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1. Das Zeitalter der Reformation, Das Jahrhundert des großen Krieges, Das Zeitalter der unumschränkten Fürstengewalt - S. 10

1900 - Langensalza : Schulbuchh. Greßler
10 in großen Bünden zusammen und verteidigten mit mehr oder minder Glück ihre bisherige Stellung. Äo kam es, daß um die Wende des fünfzehnten und sechzehnten Jahrhunderts in Nord- und Ostdeutschland das Fürstentum allein Träger der politischen Macht war; nur wenige Küstenstädte waren hier reichsfrei. Wie der Adel suchten auch die Städte hier aus friedlichem Wege innerhalb des Territoriums ihren Platz im politischen Leben zu gewinnen. Es ist charakteristisch, daß die große Vereinigung der norddeutschen Hansa fast ausschließlich aus Landstädten bestand, die gar nicht daran dachten, nach Reichsfreiheit zu streben, und daß dieser Bund nicht die Verteidigung der Glieder gegen die Landesfürsten, sondern lediglich Schutz der gemeinsamen Handelsinteressen gegen auswärtige Eingriffe bezweckte. Im Süden und Westen dagegen standen die Städtebünde den verschiedenen Vereinigungen der Fürsten und Ritter als Mitbewerber um die politische Macht gegenüber. Der Südwesten schien sich auflösen zu wollen in einander bekämpfende Vereine von Standesgenossen, der Nordosten in einige große Territorien; das ganze Reich schien auseinanderzufallen in zwei Teile mit verschiedenen Interessen, verschiedener Machtverteilung, verschiedener Kultur. In diese Gegensätze der zum Kampfe um die Macht organisierten socialen Gruppen, sowie der verschiedenen Gegenden Deutschlands gegeneinander griff nun die reformatorische Bewegung völlig umgestaltend ein. Geistige Wenn wir um das Jahr 1500 in Deutschland eintreten, so lesen stnkide. jdjr üf,er dem Thorbogen, durch welchen wir unsern Einzug halten, in goldenen Lettern die Inschrift: Renaissance. Ein Jubelruf geht durch die ganze gebildete Welt: „Freuet euch, freuet euch! Die Welt des klassischen Altertums, neuverklärt, in jugendlicher Schönheit ist sie wiedergeboren worden! Hier ist der echte Aristoteles, hier der göttliche Plato, hier die Meisterwerke der Kunst und Wissenschaft, wunderbarer Schönheit, unsterblichen Geistes voll, — und die Sonne Homers, siehe, sie leuchtet auch uns!" Ein neues Evangelium der Bildung erfüllte, von Italien ausgehend, das Abendland. Die mittelalterlichen Jdeeen und Anschauungen wichen dem Geiste des auferstandenen Altertums. Eine neue Zeit zog herauf, morgenfrisch, eine Zukunft voll unerschöpflicher Verheißungen im Mutterschoße tragend. Und doch, war dies die Wiedergeburt, welche das fünfzehnte Jahrhundert so heiß ersehnte? War dies das Evangelium, nach welchem

2. Das Zeitalter der Reformation, Das Jahrhundert des großen Krieges, Das Zeitalter der unumschränkten Fürstengewalt - S. 38

