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1. Geschichte des Alterthums für Mittelschulen und zum Selbstunterricht - S. 84

1857 - Freiburg im Breisgau : Herder
84 Perser und Griechen. Europas Sieg über Asien. ihr Religionslehrer, als der Träger des religiösen Glaubens der Vor- fahren, da den Hellenen keine Priester in heiligen Büchern die Religion und deren Satzungen aufbewahrten. Durch die homerischen Gesänge wurden die entzweiten Hellenen immer wieder erinnert, daß sie schon in der Vorzeit ein Volk gewesen, welches seine Ehre gemeinschaftlich gegen die Barbaren vertheidigte und durch die Gunst der Götter einen glor- reichen Sieg über Asien errang. Homers Gesänge wurden die Quelle, aus welcher spätere Dichter schöpften und den nationalen Sinn immer wieder erfrischten. Kein Volk hat einen Homer hervorgebracht (die Bibel ist göttlichen Ursprungs und gehört der Menschheit); Ln Asien war es unmöglich, denn unter der Despotie gibt es keine Helden, nur Knechte, welche in die Schlacht getrieben werden; Priefterkaften führen ein Volk bis zu einer gewissen Stufe der Kultur, aber sie dulden die geistige Er- hebung des Einzelnen nicht und ziehen unübersteigbare Schranken zwischen sich und den anderen Ständen, zwischen ihrer Nation und fremden Na- tionen. Die Germanen erscheinen unter allen Völkern den Hellenen am nächsten stehend; allein sie bewohnten Länder, welche von der Natur weniger begünstigt waren als Hellas, und ihre Fortbildung übernahm das Christenthnm, daher konnten ihre Sänger für sie nie das werden, was Homer den Hellenen gewesen. Die alten Könige der Griechen. Allmäliges Aufhören der Königswürde. Die griechischen Stämme und Städte hatten anfänglich ohne Aus- nahme Könige; ihre Herrschaft erstreckte sich aber nie über ein großes Gebiet und war ebenso wenig eine despotische. Der König führte im Kriege die streitbaren Männer an und war mit den andern Edlen Vor- kämpfer in der Schlacht. 2m Frieden saß er mit denselben auf offenem Markte zu Gericht, mit ihnen berieth er die allgemeinen Angelegenheiten. Das Volk hörte dann wohl auch zu und gab durch Beifall oder Murren seine eigene Meinung zu erkennen; jedoch hing die Entscheidung nie von dem Volke ab, sondern diese kam von dem Könige und den Edlen; letztere werden selbst oft Könige genannt und der eigentliche König war auch nur der erste unter ihnen, sowie er auch das größte Grundstück besaß und in dem schönsten Hause wohnte; die Edlen standen ihm durch Grundbesitz am nächsten, wie sie im Felde mit ihm in der Vorderreihe fochten und im Frieden mit ihm im Rathe saßen. Bei den Festen der Götter opferte der König und ordnete das Mahl, das von dem Opfer unzertrennlich war. Von regelmäßigen Abgaben an den König war keine Rede, doch steuerte das Volk bei, wenn er durch irgend ein Ereigniß

