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1. Praktisches Lehrbuch des erziehenden Geschichtsunterrichts - S. 89

1899 - Wiesbaden : Behrend
— 89 — Übelwollende wußten die Unzufriedenheit des Volkes zu steigern, sodaß man wohl Schmähreden ans den König hörte. Eines Tages fuhr er durch die Jägerstraße in Berlin und sah einen großen Volksauflauf. Er schickte seinen Diener näher, um zu erfahren, was da los sei. „Sie haben etwas auf Ew. Majestät angeschlagen!" war die Antwort. (Ein Zerrbild, das den alten Fritz mit einer Kaffeemühle zwischen den Knieen darstellte.) Da winkte der König und rief: „Hängt es doch niedriger, daß sich die Leute nicht die Hälse ausrecken müssen!" Das Volk brach in lauten Jubel aus, riß das Plakat in 1000 Stücke und begleitete den Wagen des Königs mit Lebehochs. 5. Sorge für Rechtspflege und für die Unterdrückten. Das Schulwesen. Förderung der Rechtspflege. Als erste Pflicht des Königs sah Friedrich die Pflege der Gerechtigkeit an. In der Rechtspflege sah es damals traurig aus. Die Prozesse dauerten ungebührlich lange, und in der Regel gewann der Reiche gegen den Armen. Das gewöhnliche Volk wußte nicht, was Rechtens sei; denn das gelehrte Recht kannten nur die Richter. Der König aber betrachtete sich in erster Linie als den Anwalt der Unterdrückten. Im Jahre 1745 bestimmte nun eine Verordnung, daß jeder Prozeß wenigstens in einem Jahre beendet sein müsse. Zur Freude des Königs wurden dadurch in einem Jahre mehrere tausend alte Prozesse aus der Welt geschafft. 1747 erschien die neue Gerichtsordnung. Anstellung als Richter fanden jetzt nur zuverlässige Männer, welche die Gesetze studiert hatten. Friedrich wollte den Gang der Prozesse nicht stören. Er sagte: „Die Gesetze müssen sprechen und der Fürst schweigen". Aber den Richtern war die strengste Unparteilichkeit geboten. Jedermann konnte sich zu jeder Zeit an den König wenden, wenn er meinte, daß ihm Unrecht geschehen sei. „Der geringste Bauer, ja der Bettler", sprach Friedrich, „ist ebensowohl ein Mensch wie Se. Majestät, und ihm muß alle Gerechtigkeit widerfahren werden". Ein Müller Arnold hatte sich bei ihm beschwert, weil der Pachtherr ihm das Wasser zur Mühle abgeleitet habe, sodaß er nicht mehr mahlen könne; das Gericht hätte ihn mit seiner Klage abgewiesen. Der König legte die Sache dem Kammergericht vor, und auch dieses entschied zu Ungunsten des Klägers. Friedrich ließ nun die Sache durch einen Offizier untersuchen und kam zu der Überzeugung, dem gemeinen Manne sei Unrecht geschehen zu Gunsten des Vornehmen. Er ließ den Vorsitzenden des Kammergerichts zu sich kommen und fuhr ihn in höchster Entrüstung an: „Mein Name zu einer solchen Sache! Habe ich jemals einen armen Mann aus Liebe zu einem reichen unterdrückt?" Sofort erhielt der Vorsitzende seine Dienstentlassung, und die Räte des Kammergerichts schickte er auf die Festung. Zwar stellte sich später heraus, daß der Müller nicht bei der Wahrheit geblieben war, aber die Armen im Volke priesen laut die strenge Gerechtigkeitsliebe ihres Herrn und Königs. Damals gebrauchte er die genannten Worte und fügte noch hinzu: „Ein Justizkollegium, das Ungerechtigkeit ausübt, ist gefährlicher und schlimmer als eine Diebesbande; vor dieser kann man sich schützen, aber vor Schelmen, die den Mantel der Justiz gebrauchen, vor denen kann sich kein Mensch hüten; die sind ärger als die größten Spitzbuben, die in der Welt finb, und verdienen eine doppelte Strafe."