1900 - Langensalza : Schulbuchh. Greßler
38 Händel des Volkes eine Duelle des eigenen Gewinnes werden, sieht es die Wahrung des neuen Rechtes anvertraut. Das neue Recht ermöglicht und Begünstigt das Aufkommen zahlloser Rechtsstreitigkeiten, welche von gewissenlosen Menschen, die sich der Kenntnis des neuen Rechtes rühmen, geflissentlich angesucht und unterhalten werden zur schweren Schädigung der Volkswohlfahrt. So wird nicht allein das Rechtsgefühl, sondern auch der Wohlstand des Volkes das Opfer des neuen Rechts. Ein Zeitgenosse, Wimpheling, der Altmeister des Schulwesens, welcher als Deutscher für das deutsche Reich eintritt, schildert mit bewegten Worten diesen Kamps um das Recht. „Wer sollte nicht Freude darüber empfinden, daß Ritter und Bürger und Bauern, treu ergeben dem alten Rechte und den alten Gewohnheiten, sich mannhaft wehren gegen alle diejenigen, welche ihnen dieses Recht und diese Gewohnheiten mit Lug und ^rug und spitzfindigen Künsten aller Art rauben wollen und sie Zu unterdrücken und auszubeuten suchen? Es ist ein Kamps, der das Leben des Volkes im Innersten ergreift, der aber, fürchte ich, bei der Machtlosigkeit der obersten kaiserlichen Gewalt, die nicht mehr ordnend und zügelnd einzugreifen imstande zu sein scheint, und bei den vielen im Reiche vorhandenen Zwistigkeiten zu Gunsten der Gewalthaber und ihrer Werkzeuge: der Rechtskundigen sich entscheiden wird." Aus Wim« phelings Darstellung klingt, dem Hörenden genugsam vernehmbar, die Warnung hervor, daß diese Verwirrung des Rechtsgefühls eine der Ursachen zu folgeschweren Umwälzungen werden mußte. So treffen in den Bestrebungen der Bauern und der Herren Strömung und Gegenströmung aufeinander. Die Gegensätze verschärfen sich durch religiöse und kirchliche Fragen, welche neben den staatsrechtlichen und volkswirtschaftlichen Bestrebungen im Verlaufe der Bewegung hervortreten und für die Entwicklung derselben bedeutsam wurden. Die Bauern klagen über Mißstände der Kirchenverfassung und der Kirchenzucht; sie klagen über Verweltlichung des Klerus und über Unwürdigkeit des Lebens mancher Geistlichen; sie führen Beschwerde über den Druck der vielerlei Abgaben und Leistungen, zu denen sie Kirchen und Klöstern gegenüber angehalten werden; sie weisen verurteilend auf die erbarmungslose Härte mancher der geistlichen Fürsten und Herren hin. Aber es sind nicht solche Äußerlichkeiten des kirchlichen Lebens allein, die ihnen den Ruf nach Umgestaltung eingegeben haben. Ihre kirchlichen und religiösen Bestrebungen werden von einem tief innerlichen Zuge beherrscht. Sie verlangen nach dem „Worte Gottes" zu ihrer

3. Das Zeitalter der Reformation, Das Jahrhundert des großen Krieges, Das Zeitalter der unumschränkten Fürstengewalt - S. 49

