Erstes Such.
Geschichte der alten Welt.
Erstes Kapitel.
Die Urzeit.
Schöpfung und Sündenfall.
Z 1. Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde, ordnete die Elemente, Die Sch°-
rief Gewächse und Thiere der Reihe nach in das Dasein und zuletzt als piung.
sein Ebenbild den Menschen. Die Schöpfung war das Werk der gött-
lichen Liebe, ihr bevorzugter Pflegling aber der Mensch; er konnte als Bestimmung
Kind Gottes frei von jedem Nebel und Leiden auf der schönen Erde im *>- Menschen.
Paradiese leben, allein er mißbrauchte die hohe Gabe der Freiheit zum
Ungehorsame gegen das göttliche Gebot und zerstörte dadurch sein Glück Strafe des
und das seines ganzen Geschlechtes, sowie den Frieden auf der Erde; seine ^undenfal-
Sünde war die Quelle alles Nebels, das stch über die Erde ergossen hat. c '
Hatte der Mensch durch seine Sünde das glückliche irdische Leben ver-
wirkt, so entzog ihm Gott doch seine Wohlthaten nicht gänzlich, sondern
hörte auf sein Rufen und Bitten und tröstete ihn durch die Verheißung
eines Erlösers.
8 2. Von dieser ersten Offenbarung Gottes hat stch bei we- Reste der Ur-
nigen heidnischen Völkern auch nur eine Spur erhalten; der Glaube offenbarung.
an den Einen Gott, der ein Geist ist, und die Welt aus Nichts erschuf,
ist bei allen verschwunden, eben so das Bewußtsein, daß alle den einen
Gott zum Schöpfer haben und von gemeinschaftlichen Ureltern abstam-
men, also Brüder stnd und sein sollen. Nur eine dunkle Erinnerung
an eine glückliche Urzeit (das goldene Weltalter) ist einigen geblieben,
an welche stch die Sehnsucht nach der Rückkehr derselben knüpft.
Die Sündsluth.
§ 3. Dagegen wissen die meisten Völker, selbst ganz verwilderte
und verkommene Stämme, von der großen Fluth zu erzählen, wobei sie
freilich nach ihrer Weise allerlei phantastisches und ungereimtes Beiwerk
anhängen.
Bumüllcr, Weltg.
1
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8
Geschichte der alten Welt.
Die Bewohner.
8 22. An den obern Indus wanderten im dritten Jahrtausend vor
Die Arier, unserer Zeitrechnung japhetitische Stämme ein, die sich Arier (Arjas,
d. h. die Glänzenden) nannten und ihre Wohnsitze in dem Hochlande
westlich vom Hindukusch hatten, welches nach ihnen das arische (in
neuerer Sprachform das iranische) heißt. Es waren Hirtenstämme,
wie ihre ältesten Lieder beweisen, mit einigem Landbau; andere folgten»
den vorausgegangenen nach, und so breiteten sie sich allmälig über das
ganze Gebiet des Indus und Ganges bis an den Brahmaputra aus,
sie besetzten auch den größten Theil des Küstenlandes. Die Ureinwoh-
ner wurden theils dienstbar gemacht oder in die Gebirge (besonders in
das Dekhan) gedrängt, wo dieselben in vielen größtentheils verwilderten
Stämmen noch Hausen und ihre Sprachen festhalten (die sogenannten
Drawida- oder Tamulische Sprachen). Im 12. Jahrhundert v. Ehr.
war die Eroberung der Arier jedenfalls vollendet und das Volk, das
wir Indier oder Hindu zu nennen pflegen, über das Gebiet verbreitet,
welches heute noch von demselben bewohnt wird.
Die Hindu. 8 23. Die Hindu waren jedoch nie zu einem nationalen Reiche
vereinigt, sondern wie früher in wandernde Stämme, so nach der
Eroberung des Landes und der Gründung fester Niederlassungen in viele
Staaten getheilt, die einander oft bekriegten. Es erhoben sich große
und wohlbesestigte Städte, glänzende Fürstenhöfe, es entwickelte sich ein
lebhafter Handel mit den kostbaren Erzeugnissen des Landes; die Hindu
befuhren in alter Zeit das Meer, sie besuchten das südliche Arabien
und die gegenüberliegende afrikanische Küste, wie z. B. der Name der
Insel Sokotora bezeugt (aus dem indischen Diupa Sukhatara, glück-
liche Insel, woraus die Griechen den Namen Dioskurias bildeten). Von
allen diesen Ereignissen haben wir nur Andeutungen in den ältesten
Poesien der Hindu; denn sie haben keine Geschichte ihres Alterthums,
ihre Priester, die Brahmanen, zeichneten keine Annalen auf.