2. Geschichte des Mittelalters - S. 220

1866 - Freiburg im Breisgau : Herder
220 Das heilige römische Reich deutscher Nation. Liede. Das ganze Wesen des Ritterthums in seiner Blüte, wie in seiner Entartung spiegelte sich in einer eigenthümlichen poetischen Li- teratur ab, deren Träger und Pfleger Ritter und Höfe, deren Stoffe ritterliche Thaten und Tugenden, Gottes- und Frauenliebe waren. Von dieser ritterlichen oder höfischen Dichtung, die als Kunstpoesie im Gegensätze zur Volksdichtung auftrat, ist uns gar vieles erhalten und höchst wichtig für die Kenntniß der geselligen und sittlichen Zustände in den politischen Parteien des Mittelalters. Diese Gedichte sind zu- gleich die wichtigsteu Denkmäler der mittelhochdeutschen Sprache, denn die damaligen Schriftsteller bedienten sich ausschließlich der lateinischen Sprache; auch die Urkunden wurden noch im 13. Jahrhundert in der Regel lateinisch abgefaßt; die ältesten deutschen Rechtsbücher, der Sachsenspiegel (den wir nicht in seiner ursprünglichen Gestalt besitzen) und der Schwabenspiegel, gehören jedoch schon der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts an. Am frühesten erwachte der ritterliche Sang im Gebiete der proven- hñlischen Sprache, in Südfrankreich und im nordöstlichen Spanien; hier wanderten die Troubadours (Erfinder, von trouver; sie waren Dichter und Sänger in einer Person) von Burg zu Burg, von einem Feste zum andern, und fanden allenthalben gastliche Aufnahme, denn ihre Lieder waren die Würze der geselligen Unterhaltung für Herren und Frauen, und die Vornehmsten suchten ihren Ruhm darin, auch als Dichter zu glänzen oder doch die Dichtkunst auf jegliche Weise zu hegen und zu pflegen. Während Frauenliebe der Grundton der provenyalischen Dich- tung war und blieb, wurde in Nordfrankreich und England vorzugs- weise die ritterliche Heldendichtung gepflegt, welche theils die Thaten und Sagen von Karl dem Großen, von König Artus, dem walisischen Helden und dessen Genossen, und vom heiligen Gral (die Schüflel des heiligen Abendmahls) zu ihrem Mittelpunkte machte, theils Helden der heidnischen Vorzeit, Alerander den Großen und Aeneas, zu christlichen Rittern um- schuf und besang. Die Kreuzzüge verliehen dem ganzen Leben der Zeit und nament- lich auch der Dichtkunst höheren Schwung und religiöse Weihe, das ferne wunderbare Morgenland in seinen Beziehungen und Kämpfen mit dem Abendland bot der dichterischen Einbildungskraft unerschöpfliche Stoffe; sie brachten aber auch die Völker Europas in gegenseitigen und innigen Verkehr, sie lernten ihre Sprachen, Geschichten und Sagen gegenseitig kennen, und in dieser Zeit war es, wo auch im deutschen Reich die Ritterdichtung aufkam und schönere Blüten trieb als irgendwo (1150 bis 1240). Unter den Hohenstaufen, welche die Dichtkunst liebten und fast sämmtlich selbst Dichter waren, erreichte die Dichtkunst ihre höchste Voll-

3. Dichtung des Mittelalters - S. 172

1884 - Freiburg im Breisgau : Herder
172 Dritte Periode, von 1150—1300. Wie das Glück doch schalten kann! Armut gab es mir zu immer frohem Mut: Aber einem reichen Mann Gab es Unmut: sagt, was nützt dem nun sein Gut? Schade, daß ihm nicht der Einfall kam, Mich zu begaben zu dem frohen Mute Mit des Reichen Gute: Es paßte meine Not doch mehr zu seinem Gram. (Simrock.) Im Anschlüsse an diese heiteren Lieder mögen jene ernsteren, aber nicht durch politische Beziehungen gefärbten Gesänge späterer Jahre ihre Stelle finden, soweit sie sich nicht gut in den Nahmen der folgenden mehr historischen Anordnung einfügen lassen: Wert iiuuintichcr Schönheit. Die Schönheit rühme der, der eine Frau besinget, Männern steht es übel, weil es weich und spöttisch klinget. Kühn und mild und daß er auch beständig sei, Das ist genug: dies dritte steht gar schön bei jenen zwei. Wenn ihr's nicht verschmähet, so will ich euch lehren, Wie man loben soll und nicht entehren: Ihr müßt in die Leute seh'n, so schaut ihr, wie's bestellt; Nicht nach der Wangen Schminke sei der Schluß gefällt. Gar weis' ist oft, den man für thöricht hält: Wohl thät' es not, die Weisen auch erst um und um zu kehren. (Simrock.) Maß im Trinke». 1. Ich trinke gerne, wo man mir mit Maßen schenket, Und des Übermaßes niemand nur gedenket, Weil das den Mann an Leib und Gut und an den Ehren kränket. Es schadet auch der Seele, hör' ich Weise sagen: Das möge seinem Gaste gern erlassen jeder Wirt: Läßt er sich geben, bis sein rechtes Maß ihm wird, So mag er Glück und Seligkeit und Ehre d'ran erjagen. Es ward das Maß den Leuten darum aufgelegt, Daß man es grade mess' und trage: das erwägt, Und hab' er Dank, der's grade mißt und der es grade trägt. 2. Er hat nicht wohl getrunken, der sich übertrinket: Wie ziemt das biederm Mann, daß ihm die Zunge hinket Von Wein? Wer also trinket, Sünd' und Schande zu sich winket.

