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1. Geschichte des Alterthums für Mittelschulen und zum Selbstunterricht - S. 233

1857 - Freiburg im Breisgau : Herder
Die Plebejer werden römische Vollbürger. Ausbau der Verfassung. 233 Senator war in der Regel auch der Sohn eines Senators oder eines angesehenen Bürgers; seine Erziehung war eine römisch-ernste und reli- giöse; was er als Knabe und Jüngling von seinem Vater über die An- gelegenheiten der Stadt und die bürgerlichen Verhältnisse hörte, waren Worte eines gewissenhaften, erfahrenen und klugen Mannes, und diesen Worten entsprach seine Handlungsweise. Die römischen Söhne bildeten sich nach ihren Vätern, darum treffen wir auch die merkwürdige Er- scheinung, daß in den guten Zeiten des römischen Staates die politischen Grundsätze in den Familien forterbten, z. B. bei den Klaudiern, Va- leriern, Horatiern, Korneliern, und der Vater gegen den abtrünnigen Sohn der strengste Richter war, z. B. I. Brutus, Sp. Cassius, Ful- vius u. s. w. Der römische Jüngling, der Senatorssohn so gut als der des Plebejers, trat in das Heer ein und lernte mit der Waffenführung zugleich Disciplin und Subordination, welche mit unerbittlicher Strenge gehandhabt wurden, und erst, wenn er bereits zwölf Jahre seiner Bür- gerpflicht als Militär genügt hatte, durfte er daran denken, sich um das erste höhere Staatsamt, die Quästur, zu bewerben; von den Staats- ämtern aber ging der regelmäßige Weg in den Senat. Jeder Senator war demnach in gewisser Weise von den Bürgern ernannt, insofern er seine Anwartschaft auf eine Senatorenstelle durch die Begleitung eines öffentlichen Amtes erhielt, welches ihm das Vertrauen seiner Mitbürger verliehen hatte. Ein Senator war seinem Alter nach über die Zeiten jugendlicher Leidenschaft hinweggeschritten, zudem ein Mann von Er- fahrung, der die Staatsgeschäfte nicht etwa aus Büchern oder von der Schule her kannte, sondern durch seine Amtsführungen mit ihnen ver- traut war. Daher fand in dem Senate, dieser Versammlung von Kriegs- und Staatsmännern, die glänzendste Theorie kein Gehör, so wenig als durch ihn je ein Feldzug beschlossen worden wäre, welcher dem athenischen gegen Sicilien glich. Diese Männer konnten zu einer Aenderung der Staatsgesetze nur vermocht werden, wenn die Rothwendigkeit unab- weisbar schien; sie schufen nichts Neues, das nicht zum Alten paßte und unternahmen nichts, dessen Ausführung nicht durch die Kräfte des Staates gesichert oder durch die Noth geboten war. Durch den Senat hatten die Patricier, welche jedenfalls den Hauptbestandtheil desselben auch nach 377 v. Ehr. bildeten, ihren redlichen Antheil an dem Ver- dienste, daß Rom die erste Stadt der Welt wurde, und jedenfalls über- traf der Plebejer den Patricier niemals an Aufopferung von Gut und Blut, wenn es die Ehre und die Wohlfahrt der Stadt galt. Der Würde und der Staatsweisheit des Senates verdankte es die römische Republik ebenso sehr als der religiösen Ehrenfestigkeit der Plebejer, daß nach der lex Hortensia, welche den ganzen Staat in die Gewalt der Tribus gab, nicht alsbald das Unwesen ausbrach, welches in der athenischen

