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1. Lesebuch zur Geschichte Bayerns - S. 36

1906 - München : Oldenbourg
36 9. Der Sturz Tassilos. ihm gegen Karl keine Hilfe geschickt. Sicher beglaubigt aber sind die Reibereien zwischen dem herzoglichen Hose und den fränkisch gesinnten Mitgliedern des höheren Klerus, namentlich dem Bischof Arbeo von Freising. Sein Nachfolger aus dem bischöflichen Stuhl von Freising hat später nach der Katastrophe von 788 den Schleier etwas gelüstet: „Tassilo und seine Gemahlin Liutbirga hätten der Freisinger Kirche viele Gotteshäuser entzogen aus Unwillen über den Bischos Arbeo, den sie beschuldigten, daß er dem König Karl und den Franken treuer sei als ihnen." Der Grund lag tiefer. Als Ausfluß des germanischen Begriffes vom Eigentum an Grund und Boden hatte sich in Bayern das Eigenkirchensystem, das Eigentum des Grundherrn an den von ihm gegründeten Kirchen, herausgebildet und im Zusammenhang damit das Recht den Vorstand der Kirche zu bestellen. Bischof Arbeo von Freising suchte dieses Eigenkirchensystem zu zerstören und der alten kirchenrechtlichen Anschauung, daß die Bischöfe Eigentümer des gesamten Kirchenvermögens ihrer Diözese seien, Geltung zu verschaffen. Der Bischof zwang die Eigenkirchenpriester die Kirchen an die Kathedralkirche zu übertragen. Auch die Grundherren selbst wurden veranlaßt ihre Eigenkirchen an die Kathedralkirche zu schenken. In vielen Fällen wurde das Ziel erreicht. Schwieriger war der Kamps gegen die Klöster. Die Bischöfe forderten Übergabe auch der klösterlichen Eigenkirchen in das bischöfliche Eigentum. Sie forderten von den Mönchen namentlich Herausgabe der öffentlichen Kirchen und Eiustelluug [ihrer Seelsorgetätigkeit. Die Bischöse suchten und fanden in dem Streite eine Stütze im Frankenreich, die Klöster suchten und fanden einen Rückhalt an der heimischen Dynastie. Darüber kam es bei der politischen Spannung zu einem schweren Konflikt. Die bischöfliche Partei beschuldigte den Herzog, namentlich aber die Herzogin Liutbirga der Feindseligkeit gegen die Bischöfe, der Begünstigung der Klöster. Das herzogliche Haus beschuldigte deu Bischof von Freising fränkischer Gesinnung. Es kam ebenso zu Reibereien zwischen dem Herzog und den ins fränkische Interesse gezogenen, dem Herzog zu Aufseheru gegebenen königlichen Vasallen in Bayern. Das ist nicht bloß zu schließen aus der warmen Fürsorge, mit der Karl deren Interesse gegen das Herzogtum im Jahre 781 vertrat, sondern auch aus den späteren Ereignissen des Jahres 788. Vermutlich strebten diese Vasallen eine Stellung außer oder über der bayerischen Stammesverfassung an und wurden in diesem Bestreben von den Franken ermuntert, die sichtlich ihre Aufgabe nicht in einer Versöhnung, sondern in einer Verschärfung der Gegensätze erblickten. Zugleich scheint die Forderung unbedingter Heeresfolge auf den Widerstand des Herzogs gestoßen zu sein, dessen Interessen wie früher so auch damals auf dem avarisch-slavischen Kriegsschauplätze im Südosten lagen. Unter diesen Verhältnissen ist es begreiflich, daß sich Tassilo zu Äußerungen hinreißen ließ: selbst wenn er zehn Söhne hätte, würde er sie lieber opfern