Kastenwesen.
Staatliche 8 24. Wahrscheinlich fanden sich bei den einwandernden arischen
Einrichtun- Stämmen Geschlechter, welchen der religiöse Kultus vorzugsweise an-
ßttt‘ vertraut war, andere Geschlechter, welche die kriegerischen Unternehmun-
gen leiteten und die besten Krieger stellten; endlich eine niedere Klasse,
die sich mit Landarbeit und Handwerk abgab, gewiß aber noch die
Waffen führte, als die neuen Wohnsitze auf der indischen Halbinsel
erkämpft werden mußten. Nachdem dies geschehen war und jeder Stamm
sich niedergelassen hatte (vielleicht um 1300 v. Ehr.), bildete sich der Un-
terschied der Stände schärfer aus; die Brahmanen errichteten zwischen
denselben heilige Schranken, deren Verletzung ihrer Lehre zufolge den
Fluch der Götter und Menschen nach sich zieht. Dadurch wurden die
Stände zu Kasten, d. h. sie wurden erblich und für alle Zeiten abge-
schlossen; diese Kasten bilden: Brahmanen, Kshatrijas, Vaisjas, Sudras.
8 25. Die Brahmanen sind die Priester, die Gelehrten und
Lehrer, die Aerzte, die Räthe der Fürsten; sie dürfen aber auch als
Krieger eintreten und unter gewissen Beschränkungen Handelsgeschäfte
treiben. Sie sind heilig und unverletzlich, ihre Gebete, Opfer und
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Die ältesten Staaten.
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des Himmels, mit Tempel zu Theben, der Sonnengott, Ra, mit Tempel
zu On (Heliopolis). Der Sonnenkult der Aegyptier unterschied aber
verschiedene Sonnengötter, entsprechend den Stellungen der Sonne im
Verlause der Jahres- und Tageszeiten, als Sonne des Frühlings,
Sommers und Winters, als Morgen-, Mittag-, Abend- und Nachtsoune.
Der gefeiertste war Osiris (Hesiri), Bruder und Gemahl der Jstö
(Hes); er wird von seinem feindlichen Bruder Seti (von den Griechen
ihrem Typhon verglichen) ermordet, von seinem Sohne Horus (Har,
bei den Griechen Apollo), gerächt und Seti vertrieben, d. h. die Sonne
weicht zurück gegen Süden, die heißen Winde aus der Wüste drohen
die Vegetation Aegyptens zu versengen, der Nil, der Sonnenstrom,
nimmt immer mehr ab; da verjüngt sich die Kraft der Sonne, der Nil
wächst wieder an und befruchtet das Land von neuem; Aegypten feiert
statt der Trauerfeste wieder Freudenfeste.
Die ägyptischen Naturgottheiten sind aber meistentheils auch sittliche
Mächte, wie z. B. Osiris, Isis und Horus, besonders tritt Thot (Her-
mes bei den Griechen) hervor, der Geber aller Wissenschaft und Kunst;
es gibt besondere Gottheiten der Wahrheit und Treue, selbst eine Göttin
(Saf), welche über die Bibliotheken wacht.
8 45. Die Aegyptier erblickten in einzelnen Thieren das Wirken Thicrkult.
der Götter besonders deutlich, daher waren ihnen diese Thiere heilig;
so verehrte das ganze Land den Stier Apis (Hapi, wie auch der Nil
heißt), der besondere Kennzeichen trug, als lebendes Abbild des Osiris;
so war die Kuh der Isis heilig und durfte nicht geschlachtet werden,
die Katze der Pacht, der Ibis dem Thot u. s. w.; andere Thiere waren
nur in gewissen Bezirken heilig, in andern nicht, z. B. das Krokodil,
das Schaf, die Ziege, der Hund rc. Bei solchem Aberglauben ist es
begreistich, daß die Aegyptier überall Wunder und Zeichen erblickten,
sowie daß ihnen die Fremden als gottlos und unrein erscheinen mußten.
Daher konnten sich Griechen und Phönikier in Aegypten erst dann nieder-
lassen , als die Nation bereits im Verfalle war, aber auch da konnte
sich ein echter Aegyptier nicht dazu entschließen, sein Vaterland aufzu-
geben und sich unter Fremden niederzulassen.