1900 - Langensalza : Schulbuchh. Greßler
49 der ablehnenden Haltung des schwäbischen Bundes wurden die Ausgleichsbemühungen der Bauern zu nichte. Inzwischen hatte die bäuerliche Bewegung an Umsang und Rückhalt gewonnen. Wie die Wogen einer sturmgepeitschten See überflutete sie ganz Süddeutschland von den Bergen Böhmens bis zum Wasgeu-walde. Hunderttausende von Bauern hatten der christlichen Vereinigung geschworen. Und diese Hunderttausend erhoben mahnend und drohend als Feldgeschrei gleichsam den Rus nach den „Xii Hauptartikeln aller Bauernschaft". In den Xii Artikeln war die Ansicht der Gemäßigten zum Siege gekommen. Bei dem Scheitern des friedlichen Ausgleichs büßten die Gemüßigten ihre bisherige Führerschaft ein. Wie bei jeder Volksbewegung, die einmal in Flnß geraten ohne ihre Wünsche sofort erfüllt zu sehen, gewannen nunmehr auch hier die Entschiedeneren die Oberhand. Ihre Führer gaben von jetzt an der Bewegung Inhalt und Ziel. Es änderte sich damit auch die Weise, in welcher die Bewegung zu Tage trat. Friedliche Mittel hatten sich wirkungslos erwiesen, man griff nun zu Mitteln der Gewalt und des Schreckens. Die Xii Artikel hatten versucht, den Wünschen der Bauernschaft durch eine Umgestaltung der wirtschaftlichen Lage gerecht zu werden. Die neuen Führer bekannten sich zu dem Grundsätze, daß eine Besserung der wirtschaftlichen Verhältnisse nur dann von den Bauern durchgeführt werden könne, wenn die Bauernschaft zuvor eine größere staatsrechtliche Bedeutung im Reiche gewonnen habe. Sie strebten daher eine völlige Umgestaltung der gesamten Reichsverfassung an. So wurde die Bewegung auch auf ganz anderes Gebiet des öffentlichen Lebens übertragen. Und nun erfolgte, was nicht ausbleiben konnte: in mehreren treffen wurden die Bauern völlig geschlagen und nun blutige Rache an ihnen genommen. Die wenigen Rechte, die sie vor dem Kriege hatten, wurden ihnen auch noch genommen: sie durften keine Versammlungen und kein Gericht mehr halten, nicht mehr mitwählen, wenn ein neuer Beamter berufen wurde, und fortan keine Waffen mehr tragen. Damit war den Bauern der letzte Rest der alten Volksfreiheit und damit die Möglichkeit genommen, sich aus eigener Kraft wieder aufzuhelfen. Ein anderer wilder Sprößling der Reformation Luthers war die Sekte ^Die der Wiedertäufer, die zuerst in der Schweiz auftauchte, dann, von da ver- taufet trieben, sich nach Oberdeutschland wandte und namentlich in Straßburgmünster. tauge Boden faßte und zuletzt die Stadt Münster zu ihrem Sitze machte. Deutsche Kulturgeschichte. Iii. 4

4. Das Zeitalter der Reformation, Das Jahrhundert des großen Krieges, Das Zeitalter der unumschränkten Fürstengewalt - S. 115

1900 - Langensalza : Schulbuchh. Greßler
115 falsche Müntzer und böses Geld führt der Teufel in alle Welt. Soll man ihrer nur quitt werden, das beste Mittel wär auf Erden, daß man sie samt ihrem Stempel andern zur Scheu und zum Exempel mit Feuer verbrenn' oder aufhenk, damit man ihrer nimmer gedenk. Berühmt war ein Pamphlet, worin Lucifer, der oberste Fürst der Hölle, in Form eines Schreibens an seine Lieben und Getreuen redet und sie mit folgenden Namen belegt: Junker Wolf von Kipperch, Laux von Wipperheim, Wucherhausen und Schindeberg, Fuchs von Gebhard und Hebfest und die wohledlen Herren und Brüder der von Schacherhausen und Müntzberg. Bei dem Unvermögen der Regierungen, die ganze, allen gesetzlichen Berfoi-Bestimmungen zuwiderlaufende Bewegung zu bewältigen, kam an vielen Orten der lange verhaltene Ingrimm endlich zum offenen Ausbruch. In Halberstadt stürmte am 26. Dezember 1621 der Pöbel das Haus des Münzmeisters Cyriakus, plünderte und raubte mit solchem Behagen, daß dasselbe in wenig Stunden aller fahrenden Habe ledig war; in Magdeburg kam es zu einem förmlichen Aufstande, wobei zweihundert Menschen ihr Leben verloren. In Dessau mußte man den Bürgern der Sicherheit wegen die Gewehre abnehmen, und auch in Erfurt ereigneten sich ähnliche Ausläufe, während der Rat zu Leipzig durch kluge Maßregeln den Ausbrüchen der Volkswut zuvorkam. Ju Freiberg stürmten die „Bergheuer" ebenfalls die Häuser der Kipper, sogar die in der Lausitz stehenden Truppen des Kurfürsten Johann Georg, die mit leichter Münze bezahlt wurden, ließen sich nur mit Mühe von aufrührerischen Bewegungen abhalten. Wohl hatten die Kipper den allgemeinen Fluch des Landes aus sich geladen, ihre Ehre und Redlichkeit verloren und waren durch Richter-spruch für infam erklärt, aber nicht weniger als sie trugen die Regierungen die Verantwortung für das hereinbrechende Verderben. Nur wenige waren bemüht, gestützt auf die Erbitterung des Volkes und die Gewissenhaftigkeit einzelner rechtlich denkender Münzstände, der Verbreitung der schlechten Münze Hindernisse in den Weg zu legen. Derjenige deutsche Fürst, der den Ruhm davon getragen hat, eine heilsame Reformation zuerst und zwar ganz selbständig durchgeführt zu haben, ist der Herzog Christian von Braunschweig. Bereits am 14. September 1621 8*