2. Lesebuch zur Geschichte Bayerns - S. 599

1906 - München : Oldenbourg
125 Einnahme von Orleans. 599 Der Krieg, der vielen schon fast beendet schien, trat in völlig neue Verhältnisse ein und verlängerte sich ins Ungewisse. Wieder nahm er einen dramatischen Zug an, der seit Metz und Sedan geschwunden war, die Entwickelung erregte aufs nene erwartungsvolle Spannung. Ganz Europa, dessen Völker die unerhörten Siege der bisher gering geachteten Deutschen nicht ohne einige Mißgunst gesehen hatten, verfolgte mit höchstem Interesse den wiederbelebten Wasfengang. ■V V X f~i 0 N!\! Bayerische Artillerie im Kampfe bei (Eoulmiers. Da der Feind über die Loire bis nach Salbris gewichen war, beschränkte sich Tann bei der geringen Zahl seiner Truppen darauf den Flußabschnitt bei Orleans zu halten, während die 22. Division und die 4. Kavalleriedivision die zahlreichen Freischaren im Nordwesten vertreiben sollten. Am 18. Oktober fanden sie die offene Stadt Chateau dun durch Barrikaden verschlossen und von Franktireurs, denen sich die Einwohner kämpfend zugesellten, hartnäckig verteidigt. Die Division stürmte die in Brand geschossene Stadt noch spät abends in gräßlichem Handgemenge; Chäteaudun, großenteils ein rauchender Schutthaufen, büßte mit fast völligem Ruin. Durch sein grausiges Schicksal gewarnt, ergab sich am 21. Chartres, wo den regulären Truppen Abzug gewährt wurde. Der von Gambetta ernannte neue Oberbefehlshaber, General d'aurelle de Paladines, der in kurzer Zeit durch Strenge und fleißige Übung seine

3. Lesebuch zur Geschichte Bayerns - S. 294

1906 - München : Oldenbourg
294 56. Würzburg, die alte Bischofsstadt am Main. lieferung hat Walther von der Vogelweide hier den Abend seines vielbewegten Sängerlebens verbracht und sein Grab im Kreuzgang von Neumünster gefunden. Mit all diesem Glanz nach außen ging eine bedeutsame innere Entwicklung Haud iu Hand. Unter den schützenden und fördernden Einwirkungen kaiserlicher Privilegien wie auch des bischöflichen Stadtregiments reifte allmählich ein kraftvoll selbstbewußtes städtisches Bürgertum heran. Aber wie es mehr oder weniger überall in diesen Bischofsstädten zu gehen pflegte, kam auch hier bald die Zeit, da die Interessen und Ansprüche des bischöflichen Stadtherrn und der emporstrebenden Bürgerschaft auseinandergingen und in feindlichen Gegensatz zueinander gerieten, zum erstenmal unter dem gewaltigen Bischof Hermann I. von Lobdeburg im Jahre 1254. Seitdem zogen sich die Bischöfe auf ihr Bergschloß, die Marienburg, zurück um von dort aus den Trotz bürgerlicher Selbstherrlichkeit leichter bündigen zu können und nur allzuoft waren die beiden gegenüberliegenden Stadtseiten wie feindliche Heerlager geschieden, wobei die Bürgerschaft dann gerne bei den Kaisern Anlehnung und Rückhalt suchte. Mit wechselvollem Erfolg hin und her wogend zogen sich diese Kämpfe bis zum Jahre 1400 hin, wo es der fürstbischöflichen Streitmacht schließlich gelang in der Schlacht bei Bergtheim einen entscheidenden Sieg über die Bürgerschaft zu erringen. Zertrümmert lagen damit nun die lange genährten Hoffnungen auf reichsfreie Stellung und Selbstherrlichkeit zu Boden und mehrfach entschlossen sich bürgerliche Geschlechter zur Auswanderung, wovon besonders Nürnberg Vorteil gezogen haben soll. Die Herrschaft des Bischofs war damit für die weitere Folge besiegelt und Würzburg zu einer landsässigen Stadt geworden. Trotz dieser vielfach so sturmbewegten Zeitläufte nahm das Wachstum und die Verschönerung der Stadt doch ungestörten Fortgang. Auch das Zeitalter der Gotik hat hier hochbedeutende Denkmäler geschaffen; so die Kirche der Mtnoritm in den herben, strengen Formen der Frühgotik; dann die wundervolle, leider jetzt so ruinenhcist gewordene Kirche der Deutschherren, vor allem aber die dem Würzburger tief ins Herz gewachsene Marienkapelle am Markt, eine Dichtung in Steinen im schönsten Sinne des Wortes; bald nach einer grausamen Judenverfolgung hatte man sie auf dem früheren Judenplatz gewissermaßen zur Sühne dafür erstehen lassen. Dazu dann die stattlichen Kurien der Domherren mit ihren weiten Hofräumen und zierlichen Kapellen, deren noch erhaltene Reste vielfach von so malerischer Wirkung sind. Allerdings ist vieles davon späteren Umgestaltungen, besonders im vorigen Jahrhundert, zum Opfer gefallen. In Bamberg blieb weit mehr von solchen alten Höfen erhalten. Auch in der Plastik hatte mau sich in Würzburg allmählich zu achtungswerter Höhe emporgearbeitet. Sprechende Belege dafür sind die zahlreichen Grabdenkmäler der Bischöfe im Dom seit Ende des 12. Jahrhunderts; wie