§ 46. Die ägyptischen Priester lehrten die Unsterblichkeit der
Seele, nach der Behauptung der griechischen Schriftsteller auch die
Seelenwanderung. Dieses Schicksal traf jedoch keineswegs alle Ge-
storbenen ; denn wie bildliche Darstellungen und Gebete zeigen, wandert
die abgeschiedene Seele in die Unterwelt, die im Westen liegt, und
stellt sich vor das Tod tengericht (Osiris, Isis, Thot, Anubis und
72 untergeordnete Beisitzer). Der Verurtheilte wandert in die Hölle,
der Gerechtfertigte in die Gefilde der Seligen („Weißglänzenden"), wo
er alle Freuden des Erdenlebens in höherem Maße genießt. Bevor der
Leichnam des Aegyptiers im Grabe Aufnahme fand, wurde derselbe Die Mu-
riner letzten Reinigung unterworfen. Eingeweide und Gehirn wurden
herausgenommen, dann der Leib in eine Lösung von Laugensalz gelegt,
alsdann mit Oelen bestrichen und mit harzigen Stoffen ausgefüllt, die
einzelnen Glieder und zuletzt der ganze Leib vielfach mit feinen Leiuen-
binden umwunden, hierauf in den mannigfach verzierten Sarg aus Sy-
komorcnholz gelegt und in feierlichem Geleite in eines der Felsengräber
gebracht, welche immer auf der Westseite der Städte, im libyschen Ge-
B umüller, Weltg. 9
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Die Griechen.
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der thessalischeu Landschaft Pelasgiotis, an der nördlichen Mauer
der athenischen Burg, welche die pelasgische hieß rc.; bezeugt ist ferner,
daß der Name Argos von den Pelasgern herrührt, sowie Larisa,
wie sie die Stadtburgen nannten, deren Mauern aus gewaltigen Stei-
nen ohne irgend ein Bindemittel in einander gefügt waren, sogenannte
kyklopische Mauern, deren man namentlich im Peloponnese und
in Italien findet.
§ 138. Das Orakel des Zeus zu Dodona in Epirus war Aeltrstekol-
pelasgischen Ursprungs; in die pelasgische Zeit gehört ferner die tur.
Gründung der heiligen Stätten zu Eleusis und Samothrake mit
ihren später so berühmten Mysterien, die mythischen Thraker
(wohl zu unterscheiden von den historischen, die als kriegerische Barba-
ren austreten) mit dem Kulte der Musen am Helikon und Olymp,
den religiösen Sängern Orpheus, Musäus, Thamyris, Eumolpus rc.
Es gab also im pelasgischen Griechenland bereits heilige Stätten mit
geordnetem Kultus, Priester und Sänger heiliger Lieder, große feste
Burgen, Getreide- und Weinbau, die pelasgischen Stämme waren
demnach keine Wilde; wilde Stämme mochten noch in einzelnen Gegen-
den, besonders im Gebirge Hausen, wie einige Sagen andeuten.
§ 139. Denn es gibt keine Geschichte dieser alten Stämme, wir
wissen nicht einmal, wie der Name der Hellenen zum nationalen wurde.
Bei Homer (im zehnten Jahrhundert v. Ehr. nach der gewöhnlichen
Annahme) werden die Griechen, deren sämmtliche Stämme zu einer ge-
meinschaftlichen Unternehmung vereinigt sind, bald Achäer (nach dem
mächtigsten Stamme), bald Danaer, bald Arg ei er genannt; Stadt
und Gau Hellas und Hellenen als deren Bewohner erscheinen bei
ihm im südlichen Thessalien, in Phthia; ein anderer Sitz der Helle-
nen scheint in jener Zeit die Umgegend von Dodona gewesen
zu sein.
§ 140. Wie die Hellenen ihrem Namen eine solche Bedeutung er-
kämpften (denn nur kriegerische Thaten und Macht gaben Ehre), daß
er der nationale für alle verwandten Stämme wurde, ist uns gänzlich
unbekannt; er soll, wie ein später griechischer Schriftsteller berichtet,
zuerst von Hesiod (im neunten Jahrhundert) und Archilochus als Na-
tionaluamen gebraucht worden sein. Seitdem sich alle Stämme als Hellenische
eine eigene Nation betrachteten, führten alle ihre Abkunft auf Deuka- ^ksstäm-
lious Sohn Hellen zurück; von dessen Sohn Aeolus sollten die
Aeolier, von Dorus die Dorer, die echtesten Hellenen, abstammen;
der dritte, Xuthuö, hatte zwei Söhne, Jon und Achäus, die Stamm-
väter der Ionier und Achäer.