2. Bd. 2 - S. 278

1838 - Freiburg im Breisgau : Herder
278 Zweites Kap. Religion. Erzählungen des Livius und Plutarch lesen (welche wenigstens den Ton der betreffenden Zeiten, bei Plutarch auch wohl seine eigene Sinnesweise, schildern), wenn wir selbst einen Cicero von einem Traume, als einer von Gott eingegebenen Ahnung, sprechen hören (de divin. I. 28.); so können wir nicht verkennen, daß nicht nur Fröm- migkeit, sondern abergläubische Gcmüthsart und meist sklavische Götterfurcht ein Hanptzug des Römercharakters bei Großen und Kleinen gewesen. Trefflich hatten die ersten Gründer des Staates sowohl, als seine folgenden Häupter, diesen religiösen Sinn genüzt und gcpffcgt. Sie hatten ihn zu einer Hauptstüze der Verfassung, znm Triebwerke des Gehorsams und des patriotischen Eifers, znm Erhalter der politischen Tugend gemacht. Die Religion war das kostbarste Staatseigen- t h u m; sie antasten hieß gegen die Majestät des Volkes sündigen (*). Hinwieder wurde für Gottlosigkeit gehalten, die Fahnen zu verlassen, den Magistraten nicht zu gehorchen, gegen den Vorzug edler Ge- schlechter zu kämpfen. Ohne diese heilige Waffe wären die Patrizier viel früher und vollständiger der Plebs erlegen. Alle schwereren Pflich- ten, alle härteren Opfer wurden den Bürgern im Namen der Götter aufgelegt; alle Tugenden, an deren Erhaltung dem Staate lag, wurden zu Religionspflichten gestempelt; jedes Widerstreben wurde durch Autorität des Himmels gedämpft. Daher konnten die griechischen Götterfabeln, in so fern sie blos Dichterphantasie und theils von belustigender, theils von sitten- verderblicher Wirkung waren, in Rom keinen Eingang finden. Hier wurde nur ausgenommen, was p o li t isch - nü z ti ch schien. Der Charak- ter der römischen Religion blieb ernst und feierlich; sie reichte den Aus- schweifungen weder Deckmantel, noch Entschuldigung dar, sondern schärfte die Gebote der Sittlichkeit und des Rechts durch eine höhere Sanktion ein. Jedoch nicht des öffentlichen Rechts; denn da sie Staatsmaschine und Dienstmagd der Politik war, so gebrauchte man sie (bei Kriegserklärungen, Friedensschlüssen und Bündnissen waren Priester, die Fccialen, nöthig) zur Beschwichtigung des Ge- wissens, zur Aufrichtung des Selbstvertrauens in den abscheulichsten Kriegen und zur Beschönigung der gröbsten Attentate gegen das Völ- kerrecht. Aus demselben Grllnde, daß die Religion in Rom mehr znm Besten des Staates, als jenem der Bürger vorhanden war, floß auch die Unbestimmtheit ihrer Unsterblichkeitslehre. Es scheint die- (') Auch die Sacra prirat« (Hausgottesdienst) mußten vom Volte gebilligt seyn.

