlechte der Gralskönige stammenden Herzeleide. Da der Hang nach Wafsenthaten den Vater in die ferne Welt und in einen frühen Tod getrieben, beschließt die Mutter, um den einzigen Sohn vor solchen Gefahren des Ritterlebens zu bewahren, ihn in tiefer Abgeschiedenheit zu erziehen. 1 1 ,,— —, Her Wolfram, ein wise man von Eschenbach, sin herze ist ganzes Sinnes dach, leien munt nie baz gesprach.“ (Wirnt von Gravenberg.)

5. Dichtung des Mittelalters - S. 152

1884 - Freiburg im Breisgau : Herder
152 Dritte Periode, von 1150—1300. Auf der Aventüre Sinn! Wie hell und klar von Anbeginn Sind seine Wörtlein von Krystall Und bleiben es auch immer all! Mit Sitten treten sie heran Und schmiegen nahe sich uns an Und werden lieb dem reinen Mut. Die gute Rede für gut Nehmen und verstehen können, Die müssen dem von Aue gönnen Den Kranz und seinen Lorbeerzweig. Wer* aber einem Hasen gleich Auf der Wortheide Hohe Sprüng' und ferne Weide Mit Würfelworten 2 sucht und jagt Und, ohne daß er andre fragt, Das Lorbeerkränzlein sich verspricht, Der versäume unsre Stimmen nicht; Wir sind immer bei der Wahl ge- wesen. Wir, die die Blumen helfen lesen, Womit durchflochten und geschmückt Das Lorbeerreis wird aufgedrückt, Wir fragen nach des Manns Begehr; Will er das Reis, so tret' er her Und bring' uns seiner Blumen Zier; An den Blumen dann erkennen wir, Ob sie den Kranz so lieblich schmücken, Daß sich der Auer vor ihm bücken Und ihm das Reis soll zugesteh'n. Doch weil noch keiner ward geseh'n, Dem es so wohl steht zu Gesicht, Helf' Gott, so nehmen wir's ihm nicht; Und soll das Kränzlein keiner haschen, Seine Worte sei'n denn wohl ge- waschen Und eben seine Red' und schlicht, Daß man den Hals nicht d'rüber bricht, Wenn man aufrecht kommt gegangen, Richt will mit Hahnenschritten prangen. Doch die in Mären wildern, Uns wilde Märe schildern, 1 1 Wolfram von Eschenbach, s Erklärung. Die mit den Ketten klirren Und stumpfen Sinn verwirren, Die Gold aus schlechten Sachen Den Kindern wollen machen, Die ihre Büchse rütteln, Statt Perlen Staub entschütteln, Die möchten schatten mit der Stange, Richt mit dem grünen Laubbehange, Mit Zweigen noch mit Asten. Ihr Schatten thut den Gästen ;. Gar selren an den Augen wohl, Wenn ich die Wahrheit sagen soll; Er füllt uns nicht mit Mut die Brust, Er gießt ins Herz uns keine Lust; Ihre Rede hat die Farbe nicht, Die froh zu edeln Herzen spricht. So wilder Märe Jäger Müssen Ausleger e- Mit ihren Mären lassen geh'n; Wir können so sie nicht versteh'n, Wie man sie lesen hört und lieft; Den Klugen auch die Zeit verdrießt, Daß er im schwarzen Buche :; Rach der Glosse 2 suche. Roch sind der Farbcnkünstler mehr: :; Von Steinach Herr Blickher * r, Freut mit Worten, wonnesamen, i, Als stickten Frauen sie, die an Rahmen In Gold und Seide wirken; Man sollte sie durchzirken , Mit griechischen Borten.------------ Wen soll ich ferner auserlesen? t; Roch viele sind und sind gewesen, i, An Sinn und Rede wonniglich, e- Von Veldeke Herr Heinrich, Der sprach aus vollem Sinne! Wie wohl er sang von Minne! t, Wie schön ist seines Sinnes Hülle, i, Als hätt' er seiner Weisheit Fülle n. Aus dem Quell des Pegasus genom- men, Von dem die Weisheit all ist kommen. 2 Mit ungewählten, unklaren Ausdrücken. 4 Ein wenig bekannter pfälzischer Dichter.