5. Das Zeitalter der Reformation, Das Jahrhundert des großen Krieges, Das Zeitalter der unumschränkten Fürstengewalt - S. 228

1900 - Langensalza : Schulbuchh. Greßler
228 Er- hebung Preir- ßens zum Köuici- reich. vom Adel ließen auf ihren Gütern nach dem Muster des Lustgartens schöne Parkanlagen einrichten. Die Wirkung des Beispiels unterstützte der Kursürst gewöhnlich durch Verordnungen; so auch hier. Als 1665 der von ihm in der Breitenstraße erbaute Marstall neben den angrenzenden Däusern ab-biannte und sich beim Löschen des Brandes die Feuerlöscheinrichtungen als ganz unzureichend erwiesen, erließ der Kursürst eine neue Feuerordnung und verpflichtete die Bürger, die Schornsteine nicht mehr aus Lehm oder Holz, sondern aus Backsteinen herzustellen. Es erschien ferner eine Verordnung, nach welcher vor jedem dritten Hause abends eine Laterne ausgehängt werden solle. Hiermit war der Anfang einer regelmäßigen Straßenbeleuchtung gemacht. Die Pflasterung der Straßen, auf welchen bisher die Schweine gewühlt hatten, wurde geboten und überhaupt für bessere Pflasterung gesorgt. Die Viehställe durften nicht mehr nach der Straße zu erbaut werden. Es wurde verboten, den Kehricht auf die Straße oder in die Spree zu werfen. Angestellte Gassenmeister mußten darüber wachen, daß der Unrat aus der Stadt gefahren wurde. Der Kursürst drohte: „Wer den Unrat auf die Straße werfe, dem soll er wieder ins Haus geworfen werden; wer unsittlicher» weise die Straße verunreinige, solle an den Pranger kommen, Kinder dafür mit der Rute bestraft werden." Der Magistrat wurde angewiesen, über prompte Ausführung der kurfürstlichen Bestimmungen zu wachen. So weckte der Kurfürst den Sinn für Ordnung, Sauberkeit und Anmut und erhob seine Unterthanen aus eine höhere Stufe der Civilisation. Des Großen Kurfürsten Bemühen wurde reichlich gesegnet. Die Bevölkerung Berlins stieg während seiner Regierung nicht nur von 6500 auf 20000 Einwohner, sondern die Berliner zeichneten sich nach und nach gegen früher sehr vortrefflich aus durch Betriebsamkeit, Wohlstand und Streben nach höherer Bildung. Die Stadt selbst hatte ein schönes Kleid angelegt. Reisende schilderten Berlin als eine schön-gebaute Stadt. Der Franzose Patin, welcher im Jahre 1676 nach Berlin kam, urteilte: „Alle Beschwerden waren vergessen, als ich Berlin zu sehen bekam. Alles erschien mir so schön, daß ich mir eine Öffnung im Himmel dachte, von wo die Sonne ihre Wohlthaten auf die Erd-strecke ausbreitet." Den hohen Ausschwung, den die hohenzollernfche Monarchie unter dem Großen Kurfürsten genommen, wollte der Nachfolger auch seiner-

6. Das Zeitalter der Reformation, Das Jahrhundert des großen Krieges, Das Zeitalter der unumschränkten Fürstengewalt - S. 247