3. Bd. 2 - S. 237

1838 - Freiburg im Breisgau : Herder
237 Staatsverfassung und Regierung. möglich in Harmonie gebracht und überhaupt die ganze Fortbildung der römischen Verfassung gewürdiget. Aber es blieben dabei so viele Dunkelheiten, Unbegreiflichkeiten und unauflösbare Widersprüche zu- rück, daß an einem wesentlichen Irrthum in der Grundansicht kaum mochte gezweifclt werden, und eine allgemeine kritische Revision, eine ganz neue, aus den allerältesten Quellen , so viele derselben in Frag- menten, mittelbaren Ueberlieferuugen und Denkmalen der Wiegenzeit Roms noch zugänglich sind, zu geschehende Bearbeitung dieses so hoch- wichtigen historischen Gegenstandes ein dringendes Bedürfniß schien. Eine solche hat Nieb.uhr in seinerächt klassischen Geschichte Roms zum großen Gewinne der Wissenschaft geliefert und darin den Freun- den der Rechtswissenschaft wie der Geschichte viele, überraschend neue, gleich anziehende, als lehrreiche Ansichten eröffnet. Die wichtigste derselben zeigt uns die Curie« als eine blos patri- zische Gemeinde, als "den großen Rath der patrizischen Ge- schlechter", die Eenturien als Nationalgemeinde oder die Vereinigung der beiden Hauptstände, des Adels und der Gemeinen, zu ein er Gesammtheit, die Tri bus endlich als die rein plebejische Gemeinde. Es müssen jedoch hier die alten oder ursprünglichen, der Sage nach schon von Romutus errichteten drei Tribus, von den neueren, d. h. von Servius Tullius geschaffenen, dreißig Tribus (vier städ- tische und sechs und zwanzig ländliche, welche zwar später durch den Landverlust au Porscnna eine große Verminderung erfuhren, allmä- lig aber wieder stiegen , und in der Gesammtzahl auf fünf und dreißig gebracht wurden) wohl unterschieden werden. Die ersten waren eine nach Stämmen, die zweiten eine nach Bezirken oder Regionen gemachte Eintheilung des Volkes, und zwar jene des um die patri- zischen Geschlechter gesammelten, diese des plebejischen Volkes. Jeder der drei romulischen Stämme oder Tribus (der Titi enses, Ramncs und Luceres) war in zehn Eurien getheilt, jede Curie enthielt eine bestimmte Anzahl (wahrscheinlich zehn) Geschlechter. Ein Geschlecht bestand nicht eben aus einer Familie, sondern aus einem Inbegriff freier, durch einen ererbten gemeinschaftlichen Na- men — welcher jener des edelsten oder ursprünglich vorherrschenden Hauses ist — verbundener Familien. Aus diesen Geschlechtern der Stämme — und zwar anfangs blos aus jenem der Luceres (oder Priester?), daun aber auch aus jenem der Ramnes (Krieger?), endlich, was durch Tarquinius Priscus geschah, auch aus dem drit- ten, der Tities (daher patres minorum gentium) — wurden, aus jedem hundert (also zusammen drei hundert) Männer, ausgeho-

4. Bd. 2 - S. 242

1838 - Freiburg im Breisgau : Herder
242 Erstes Kap. Bürgerlicher Zustand. Stand, welcher jedoch später noch mehr durch verschiedene Vorrechte — als Edrenstze im Theater gleich hinter den Senatoren — ausgezeich- net, durch Pachtung ser öffentlichen Einkünfte reich, und als Mit- telmacht zwischen dem Senat und Volk wichtig war. Wir haben in der dctaillirten Geschichte erzählt, in welchem Wechsel, seit E. Grac- chus Zeit, die Ritter und der Senat bald ausschtießungsweise, bald gemeinschaftlich die Gerichte (judicia) erhalten haben, und welche große Bewegungen darüber cnstanden sind. Eicero war die Zierde und ein vorzüglicher Beförderer des Rittcrstandes. Der dritte Stand, wenn gleich dem Range nach der lezte, war doch durch seine Zahl und seine verfassungsmäßigen Rechte der stärkste, ja eigentlich der Souvera in. Die Zahl der Senatoren und Rit- ter verschwand gegen die große Volksmenge, und konnte, zumal in comitiis iributis, gegen den entschiedenen Willen derselben nicht aufkommen. Gleichwohl wurde, theils durch die List der Vornehmen, theils durch den natürlichen Lauf der Dinge, die Macht des großen Hau- fens in Schranken gehalten, und es kam niemals eine reine De- mokratie zu Stande. Um wie Vieles die comitia tributa dem Volke vortheilhafter, als die comitia centuriata waren, ist aus dem früher Gesagten klar. (Die coinitia curiata, nach errungener politischer Gleichstellung der Plebejer mit den Patriziern, verloren ihre Bedeutung, und hörten allmälig auf.) Aber viele Geschäfte wurden fortwährend auf den comitiis centuriatis verhandelt — eine Zeitlang jedoch noch abhän- gig von der Beistimmnng der Cnrien —, und es wußten die Vor- nehmen auch die comitia tributa, worin die vorzüglichste Stärke der Tribunen bestand, für sich minder schädlich zu machen durch die (s. §. 14. der röm. Gesch.) von Fab ins Marimus angeorduete Verweisung des Pöbelhaufens in die tribus urbanas und der ange- seheneren Leute in die tribus rusticas* Auf eine ähnliche Weise wurden nachmals (ibid. §. 47) die als Bürger aufgenommenen Bun- desgenossen in acht eigene Tribus verthcilt, um die übrigen von ihrem Einflüsse frei zu erhalten (*). (*) Wir wollen hier eine — nicht neue, aber wichtige — Bemerkung, welche nicht nur für Rom, sondern auch für Athen und für alle größeren Re- publiken des Alterthums gilt, in eine Note sezen. Sobald die Zahl der Aus- breitung einer Bürgergemeinde also zunahm, daß sie entweder schwer oder gar nicht in eine ordentlich beratbschlagende Versammlung konnte vereinigt wer- den; so blieb kein anderes Mittel zur Erhaltung einer gesezlichen und Nicht von Stürmen bewegten Freiheit übrig, als das Reprasentationssystem. Aber zu dieser Idee haben die alten Politiker sich nicht ausgeschwungen. Sie