4. Dichtung der Neuzeit - S. 176

1908 - Freiburg im Breisgau : Herder
176 Siebte Periode oder zweite Blüteperiode, von 1748 ab. Daß ich Natur und Kunst zu schaun mich treulich bestrebe. Daß kein Name mich täuscht, daß mich kein Dogma beschränkt? Daß nicht des Lebens bedingender Drang mich, den Menschen, verändert, Daß ich der Heuchelei dürftige Maske verschmäht? Solcher Frevel, die du, o Muse, so emsig gepfleget, 10. Zeihet der Pöbel mich; Pöbel nur sieht er in mir. Ja, sogar der Bessere selbst, gutmütig und bieder. Will mich anders; doch du, Muse, befiehlst mir allein. Denn du' bist es allein, die noch mir die innere Jugend Frisch erneust und sie mir bis zu Ende versprichst. Aber verdopple nunmehr, o Göttin, die heilige Sorgfalt! Ach, die Scheitel umwallt reichlich die Locke nicht mehr. Da bedarf man der Kränze, sich selbst und andre zu täuschen! Kränzte doch Cäsar selbst nur aus Bedürfnis das Haupt. Hast du ein Lorbeerreis mir bestimmt, so laß es am Zweige 20. Weiter grünen und gib einst es dem Würdigern hin! Aber Rosen winde genug zum häuslichen Kranze! Bald als Lilie schlingt silberne Locke sich durch. Schüre die Gattin das Feuer, auf reinlichem Herde zu kochen! Werfe der Knabe das Reis, spielend, geschäftig dazu! Laß im Becher nicht fehlen den Wein! Gesprächige Freunde, Gleichgesinnte, herein! Kränze, sie warten auf euch. Erst die Gesundheit des Mannes, der, endlich vom Namen Homeros Kühn uns befreiend, uns auch ruft in die vollere Bahn. Denn wer wagte mit Göttern den Kampf? und wer mit dem einen? 30. Doch Homeride zu sein, auch nur als letzter, ist schön. Darum höret das neuste Gedicht! Noch einmal getrunken! Euch besteche der Wein, Freundschaft und Liebe das Ohr. Deutschen selber führ' ich euch zu, in die stillere Wohnung, Wo sich, nah' der Natur, menschlich der Mensch noch erzieht. Uns begleite des Dichters Geist, der seine Luise Rasch dem würdigen Freund, uns zu entzücken, verband. Auch die traurigen Bilder der Zeit, sie führ' ich vorüber, Aber es siege der Mut in dem gesunden Geschlecht. Hab' ich euch Tränen ins Auge gelockt und Lust in die Seele 40. Singend geflößt, so kommt, drücket mich herzlich ans Herz! Weise denn sei das Gespräch! Uns lehret Weisheit am Ende Das Jahrhundert; wen hat das Geschick nicht geprüft? Blicket heiterer nun auf jene Schmerzen zurücke. Wenn euch ein fröhlicher Sinn manches entbehrlich erklärt. Menschen lernten wir kennen und Nationen; so laßt uns, Unser eigenes Herz kennend, uns dessen erfreun.