4. Lesebuch zur Geschichte Bayerns - S. 313

1906 - München : Oldenbourg
58. Gründung der Akademie der Wissenschaften zu München 1759. 313 berufen, welche schon im Jahre 1763 ihre eigene Buchdrnckerei erhielt. Anch das astronomische Observatorium auf dem Gasteig entstand und wurde von dem geistlichen Ratsdirektor Osterwald geleitet, dem ein Fräulein von Schneeweiß als gelehrter Gehilfe zur Seite stand. Unter den Mitgliedern prangen in überraschender Zahl die Namen der ersten Adelsgeschlechter des Landes; das Wirken der neuen Gesellschaft war über die Mauern der Klöster, besonders der Benediktiner, der anderthalbtausendjährigen Pfleger der Wissenschaften, gedrungen und ihre Edelsten zierten die Reihen der Akademiker. Geistliche und Weltliche, Adelige und Bürgerliche beeiserten sich in diesen Blütetagen des Instituts mit edlem Freimut der Wahrheit zu dienen. Ein frisches, wissenschaftlich aufklärendes Streben ging bamals durch alle Gauen Südbeutschlauds, es entfachte in allen Stänben Liebe nnb Begeisterung für das Eble nnb Schöne. Hube-kümmert nm Genossenschaft ober Personen warb alles Verrottete nnb Schlechte schonungslos ausgebest und verfolgt. Ohne alle Selbstsucht eiferten aufgeklärte Geistliche gegen jahrhunbertelang gehegten Aberglauben. Der eble Gras Savioli, selbst Besitzer großer Güter, spricht golbene Worte für den bisher tief verachteten Lanbmann ltrtb forbert energisch zu bessert Entlastung von brückenben grunbherrlicheii Fronben und bureaukrotischer Willkür auf. Graf Haslaug fchilbert in feierlicher Sitzung schonungslos die sozialen und politischen Gebrechen Bayerns und gießt über das verrottete Zunftwesen den bittersten Spott. „Der Zunftzwang", sagte er, „versagt beut geschicktesten Arbeiter, wenn er arm ist, den ihm von der Natnr verliehenen freien Gebrauch seines Kopses und seiner Hänbe und verdammt ihn zu lebenslänglicher Dienstbarkeit. Meister werden nur Meistersöhne oder solche, die sich entschließen können mit irgend einer zahnlosen Meisterswitwe oder einer buckligen Meisterstochter vor den Altar zu treten. Das hält uns im alten Schlendrian fest, macht uns zum Spotte der Nachbarn und entvölkert das Land, bessert tüchtigste Söhne ihr Glück auswärts suchen." Er eifert für volle Freiheit des Hanbels und erklärt, beiß jenes Land das reichste sei, welches die größte Bevölkerung zähle und die ausgebreitetste Jubustrie besitze, kurz der hellfehenbe Patriot sprach bereits 1772 Worte, die heute jebein Fortschrittsmanne Ehre machen würden. Und so blieb unter der segensvollen Regierung Maximilians Iii. trotz manchem inneren balb wieber beigelegten Zerwürfnis die Akademie im schönsten Aufblühen. Ihre ferneren Schicksale unter den uachsolgenbeu Herrschern zu verfolgen ist hier nicht am Platze, das eine aber möge noch erwähnt werben, daß sie mit würbiger Feier und Pracht, unter Teilnahme des für Förbernng alles Eblen nnb Nützlichen begeisterten Königs Maximilian Ii. und einer Menge ans weiter Ferne herbeigeeilter Feftgäste irrt Herbst des Jahres 1859 ihr erstes Jubiläum beging.