2. Grundriss der römischen Altertümer - S. V

1882 - Freiburg im Breisgau [u.a.] : Herder
Vorrede zur zweiten Auflage. Seit mehreren Jahren war vorstehender Grundrifs vergriffen, ohne dafs zahlreiche anderweitige Berufsgeschäfte es dem Verfasser erlaubt hätten, eine neue Auflage fertigzustellen. Diese Verzögerung ist, wie ich hoffen darf, dem Buche nicht zum Schaden gereicht. Denn so ist es mir möglich geworden, dasselbe gänzlich umzuarbeiten, und nicht blofs da und dort die bessernde Hand anzulegen, so dafs die neue Auflage in wesentlich veränderter Gestalt erscheint. Es ist in diesem einen Bande aus den einzelnen Zweigen der römischen Altertümer in gedrängter, aber, wie ich glaube, ausreichender Weise alles vereinigt, was der Schüler der obersten Gymnasialklassen bedarf. Der kundige Leser wird sofort erkennen, wieviel Material auf manchem Blatte verarbeitet ist; nur schwer konnte ich mich freilich oft entschliefsen, einen Gegenstand nicht vollständiger zu behandeln; aber es war die Rücksicht auf die Schule, die Einhalt gebot. Den staatlichen Altertümern, namentlich der Magistratur der Republik, ist mehr, als vielleicht für das Gymnasium nötig scheint, Raum gegeben. Es sind aber gewichtige Gründe, die den Verfasser dazu bestimmten. Einmal ist ein wirkliches Verständnis und eine fruchtbare Lektüre der römischen Klassiker nicht möglich ohne Kenntnis des öffentlich-politischen Lebens der Römer; sodann giebt das Studium von Verfassung und Recht der Römer ein vortreffliches, allgemeines Bildungsmittel ab und schärft den Blick für moderne öffentliche Verhältnisse. Ruht ja überdies Staat und Recht der Neuzeit in mehr als einer Hinsicht auf altrömischer Grundlage. Auch haben die Römer einen guten Teil ihrer weltgeschichtlichen Stellung nächst der jhnen

3. Grundriss der römischen Altertümer - S. 82

1882 - Freiburg im Breisgau [u.a.] : Herder
82 § 38. Der Senat während der Republik. die Vortrag gehalten (qui verba fecerunt, retulerunt), der Zeugen, nämlich 2—12 Senatoren (qui scribendo adfuerunt), worauf die einzelnen Gegenstände des Beschlusses (decreta). Formel: quid de ea re fieri placeret, ita censuerunt (senatus existimavit, senatui placuit); oft ward im Protokoll schon die Art der Veröffentlichung (durch Aufstellung von Holz- oder Erztafeln: tabulae, cliartae, in aere incidantur), auch die Form der Abstimmung angegeben, zuletzt die Unterschrift (subscriptio) der Zeugen oder Sekretäre mit einem C. (censuerunt). Die Aufbewahrung der S. C. geschah im Staatsarchiv (tabula-rium), anfänglich im Cerestempel (Adilen die Hüter), dann im Tempel des Saturn (unter Aufsicht der Quästoren). Die Niederschrift selber nahm früher der scriba senatus vor; seit Erfindung der notae Tironianae schrieben notarii (Stenographen) die Reden und Verhandlungen nach und Cäsar liefs seit 59 v. Chr. die Senatsverhandlungen (acta senatus) veröffentlichen. Daraus entstand die römische Staatszeitung (acta populi diurna), indem Redakteure (ab actis senatus) einzelnes aus den Senatsdebatten, Rapporte, die orationes principis, Briefe von und an fremde Staaten zusammenstellten und in Rom und den Provinzen veröffentlichten. 6. Macht und Rechte des Senates, a) Verwaltung. Auf der Höhe seiner Macht war der Senat die Seele des römischen Staatswesens und seine Kompetenz in allen wichtigen Fragen unbestritten ; in ihm war die Staatshoheit vertreten und alle Angelegenheiten der inneren und der auf seren Politik unterstanden seiner Aufsicht. Er hatte die Oberaufsicht für das Religionswesen, überwachte demnach die Reinerhaltung der Staatsreligion gegen Eindringen fremder Kulte (vgl. das bekannte S. C. de Bacanalibus); er ordnete die Befragung der sibyllinischen Bücher und die Sühnung von Prodigien an, auch standen die Sachverständigenkollegien (Augurn, Pontifices, Haruspices) unter ihm. Alle Magistrate, ferner das Finanzwesen wie die Provinzialverwaltung sind vom Senat abhängig: er wacht über den ager publicus, über Einnahmen und Ausgaben, über die Staatsgebäude etc. Und wie die inneren so leitet er auch die auf seren Angelegenheiten: er stellt an die Cen-turiatkomitien den Antrag zum Beginne eines Krieges, bestimmt sodann die Aushebung, die Kriegsschauplätze (provincias nomin are, decernere) und hat die gesamte Oberleitung; der Friedensschlufs, sowie überhaupt alle völkerrechtlichen Beziehungen lagen in seinen Händen; der Senat unterhandelte auch mit auswärtigen Gesandten. b) Gesetzgebung, Wahlen und Gerichtsbarkeit. Obwohl der Schwerpunkt der Gesetzgebung bei den Komitien war, so hatte der Senat doch Einflufs, denn die Gesetzesanträge (rogationes) wurden von ihm vorberaten und die Meinung des Senates als auctoritas (~po-ßouxs'jfxa) geachtet; er konnte ein in Kuriat- und Tributkomitien