6. Dichtung des Mittelalters - S. 155

1884 - Freiburg im Breisgau : Herder
§ 18. Nachblute und Verfall des Kunstepos, 1230—1300. 155 kröne von England ausgeschlagen hat, Aufopferung, Demut und Selbstverleugnung. „Barlaam und Josaphat", eine Legende, in der der indische Königssohn Josaphat von dem Einsiedler Barlaam zum Christentum bekehrt wird, die Krone niederlegt und sein Leben unter Fasten und Beten in beschaulicher Einsamkeit beschließt, lehrt Entsagung und freiwillige Armut. Seine „Weltchronik", welche die Geschichte des Alten Testaments bis auf Saloman enthält, galt bis auf Luthers Zeit als eine wichtige Fundgrube für die Kenntnis des Alten Testamentes. Konrad von Würzburg, bürgerlichen Standes, gestorben 1287 zu Basel, welcher neben mehreren Legenden und Erzählungen „den trojanischen Krieg" nach einer französischen Dichtung in nicht weniger als 50 000 Versen bearbeitete. Gelehrt und formgewandt, gebietet er zugleich über einen großen Reichtum von Bildern und Gleichnissen, wie er namentlich in seiner „Goldenen Schmiede", einem glänzenden Lobliede auf die heilige Jungfrau Maria bekundet, aber seine Muse entbehrt doch des eigentlichen geistigen Gehaltes. Der Stricker (striellaere — verknüpfend) , ein vielseitiger, nach seinen Lebensverhältnissen unbekannter Dichter aus Österreich, welcher die komische Seite des höfischen Epos in seinem „Pfaffen Amis", einem mittelalterlichen „Eulenspiegel", vertritt. B. Lyrik. § 19. Stoff und Form der Lyrik. Neben der Epik blühte gleichzeitig die Lyrik. Dieselbe äußert sich vorzugsweise in dem sogenannten Minnegesange, dessen Hauptthema die Minne ist (meinan, althochdeutsch ^lateinisch meminisse], — gedenken), d. h. die seelenvolle, keusche Liebe, das stille sehnende Denken an die Geliebte. Die den Deutschen schon von ihren Vorfahren her innewohnende Hochachtung1 des weiblichen Geschlechtes hatte durch den Einfluß des Christentums, namentlich durch die Verehrung der Gottesmutter Maria, noch eine bedeutende Stärkung erhalten. Dazu erachtete das Ritter- tum es als eine seiner ersten Pflichten, die Frauen zu ehren und ihrem Dienste sich zu widmen. So konnte in der idealen Richtung des damaligen Rittertums der Frauenkult einen solchen Grad erreichen, wie wir ihn in den Minneliedern kennen lernen. Zwar haben dieselben vielfach etwas Einförmiges, da der Kreis der Gedanken und Empfindungen in denselben auf stilles Hoffen und süße Sehnsucht, auf jubelnde Wonne bei freundlicher Zuneigung der nicht einmal mit Namen genannten Ge- liebten, auf schmerzliche Klage bei etwaiger Härte oder Untreue derselben sich beschränkt; sie bekunden aber dafür auch die tiefe und keusche Zart- heit des deutschen Gemütslebens in lieblicher und fesselnder Anmut. 1 Tacitus sagt in seiner Germania c. 8: „Inesse (feminis) quin etiam sanctum aliquid et providum putant.“