5. Lesebuch zur Geschichte Bayerns - S. 432

1906 - München : Oldenbourg
432 84. Ludwig I. und Goethe. Mit den Fastenpredigten hat Jean Paul als politischer Schriftsteller seinen Höhepunkt erreicht. Wenn er von da ab noch zuweilen über die deutschen Verhältnisse spricht, so geschieht es nicht mehr so ausführlich und mit solcher Begeisterung; man hört aus manchen Zeilen schon wieder den Satiriker heraus. In den „Saturnalien" 1818 saßt er nochmals einige Wünsche zusammen im Gegensatz zu denen, „welche durch Polizeidiener gern ein korrektes Universum hätten:" „Fürst und Adel sollen nicht ... auf das göttliche Ebenbild des Menschen mit Füßen treten, . . . gegen das Feuerwerk des Witzes sollen Zensur und Polizei feine Feuertrommeln rühren und feine Lärmkanonen richten gegen Raketen;" es solle „keine halbe und feilte beschränkte Preßfreiheit geben, sondern eine ganze;" es solle „überall Landstände geben;" „Weimar, das aus einem Parnasse der deutschen Musen zu einem Sinai der Verfassungen geworden, soll bte beutsche Keblah sein." So leuchtet aus den Werken Jean Pauls, mag er in strafendem Spott, in warnender Sorge oder in freudiger Begeisterung schreiben, ein echt deutscher Sinn. Die Grundbedingungen für das Blühen und Gedeihen des Vaterlandes sind ihm treffliche Fürsten, eine freie Verfassung und allgemeine Bildung, „Einsichten des Volkes;" denn „in der Geschichte hat wie in der Göttergeschichte Minerva am meisten die Götter gegen die Giganten beschirmt." 84. Ludwig I. und Goethe. Don Thomas Stettner.* Was ein jeder unserer beiden Dichterfürsten ihm sei, hat König Ludwig I. in den knappen Worten eines Epigramms ausgesprochen: „Wenn ich erwache, bevor ich betrete den Kreis der Geschäfte, Les' ich in Schiller sogleich, daß mich’s erhebe am Tag; Aber nach geendigtem Lärmen, in nächtlicher Stille, Flücht' ich zu Goethe und träum’ fort dann den lieblichen Traum." Man sann kaum treffender die Verschiedenheit dessen, was ein jeder von ihnen uns geben sann, bezeichnen: der feurige, vorwärts drängende Schiller soll uns begeistern zur Arbeit des Tages; überschauen wir aber in des Abends Stille prüfend die abgelaufenen Stunden und unser Wirken in ihnen, dann wird Goethe in seiner abgeklärten Ruhe unsere beste Gesellschaft sein. In seiner dichterischen Eigenart stand Schiller dem Könige näher, mit Goethe aber verband ihn neben der höchsten Bewunderung mannigfache Übereinstimmung in Neigungen und in der Auffassung des tätigen Lebens: beide liebten Italien als das Land der Sehnsucht, beide erblickten in der antiken Kunst die Höhe und deshalb die bleibende Norm künstlerischen Schaffens und auch in den Fragen des politischen Lebens standen sich ihre Ansichten nahe. Goethe aber verehrte in König Ludwig den mächtigen Beschützer und Förderer der Wissenschaften und Künste, der im großen zur Tat machte, was er selbst