5. Mancherlei für Jung und Alt - S. 253

1884 - Freiburg im Breisgau : Herder
253 mundeten beteiligte; oder sei es auf jenem einsamen Spazierritte vor Augsburg, wo er in einem Hohlwege einen plötzlich schwer erkrankten Bettler antraf, vom Pferde stieg, dem Kranken einen Labetrunk reichte, sein kaiserliches Oberwams anszog, um den vor Kälte Zitternden damit zu bedecken, und dann eiligst zur Stadt zurückritt, um einen Priester zu holen, der dem Sterbenden die letzten Tröstungen der Religion bringen sollte. Schon Maximilians äußere Erscheinung war fesselnd und wohl- thuend: seine edle Gestalt, sein fester sicherer Gang, der Adel und die Würde in all seinen Bewegungen, der Ausdruck unverkümmerten Wohl- wollens aus seinem Antlitze, die unversiegbare Heiterkeit seines reinen Gemütes und seine herzgewinnende Rede, die manchen feindlich Gesinnten oft bei der ersten Begegnung versöhnte. Als er einmal beim Empfange seiner Gemahlin Maria von Burgund in Gent seinen Einzug hielt, „auf hohem braunen Roß, alle überragend, in glänzender silberner Rüstung, unbedeckten Hauptes, seine reichen blonden Locken in einen Kranz von Perlen und Edelsteinen gefaßt", da schrieb ein Anwesender: „Welch eine prächtige Erscheinung! Maximilian ist so jugendlich frisch, so männlich kräftig, so strahlend vor Glück, daß ich nicht weiß, was ich mehr be- wundern soll, ob seine blühende Jugend, oder seine Kraft, oder sein Glück. Man muß ihn gern haben, den glänzenden Mann." Man muß ihn ebenso gern haben, wenn man ihn im einfachen grauen Jagdrock, den Stulphut auf dem Kopf, mit Stegeisen, Armbrust und Jägerhorn versehen, die höchsten Gebirge und Felsschluchten Tirols durchwandern sah, oder ihn ein trauliches Gespräch mit einem vorübergehenden Bauer anknüpfen hörte, oder wenn er bei geselligen Vergnügungen, etwa in Frankfurt oder Ulm, in launiger Rede mit den Bürgern oder Bürgers- töchtern scherzte und es den Patricierfrauen nicht verübelte, daß sie, die von seiner baldigen Abreise gehört, ihm Stiefel und Sporen versteckten, damit er noch einen Tag länger bleibe und auch den morgigen Tanz mit der Königin des Festes eröffne. Maximilian war in seinem ganzen Wesen und Thun das gerade Widerspiel seines trägen und unschlüssigen Vaters. Während Friedrich am liebsten stets in den breiten Geleisen des privilegierten Herkommens fortging und aus Scheu vor Verantwortlichkeit jede durchgreifende Maß- regel vermied, fühlte Maximilian den lebendigen Trieb in sich, „für eine neue jugendliche Zeit Kraft und Leben einzusetzen, alle geistig Hochstreben- den zu ermuntern und zu fördern, alles gute und bewährte Alte zu ehren, zu erhalten und neu zu befestigen, dagegen alles wirklich Veraltete zu entfernen. Seine Wißbegierde war unbegrenzt, und er lernte ebenso leicht Geschütze gießen und bohren und Harnische anfertigen, als er das Studium der Geschichte, Mathematik und Sprachkunde betrieb. Wie als