5. Bd. 2 - S. 246

1838 - Freiburg im Breisgau : Herder
246 Erstes Kap. Vürgcrlicher Znstand. in der detaillirten Geschichte gedacht. Als die Plebejer zu gleichen politischen Rechten, wie die Patrizier, gelangt waren; so hörte im Grunde der Zweck des Tribunals ans, oder wurde wenigstens dahin abgeändert, daß dessen Inhaber nicht mehr die Vertreter der Plebs gegen die Patrizier, sondern überhaupt der geringeren Burger gegen die vornehmeren oder gewissermaßen, nach einer unseren neueren Verhältnissen mehr verwandten Ansicht, der Regierten ge- gen die Regierenden waren. Sie begnügten sich aber nicht damit, Vertreter zu scyn. Denn seitdem die comitia tribuía gewöhnlich, und plebiscita dasselbe, wie populiscita, waren; so konnte man die Tribunen gewissermaßen als Depositärs der ganzen Volksgewalt be- trachten, indem es ihnen nicht schwer war, den Willen dieses Volkes auf den von ihnen beherrschten Comitien nach Gefallen zu lenken. So- nach waren sie Gesezgeber, wahre Oligarchen und der That nach weit mehr, als die Cousuln an der Spize des Staates. Auch gc- sezlich und dem Aeußeren nach hatte ihre Macht und Ehre all- mälig zugenommen. Daher geschah cs, daß wohl auch Patrizier von Plebejern sich adoptiren ließen, um zu einem so wichtigen Amte ge- langen zu können. Auf die Tribunen waren alle Hoffnungen und Besorgnisse der Patrioten, so wie der Ehrsüchtigen, gerichtet; alle andere Magistrate erzitterten vor ihnen (*), und wir haben gesehen,, wie oft — neben manchen unbedeutenden Tribunatcn — durch ein es Tribuns Verwegenheit und Einfluß der Staat erschüttert, ja gar um- gestaltet worden. §. 12. Beurtheilung. Wenn wir dies Alles zusammcnnehmen; so sehen wir in Rom eine künstliche Mischung monarchischer, aristokratischer und demokrati- scher Formen. Die Macht des Eonsulats — wenn auch mit vieler Vorschrift beschränkt — verlieh, wie cs der Theorie nach scyn soll, der Regierung, zumal im Kriege, die Einheit und Energie des Königthums. Die Weisheit des aristokratischen Senates und seine perennirende Gewalt gaben — bei allem Wechsel der Magistrate und der Unstätigkeit des Volkswillens — den Staatsmarimcn Festig- keit, den Maßregeln Zusammenhang, dem ganzen Reiche einen beharr- («) Nachdem Sulla die Tribunen in ihre ursprünglichen Verhältnisse zmmckgebracht hatte, wurden sie soäler von Pom pejus wieder erhoben. Er büßte für diesen Schritt, da Casar nur durch dieilntersiüzung der Tribunen sein Sieger wurde So ungemejsen war die Macht der Tribunen, daß chl 6u3 Einer derselben »Flavins) den Conüil Metellus, der nicht^unbedingt seinem Willen folgte, ins Gefängniß warf, und, als der ganze Senat dem Conüil dabin folgen wollte, seinen Stubl vcr die Thüre des Gefängnisses sezte, um die Senatoren zurückzuhalten. (Bio I. 37, L2.)