1900 - Langensalza : Schulbuchh. Greßler
247 Der Große Kurfürst hatte sein Lebtag zu ringen gehabt mit dem^s-Andrange feindlicher Nachbarn. Seine starke Natur verlor aber über den großen Entwürfen der europäischen Politik nicht jenen sorgsam Hans-Fam hälterischen Sinn, der den meisten seiner Vorfahren eigen war und ^eim§ L schon in den Anfängen des Hauses an dem häufig wiederkehrenden Beinamen »Oeconomus« sich erkennen läßt; er that das mögliche, den zerstörten Wohlstand des Landes zu heben, erzog den Stamm eines monarchischen Beamtentums und begann den Staatshaushalt nach den Bedürfnissen moderner Geldwirtschaft umzugestalten. Doch eine durchgreifende Reform der Verwaltung kam in den Stürmen dieser kampf-erfüllteu Regierung nicht zustande; des Fürsten persönliches Ansehen und die schwerfällige alte Centralbehörde, der geheime Rat, hielten das ungestalte Bündel ständischer Territorien notdürftig zusammen. Erst sein Enkel zerstörte den alten ständischen Staat. König Friedrich Wilhelm I. stellte die Grundgedanken der inneren Ordnung des preußischen Staates so unverrückbar fest, daß selbst die Gesetze Steins und Scharnhorsts und die Reformen unserer Tage das Werk des harten Mannes nur fortbilden, nicht zerstören konnten. Er ist der Schöpfer der neuen deutschen Verwaltung, unseres Beamtentums und Offizierstandes; sein glanzlos arbeitsames Wirken war nicht minder fruchtbar für das deutsche Leben als die Waffenthaten seines Großvaters; denn er führte eine neue Staatsform, die geschlossene Staatseinheit der modernen Monarchie, in unsere Geschichte ein. Er gab dem neuen Namen der Preußen Sinn und Inhalt, vereinte sein Volk zur Gemeinschaft politischer Pflichterfüllung und prägte den Gedanken der Pflicht für alle Zukunft diesem Staate ein. Nur wer den knorrigen Wuchs, die harten Ecken und Kanten des niederdeutschen Volkscharakters kennt, wird diesen gewaltigen Zuchtmeister verstehen, wie er so atemlos durchs Leben stürmte, der Spott und Schrecken seiner Zeitgenossen, rauh und roh, scheltend und fuchtelnd, immer im Dienst, sein Volk und sich selber zu heißer Arbeit zwingend, ein Mann von altem deutschen Schrot und Korn, kerndeutsch in seiner kindlichen Offenheit, seiner Herzensgüte, seinem tiefem Pflichtgefühl wie in seinem furchtbaren Jähzorn und feiner formlos ungeschlachten Derbheit. Der alte Haß des norddeutschen Volkes wider die alamodische Feinheit der welschen Sitten, wie er aus Laurenbergs niederdeutschen Spottgedichten sprach, gewann Fleisch und Blut in diesem königlichen Bürgersmanne; auch seine Härte gegen Weib und Kind zeigte ihn als den echten Sohn jenes klassischen Zeitalters

7. Das Zeitalter der Reformation, Das Jahrhundert des großen Krieges, Das Zeitalter der unumschränkten Fürstengewalt - S. 250