7. Dichtung des Mittelalters - S. 127

1884 - Freiburg im Breisgau : Herder
§ 15. Hartmann von Aue. 127 sehen. Dieser Entschluß des Ritters sühnt alles, was er je gefehlt haben mag: Gott nimmt den reinen Willen für die That, und daher erfolgt die Heilung infolge dieser Sühnung. Aber auch noch andere schöne Gedanken erkennen wir in dem Gedicht: es „lehrt die süße Gewalt einer vom Dichter keusch verborgenen Neigung; es lehrt, daß Treue durch Gottes Huld zum Ziele gelange, daß rücksichtslos nach Besserung der irdischen Verhältnisse ohne Gott zu streben sündig ist, daß aber ein liebevolles, minnigliches Wesen selbst die Unterschiede ausgleicht, welche Stand und Reichtum sonst darstellen". Ihm dienten bei den Leuten. ' Nun beginnt er euch zu deuten Eine Mär, die er geschrieben fand. Er hat sich darum genannt, Daß er für die Müh' und Zeit, Die er auf die Arbeit Gewandt, den Lohn erschaue, Daß wer sich d'ran erbaue, Dereinst nach seinem Ende Zu Gott empor die Hände Hebe für sein Seelenheil. Man sagt, ihm werde selbst jn teil, Der für den andern bete, Was er für den ersiehte." (Simrock.) Nach dieser Einleitung beginnt die Erzählung. In Schwaben lebte ein Ritter Heinrich von Aue, geehrt und berühmt wegen seines Reichtums, seiner Macht und seiner ritterlichen Tugenden. Als er aber weltlicher Lust zu sehr genoß, und „sein hoher Mut verkehrt ward in ein schmähliches Leben", da ergriff ihn, wie einst den frommen Hiob, der Aussatz. „Ihn ergriff die Miselsucht. Als man diese schwere Zucht, Die der Herr ihm sandte, An seinem Leib erkannte, Da ward er jedermann zur Last. Mißnrutig und bald, wie mit der Welt, so auch mit Gott zerfallen, verwünscht er den Tag, an welchem er geboren. Doch noch hegt er die Hoffnung, daß berühmte Arzte in Montpellier und Salerno ihn heilen würden. Seine Hoffnung sollte jedoch zu nichte werden, denn in Salerno vernimmt er die Kunde, daß nur dann Rettung ihm werden könne, wenn eine fromme Jungfrau in ihres Herzens Unschuld freiwillig für ihn ihr Herzblut hingäbe. Verzweifelnd kehrt er heim und verschenkt alle seine Güter zu wohlthätigen Zwecken bis auf einen Meierhof, dessen Pächter ihn freundlich aufnimmt. Während nun fast alle den aussätzigen Herrn meiden, soweit es irgend Der ein so willkommener Gast Der Welt gewesen war vordem, Nun ward er ihr so ungenehm, Daß alles floh vor seinem Blick." „Ein Ritter war wohl so gelehrt, Daß er in Büchern unbeschwert Las, was da geschrieben stand. Hartmann ward er genannt Und war zu Aue Dienstmann. Wenn wo er Bücher gewann, So gereut' ihn keine Mühe, Spät oder frühe, Bis er was aufgefunden, Womit er läst'ge Stunden Erträglich mochte machen, Oder von solchen Sachen, Die da Gott zu Ehren Und die eig'ne Gunst zu mehren

8. Dichtung des Mittelalters - S. 172

1884 - Freiburg im Breisgau : Herder
172 Dritte Periode, von 1150—1300. Wie das Glück doch schalten kann! Armut gab es mir zu immer frohem Mut: Aber einem reichen Mann Gab es Unmut: sagt, was nützt dem nun sein Gut? Schade, daß ihm nicht der Einfall kam, Mich zu begaben zu dem frohen Mute Mit des Reichen Gute: Es paßte meine Not doch mehr zu seinem Gram. (Simrock.) Im Anschlüsse an diese heiteren Lieder mögen jene ernsteren, aber nicht durch politische Beziehungen gefärbten Gesänge späterer Jahre ihre Stelle finden, soweit sie sich nicht gut in den Nahmen der folgenden mehr historischen Anordnung einfügen lassen: Wert iiuuintichcr Schönheit. Die Schönheit rühme der, der eine Frau besinget, Männern steht es übel, weil es weich und spöttisch klinget. Kühn und mild und daß er auch beständig sei, Das ist genug: dies dritte steht gar schön bei jenen zwei. Wenn ihr's nicht verschmähet, so will ich euch lehren, Wie man loben soll und nicht entehren: Ihr müßt in die Leute seh'n, so schaut ihr, wie's bestellt; Nicht nach der Wangen Schminke sei der Schluß gefällt. Gar weis' ist oft, den man für thöricht hält: Wohl thät' es not, die Weisen auch erst um und um zu kehren. (Simrock.) Maß im Trinke». 1. Ich trinke gerne, wo man mir mit Maßen schenket, Und des Übermaßes niemand nur gedenket, Weil das den Mann an Leib und Gut und an den Ehren kränket. Es schadet auch der Seele, hör' ich Weise sagen: Das möge seinem Gaste gern erlassen jeder Wirt: Läßt er sich geben, bis sein rechtes Maß ihm wird, So mag er Glück und Seligkeit und Ehre d'ran erjagen. Es ward das Maß den Leuten darum aufgelegt, Daß man es grade mess' und trage: das erwägt, Und hab' er Dank, der's grade mißt und der es grade trägt. 2. Er hat nicht wohl getrunken, der sich übertrinket: Wie ziemt das biederm Mann, daß ihm die Zunge hinket Von Wein? Wer also trinket, Sünd' und Schande zu sich winket.