4. Grundriss der römischen Altertümer - S. 187

1882 - Freiburg im Breisgau [u.a.] : Herder
§ 95. Allgemeiner Charakter der römischen Religion. 187 so potenzierte dieser die Erscheinungen des Universums zu ebenso vielen, sich bekämpfenden göttlichen Mächten, die der Mensch versöhnen zu müssen glaubte. Daher der allmälige Verfall der Religion. Ein Lehrgebäude von Glaubenssätzen, d. i. eine Glaubensmre, kennt indes die römische Religion so wenig als die griechische. Es gab auch keine Priester oder Lehrer, welche etwa in religiösen Dingen unterrichtet hätten. Die Priester zeigten nur, wie eine Gottheit zu verehren oder wie ein Opfer zu bringen sei. Überhaupt kümmerten sich die Römer weniger darum, das Wesen der Gottheit kennen zu lernen; sie begnügten sich, ihr Walten zu fühlen: kurz, sie neigten zur Praxis, d. i. zum Kultus oder zu äufserer Gottesverehrung. Darum bestand in Rom ein streng ausgebildeter, sehr ritueller Gottesdienst mit genau vorgeschriebenen Gebeten, Opfern, Sühnungen, Gelübden und Festen. Damit verband der alte Römer einen strengen Charakter ernster Religiosität, eine tiefe Ehrfurcht vor allem Göttlichen, heilige Scheu (religio) vor der Gottheit, deren Wesen zwar verborgen, deren geheimnisvolles Wirken aber der Mensch überall in der äufseren Naturwelt wie im Leben des Menschen, in Familie und Staat wahrnimmt. Deshalb stellte der Römer das Leben des Menschen in allen seinen einzelnen Momenten unter göttlichen Schutz; von der Geburt bis zum Tode übernimmt je eine Gottheit die Obsorge für einen Lebensabschnitt: sie wacht über Geburt und Wachstum des Kindes, über Jugend und Alter und alle Le-bensbeziehungen. So spricht sich beim Römer ein vorwaltendes Gefühl seiner steten Abhängigkeit von Gott aus. Daraus entsprang die enge Beziehung von Religion und Staat, d. i. von Kultus und öffentlichem Rechte, wie hei keinem anderen Volke des Altertums, so zwar, dafs das ältere Staatsrecht (ius 'publicum) sich gänzlich an das prie-sterliche Recht (ius pontificium) anlehnt und von ihm beherrscht ist. Der religiöse Glaube durchdringt die Verfassung, Gesetzgebung, die Familie, den Geschlechterverband (gentes), Patronat und Klientel, kurz alles öffentliche und private Recht. In ähnlicher Weise aber, wie das Recht religiös war, trug umgekehrt die Religion einen juridischen Charakter: es ist für den Römer eine Rechts2)fliclit, die religiöse Verehrung der Gottheit zu leisten, da diese ihn schützt. Eine religiöse Gesinnung oder eine Verinnerlichung der Religion kannte im allgemeinen der Römer nicht; jedoch hielt er strenge bis in die Zeit der Aufklärung an der "vaterländischen Religion (mos mciiovum), zwar war er tolerant gegen fremde Kulte, jedoch nur soweit, als dadurch die Staatsreligion nicht berührt wurde. Cm sich den Götterschutz in allen Lagen zu erhalten, schuf das prie—