1900 - Langensalza : Schulbuchh. Greßler
anzunähern, ein Heer von Landeskindern zu bilden. Das Kantonreglement von 1733 verkündete die Regel der allgemeinen Dienstpflicht. Freilich nur die Regel. Der Gedanke war noch unreif, da die lange Dienstzeit jener Epoche ihm schnurstracks zuwiderlief. Die Armut des Landes und die Macht der ständischen Vorurteile zwangen den König, zahlreiche Ausnahmen zuzulassen, sodaß die Last des erzwungenen Waffendienstes thatsächlich allein auf den Schultern des Landvolkes lag; und selbst die also beschränkte Wehrpflicht konnte nicht vollständig durchgeführt werden. Unbesiegbar blieben der stille Widerstand gegen die unerhörte Neuerung, der Abscheu des Volkes vor dem langen und harten Dienste. Selten gelang es, mehr als die Hälfte des Heeres mit einheimischen Kantonisten zu füllen; der Rest ward durch Werbungen gedeckt. Viele der meisterlosen deutschen Landsknechte, die bisher in Venedig und den Niederlanden, in Frankreich und Schweden ihre Haut zu Markte getragen hatten, fanden jetzt eine Heimat unter den Fahnen der norddeutschen Großmacht; der Süden und Westen des Reiches wurde das ergiebigste Werbegebiet der preußischen Regimenter. Auf so wunderlichen Umwegen ist unsere Nation zu Macht und Einheit aufgestiegen. Jenes waffenlose Drittel des deutschen Volkes, dessen Staatsgewalten zum Schutze des Reiches kaum einen Finger regten, zahlte den Blutzoll an das Vaterland durch die Tausende seiner verlorenen Söhne, die als Söldner in Preußens Heeren fochten, jene Kleinfürsten in Schwaben und am Rhein, die in Preußen ihren furchtbaren Gegner sahen, halfen selber, die Kriegsmacht ihres Feindes zu verstärken. Seit das preußische Heer entstand, hörte das Reich allmählich auf, der offene Werbeplatz aller Völker zu sein, und als dies Heer erstarkte, war Deutschland nicht mehr das Schlachtfeld aller Völker. Das Heer bot dem Könige die Mittel, den aufsässigen Adel mit der monarchischen Ordnung zu versöhnen. Wohl war das Ansehen des Kriegsherrn schon erheblich gestiegen seit jenen argen Tagen, da der Große Kurfürst seine eigenen Kriegsobersten gleich Raubtieren aus der Jagd umstellen ließ und sie zwang, ihm allein den Eid der Treue zu schwören; aber erst dem Enkel glückte, was der Großvater vergeblich erstrebte, die Ernennung aller Offiziere in seine Hand zu bringen und das erste rein monarchische Offiziereorps der neuen Geschichte zu bilden. Sein organisatorischer Sinn, der überall die politische Reform den gegebenen Zuständen der Gesellschaft anzupassen verstand, fühlte rasch heraus, daß die abgehärteten Söhne der zahlreichen armen Landadels-

8. Das Zeitalter der Reformation, Das Jahrhundert des großen Krieges, Das Zeitalter der unumschränkten Fürstengewalt - S. 253