§ 141. Der jetzt gebräuchliche Name Griechen für die Hellenen
ist uns von den Römern überliefert; ein Stamm in Epirus nannte sich
Graikoi, das im latinischen Munde zu Gräci und bei den westlichen
Völkern der Gesammtname für alle Stämme der hellenischen. Zunge
wurde.
8 142. Die Hellenen treten den Aegyptiern, Babyloniern gegen-
über als ein sehr jugendliches Volk in die Geschichte ein; sie erscheinen
in zahlreiche kriegerische Stämme getheilt, in fortwährender unruhiger
Bewegung, aber von der Vorsehung herrlich ausgestattet an Leib und
Seele: schöne, frohe, kräftige Menschen, offenen Sinnes für das Schöne,
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Die Griechen.
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der Träger uralter Ueberlieferung für das griechische Volk, sondern es
erblickte sich selbst in den homerischen Gedichten in idealer Gestalt. Vor
Troja erscheint es als ein geeinigtes Volk, als eine Nation, welche das
einem Griechen zugefügte Unrecht als ein allen widerfahrenes straft; die
Stämme und deren Führer haben die hergebrachte Eifersucht und manche
blutige Fehde vergessen und wetteifern nur die meiste Ehre zu erkäm-
pfen; später versuchte es der edle Kimon vergebens den einheimischen
Krieg dadurch zu verhindern, daß er alle Griechen zum Nationalkriege
gegen den gemeinschaftlichen Feind, die Perser, zum Kampfe aufrief;
griechische Einigkeit blieb ein Ideal, das nur in der alten Dichtung ver-
wirklicht erschien.
§ 162. Aus der Volksmasse treten die einzelnen Heldenbilder her-
vor, jedes vollkommen in seiner Art und in jeder Lage seinem Charakter
getreu: auf dem Schlachtfelde, im Rathe der Könige, bei dem Mahle,
als Gatte, Vater, Freund und Herr; denn obwohl Waffenkunde und
Heldenkrast den höchsten Ruhm gewähren, so wird doch erfinderischer
Verstand, Wohlredenheit und Selbstbeherrschung auch an einem Heros
hochgeprieseu, das Glück des Friedens gewürdigt und häusliche Tugend
und deren Segen mit Liebe geschildert. Die Griechen des Homer sind
keine Barbaren, die herrliche Blüte der griechischen Kultur öffnet sich
bereits, wir erkennen schon das Volk mit allen Vorzügen und Gebre-
chen, die es später vor allen anderen Völkern auszeichnen.
§ 163. Anführer der griechischen Schaaren vor Troja sind die Kö-Dieältesten
nige, welche auch im Frieden an der Spitze der griechischen Staaten Staates"
stehen. Letztere waren durchgängig von geringem Umfange, begriffen
meistens einen natürlich abgegränzten Gau, eine Insel, oft nur eine
einzige Stadt mit ihrer Markung in sich. Jede griechische Gemeinde hieß
nämlich Polis, d. h. Stadt, auch wenn sie nicht mit einer Mauer um-
schlossen war, obwohl dies regelmäßig geschah, da die häufigen Fehden
mit den Nachbarn, die Angriffe wandernder Schaaren, an der Küste
oder in deren Nähe die Landung von Seeräubern die größte Vor-
sicht gebot.
§ 164. Jeder Bürger'besaß, scheint es, sein Stück Ackerfeld und
trieb einiges Vieh auf die gemeinschaftliche Weide; man pflanzte Ge-
treide, fast ausschließlich Gerste, Lein, Weinreben, Obstbäume; doch be-
stand der Hauptreichthum in den Heerden. Der König besaß das Das König-
größte Grundstück; er war der reichste Mann, darum auch zum größten tf)m'
Aufwande als Vertreter des Staates verpflichtet. Der Fremde von
Ansehen wandte sich dem königlichen Hause zu, deßgleichen der vor-
nehme Flüchtling und nahm die königliche Gastfreundschaft in Anspruch;
Gesandte und Herolde waren ohnehin an sie gewiesen. Der König
brachte auch den Göttern die öffentlichen Opfer und bereitete den Edlen
das damit verbundene Festmahl. Dieses gewissermaßen priesterliche
Amt gab dem Königthum eine religiöse Weihe; überdies leiteten die
meisten Könige ihr Geschlecht von einem Gotte ab und standen in dem
Volksglauben unter dem besondern Schutze des Götterkönigs Zeus.