5. Grundriss der römischen Altertümer - S. 213

1882 - Freiburg im Breisgau [u.a.] : Herder
112. Die priesterliche Verfassung im allgemeinen. 213 y. Chr. hatten die Römer auf Anraten der Sibyllinen und des delphischen Orakels das Bild der Grötterniutter (einen Steinfetisch) nach Rom bringen lassen und fortan wurde dieser asiatische Kult hier mit orientalischem Prunke gefeiert. Phrygische Priester (Galli) waren mit nach Rom gekommen; der Tempel der magna mater lag neben dem des palatinischen Apollo. Ihr Fest mit scenischen Spielen (Megalesia) fand Yom 4.—10. April statt. 3. Seit dem letzten Jahrhundert drangen die ägyptischen Kulte Von Isis, Osiris, Serapis, ferner des Harpokrates und Anubis, dann der syrische Dienst der Dea Syria von Hierapolis und des persischen Mithras in der Stadt ein. Alle diese ausheimischen Kulte fanden in Rom eifrige Pflege, während die älteren reineren Gottesdienste untergingen. Der Kastorkult war schon 485 v. Chr., der Dienst des Äskulap 291, die erycinische Venus 217 in die Stadt eingeführt. Doch war die Einführung fremder Gottesdienste durch Privatleute untersagt nach dem Satze: ut deus non sit, nisi cui esse permiserit senatus. Auch der Dienst der Sibyllen (wahrsagender Frauen) war von Griechenland oder Kleinasien nach Cumae und von da in Latium in Übung gekommen, wiewohl wir einem ähnlichen, uralten und echt italischen Dienste schon frühe in Latium und in Etrurien begegnen; vgl. die Carmentis, Albunea, Egeria u. a. Ii. Der Dienst gegen die Götter (Kultus). Hier sind zu betrachten die Personen, Orte, Handlungen und Zeiten des Kultes. A. Die Kultuspersonen. § 112. Die priesterliche Verfassung im allgemeinen. Ursprünglich war der König der oberste Priester, welcher die sacra publica besorgte. Aber schon Numa soll eine priesterliche 'S erfassung (constitutio religionum, daher auctor divini iuris, Liv. 1, 42) gegeben und die meisten Priesterkollegien eingesetzt haben. Numa religionibus et divino iure populum devinxit. Tac. ann. 3, 26. Mit Errichtung der Republik gingen die Funktionen des Königs an die Iiiester über. Man hat aber zu unterscheiden zwischen eigentlichen Priestern und Kollegien oder Kommissionen you sachverständigen Laien. Erstere, die sacerdotes, besorgten den Dienst dei einzelnen Gottheit; die Kollegien waren nur Laienkommissionen, welche über die Traditionen des Kultes wachten. Höchste Aufsichtsbehörde war der Senat, der namentlich die Reinhaltung der Staatsreligion beaufsichtigte. Die Römer unterschieden sämtliche Kollegien in summa (amplissima) collegia, d. i. in die großen