6. Bd. 2 - S. 279

1838 - Freiburg im Breisgau : Herder
279 Zweites Kap. Religion. selbe nie als ein Hauptpunkt des Glaubens betrachtet worden zu seyn. Die Gebete an die Götter bezogen sich fast ausschließlich ans das öffentliche Wohl, und die meisten Erzählungen vom Elysium oder Tartarus galten für Phantasiecn der Dichter. §.3. Römische Priester schaft. Der Grnndcharakter der römischen Religion — als politischer Triebfeder — ist vornehmlich in den Verhältnissen ihrer Priester- schaft sichtbar; so wie er in denselben auch die Bürgschaft seiner Er- haltung fand. Die römischen Priester machten (wenigstens in der be- kannten historischen Zeit; ursprünglich mag ein eigener Stamm der Priester gewesen seyn) weder eine erbliche Kaste, noch einen be- sonderen Stand aus. Ihr Amt war ein Staats amt) welches man auf ähnliche Weise, wie die übrigen, erlangte, oder auch als gesezlich mit den hohen Magistraturen verbunden besaß. Einige (wie die Auguren und Flamin es) behielten es zwar lebenslänglich: aber da sie vom Volke gewählt und meistens Glieder des Senates waren, so konnte kein streitendes Interesse aufkommen. Zu der allgemeinen Aufsicht über den Gottesdienst waren die pon- tifices unter ihrem Oberhaupte, dem pontilex maximus, bestimmt. Sie wurden auf den comitiis tributis, und zwar lange Zeit blos aus den Patriziern, gewählt; und so wichtig schien die Macht des obersten Pontifer, daß nachmals August zur Erhaltung der Herrschaft für nöthig fand, sich dieselbe, so wie die consularische und tribunicische, zuzueignen. .Von dem größten Einflüsse war das Amt der Auguren. Ihre ur- sprünglich tyrrhenische Kunst erheische ein besonderes Studium. Die höheren auspicia — die Beobachtung des Vögelfluges, des Donners und Blizes, dann des Fressens der heiligen Hühner — gehör- ten ihnen. Kein bedeutendes Staatsgeschäft wurde anders, als auspi- cato vorgenommen; und so standen die Eomitien und die wichtigsten Verrichtungen der Magistrate scheinbar unter der Leitung der Au- guren, sie Selbst aber unter jener der Regierung. Eben so die Arn- spices, denen die kleineren Auspicien ans den Eingeweiden der Opferthiere, aus Rauch und Flamme und aus übernatürlichen Begebenheiten — portentis — übergeben waren. In die nämliche Klasse können wir auch die Ausleger der berüchtigten sibyllinischen Bücher (*) (anfangs duumviri, nachmals «piiudeciinviri sacris (*) Die Legende von der Sibylle von Cumä ist Jedermann bekannt Die sogenannten sibyllinischen Bischer, die noch vorhanden sind, haben einen viel spateren Ursprung.