§ 165. Dem Könige zunächst hatten die Edlen ihren Platz, in der
Schlacht wie beim Mahle, im Rathe wie im Gerichte, daher wurden
sie wohl auch manchmal Könige genannt. Ueber Krieg und Frieden und
wichtige Angelegenheiten beriethen sie mit dem Könige; das Volk hörte
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Die Griechen.
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§ 170. Mit dem Opfer war meistens ein festlicher Schmaus
verbunden; die Heroen liebten überhaupt die Freuden des Mahles, denn
der ganze Charakter der Nation ist ein heiterer, aber Unmäßigkeit, Trun-
kenheit rc. wurden verabscheut und als Kennzeichen von Wilden, z. B.
der Kentauren, des Kyklopen Polyphem, bezeichnet.
§ 171. In den homerischen Epen waltet überhaupt ein wunder-Aclteste Kul-
barer Sinn für das Schöne und Widerwille gegen das Häßliche.' Dietuc-
Kunst des Sängers ist hochgeehrt; er ist entweder zugleich der
Dichter der Lieder, welche er Göttern und Menschen singt, oder er singt
erlernte Lieder, wie z. B. die Rhapsoden homerische Gesänge von Stadt
zu Stadt wandernd vortrugen. Noch hat sich eine bildende Kunst
in Griechenland nicht entwickelt, denn selbst die nothwendige technische
Fertigkeit ist noch nicht ausgebildet (;. B. Bergbau ist unbekannt, Ar-
beiter in Metall sind sehr selten, aber hoch geschätzt), phönikische Erz-
arbeiten sind allgemein verbreitet; aber was die bildenden Künste in
voller Entfaltung Schönes und Herrliches zu schaffen vermögen, ahnt
Homer mit prophetischer Sicherheit. Dies bezeugt z. B. die Beschrei-
bung des Schildes des Achilleus; schon dieses einzige Lied beweist ge-
nügend, daß die Griechen von Aegypu'ern «md Phönikiern wohl technische
Fertigkeit erlernen konnten, an künstlerischen Ideen ihnen aber unendlich
überlegen waren.
§ 172. Diesem Volkscharakter entsprechen auch die Götter des Religion der
heroischen Zeitalters; die wilden Mächte der Vorzeit sind gebän- Heroenzett.
digt, die seligen Götter walten vom Olymp herab über eine beruhigte
Welt. Sie bilden einen Staat, an dessen Spitze der Götterkönig Zeus
steht, dem zahlreiche Götter höheren und niederen Ranges beigesellt
sind, wie die Edlen und Bürger dem Könige. Es sind hehre Hellenen,
nicht nur an Wissen und Macht, sondern auch an körperlicher Schön-
heit; so erschienen sie im Homer, und er war es namentlich, der den
späteren Künstlern jene Ideale gab, die unveränderlich für die grie-
chische Kunst fortdauerten (typisch wurden, wie z. B. der Zeus des
Phidias rc.).
§ 173. Ein dunkler Schatten streift aber über die sonnenhelle grie-
chische Welt. Er entsteigt dem Reiche des Hades, d. h. der Unter-
welt; alle Menschen („die armen", „die unglücklichen", wie das ganze
Geschlecht oft heißt und mit den Baumblättern verglichen wird) müssen
hinabsteigen in dessen freudenloses Dunkel, daher sind seine Thore ihnen
verhaßt. Doch auch die Olympier sind nicht bloß für Frevler furcht-
bare Mächte; sie lieben den Menschen als solchen nicht, sondern bevor-
zugen willkürlich den einen oder andern; sie sind leidenschaftlich und
rachsüchtig, und lassen es auch Unschuldige entgelten; sie bethören manch-
mal den Menschen, versuchen ihn und strafen ihn dann als Schuldigen.
Unbefriedigt sucht der Grieche nach einer über diesen Göttern walten-
den Macht, stndet sie aber nicht, denn „das Schicksal" wird doch wieder
in die Hand des Zeus gelegt; es stößt als eine unpersönliche Macht,
die doch Alles regieren soll, den denkenden Menschen zurück, und bleibt
deßwegen von Homer an bis in die letzten Zeiten der griechischen Re-
ligion der undurchdringliche dunkle Hintergrund, welcher den traurigen
Ersatz für den Glauben an eine göttliche Allmacht und Vorsehung bildet.