6. Länderkunde Europas: Mittel- und Westeuropa unter besonderer Berücksichtigung von Deutschland - S. 96

1909 - Berlin : Oldenbourg
96 Westeuropa. Großbritannien als Weltmacht. Durch die Entdeckung Amerikas wurde der Atlantische Ozean die wichtigste Verkehrsstraße und jetzt strebten die Briten nach der Seeherrschaft, namentlich unter der Regierung der Königin Elisabeth in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts. Sie verdrängten die Hansen, deren Seemacht keinerlei Unterstützung vom Deutschen Reiche genoß, und gründeten in allen Erdteilen Kolonien. Heute ist Großbritannien die erste Kolonialmacht der Erde. Sein überseeischer Besitz umfaßt 29 Mill. qkm mit 350 Mill. Einw. 3 mal die Größe Europas und nahezu dessen Einwohnerzahl). Die wichtigsten Kolonialgebiete Englands sind' Indien, der ganze Kontinent Australien, Britisch-Nordamerika und Britisch-Südafrika, endlich eine Menge von Inseln in allen Meeren, welche entweder Kolonialprodukte liefern, oder welche als Flottenstationen dienen und dadurch zur Beherrschung der Meere beitragen. Großbritannien besitzt ferner reiche Lager von Steinkohlen und Eisen. Zufolge seines gewaltigen Kolonialbesitzes und des starken Handels nimmt auch Englands Handelsflotte den ersten Rang ein. Sie ist mehr als viermal so groß als die deutsche. Dem Schutze der größten Handelsflotte dient die größte Kriegsflotte. Diese übertrifft die deutsche ebenfalls um das 4 fache. Großbritannien ist sonach die erste Kolonial-, Handels- und Seemacht der Erde. Verfassung. Der Verfassung nach ist das Vereinigte Königreich Großbritannien und Irland eine konstitutionelle Monarchie, in welcher indes der König oder die Königin geringe Herrscherrechte besitzen; fast alle Gewalt kommt dem Parlament zu, das aus dem Ober- und Unter häufe besteht. Die Krone ist in männlicher und weiblicher Linie des Herrscherhauses erblich.

7. Der moderne Geschichtsunterricht - S. 91

1900 - München : Oldenbourg
Die soziale und wirtschaftliche Seite der Kreuzzüge. 91 sozialen Verhältnisse des antiken Staatslebens von Grund aus umstürzte. Der Ausgang des mit allen staatlichen Machtmitteln rücksichtslos geführten Kampfes beweist aber für den, der Augen hat zu sehen, klar und deutlich, wie erfolglos ein Kampf des Polizeispiefses gegen Ideen ist. Trotz aller Umsturzgesetze sank das antike Leben' unrettbar in sich selbst zusammen. Auf und aus seinen Trümmern baute sich das Christentum eine neue Welt. b) Die soziale und wirtschaftliche Seite der Kreuzzüge. Dass die Kreuzzüge zunächst eine kirchlich-religiöse, also geistige Bewegung sind, ist klar. Um die Wende des 1. Jahrtausends glaubte man allgemein an das bevorstehende Weitende. Eine Stelle aus der Apokalypse, wo vom 1 ooojährigen Reiche, nach dessen Ablauf der Antichrist und das Weltgericht kommen werden, die Rede ist, gab dazu den Anlass. Nun geht es der Menschheit wie dem einzelnen Menschen; wenn es ans Sterben geht, wird auch der hartgesottene Sünder fromm; man weiss ja nicht recht, was hinter dem Vorhang ist; sicher ist sicher. Also fing das Abendland an, frömmer zu werden als bisher; die alte Weltfluchtsidee der Anachoreten und Augustins kam wieder in Mode und zeigte sich in der zunehmenden Zahl der Ordensgründungen strengerer und strengster Observanz. Die cluniacensische Bewegung, der Gottesfriede (treuga dei) haben hier ihre Ursache. Besonders der letztere schädigte aber die Ritter sehr. Die Unterbrechung der Fehdezeit von Mittwoch abend bis Montag früh machte natürlich die meisten Fehden unmöglich. Davon lebten sie aber grösstenteils, indem sie für die Aussicht auf Beute und eventuell zu erwerbenden Grundbesitz ihren tapferen Arm vermieteten. Dazu kam noch etwas Anderes. Infolge der allmählich sich entwickelnden Geldwirtschaft, die den Wert der landwirtschaftlichen Produkte naturgemäss herabdrückte, verringerte sich die Rente landwirtschaftlicher Betriebe ohnehin. Umgekehrt stieg der Luxus des verfeinerten Rittertums (siehe kulturgeschichtliche Bemerkungen z. B. im Nibelungenliede !) und stellte an die kleiner werdenden Geldmittel grössere Anforderungen. Was sollten also die Ritter thun ? Da eröffnete sich ihnen nun in den Kreuzzügen ein ebenso willkommener Abzugskanal für überschüssige Kräfte, wie früher unter den Ottonen in der gewaltsamen Kolonisation des slavischen Ostens. Also »auf nach Jerusalem U Das war die Losung der notleidenden Agrarier.