7. Bd. 2 - S. 236

1838 - Freiburg im Breisgau : Herder
256 Erstes Kap. Bürgerlicher Zustand. In Gemäßheit der Bd. I. S. 203 ff. aufgestellten Begriffe war die Verfassung Roms vom Ursprünge des Staats bis ans Octa- vian's Alleinherrschaft republikanisch, mit einer anfangs monar- chischen, hierauf aristokratischen Form, welche immer mehr zur demokratischen stch neigte, ohne jemals vollkommen eine solche zu werden. Aber noch auffallender, als die Form, wechselte, bei dem Strome äußerer und innerer Verhältnisse, der Geist der Verfassung. Alle republikanischen Einrichtungen mochten die Römer nicht vor despotischem Drucke bewahren; Tyrannei, Oligarchie, in verschiedenen Gestalten, Ochlokratie, endlich sogar Anarchie sind häufiger, als die Freiheit herrschend gewesen. Nach der, vorzüglich auf Disny sin s und Li v ins Autorität gcstüzten, Darstellung der meisten älteren und neueren Schriftsteller hat Romutus dem Volke die höchste Gewalt, insbesondere die Ge- sezgcbung, dem ans desselben Mitte gewählten Senat die Lei- tung der Geschäfte und den größten Theil der Regierung über- lassen, für sich selbst, als der obersten, ja gewissermaßen einzigen, Magistratsperson — nur den Vorsiz im Senate, die erekntive Gewalt und die Anführung im Kriege vorbehaltend. Das gesammte Volk soll er in drei Tribns und dreißig Cnrien (jede der lezten wieder in zehn Decurien) eingetheilt, und durch die aus den Tribns und Cnrien erwählten 100 Senatoren (deren Anzahl einer der nachfolgenden Kö- nige auf 200, Tarquinius Priscus aber ans 300 vermehrte) den Grund zur Absonderung der patrizischen von den plebeji- schen Geschlechtern gelegt, diese beiden Stände aber durch das Ver- hältniß des Patronats und der Clientel in eine enge persönliche Verbindung gebracht haben. Diese, der vorherrschenden Bestimmung nach demokratische, Form sey hiernach durch Servins Tnllins mittelst seiner neuen, auf die Vermögensverhältnisse gegründeten, Ein- theilung des Volkes in Klassen und Centurien mehr aristokra- tisch, und nach Vertreibung der Tarquinier — da hiedurch dem Se- nate auch die Gewalt des K öni gs zugewachsen — oligarcbisch und tyrannisch geworden; was sodann die Gemeinen zum Wider- streben aufgesordcrt, und den Anstoß zum völligen Umschwung aller Verhältnisse, nämlich zur Umwandlung der Aristokratie in Demokra- tie, d. h. der patrizischen in plebejische Hoheit gegeben habe. Mit dieser Grnndansicht wurden dann von den Schriftstellern über die römische Geschichte die Vorstellungen von allen constituticnellcn Verhältnissen Roms, 'vorzüglich von der Natur und politischen Be- deutung der drei Arten von Comitien, derjenigen nämlich, worin nach Cnrien, Centurien oder Tribuö gestimmt ward, soviel

8. Bd. 2 - S. 241

1838 - Freiburg im Breisgau : Herder
241 Staatsverfassung und Regierung. Der Senat, welcher gewöhnlich 600 Glieder zählte, war über- haupt das höchste Staatskolleginm. Alle wichtigeren Regier ungs- g esch äfte trugen die Consuln dem Senate vor; ja selbst diejenigen, welche zum'vortrage an's Volk geeignet waren, wurden zuerst im Senate verhandelt; und wiewohl das Volk in späteren Zeiten das Recht behauptete, auch ohne Mittheilung des Senats zu bcrathschla- gen und zu entscheiden; so wurde doch die Bestätigung des Se- nats für nöthig erachtet, um den Beschluß zum Geseze zu erheben. Don dem noch später errungenen Entscheidungsrecht ohne den Se, nat machte es selten Gebrauch. Insbesondere war die Leitung der äußeren Angelegcnbcitcn dem Senate anvertraut (S. 127); und in den größten Verbrechen, als Hochverrat, Verschwörung, auch Mord und Giftmischerei, stand ihm die höchste Gerichtsbark eit zu. Anfangs wurde der Senat nur aus patrizischen Geschlechtern er- gänzt; später geschah cs meist aus den Rittern; und auch Ple- bejer gelangten dazu, da jede höhere Magistratur — von der Q u ä- stur angefangen — den Eintritt in den Senat, und zwar ans lebenslang, gab. Doch wurde zum vollständigen Genüsse der senatorischen Rechte die Eintragung in die Liste — daher patres con- scripti—durch die Censoren erfordert. Wer auf derselben oben an stand, hieß princeps senatus. In späteren Zeiten wurde die Zahl der Senatoren sehr vermehrt, aber das Ansehen des Senates—was oft der Zweck der Machthaber war — durch den Uuwcrth seiner Glie- der verringert. Die Ordnung der Ritter rührt, der Sage nach, gleichfalls von Romutus Einsezung her, welcher 300 der tapfersten Jünglinge aus den Tribus für den Dienst zu Pferd gewählt und zu seiner Leibwache bestimmt habe. Wahrscheinlich bestand diese damals überhaupt aus den reicheren patrizischen Jünglingen, und welche hiernach zu Pferde zu dienen vermochten. Wir haben aber schon oben (S. 237) bemerkt, welche Zweifel und Dunkelheiten über den Ursprung und die wechselnden Verhältnisse der Ritterschaft chbwaltcn. Tarqui- nins der Alte vermehrte ihre Zahl durch Aufnahme von gleichviel plebejischen Rittern. Aber nicht die Abstammung von diesen ersten Rittern (celcres), nicht der Kriegsdienst als Reiter, sondern der census verlieh nachmals die ritterliche Würde, zu welcher ein Vermögen von quadrinneniies Ii. 8. (gegen 17,000 Thaler) erfor- derlich war. Nach dem bei den alten Republiken häufig geltenden Grundsaz, daß das politische Recht nach der Bewaffnung sich richte, waren diese Ritter schon ursprünglich ein politischer U. 16