Daher entwickelte sich der für die Griechen jedes Zeitalters geltende
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Geschichte der alten Welt.
Grieche ungefährdet zu dem Feste wallen und nach demselben heim-
kehren sollte. Dasselbe begann und endete mit feierlichen Aufzügen,
Gesängen und Opfern; einen Theil der Feier bildeten die ritterlichen
und gymnastischen Spiele: Wagenrennen, Wettlauf, Ringkampf, Diskus-
wurf, später auch Faustkampf. Der Siegespreis war zwar nur ein Oel-
zweig, allein die Ehre um so größer, denn die Vaterstadt des Siegers
war stolz darauf, den gewandtesten oder kräftigsten aller hellenischen
Jünglinge ihren Sohn nennen zu dürfen (Stärke, Ausdauer, Gewandt-
heit machten zu jener Zeit den Krieger, den Helden, daher ste so hoch
geachtet und fleißig und verständig ausgebildet wurden). Die besten
Dichter und Sänger wetteiferten in Siegesliedern, daher war das Fest
auch ein musischer Wettkampf, wenn auch in Olympia nicht wie bei
den pythischen Spielen ein Preis für die Flötenspieler oder Kitharöden
ausgesetzt war. Diese Gesänge und neuen Hymnen zu Ehren der
Götter und Heroen verbreiteten sich von Olympia in die griechischen
Städte; daher fanden sich in Olympia Dichter, Sänger, die Meister
auf Kithara und Flöte ein, denn hier war Ruhm zu ernten sowie gast-
liche Einladung in ferne Städte, und als später Herodot das Volk der
Hellenen in seinem siegreichen Kampfe gegen die Uebermacht der Bar-
baren schilderte, soll ihm zu Olympia der Preis nationalen Lobes zu
Theil geworden sein.
Die meisten griechischen Staaten werden Republiken.
§ 191. Die Eigentümlichkeit des griechischen Volkes offenbarte
sich vorzüglich in der Ausbildung der verschiedenen Staats-
formen. Die orientalische Despotie war und blieb in den Augen der
Griechen etwas Entwürdigendes; aber ebenso wenig waren sie in ihren
guten Zeiten der Meinung, daß ein Staat am besten geordnet sei und
zur schönsten Blüthe komme, wenn in demselben Meinung und Gelüsten
der Mehrzahl den Ausschlag gebe. Die königliche Würde gewährte
in alter Zeit bekanntlich keine unbeschränkte Gewalt, ste hörte indessen
in vielen Städten mit dem Aussterben der königlichen Familie auf; in
anderen wanderte diese freiwillig oder gezwungen aus, weil sie sich durch
Verbrechen mit Schuld beladen hatte, deren Strafe durch die rächende
Gottheit Unglück über die Stadt gebracht hätte; in anderen endlich
schafften die Edlen die Königswürde ab. In allen Fällen trat die
Aristokratie ein (d. h. die Herrschaft der Besten, der Edlen), oder
die edlen Geschlechter besetzten den Rath, das Gericht, sie bildeten den
Kern des Heeres und hatten die Führung desselben, sie stellten die Rei-
terei; als die großen Grundbesitzer waren sie auch die Kapitalisten, an
welche geldbedürftige Bürger gewiesen waren.
8 192. In den meisten Städten, besonders in solchen, wo Handel
und Gewerbe ein schnelles Anwachsen der unteren Volksklassen herbei-
führte, erhob sich der gemeine Mann gegen die Aristokratie, und in der
Erbitterung des Kampfes fiel oft die Oberleitung des Staates in die
Gewalt eines einzigen Mannes. Ein solcher hieß Tyrannos (d. h.
Herrscher), an welchem Namen ursprünglich keine gehässige Bedeutung
haftete; es gab sehr edle und hochverdiente Tyrannen, da sie aber mei-
stens der Aristokratie verhaßt waren und damals der Meuchelmord gegen
politische Feinde fast als erlaubt galt, so mußten die Tyrannen in be°
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Geschichte der alten Welt.
Hause den Tod durch sein ungetreues Weib Klytämnestra, Diomedes
mußte aus Argos nach Unteritalien fliehen, um einem gleichen Schicksale
zu entgehen; nur wenige konnten sich in der Heimath eines glücklichen
Alters erfreuen, wie Menelaus, Odysseus, der nach zehnjähriger Irr-
fahrt allein unter seinen Gefährten Jthaka wieder betrat.