6. Mancherlei für Jung und Alt - S. 444

1884 - Freiburg im Breisgau : Herder
444 Abschluß. In Münster verkehrte sie mit den Stolberg und andern her- vorragenden Persönlichkeiten; längere Zeit lebte sie bei Verwandten am Rhein, in Köln und in Bonn, woselbst sie mit einem Kreis schöngeistiger Berühmtheiten in lebhafte Berührung kam. Namentlich aber war es das Haus des preußischen kommandierenden Generals von Thielemann (zuerst in Münster, dann in Koblenz), wo sie sich besonders angezogen fühlte. Mit der Gemahlin des Generals, einer geist- und gemütvollen Dame, die später katholisch wurde, war Annette von Droste in ein warmes Freundschaftsverhältnis getreten. Die ernste Richtung ihres Wesens hatte sich schon in früher Jugend geltend gemacht, und bald wendete sie sich aus dem verflüchtigenden Welt- leben, wie sie es draußen kennen gelernt hatte, wieder mit verstärkter Liebe nach der grünen Einsamkeit ihres Landsitzes und den schlichten heimischen Sitten zurück. Die längere Zeit ihres Lebens verbrachte sie auf dem Witwensitz ihrer Mutter, auf dem idyllischen, zwischen Wallhecken und Kämpen versteckten Rittergut Rüschhaus bei Münster. Zurück- haltend gegen die Huldigungen der Männerwelt, lenkte sie dort ihre Neigungen ganz auf ernste geistige Gegenstände. Sie war eifrige Samm- lerin in naturwissenschaftlichen Dingen; Pflanzen und Käfer beschäftigten ihren Forschertrieb, ihr eigentliches Steckenpferd aber war Mineralogie. Auf ihren einsamen Streifzügen sah man sie gewöhnlich mit dem minera- logischen Hammer in der Hand durch die Heide wandern, um „der Erde steinerne Weisheit aufzusuchen". Eine Auswahl großer Bergkrystalle, Erze, Metallstufeu, sowie kostbare Muscheln, Polypen, Seesterne und Korallen waren in Glasschränken aufbewahrt. Eine andere Liebhaberei war die Numismatik; befreundete Personen konnten es als einen Beweis besondern Wohlwollens betrachten, wenn das kunstsinnige Fräulein die große Schublade des Tisches offen zog und da einen geheimen Schatz von prächtigen alten Gold- und Silbermünzen und Medaillen, vorzüglichen Gemmen, auch merkwürdige altertümliche Taschenuhren in getriebenen Goldgehäusen vor den bewundernden Besuchern auseinanderlegte. Sie besaß Humor genug, iu den eigenen Gedichten über sich selbst und ihre Steckenpferde munter zu scherzen. Es war ein schmuckloser Wohnplatz, wo Annette von Droste dieses umfriedete ^Stillleben führte. Ein Freund beschreibt denselben mit anmutigen Strichen: „Über eine mittelalterliche Zugbrücke schritt mau in den stillen großen Garten, wo bemooste Statuen Wache zu halten schienen; geheimnisvoll schatteten die dunklen Taxuswände, und die blühenden Sträuche wuchsen zwanglos und ungepflegt mit wil- den Blumen um die Wette. An der Freitreppe wucherte Gras und Unkraut zum Zeichen, daß selten ein menschlicher Fuß sie betrat.