6. Grundriss der römischen Altertümer - S. 215

1882 - Freiburg im Breisgau [u.a.] : Herder
§ 113. Die Pontifices und ihr Priesterkreis. 215 Der Tiberflufs, welcher in ältester Zeit einen sorgfältigen Kultus genofs, wurde unter religiösen Ceremonien überbrückt und an der Brücke durfte kein Eisen verwendet werden. — Seit ältester Zeit waren indes die Pontifices zugleich die oberste priesterliche Behörde: sie hatten die Aufsicht über den gesamten Kultus und alle dabei beteiligten Priester und Diener, zugleich das Recht, Strafen aufzulegen, über die Yestalinnen übten sie sogar die Kriminaljustiz; über alle sakralrechtlichen Fälle gaben sie die letzte Entscheidung ab, ebenso über alle Prodigien, und bei vielen religiösen und politischen Akten war ihre Mitwirkung (adhibere pontifices) unbedingt notwendig. Sie allein dienten nicht einer bestimmten Gottheit, sondern allen Göttern {Cie. legg. 2, 8: divisque aliis alii sacerdotes, omnibus pontifices sunto). Sie besorgten ferner die Aufstellung des Festkalenders, regelten die Zeitrechnung u. S. w. und mufsten deshalb eine gründliche Kenntnis des Rechts (ius pontificium) besitzen. — Der pontifex maximus war Präsident des Kollegiums, aus der Zahl der übrigen Pontifices auf Lebenszeit gewählt; gewöhnlich erlangte ein Mann, der schon die höchsten Staatsämter verwaltet hatte, jene Würde. Der Oberpriester durfte nur einmal verheiratet sein, sich nicht durch Berührung eines Leichnams beflecken u. a. Er war der einzige Priester, welcher weitgehende magistratische Rechte ausübte; er ernannte auch die drei flamines, die Salier, den Opferkönig und die Vestalinnen. Seine Amtswohnung war das alte Königshaus (Regia) an der heiligen Strafse, in welchem die Vestalinnen den Dienst der Vesta, über deren Kult der pontifex maximus ganz besonders wachte, besorgten. Nach ihm sind auch die annales maximi benannt, die Jahrbücher, welche der Oberpriester mit den übrigen Pontifices aufschrieb. Cic. pro domo 1, 1: Cum multa divinitus, pontifices, a maioribus nostris inventa et institute sunt, tum nihil praeclarius quam quod vos eosdem et religionibus deorum et summae reipublicae praeesse voluerunt. Zum Collegium pontificum gehörten als weitere Priester-tümer: 2. Der rex sacrorum oder rex sacrificulus, Opferkönig, welcher mit dem Entstehen der Republik an Stelle des vertriebenen Königs die höchste geistliche Gewalt, jedoch nur nominell, überkam, sowie die vom Könige bisher besorgten Opferhandlungen verrichtete. Er mufste Patricier sein, wurde vom pontifex maximus ernannt, verwaltete sein Amt lebenslänglich, durfte nicht entsetzt noch getötet werden und besorgte anfangs nur die Opfer des Janus, später auch andere. Seine Gattin, die regina sacrorum? nahm an seinem Priestertum teil und