Erklärung § 159. So lautet die Sage von dem trojanischen Kriege in den
der Sage. Hauptzügen ; derselben liegt ohne Zweifel als Thatsache eine Unterneh-
mung zu Grunde, welche durch eine Flotte verbündeter griechischer
Stämme an der asiatische Küste ausgeführt wurde. Als Feinde der ver-
bündeten Griechen erscheinen alle jene Völker, an deren Küsten wir
griechische Kolonien finden: Päouen, Thraker, Bithyner, Myser, Mäo-
nen (Lyder), Lykier; sollten wir daraus nicht schließen dürfen, daß die
Sage vom trojanischen Kriege den erfolgreichen Anfang der großen
Wanderzüge bezeichne, welche Griechenland in dieser Richtung aus-
sandte? Dieselben begannen jedenfalls schon vordem trojanischen Kriege
(z. B. von der Insel Rhodus führt der Heraklide Tlepolemus seine
Mannen auf neun Schiffen vor Troja; auch die Inseln Kos, Kasus rc.
sind am trojanischen Kriege betheiligt), wenn sie auch nach demselben
durch die Erschütterung, welche die griechischen Stämme auf dem Fest-
lande traf, ihre größte Ausdehnung gewannen. Alle diese Züge und
Fahrten kriegerischer Auswanderer wurden von Männern königlichen
Stammes geleitet, welche die letzten Heroen sind. Mit ihnen schließt
sich das Heroenalter, seit die griechischen Stämme in Europa und Asien
dauernde Wohnsitze erkämpft haben. Dies geschah etwa 1000 v. Ehr.;
eine bestimmte Zeit läßt sich jedoch nicht angeben, denn erst mit dem
Jahre 776 v. Ehr. zeichneten die Eleer die Namen der Olympiasieger auf
und begründeten dadurch eine griechische Zeitrechnung; aber selbst nach
776 v. Ehr. erscheint in der griechischen Geschichte noch Mythisches
und Unbestimmbares.
Homer.
Das griechische Leben im Zeitalter der Heroen.
§ 160. Die trojanische Heldensage ist uns durch zwei Heldengedichte
überliefert, die Ilias und Odyssee, als deren Dichter die Griechen
den Homer nennen. Um die Ehre seine Vaterstadt zu sein stritten sich
sieben Städte, die Ansprüche von Chius und Smyrna fanden jkdoch die
meiste Anerkennung; er war demnach ein asiatischer Grieche, lebte also
nach den großen Wanderungen, wahrscheinlich 1000—900 v. Ehr., so
daß das Zeitalter der Heroen zwar bereits der Vergangenheit angehörte,
aber noch in aller Frische in der Erinnerung fortlebte.
§ 161. Die Griechen ehrten in Homer den König der Sänger und alle
gebildeten Völker pflichten ihrem Urtheil bei. Wie es das Gemüth des
Griechen ergreifen mußte, wenn er in der wunderbar schönen Sprache
des homerischen Liedes Kunde erhielt von den Thaten der Väter, von
dem Schicksale der alten Heldengeschlechter, der Städte und Stämme,
von den Sitten, Gebräuchen und dem Glauben der alten Zeit, davon
hätten wir eine Ahnung, wenn die bei den deutschen Stämmen auf
Armin den Cherusker gesungenen Lieder, von denen Tacitus spricht,
sowie die Sammlung deutscher Heldenlieder, welche Karl der Große an-
gelegt hatte, auf uns gekommen wären. Homer war aber nicht bloß
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Extrahierte Personennamen: Armin Karl_der_Große Karl
Extrahierte Ortsnamen: Argos Unteritalien Griechenland Heraklide_Tlepolemus Troja Europa Asien Smyrna
Vorrede zur zweiten Auflage.
Seit mehreren Jahren war vorstehender Grundrifs vergriffen, ohne dafs zahlreiche anderweitige Berufsgeschäfte es dem Verfasser erlaubt hätten, eine neue Auflage fertigzustellen. Diese Verzögerung ist, wie ich hoffen darf, dem Buche nicht zum Schaden gereicht. Denn so ist es mir möglich geworden, dasselbe gänzlich umzuarbeiten, und nicht blofs da und dort die bessernde Hand anzulegen, so dafs die neue Auflage in wesentlich veränderter Gestalt erscheint.