7. Mancherlei für Jung und Alt - S. 457

1884 - Freiburg im Breisgau : Herder
457 Zauberbecher des ersten Tages bis auf die Neige geleert. — Im Kinder- herzen liegt eine tiefe Wehmut über dahingeschwundene Freuden, wie ein Todesengel nistet sich die Nacht mit ihren schwarzen Flügeln ins Gemüt ein, und was ist es anders, als der halbbewnßte Schmerz über irdische Vergänglichkeit und die halbbewußte Sehnsucht nach einem dauernden Zustande von Glück und Seligkeit, wenn selbst schon die Angen des Kindes beim Hereinbrechen der Dämmerung nach einem fröhlich und in freudiger Aufregung verlebten Tage sich mit Thränen füllen, die dem dahingeschwundenen Tage ein Lebewohl für die Ewigkeit nachzurufen scheinen, denn er kehrt nimmer, nimmer wieder. Beim Abendessen kamen Qualen zum Tagesschluß. Die Großmutter rannte Sturm mit Suppe, — zurückgeschlagen; mit Gesottenem und Ge- bratenem — es half alles nichts, nur schwarzes Landbrot mit Butter und Honig wollte ich haben, ich mußte meinem Vorhaben getreu bleiben, auf das hatte ich mich ja auch schon so oft gefreut in den öden Schulstunden zu Wien. Dann ging's zum Himmelbette. Was war das für ein Kolosseum von einem Bett! Es hätte können als ein Modell der Festung Belgrad hergezeigt werden. Die Müdigkeit arbeitete an den Augendeckeln, und hätte die Mutter mich nicht das Abendgebet laut her- sagen lassen, das Söhnlein würde sich für diesmal sicher Dispens dafür erteilt haben. Die Kindheit ist eine Alchimistin der Poesie, ihr wird alles unter der Hand zu Gold — sie weiß überall einen dichterischen Zauber zu finden oder hineinzulegen. Wenn am Morgen die Menge ungeduldiger Bewohner verschiedener Schweinkoben an die Magd, welcher die Fütterung oblag, ihre Kollektiv- bittschrift einreichten, wenn sie bald Solo, bald Duett, bald alle mit- einander und durcheinander vom Diskant des Spanferkels bis zum durch- gebildeten Baß des alten „Saubären" (mit welchem gewaltigen Wort in jener Gegend das Tierindioidnum bezeichnet wird, was feiner gebildete Deutsche das Schweinemännchen heißen) ihren Gefühlen musikalischen Ausdruck zu verleihen suchten, so ergötzte mich dieser Lärm derartig, daß ich mich geradeswegs zu den Konzertsälen hinbegab, ans denen es heraus- tönte: und wenn die Sänger beim Herannahen der Magd mit dem sogenannten „Schweintrank" ihre verschiedenen Rüssel über die Holz- planken ihrer kleinen Höfe legten und aus allen Fugen ihrer Ställe herausbohrten, und in schnellerem Tempo und mit gehobenerem Geschrei von ihrem aufrichtigen Verlangen und ihrer seelenvollen Stimmung Kunde gaben, so war damals mein Vergnügen an Gesang und Mimik gewiß nicht geringer, als das eines Musikfreundes an einer Produktion in der komischen Oper zu Paris. Wie anregend wirkte auf mich der Wald mit seinen Fichten und

8. Mancherlei für Jung und Alt - S. 469

1884 - Freiburg im Breisgau : Herder
469 Platanen und Ulmen sind seitdem zu prächtiger Höhe gediehen und bieten täglich vielen römischen Familien Schatten, die hier ihren sauren Brunnen trinken. Auch sonst erinnern manche Denkmale Noms an seinen könig- lichen Bürger. Durch den Bildhauer Wolf ließ er 1857 eine kolossale Marmorbüste Winckelmanns anfertigen, die in der Villa Albani auf- gestellt wurde. Die Enthüllung fand in festlicher Weise in seiner Gegen- wart statt; es beteiligten sich wohl hundert Künstler und Kunstfreunde. Der König selbst sprach zuerst einige Worte: „Was Winckelmann geleistet, schildern zu wollen, wäre überflüssig. Sein Wirken ist bekannt. Haben Spätere gleich die Wissenschaft der Kunst, welcher er sein Leben geweiht, ausgebildet, bleibt ihm doch das große Verdienst, den Grund dazu gelegt zu haben. Keine Stelle dürfte aber seinem Denkmal sich besser eignen, wie diese Villa, wo er so gerne verweilte, er, der von Nom aus die Welt belehrte!" Nachdem auch von anderen die Bedeutung des Moments hervorgehoben war, pflanzte Ludwig hinter dem Monumente einen Lor- beerbaum, dessen Zweige es einst umschatten sollen. Auch eine Büste Thorwaldsens wurde auf Ludwigs Befehl vor dem Palazzo Tomati auf- gestellt, wo der große Künstler einst gewohnt hatte. Große Aufmerksam- keit wendete der König den Ausgrabnngsarbeiten zu, für deren Förderung er auch beträchtliche Summen beisteuerte. So oft er nach Rom kam, suchte er die Katakomben, die Via Appia und andere Stätten auf, wo eben gegraben wurde. Der päpstliche Kommissär Visconti war dabei sein Cicerone. Die dankbaren Künstler ließen ihren Mäcen nie aus Rom ziehen, ohne ihm zu Ehren eines ihrer Feste zu veranstalten, die nur an den Münchener Künstlerfesten ihresgleichen hatten. Besonders ein Fest im Jahre 1855 rührte den Gefeierten tief, ein Erinnerungsfest, denn vor 50 Jahren hatte der damalige Kurprinz zum erstenmal die ewige Stadt betreten. Wie vor 50 Jahren, so war auch diesmal wieder Graf Karl Seinsheim sein Begleiter. Das Festmahl wurde im Gartenpavillon der Villa Albani abgehalten. Da saß der König unter 60 Künstlern aller Nationen. Von Rom aus machte Ludwig kleinere und größere Ausflüge. Im Jahre 1829 verweilte er mehrere Tage in Pompeji und erhielt einige eben ausgegrabene Antiken zum Geschenke. Ein wertvolleres Geschenk erbat er sich von seinem königlichen Vetter in Neapel, die Freilassung von zwölf wegen Desertion gefangen gehaltenen Bayern. Auch noch im Jahre 1867 widmete er zwei Tage dem Besuche Pompejis, in dessen Tempeln und Theatern und Thermen er rüstig umherwanderte. „Hier in der antiken Welt bin ich jung und spüre nichts von meinen Jahren!" erwiderte er den um seine Gesundheit besorgten Begleitern. Im Jahre