9. Dichtung des Mittelalters - S. 205

1884 - Freiburg im Breisgau : Herder
§ 25. Die Zeit des Verfalles der Poesie. 205 Die Meistersängerschulen, innungsmäßig gleich den bürgerlichen Zünften abgeschlossen, blühten namentlich in Mittel- und Süddeutschland, die Erzählung der Bibel und der Heiligengeschichten begingen. Diese Leute hießen Merker, und ihrer gab es drei. — Als der Kaiser erschien, geriet alles in lebhafte Bewegung. Ein greiser Meister betrat den Singstnhl. und von dem Gemerke erscholl das Wort: ,Fanget anst Es war Konrad Nachtigall, ein Schlosser, der so sehnsüchtig und klagend sang, daß er seinen Namen wohl mit Recht führte. Vom himmlischen Jerusalem sagte er viel Schönes in gar künstlichen Reimen und Rede- wendungen. Auf dem Gemerke las einer der Meister in der Bibel nach, der andere zählte an den Fingern die Silben ab, und der dritte schrieb auf, was diese beiden ihm von Zeit zu Zeit znfllisterten. Aber auch die Meister unten waren aufmerksam und in stiller Thätigkeit. Alle trieben mit den Fingern ein närrisches Spiel, um genau die Versmaße wahrzunehmen. An ihrem Kopfschütteln erkannte man, daß der Sprecher hie und da ein Versehen begangen. Nach dem Meister Nachtigall kam die Reihe an einen Jüngling, Fritz Kothner, einen Glockengießer, der die Schöpfungs- geschichte zum Gegenstand seines Gedichtes gewählt hatte. Aber der Arme war verlegen, es wollte nicht gehen, und ein Merker hieß ihn, den Singstnhl zu ver- lassen. ,Der Meister hat versungenst rannte mir mein Nachbar zu, und da ich ihn fragte, warum man ihn nicht hätte sein Stück ¿it Ende bringen lassen, so erklärte er mir, daß derselbe ein ,Laster^ begangen. Mit diesem Namen belegten nämlich die Kenner der Tabulatur einen Verstoß gegen die Reime. Dergleichen wunderliche Benennungen für Fehler gab es viele, als: blinde Meinung (Undeutlichkeit), Klebsilbe (willkürliche Zusammenziehuugs, Milben (des Reimes wegen abgebrochene Wörter) rc. Die Bezeichnungen der verschiedenen Tonweisen waren gar absonderlich, als die Schwarz-Tintenweise, die abgeschiedene Vielfraßweise, die Cnpidinis- Haudbogenweise. In der Hagebütweise ließ sich jetzt vom Singstnhl herab Leonhard Nunnenbeck vernehmen, ein ehrwürdiger Greis im schwarzen Ge- wände. Alles bewunderte ihn, wie er, gemäß der Apokalypse, den Herrn beschrieb, an dessen Stuhl der Löwe, der Stier, der Adler und der Engel ihm Preis und Ehre und Dank gaben, der da thronet und lebet von Ewigkeit zu Ewigkeit, wie die 24 Ältesten ihre Krone vor den Stuhl niederlegten und Preis und Ehre und Dank ihm gaben, durch dessen Willen alle Dinge ihr Wesen haben und geschaffen sind, und wie sie ihre Kleider hell gemacht haben im Blute des Lammes, wie die Engel, die um den Stuhl, um die Ältesten und um die vier Tiere standen, ans ihr Angesicht niederfielen und Gott anbeteten. Als Nunnenbeck endigte, da waren alle voller Entzücken, und namentlich leuchtete aus Hans Sachsens Gesicht hell die Freude hervor, der sein dankbarer Schüler war. — Da trat als der vierte und letzte Sänger wieder ein Jüngling ans. Er gehörte auch zur Weberzunft und hieß Nt i ch e l Beham und hatte mancherlei Länder gesehen. Mit rastloser Anstrengung hatte er sich in der Singkunst geübt und verglich sich mit Recht mit einem Bergmann, der mühsam gräbt und sucht, um edles Gold zu fördern. Nie war er früher in einer Fachschule aufgetreten, da er nicht anders als mit Ruhm den Singstnhl besteigen wollle. — Als Michel Beham sein Gedicht: ,Von zwo Jungfrauen^ vorgetragen hatte, da verließen die Merker ihren Sitz. Der erste trat zu Nunnenbeck und hängte mit einem laugen Glückwunsch ihm den Davidsgewinner (eine silberne Kette mit dem Bilde des Königs David) um, und der zweite Merker zierte Behams Haupt mit einem schönen Kranze aus seidenen Blumen, der ihm gar wohl stand. Diese