1900 - Langensalza : Schulbuchh. Greßler
253 Arbeitskraft. Die Reformen Steins und Hardenbergs konnten nur darum einen so durchschlagenden Erfolg erringen, weil sie vorbereitet waren durch die Gesetzgebung dreier Menschenalter. Bei dem Beamtentum der Krone fand der kleine Mann Schutz gegen adligen Übermut, sachkundigen Rat und unerbittlich strenge Aufsicht; kein Opfer schien dem sparsamen Könige zu schwer für das Beste seiner Bauern; die gesamten Staatseinnahmen eines vollen Jahres hat er aufgewendet, um sein Schmerzenskind, das von Pest und Krieg verheerte Ostpreußen, der Gesittung zurückzugeben, die weite Wüste am Memel und Pregel mit fleißigen Arbeitern zu bevölkern. Nicht das Genie, sondern der Charakter und die feste Mannszucht gaben dem preußischen Staate sittliche Größe; nicht der Reichtum, sondern die Ordnung und die rasche Schlagfertigkeit seiner Mittel gaben ihm Macht. Doch jetzt am wenigsten konnte die deutsche Nation ein Verständnis gewinnen für die seltsame Erscheinung dieses waffenstarken Staates, wie er so dastand, eine jugendlich unreife Gestalt, knochig und sehnig, Krast und Trotz im Blicke, aber unschön, ohne die Fülle der Formen, aller Anmut, alles Adels bar. Die alte Abneigung der Deutschen gegen das vordringliche Brandenburg wurde durch die böotische Rauheit Friedrich Wilhelms I. bis zu leidenschaftlichem Widerwillen gesteigert. Dem Historiker ziemt es nicht, die erschreckend grellen Farben unserer neuen Geschichte mit weichem Pinsel zu verwischen; es ist nicht wahr, daß dieser tiefe Haß der Nation nur verhaltene Liebe gewesen sei. Damals bildete sich in der öffentlichen Meinung jene aus Wahrem And Falschem seltsam gemischte Ansicht vom Wesen des preußischen Staates, die in den Kreisen der deutschen Halbbildung an hundert Jahre lang geherrscht hat und noch heutzutage in der Geschichtsschreibung 'des Auslandes die Oberhand behauptet. Dies Land der Waffen erschien den Deutschen wie eine weite Kaserne. Nur der dröhnende Gleichtritt der Potsdamer Riesengarde, der barsche Kommandoruf der Offiziere und das Jammergeschrei der durch die Gasse gejagten Deserteure klangen aus der dumpfen Stille des großen Kerkers ins Reich hinüber; von den Segenswünschen, welche der dankbare litauische Bauer für seinen gestrengen König zum Himmel schickte, hörte Deutschland nichts. Der Adel im Reich sah eben jetzt goldene Tage. In Hannover waltete das Regiment der Herren Stände schrankenlos, seit der Kurfürst im fernen England weilte; das sächsische Junkertum benutzte den Übertritt seines -Königs zur römischen Kirche, um sich neue ständische Privilegien zu

9. Das Zeitalter der Reformation, Das Jahrhundert des großen Krieges, Das Zeitalter der unumschränkten Fürstengewalt - S. 256

1900 - Langensalza : Schulbuchh. Greßler
256 man ihrer bald auch in den Bürgerhäusern nicht entbehren; wer es daher nicht vermochte, seinen Kindern eine eigene Französin zu hatten, der vereinigte sich mit anderen Familien zu gemeinsamer Anstellung einer „französischen Dernoiselle". Alles Französische hatte den Vorzug und wurde überall bewundert und nachgeahmt, und das zu einer Zeit, wahrend die Deutschen mit Erbitterung gegen die Franzosen kämpften und ihr eroberungssüchtiger König in Deutschland gehaßt wurde. Die alte gesellschaftliche Gliederung in streng gesonderte Stände wurde noch mehr verschärft, als es früher der Fall war. Der Bürger st and verhielt sich dem fürstlichen Staate gegenüber mißtrauisch und ablehnend. Das hielt aber ehrgeizige und wohlhabende Bürger uicht ab, sich vom Kaiser einen „Adelsbrief" zu kaufen. Am schlimmsten war die Lage des Bauernstandes; der größte Teil des Volkes, sieben Zehntel, trug fast überall eine hohe Steuerlast. Die Mehrzahl der Bauern verharrte in Gutsunterhänigkeit oder wie in Mecklenburg und in Böhmen in Leibeigenschaft. Es ist nicht schwer zu zeichnen, jenes bürgerliche Leben voller Stille und voller Bescheidenheit, voll ernster, fleißiger und teilweise begeisterter Arbeit, welches etwa ums Jahr 1720 in die deutschen Städte eingezogen war. Noch heut meint wohl der Wanderer, wenn sein Fuß eine kleine, von den großen Straßen des Verkehrs fernabgelegene Stadt betritt, die alte Zeit steige wiederum vor ihm herauf mit all ihrer Tüchtigkeit, aber auch in all den knappen Maßen, all den Unzulänglichkeiten, all den Beschränkungen, die ihr nun einmal eigen waren! Niemals aber verschwinden diese anspruchslosen Bilder vor unserm Blicke, ohne den Eindruck des Friedens zu hinterlassen, welcher uns jetzt in den Tagen rastloser Arbeit für initiier zu entfliehen droht. Doch wir haben zunächst den Schauplatz näher zu schildern, auf welchem das stille bürgerliche Leben des achtzehnten Jahrhunderts oder vielmehr die bürgerliche Arbeit der ersten Hälfte desselben sich abrollt. Das Bild der deutschen Städte innerhalb der von uns darzustellenden Epoche hatte sich itt der langen Friedenszeit von 1650 bis 1720 nicht unwesentlich verändert. Die neue Zeit, bereit Anbrechen seit dem Jahre 1700 jeber Bürger in bett Städten fühlte, hatte zunächst in baulicher Beziehung Licht und Luft und Orbnung mit sich gebracht. Es war freilich eine souveräne Verachtung aller Kunst der alten Zeit, die hier und bort babei zu Tage trat. Die „gotischen" Gewölbe, •— gotisch hieß jetzt soviel als altfränkisch, — sie riß matt