9. Bd. 2 - S. 245

1838 - Freiburg im Breisgau : Herder
Staatsverfassnng und Regierung. 243 der Xii Tafeln gewesen, welches aber durch die vielen Senatusconsulte, Volksbeschtüsse und die jährlichen Edikte den Prätoren eine fortlaufende — freilich verwirrende und die Sicherheit der Bürger gefährdende — Vermehrung erhielt. In peinlichen Sachen galt die werkwürdige Un- terscheidung zwischen Privatverbrechen — deren Verfolgung blos dem Beleidigten zusiand — und öffentlichen oder Staatsverbre- chen, wo Jedermann Kläger seyn konnte (judicia privata et publica). Für die lezten wurde anfangs in jedem verkommenden Fall ein eigener Quästor ernannt; nachmals kamen andauernde Commissionen (quac- stiones perpetuae ) auf. Wir finden die wichtige Unterscheidung der Richter der That von jenen des Rechtes, welches die Grundlage der sogenannten "Geschwornen-Gerichte" verschiedener neuerer Völker ist (^). Aber die schwersten Verbrechen (peculatus, repetundarum, ambitus, majestatis und perduellionis) wurden Häufig vom Volke selbst aus den Comitien, zum Theil auch vom Senate, gerichtet. Ins- besondere war das Urtheil der Gemeinde vonnöthen, wenn es stch um die Todesstrafe eines Bürgers handelte; und es war dem Beklag- ten erlaubt — so lange nicht die ganze Abstimmung vorüber war — durch ein freiwilliges Eril sich der Hinrichtung zu entziehen. Ueber- haupt wurden dergleichen Volksgerichte mehr durch Leidenschaften und Eindrücke des Augenblicks, als durch kaltes Recht bestimmt. Die Polizeigeschäfte wurden von den A editen verwaltet, deren Amt man als die erste Stufe der hohen oder eigentlichen Magi- strate ansah. Anfangs waren sie nur Gehilfen der Volkstribunen, nachmals wurden außer den gemeinen noch zwei höhere A editen (aediles curules) ernannt, denen außer den allgemeinen Polizei- sachen noch insbesondere die Veranstaltung der feierlichen Spiele zur Ehre verschiedener Gottheiten oblag. Spiele, welche die Römer mit Leidenschaft liebten, deren Kosten aber auch oft das Vermögen Der- jenigen, die sie gaben, erschöpften. Julius Cäsar ließ bei den Spielen, die er nach seines Vaters Leichenbegängniß gab, das ganze Amphitheater, worauf die wilden Thiere kämpften, mit Silber belegen Nach dem Geseze sollte man zuerst Quästor gewesen seyn, bevor man aedilis curulis wurde. Die Quästoren waren die Großschaz- meister des Staates, anfangs zwei, nachmals zwanzig an Zahl, die in die verschiedenen Provinzen geschickt wurden. Auch die Quästur gab den Eintritt in den Senat. Aenßerst wichtige Magistrate waren die Volkstribunen. Wir haben ihres Ursprungs und der wechselnden Verhältnisse ihrer Gewalt _ (*) Sehr lesenswürkig ist hierüber Filangieri, Ja se»on*a della Legmaiion« T, Iii. P. Ii, b