8. Der moderne Geschichtsunterricht - S. 133

1900 - München : Oldenbourg
Germanische Rechtspflege. 133 Berufs- und Standesverhältnisse hineindenken als der gelehrte Berufsrichter, der diesen Verhältnissen ferne steht und auf Sachverständige angewiesen ist, die sich aber gar häufig widersprechen. Alles das begreift der Schüler, wenn es ihm an fasslichen Beispielen erörtert wird. Aber auch auf die Schattenseiten wird der ehrliche, objektive Lehrer hinweisen. So können z. B. bei Standesgenossen leicht persönliche Voreingenommenheit, Brotneid, Konkurrenzrücksichten, bei Laien herrschende Tagesmeinungen, mangelndes Verständnis u. dgl. den »Spruch« nach dieser oder jener Seite ungünstig beeinflussen, was bei Berufsrichtern weniger zu fürchten ist. Ein fernerer Nachteil der germanischen Rechtspflege war die Auffassung, dass der Beklagte seine Unschuld beweisen müsse, während nach römischer Auffassung der Kläger die Schuld des Beklagten zu beweisen hatte. Letztere Auffassung ist humaner und für den Beklagten günstiger. Denn ein Alibi war oft schwer nachzuweisen, besonders wenn Zeugen fehlten oder nicht aussagen wollten. Umgekehrt konnten einflussreiche Leute oft leicht Eideshelfer zusammenbringen. Auch die uralten Gottesurteile (ordal, Urtel, Urteil) nahmen nicht immer den Verlauf, der gerade dem Recht und der Wahrheit entsprach. Doch werden die Vorteile die Nachteile wohl überwiegen. Dies behandelt man im Anschluss an das »Sendgrafengericht aus der Zeit Karls D. Gr.«. Man kann dann darauf zurückverweisen, dass die Unzufriedenheit mit der römischen Rechtspflege gar sehr viel zu dem Aufstande der Germanen unter Arminius beitrug. Manchem scriba wurde nachher die Zunge herausgeschnitten u. s. w. Bei der Geschichte des 16. Jahrhunderts weist man darauf hin, wie allmählich das römische Recht im Dienste der Territorialherren das altgermanische überwucherte; bei der Geschichte der neueren Zeit zeigt man den Schülern der Oberstufe, wie man bei allen Reformen der Rechtspflege sofort auf die altgermanische Rechtsprechung zurückgrifif. Man erklärt den Unterschied zwischen Schwurgericht (reines Laiengericht) und Schöffengericht (Laien und Berufsrichter gemischt) und zeigt, dass letzteres wohl das Idealgericht der Zukunft sein wird, weil es naturgemäfs die Vorzüge beider Arten der Rechtsprechung verbindet. Doch genug! Dass der moderne Mensch, der ins Leben hinaustritt, einige solche Kenntnisse recht wohl brauchen kann, ist selbstverständlich; denn: vitae discimus.

9. Der moderne Geschichtsunterricht - S. 156

1900 - München : Oldenbourg
156 Religiöse Fragen. letztere fällt die erstere in sich selbst zusammen. Diese Dogmen kann man aber nicht alle mit der Vernunft ergründen, auch nicht mathematisch beweisen; deswegen sind es eben Glaubenssätze. Würde der Mensch die Geheimnisse der Religion so ohne weiteres ergründen können, so würde seine Scheu und Ehrfurcht vor ihr kaum gesteigert werden. Das verschleierte Bild zu Sa'i's wirkt und reizt, das enthüllte würde auf die Dauer jedenfalls weniger wirken und reizen. Also nochmals, Dogmen muss es geben. Haben wir aber Dogmen , so haben wir auch Konfessionen. Bis hierher wäre das alles sehr schön und ideal, wenn nicht Dogmen und Konfessionen naturgemäfs den Grundsatz der Ausschliesslichkeit in sich trügen. Wer aber von der Wahrheit seines Glaubens überzeugt ist, kann unmöglich einem anderen Glauben logische und ethische Gleichberechtigung zuerkennen. Weil aber der subjektiv richtige Glaube nach der festen Überzeugung des Gläubigen die conditio- sine qua non für die ewige Seligkeit, also für den Haupt-, ja ausschliesslichen Zweck des irdischen Daseins bildet, so folgt naturgemäfs, dass er Andersgläubige in der besten Absicht zu bekehren sucht. Da aber Menschen keine Engel sind, so geht dies nicht immer auf friedliche und liebevolle Weise vor sich, und damit sind wir bei einer sehr bedenklichen Konsequenz angelangt. Die bisher sogenannten Religions- und Konfessionskriege, die thatsächlichen Ketzer- und Hexenverbrennungen sind geschichtliche Erscheinungen, vor denen die Humanität ihr Haupt verhüllt. Wenn das Wort Christi wahr ist: »An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen«, so möchte man fast verzweifelt das Haupt schütteln und ausrufen : »Herr, so das geschieht am grünen Holze, was soll am dürren iv er den ?« Aber hier eröffnet sich für den wirklich modernen Geschichtsunterricht, der sich mit keiner Partei oder Konfession identifiziert, eine ernste, ja heilige Pflicht, nämlich aufzuräumen mit der bisherigen unwahren und ungerechten Geschichtsdarstellung (wenigstens in den meisten Lehrbüchern). Eigentliche Religions- oder Konfessionskriege gibt es fast gar keine, oder wenigstens sehr wenige. Was man bisher dafür hielt oder richtiger ausgab, waren Bewegungen mit meist ganz anderen Zwecken und Absichten, bei denen man aber die Religion oder Konfession als Mantel und Aushängeschild vorschützte. Der Dreissig-jährige Krieg war in erster Linie ein Kampf der Territorialmächte gegen die kaiserliche Zentralgewalt, und gerade unsere