9. Mancherlei für Jung und Alt - S. 112

1884 - Freiburg im Breisgau : Herder
112 Mitglied des Priesterkollegiums, welches er für seine eigene göttliche Ver- ehrung einsetzte, und als es einmal den folgenden Tag an einem Wett- rennen teilnehmen sollte, ließ er die Menschen die Nacht vorher in der Nähe seines Stalles mit Gewalt und Blutvergießen anseinandertreiben, damit es nicht in seiner Ruhe gestört werde. Einst ließ er in der Nacht einige der angesehensten Senatoren zu sich rufen. Als sie sich, in der Meinung, daß es sich um eine wichtige Staatsangelegenheit handle, ver- sammelt hatten, öffnete sich plötzlich die Thür des Zimmers: er rauschte im Schauspielerkostüm herein und tanzte ihnen unter Musikbegleitung etwas vor. Bei dieser Liebhaberei war es auch natürlich, daß er sich mehr mit Schauspielern und Wagenlenkern als mit Staatsmännern ab- gab und einen großen Teil seiner Zeit außer den eigentlichen Spielen in den Pferdeställen und auf den Übungsplätzen der Nennpferde und der Gladiatoren zubrachte. Ein Charakter wie der des Caligula, in dem die Selbstsucht und die Nichtachtung jeder fremden Persönlichkeit so stark ausgeprägt war, mußte notwendig, wenn er die Macht besaß, auch grausam sein, und jenes Treiben, insbesondere die gewohnheitsmäßige Teilnahme an den Tierhetzen und Gladiatorenspielen, mußte notwendig dazu beitragen, diese Neigung zu steigern. Es wird erzählt, daß er, als es einst an Ver- brechern für die Tierhetzen fehlte, aus dem Kreise der Zuschauer die den Schranken zunächst stehenden aufgreifen und den wilden Tieren vorwerfen ließ, daß er diese mit dem Fleische der Gefangenen fütterte, daß er bei Tisch unter seinen Augen die Angeklagten foltern und wohl auch hin- richten ließ, daß er es den Henkern zur Pflicht machte, ihre Opfer so hinzurichten, daß sie den Tod fühlen, daß er die Väter zwang, der Hin- richtung ihrer Söhne beizuwohnen, und sie dann wohl zu einem fröh- lichen Mahle zu sich einlud, daß er Menschen wie Tiere in eiserne Käfige sperren oder auch mitten durchsägen ließ, und dergleichen mehr, was, wenn auch teilweise kaum denkbar, doch beweist, wie er im allge- meinen war und wie man seinen Charakter auffaßte. Er selbst rühmte sich der Festigkeit, mit der er das Schrecklichste ansehen könnte. Es kam nun aber bei ihm noch ein besonderes Motiv zu Grausam- keiten hinzu. Nicht nur, daß er durch jene Spiele und Wettrennen un- geheure Summen verschleuderte, sondern er war auch im übrigen ein ganz sinnloser Verschwender. Es gehörte z. B. zu seinen Vergnügungen, Geld oder Geldanweisungen unter das Volk auszuwerfen oder auch bei den öffentlichen Spielen die versammelte Menge zu bewirten; er warf seinen Günstlingen, besonders Schauspielern und Wagenlenkern, bei jeder Gelegenheit große Geschenke zu: so erhielt ein Wagenlenker von seiner Partei, Eutychus, einst beim Nachttisch, wo es üblich war, kleine Geschenke