Es ist in diesem einen Bande aus den einzelnen Zweigen der römischen Altertümer in gedrängter, aber, wie ich glaube, ausreichender Weise alles vereinigt, was der Schüler der obersten Gymnasialklassen bedarf. Der kundige Leser wird sofort erkennen, wieviel Material auf manchem Blatte verarbeitet ist; nur schwer konnte ich mich freilich oft entschliefsen, einen Gegenstand nicht vollständiger zu behandeln; aber es war die Rücksicht auf die Schule, die Einhalt gebot. Den staatlichen Altertümern, namentlich der Magistratur der Republik, ist mehr, als vielleicht für das Gymnasium nötig scheint, Raum gegeben. Es sind aber gewichtige Gründe, die den Verfasser dazu bestimmten. Einmal ist ein wirkliches Verständnis und eine fruchtbare Lektüre der römischen Klassiker nicht möglich ohne Kenntnis des öffentlich-politischen Lebens der Römer; sodann giebt das Studium von Verfassung und Recht der Römer ein vortreffliches, allgemeines Bildungsmittel ab und schärft den Blick für moderne öffentliche Verhältnisse. Ruht ja überdies Staat und Recht der Neuzeit in mehr als einer Hinsicht auf altrömischer Grundlage. Auch haben die Römer einen guten Teil ihrer weltgeschichtlichen Stellung nächst der jhnen
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82 § 38. Der Senat während der Republik.
die Vortrag gehalten (qui verba fecerunt, retulerunt), der Zeugen, nämlich 2—12 Senatoren (qui scribendo adfuerunt), worauf die einzelnen Gegenstände des Beschlusses (decreta). Formel: quid de ea re fieri placeret, ita censuerunt (senatus existimavit, senatui placuit); oft ward im Protokoll schon die Art der Veröffentlichung (durch Aufstellung von Holz- oder Erztafeln: tabulae, cliartae, in aere incidantur), auch die Form der Abstimmung angegeben, zuletzt die Unterschrift (subscriptio) der Zeugen oder Sekretäre mit einem C. (censuerunt). Die Aufbewahrung der S. C. geschah im Staatsarchiv (tabula-rium), anfänglich im Cerestempel (Adilen die Hüter), dann im Tempel des Saturn (unter Aufsicht der Quästoren). Die Niederschrift selber nahm früher der scriba senatus vor; seit Erfindung der notae Tironianae schrieben notarii (Stenographen) die Reden und Verhandlungen nach und Cäsar liefs seit 59 v. Chr. die Senatsverhandlungen (acta senatus) veröffentlichen. Daraus entstand die römische Staatszeitung (acta populi diurna), indem Redakteure (ab actis senatus) einzelnes aus den Senatsdebatten, Rapporte, die orationes principis, Briefe von und an fremde Staaten zusammenstellten und in Rom und den Provinzen veröffentlichten.
6. Macht und Rechte des Senates, a) Verwaltung. Auf der Höhe seiner Macht war der Senat die Seele des römischen Staatswesens und seine Kompetenz in allen wichtigen Fragen unbestritten ; in ihm war die Staatshoheit vertreten und alle Angelegenheiten der inneren und der auf seren Politik unterstanden seiner Aufsicht. Er hatte die Oberaufsicht für das Religionswesen, überwachte demnach die Reinerhaltung der Staatsreligion gegen Eindringen fremder Kulte (vgl. das bekannte S. C. de Bacanalibus); er ordnete die Befragung der sibyllinischen Bücher und die Sühnung von Prodigien an, auch standen die Sachverständigenkollegien (Augurn, Pontifices, Haruspices) unter ihm. Alle Magistrate, ferner das Finanzwesen wie die Provinzialverwaltung sind vom Senat abhängig: er wacht über den ager publicus, über Einnahmen und Ausgaben, über die Staatsgebäude etc. Und wie die inneren so leitet er auch die auf seren Angelegenheiten: er stellt an die Cen-turiatkomitien den Antrag zum Beginne eines Krieges, bestimmt sodann die Aushebung, die Kriegsschauplätze (provincias nomin are, decernere) und hat die gesamte Oberleitung; der Friedensschlufs, sowie überhaupt alle völkerrechtlichen Beziehungen lagen in seinen Händen; der Senat unterhandelte auch mit auswärtigen Gesandten.
b) Gesetzgebung, Wahlen und Gerichtsbarkeit. Obwohl der Schwerpunkt der Gesetzgebung bei den Komitien war, so hatte der Senat doch Einflufs, denn die Gesetzesanträge (rogationes) wurden von ihm vorberaten und die Meinung des Senates als auctoritas (~po-ßouxs'jfxa) geachtet; er konnte ein in Kuriat- und Tributkomitien
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