10. Das Zeitalter der Reformation, Das Jahrhundert des großen Krieges, Das Zeitalter der unumschränkten Fürstengewalt - S. 105

1900 - Langensalza : Schulbuchh. Greßler
105 sich, wie es scheint, überlegen; es ist nicht zu leugnen, daß sie sich zuerst erhob. In Frankreich erging am 15. Juni 1617 ein Edikt, das der katholische Klerus schon längst gefordert, aber der Hof aus Rücksicht auf die Macht und die Oberhäupter der Hugenotten noch immer verweigert hatte, kraft dessen die Kirchengüter in Bearn wieder herausgegeben werden sollten. Dahin ließ sich Luines bringen, der sich, obwohl die Protestanten anfangs auf ihn rechneten, doch allmählich der jesuitisch-päpstlichen Partei angeschlossen; schon erhoben sich, im Vertrauen auf diese Gesinnung der höchsten Gewalt, hie und da, zuweilen unter dem Läuten der Sturmglocke, Angriffe des Pöbels auf die Protestanten: die Parlamente nahmen gegen sie Partei. Allein bei weitem das Wichtigste bereitete sich in den Erblanden des Hauses Österreich vor. Die Erzherzöge hatten sich versöhnt und verstanden; mit dem großen Sinne, den dies Haus in gefährlichen Augenblicken öfter bewiesen, gaben die übrigen die Ansprüche, die ihnen nach dem Tode des Kaisers Matthias, dem es an Nachkommenschaft gebrach, zuwachsen mußten, an Erzherzog Ferdinand auf, und in kurzem ward derselbe in der That als Thronfolger in Ungarn und Böhmen anerkannt. Es war dies am Ende nur eine Ausgleichung persönlicher Ansprüche, die aber eine allgemeine Bedeutung in sich schloß. Von einem so entschlossenen Eiferer wie Ferdinand ließ sich nichts anderes erwarten, als daß er unverzüglich auch hier seinem Glauben die Alleinherrschaft zu verschaffen und danach die ganze Kraft dieser Länder zur Fortpflanzung des Katholizismus zu verwenden suchen werde. Eine gemeinschaftliche Gefahr für alle Protestanten in den Erblanden, in Deutschland und in Europa. Eben deshalb erhob sich zunächst an diesem Punkte der Gegensatz. Die Protestanten, die sich dem Vordringen des Katholizismus entgegengeworfen, waren nicht allein zur Gegenwehr gerüstet, sie hatten Mut genug, die Verteidigung sogleich in einen Angriff zu verwandeln. In Kurfürst Friedrich von der Pfalz konzentrierten sich die Elemente des europäischen Protestantismus. Seine Gemahlin war die Tochter des Königs von England, die Nichte des Königs von Dänemark; sein Oheim Prinz Moritz von Omnien; nahe mit ihm verwandt das Oberhaupt der französischen Hugenotten von der minder friedlichen Partei, der Herzog von Bouillon. Er selbst stand an der Spitze der deutschen Union. Ein ernster Fürst, der Selbstbeherrschung genug
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