10. Der moderne Geschichtsunterricht - S. 36

1900 - München : Oldenbourg
Z6 Stoffauswahl und Gedankengang. und den republikanisch-städtischen Interessen der Italiener; gleichzeitiger Kampf der kaiserlichen Zentralgewalt gegen die aus der Naturalwirtschaft und dem Lehenswesen sich entwickelnde fürstliche Territorialgewalt. In diesem Kampfe geht die Kaisermacht zu Grunde. Nun Genaueres! d) Zeitalter der sächsischen und fränkischen Kaiser. Doppelte Gefahr für Deutschland im Norden und Nordwesten von den Normannen (siehe oben!), im Südosten von den Ungarn. Dabei innere Ohnmacht infolge der Schwäche der letzten Karolinger. In dieser inneren Not erweist sich die Kirche als Hort und Anker des Königtums, indem sie den Zerfall des Reiches aufhält; die wichtige Synode zu Hohenaltheim im Ries 916. Bei der Schwäche der Zentralgewalt muss gegen die äussere Gefahr naturnotwendig ein kraftvolles Stammesfürstentum Wiederaufleben, so z. B. die Schyren in Bayern, Luitpold. Gewaltsamer Einigungsversuch der deutschen Stämme unter Konrad I. misslingt. Deshalb neuer, friedlicher Versuch unter Heinrich I. (der Finkler, Sage!). Ungarngefahr immer drohender; dagegen notwendig Reitertruppen und feste Plätze. Otto D. Gr., Persönlichkeit; Kämpfe gegen die Fürsten (Vorfall bei Andernach am Rhein [vom Volk als Gottesgericht betrachtet]; Arnulph von Bayern und Regensburg). Ungarnschlacht auf dem Lechfeld (sehr wichtig! Zum erstenmale alle deutschen Stämme einig auf einem Schlachtfeld). Beginn der grossartigen Kolonisationsbestrebungen der Germanen gegen Osten. Allmähliche Bekehrung der ostelbischen Slaven (Wenden). Errichtung von Marken gegen Dänen, Wenden und Ungarn, anknüpfend an ähnliche Bestrebungen Karls D. Gr. Innere Politik: Heranziehung der Kirche zu den innerpolitischen Plänen Ottos. Daraus entwickelt sich die eigenartige Doppelstellung der deutschen Kirche (Bischöfe und Äbte zugleich Kirchenfürsten und zugleich Reichsfürsten; viele Bistümer mit grossem Landbesitz; Bistümer und besonders Klöster wirtschaftliche Musterverwaltungen). Kirchliche Missstände in Italien. Aufnahme der universalen Bestrebungen, die von den Westfranken fallen gelassen, durch die *) Dass aus diesen festen Plätzen die Städte entstanden, Heinrich also den Namen Städtegründer mit Recht führt, wird nach neueren Forschungen bestritten. Gebhard, Handbuch der deutschen Geschichte.
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