10. Mancherlei für Jung und Alt - S. 340

1884 - Freiburg im Breisgau : Herder
340 Wo Musengunst mit Liedern mir Umwindet, was ich schaue; Wo's aller Enden singt und klingt, Und leicht ein wilder Kranz sich schlingt, Und jubelnd mir zu Häupter ringt Die Heidelerch' ins Blaue. With. Friede. Grimme. Insekten als Gegenstände des Vergnügens, als Stubentiere. Eine eigentümliche Liebhaberei der Chinesen besteht darin, Heuschrecken in ganz kleinen, zierlichen, ans Bambusstreifen oder Draht geflochtenen Käsigen aufzuhängen, in welchen dieselben beständig, ohne Rücksicht auf Tageszeit oder Witterungsverhältnisse, lustig und unverdrossen zirpen. Diese Sitte ist sehr alt, und während man jetzt bloß beim Volke solche sorgsam gepflegte Schreier trifft, gab es eine Zeit, wo die Heuschrecke der Gegenstand allgemeinen Entzückens war und alle Ehren der Mode genoß. Sie verdankte dieses unerwartete Glück einem armen Gelehrten unter der Thang-Dynastie im siebenten Jahrhundert unserer Zeitrechnung, welcher, um seinem Elende zu steuern, auf den seltsamen Einfall geriet, mit diesen Insekten Handel zu treibeu. Er ging ins Feld, wählte die schönsten Tiere, machte ihnen kleine Käfige, kehrte nach der Stadt zurück und bot sie in den vielbelebten Straßen von Thang-gangan feil. Der Gedanke war neu; die reiche, üppige Stadt fand schnell Wohlgefallen an dem aus dem Felde hereingepflanzten Gesang. Die Kaiserin, die Königinnen, die Palastdameii, jedermann wollte diese ländlichen Sänger besitzen. Es wurde ein eigenes Hofamt errichtet, um den kaiserlichen Palast stets mit der erforderlichen Anzahl dieser Singinsekten zu versehen. Die Liebhaberei stieg bis zur tollsten Manie; man begegnete denkleinen Zirpern an allen Ecken und Enden, man trug sie mit sich in die Visite; die ganze Stadt wiederhallte von ihrem Geschrei. Die Kunst, die Industrie bemächtigte sich derselben. Kein Stoff, keine Stickerei, keine Zeichnung, kein Gesäß war mehr zu sehen, worauf sie nicht dargestellt erschienen. Man bildete sie in Metall und Edelsteinen nach, und keine vornehme Dame dünkte sich vollkommen geschmückt, wenn sich nicht eine Lokuste in ihren Haaren befand. Diese Manie ist zwar in China erloschen, aber die lärmenden Insekten bilden noch immer einen beliebten Vergnügungs- gegenstand fürs Volk und für die Kinder, und sie werden daher noch jetzt in großer Menge gefangen und in den Straßen verkauft. Michael Bach. Die Familie. Die Stätte, wo alles Gute und Schöne hervorblühen und reifen soll, wodurch der menschlichen Gesellschaft sowohl die äußere als die innere
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