10. Dichtung des Mittelalters - S. 114

1884 - Freiburg im Breisgau : Herder
114 Dritte Periode, von 1150—1300. er mit wahrem Mannesmut eintritt. Mit ihm kämpft tapfer um die geraubte Braut Herwig, eine ritterliche Erscheinung voll Mut und be- harrlicher Thatkraft, aber auch voll Milde und zarter Rücksicht. In weniger vorteilhaftem Lichte ist Hartmut gezeichnet. Weicheren Sinnes läßt er sich ganz von feiner Mutter leiten, welcher er nicht einmal ent- gegenzutreten wagt, wenn er auch sieht, wie grausam dieselbe gegen die von ihm geliebte Gudrun verfährt. In der Schlacht ist er jedoch ein tapferer Krieger, der die tüchtigsten Helden überwindet. Gegen Gudrun bleibt er, so oft er auch von ihr zurückgewiesen wird, stets gleich zart und rücksichtsvoll. Kräftigeren Charakter zeigt sein Vater Ludwig, der nicht bloß Tapferkeit, sondern auch Klugheit und List kennt, aber dennoch nicht Kraft genug besitzt, um seiner ehrsüchtigen und alles beherrschenden Gattin Gerlind entgegenzutreten. Die Vasallen Heitels: Wate, Frute und Horand sind jeder für sich mit besonderen Zügen ausgestattet. Wate ist der gewaltigste und tapferste Degen, dessen Furchtbarkeit gleich dem Hagen des Nibelungenliedes schon äußerlich sich zeigt; er kennt nicht ängstliche Furcht noch schonende Milde. Frute wirkt als Kaufmann .verkleidet durch seine List, während Horand durch seinen lieblichen Gesang einem Orpheus gleich herrliche Wunderthaten vollführt. So erscheint uns das Gudrunlied bei knapper Kürze, die den Leser- ost manches erraten läßt, als ein von schöner Idee getragenes, farbenreich durch treffliche Charaktere ausgestattetes, den Stoff völlig erschöpfendes Werk. Mögen auch einzelne diese „wunderbare Nebensonne der Nibelungen" minder hochschätzen, wir stimmen den Worten von Jakob Grimm bei, daß die Gudrun dem Nibelungenliede „an innerem Gehalte nahe stehe und es in der Anlage des Ganzen und regelmäßig fortschreitender Entwickelung übertreffe". Ii. Das kunltcpos. § 11. Stoff des Kunstepos, Darstellung und Form. Das Knnstepos, wie die ganze höfische (ritterliche) Dichtung, ist „die Arbeit" ritterlicher Sänger, welche namentlich an den gastlichen Höfen der Welfen, so des Herzogs Heinrich des Löwen, der Landgrafen von Thüringen und der babenbergischen Fürsten Österreichs ihre heimische Stätte fanden. Dieselben nahmen ihre Stoffe, entsprechend ihrer Bildung, die ganz von fremden, besonders französischen Einflüssen beherrscht war, aus der Fremde und zwar meist nach französischen Vorbildern: „fremdiu maere und fremde namen hat diu aventiure“, wie einer jener Dichter selbst sagt. So sind die Stoffe gewählt aus den antiken Sagen vom trojanischen Krieg und von Äneas, 'aus der Sage von Alexander
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