10. Bd. 2 - S. 247

1838 - Freiburg im Breisgau : Herder
247 Staatsverfassung inib Regierung. lichen Schwerpunkt. Die Volkssou ver ai ne tat aber wurde er- halten und ausgeübt in den Eomitien, denen nicht nur die Gesezgc- bung, sondern auch die besonders wichtigen Regierungs sachen, die Wahl aller hohen Magistrate, ja selbst ein Theil der Gerichts- barkeit, überlassen blieb. Viele Schriftsteller, auch Ioh. v. Müller, haben in solcher Vertheilnng der Gewalten eine"bewnndernngcwür- dige Vortrefflichkeit" erkannt. Andere (wie Herder) erklärten die römische Verfassung "für eine der unvollkommensten auf der Welt, entsprungen ans rohen Zeitnmständen, nachher nie mit einem Blicke auf's Ganze verbessert, sondern immer nur parteiisch so und anders geformt." — Auf welche Seite wird die Entscheidung fallen? — So viel ist gewiß — nicht nur die Theorie, auch die Erfahrung hat cs gezeigt —, daß düse hochgepriesene Verfassung wesentliche Gebrechen und fast unheilbare Grundübel enthielt, und daß sie — vielleicht mehr, als irgend eine andere — die republikanische Tugend der Bürger, auch Talent und Rechtlichkeit der Magistrate als Bedingung ihrer Halt- barkeit und ihrer Güte voraussczte (*). Der beste Eonsnt — abgesehen von allem Uebrigen — konnte schon durch einen schlechten Kollegen ausser Stand gesezt werden, das Staatswohl zu fördern. Das An- sehen des Senats nährte den Stolz seiner Glieder, erbiclt untar allen demokratischen Formen die Gehässigkeit der Aristokratie und die feind- selige Entgegensezung, die unablässige Reibung zweier Parteien, der Vornehmen und der Geringen. Das Volk endlich tvittc zu viele Gewalt. Es läuft gegen den Begriff des Rechtes, d.iß das Volk selbst in Staatsverbrechen, sonach in eigener Sache, Richter s.y. Die Ma- gistrate, und die cs zu werden wünschten, hatten zu viele Aufforde- rung, demselben zu schmeicheln, durch ungerechte oder gefährliche Vor- schläge seine Gunst zu erkaufen, und dabei die Leichtigkeit, cs oftmals durch das Organ seiner unmittelbaren Häupter, der Tribunen, zu den verderblichsten Beschlüssen zu verleiten. Ueberall waren die Grenzen der einzelnen Gewalten nicht gehörig bestimmt; sie griffen gegenseitig eine in das Gebiet der andern ein; Kollisionen waren unvermeidlich. Bei den besten Zwecken mußte man zu Ränken, zu Täuschungen, oft zur Gewalt seine Zuflucht nehmen; es war ein unaufhörliches feind- seliges Treiben unter einander. Die Bürger wurden ihres Daseyns nicht froh (**). Endlich kam allzuviclcs auf den Charakter und die (') Wenn nun — nach Kant — die bese Persassuna diejeniae ist, wor- unter auch Leusel rnbig und friedlich zu leben vermögen: welches llrtbeil ist von jener zu fallen, welche blos für tugendbafte B'"ger lang,? , (**)Neckt bemerkt Mably, daß schon die blisen Maralien eines Livius, welche nichts, als eure trauriae Abwechslung von inneren Stur- men und äußeren Kriegen (auch diese flvsien aus der Verfassung) enthalten.
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