7. Grundriss der römischen Altertümer - S. 317

1882 - Freiburg im Breisgau [u.a.] : Herder
§ 150. Lateinische Schrift und Sprache. 317 Volle fünf Jahrhunderte dauerte es aber, bis die ersten Anfänge zur Gründung einer Litteratur gemacht werden und bis die Sprache soviel Glätte, Leichtigkeit und Beweglichkeit erlangt hatte, dafs sie Trägerin neuer und höherer Gedanken werden konnte. § 150. Lateinische Schrift und Sprache. 1. Die Latiner erhielten ihr Alphabet oder ihre Schrift nicht von den stamm- und sprachverwandten Oskern, Sabellern oder mbrern, die von der Rechten zur Linken schrieben, sondern von den Griechen und zwar von den Griechen der (chalkidischen) Kolonien auf Sicilien und in Italien, besonders Cumä, woher sie auch Mafs und Gewicht bekommen hatten. Die Griechen aber ent-ehnten ihr Alphabet von den Phönikern (^pa^uata welche dasselbe aus der älteren ägyptischen Bilderschrift heraus entwickelt a ten (Phn. h. n. 4, 12: ipsa gens Phoenicum in magna gloria litterarum mventionis). Eine Vergleichung des phönikischen, alt-griechischen und lateinischen Alphabets zeigt die Entstehung des einen aus dem ändern. Das alte Alphabet der Lateiner hatte 21 Buchstaben, ein Z, das für Z Tzgaltj obei' kem G’ °der für den K-Laut nur ein Reichen; dann schied 11 Un aus’ jenes vor a setzend (karmentalia, merkatus), letzteres vor e, i, o (centum, consul); das K blieb in Karthago, Kalendae und Kaeso. Das lateinische Alphabet war auf Latium beschränkt und hat sich nur wenig verändert. (Siehe Schriftwesen § 142.) 2. Der Gebrauch der Schrift ist in Rom sehr alt und geht aut die früheste Königszeit zurück; selbstverständlich wurde sie anfangs nur höchst selten verwendet, am frühesten im Staatsleben zum Aufzeichnet von Urkunden wie über Bündnisse, Verträge und rlasse etc. Dann begannen die Magistrate, zuerst unter ihnen cie Priester, das aufzuzeichnen, was ihr Amt betraf. Zunächst legten die Pontifices unter Aufsicht des Pontifex Maximus ein a l uc (annales maximi, libri annales) an, das anfänglich nur ein tabellarisches Verzeichnis der Beamten war; bald schrieben sie wichtige Ereignisse oder geschichtliche Notizen dazu, was Anlafs zur Abfassung von Tagebüchern (commentarii) gab, welche später ie Annalisten bei ihrer Geschichtschreibung als Quelle benützten Ebenso legten die Priesterkollegien sehr frühe Ritualbücher an, wie ie libri pontificn, sowie Verzeichnisse von Eest-, Gerichts- und pieltagen (fasti), woraus der Kalender entstand. Alle diese und ähnliche alte Schriften sind 389 v. Chr. im Gallischen Brande un ergegangen. Jünger war der Gebrauch der Schrift im Privatleben zu Familienchroniken in vornehmen Häusern, zum Auf-

8. Grundriss der römischen Altertümer - S. 112

1882 - Freiburg im Breisgau [u.a.] : Herder
112 § 53. Liberi, servi und libertini. die Freiheit schenken, d. h. aus seiner Gewalt (manus) entlassen (manu-mittere, manumissio). Durch die Freilassung wird der bisherige Sklave im Verhältnis zum Staate, also seinem staats- oder öffentlichrechtlichen Stande nach ein libertinus, dem früheren Herrn gegenüber, zu welchem er in ein ähnliches Verhältnis tritt, wie der Klient zum Patron, zum libertus (privatrechtlich). Die Freilassung war entweder eine feierliche (manumissio iusta), welche dem manumissus das Bürgerrecht und volle Rechtsfähigkeit einbrachte; oder eine unfeierliche (manumissio minus iusta), die zwar rechtlich geduldet (in libertate morari Cic. pro Mil.) war, aber kein Bürgerrecht nach sich zog. a) Manumissio iusta geschah entweder vor dem Magistrate (dem Prätor) oder in der Provinz vor dem Statthalter per vindictam. Dies die älteste Form. Der Herr erscheint mit dem Sklaven vor dem Prätor, dessen Liktor die Rolle des Anwaltes übernimmt und spricht: aio hunc hominem liberum esse, wobei er ihm eine hasta (später festuca oder vindicta, Stab), das Zeichen des Eigentums. über das Haupt hält. Dann dreht er den Sklaven im Kreise herum und läfst ihn los (e manu mittit) mit den Worten: liunc ego hominem liberum esse volo. Diese symbolischen Handlungen nahm später der Herr selbst vor. Hierauf erklärt der Magistrat den Sklaven formell für frei. An die Stelle dieser umständlichen Freilassung traten zwei einfachere Arten, die manumissio censu und die per testamentum. Bei der ersteren liefs der Herr bei Aufstellung der Bürgerlisten den Sklaven von dem Censor als selbständigen steuerzahlenden Bürger eintragen, womit volle Civität verbunden war. Bei der anderen Form erklärte der Herr einen Sklaven testamentarisch für frei. b) Die manumissio minus iusta trat ein, wenn gewisse Bedingungen, unter denen man civis Romanus wurde, fehlten; wenn z. B. der Freizulassende als Sklave eine entehrende Strafe erlitten hatte, so wurde er nicht Vollbürger, sondern Latinus oder dediticius (peregrinus): er war frei, aber nicht Bürger. Unfeierliche Formen waren, wenn der Herr den Sklaven mündlich vor Freunden (inter amicos) oder schriftlich (per epistulam) für frei erklärte oder ihn an seinem Tische teilnehmen liefs (per mensam). Öfters wurde Freilassung wegen geleisteter Dienste für das öffentliche Wohl gewährt. Liv. 26, 27 : aedis Yestae vix defensa est ab incendio tre-decim maxime servorum opera, qui in publicum redempti ac manumissi sunt. Rechtsstellung der libertini. Obgleich frei, stand der libertinus doch vielfach hinter dem ingenuus zurück. Einmal blieb my als libertus zum manumissor im Klientelverhältnis, mufste sich ihm dankbar (pius) zeigen, Ehrerbietung (obsequium und reverentia) erweisen und gewisse Geschenke (dona et munera) geben; ferner mancherlei Arbeiten (operae officiates) verrichten. Stirbt der libertus ohne eigene Erben (sui heredes) und ohne Testament (intestatus), so ist der Patron nächster Erbe. Wenn der Freigelassene seinen Verpflichtungen nicht nacbkommt, so kann der Patron eine

9. Grundriss der römischen Altertümer - S. 141

1882 - Freiburg im Breisgau [u.a.] : Herder
§ 72. Sachwalter und Rechtsgelehrte. 141 Provinzen galt die Appellation von den Municipalrichtern an den Statthalter, von diesem an den Kaiser. Lex Valeria v. 509 v. Chr.: ne quis magistratus civem Romanum ad-versus provocationem necaret neve verberaret. Vgl. Cic. rep. 2, 31; Liv. 2, 8. § 72. Sachwalter und Rechtsgelehrte. ]\Ian hat zu unterscheiden zwischen advocatus und patronus. Während des Freistaates war advocatus nicht ein Verteidiger vor Gericht, sondern ein Freund der in Rechtshändeln durch seinen Rat und namentlich seine persönliche Anwesenheit vor Gericht, um der befreundeten Partei mehr Gewicht zu geben, letzterer Beistand leistete (quicunque amico praesentiam suam accommodat), aber nicht plaidierte (Cic. Sull. 2. Caecin. 27. Fluren. 2—4. Cluent. 19, 40. orat. 2, 74. off. 1, 10). — Dagegen ist der patronus (pa-tronus causae, orator) der Verteidiger im heutigen Sinne, d. i. derjenige, welcher in den Yolksgerichten, vor dem Senat, Kaiser und praefectus praetorio die Sache von jemanden mit Rechtsgründen in mündlicher Rede vertrat (patronus adversarii und adversae partis). Das postulare pro aliis galt für ehrenvoll; Honorar oder Geschenke zu nehmen war verboten. Erst Kaiser Claudius erlaubte ein Honorar, aber nie höher als 10 000 Hs. Bisweilen hatte eine Partei mehrere patroni (so sprach Cicero pro Balbo, nachdem Pompejus und Crassus vor ihm für die gleiche Sache plaidiert hatten), seit Pompejus waren zwei Redner für die Anklage, drei für den Beklagten. Im Kriminalprozefs wurde die Länge der Reden nach der Klepsydra gemessen. Die Advokatie bildete gewöhnlich die erste Stufe in der politischen Laufbahn und der junge Patronus übte sich hier in der öffentlichen Beredsamkeit. Doch hatte es die gerichtliche Beredsamkeit weniger auf Entwickelung der Rechtsgründe, als auf Erregung der Leidenschaft abgesehen und näherte sich der Beredsamkeit in den Kontionen. In der Kaiserzeit schwindet der Unterschied von advocatus und patronus und es gab nur einen Advokatenstand (causidici, oratores togati). Cic. Rose. Am. 2: ego huic causae patronus exstiti. Tac. de orat. 1: causidici et advocati et patroni. Verschieden von den Advokaten sind die eigentlichen Rechtsgelehrten (iuris consulti, pei'iti, prudentes), welche nicht öffentlieh auftraten, sondern zu gewissen Stunden auf dem Forum oder zu Hause Rat und Gutachten (responsa, respondere') erteilten und Rechtsurkunden (Klagen, Testamente, Verträge etc.) abfafsten. In ihrer Wohnung safsen sie auf einem solium beim Ratgeben. Sie um Rat fragen heilst consulere, der Ratfragende consultor, die Gefragten consulti. — Die Rechtskenntnis, früher in den Händen der Pa-tricier, speciell der Priester, wurde später Gegenstand des Berufes angesehener Männer (z. B. der Scävola).

10. Grundriss der römischen Altertümer - S. 268

1882 - Freiburg im Breisgau [u.a.] : Herder
268 131. Unterricht und Schule Liber alia (17. März) seine Bulla den Laren, denen er zugleich opferte; dann legte er die einfach weifse Männertoga an und stellte sich, begleitet vom Yater oder Vormund, von Verwandten, Freunden und Klienten, auf dem Forum dem Prätor vor, worauf er in feierlichem Zuge auf das Kapitol stieg und, nachdem sein Name in die Bürgerrollen (Ubri iuniorum) eingetragen war, zahlte er im Tempel der Iuventus ein Geldstück und brachte den Göttern ein Opfer dar. Ein Gastmahl schlofs die Feierlichkeit. Die Feier, wie auch das nächstfolgende Jahr hiefs tirocinium. Der Jündino- • ö Ö trat nun (als tiro) ins öffentliche Leben und begann entweder seine militärische Probezeit (tirocinium müitare), indem er sich dem Gefolge eines Feldherrn ansehlofs und sich auf den Offiziersdienst einübte; oder, wenn er sich der staatsmännischen Laufbahn widmen wollte, trat er nicht sofort als Sachwalter auf, wozu er berechtigt war, sondern machte unter einem Juristen oder Redner seine Lehrzeit durch (tirocinium fori), oder besuchte wohl auch eine auswärtige Schule, besonders Athen {Cic. ad Attic. 12, 32 und Hör. ep. 2, 2. 42). Dann erst trat er auf dem Forum seine Thä-tigkeit an (forum attingere, Cic. ad fam. 5, 8). § 181. Unterricht und Schule. 1. Einen planmäfsigen, einheitlichen Schulunterricht haben die Römer bis in die späte Kaiserzeit kaum gekannt; überhaupt war alles, was Erziehung und Unterricht betraf, lediglich Privatsache. Zuerst unterrichtete der Vater (s. § 130) seine Kinder selbst in den elementarsten Kenntnissen. Sodann treffen wir sehr frühe schon die Einrichtung, dafs ein gebildeter Sklave, besonders griechischer oder syrischer Herkunft, die Stelle eines Hauslehrers vertrat und die Kinder des Hausherrn unterrichtete; häufig schickten Verwandte oder befreundete Familien ihre Kinder, damit sie an diesem Unterrichte teilnähmen, so dafs derselbe Sklave Privatlehrer für mehrere Familien war. So genofs Cicero mit seinen A ettern denselben Unterricht. Erst als die Zahl der Sklaven in einem Hause wuchs, hielten vornehme Familien mehrere servi Jitterati, von denen jeder ein einzelnes Lehrfach gab. Ein Schritt weiter war es, dafs gebildete Freigelassene (denn freigeborene Römer thaten dies kaum) Privatschulen errichteten, wohin die Eltern ihre Kinder schickten. Als Schullokale dienten gewöhnlich ärmliche Buden oder Lauben (pergulae) am Forum oder anderen öffentlichen Plätzen und Kreuzwegen (trivia, woher trivium und
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