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1. Griechisch-römische Altertumskunde - S. 159

1910 - Münster i.W. : Aschendorff
159 erhielten, spter muhte sogar eine Zwischenzeit von 5 Iahren zwischen dem staatlichen Amte und der Statthalterschaft liegen. Die Machtstellung der Statthalter war vllig unumschrnkt, dauerte aber nur ein Jahr- doch konnte das Amt vom Senate verlngert werden. Besondere Schutzgesetze sollten einer willkrlichen oder ungerechten Ver-waltung vorbeugen, und ein reichliches Staatsgehalt sollte den Statt-Haltern ein standesgemes Auftreten ermglichen; doch wurde es immer-mehr Sitte, durch Bedrckung der Provinzialen sich zu bereichern, und wenn die Erpressungen und Unterschlagungen nicht zu viele Millionen betrugen, so stellten sich die Gerichte in Rom regelmig auf die Seite des angeklagten Statthalters. 49. Die Stellung rmischer Vollbrger unter den Untertanen. Rmische Vollbrger in Italien oder in der Provinz verloren nichts von ihrem Brgerrechte, doch ruhten diejenigen Rechte, deren Ausbung an den Aufenthalt in Rom geknpft war, so besonders das ius suffragii. Einzelne Vollbrger lieen sich in groer Zahl Haupt-schlich zu Handelszwecken in Italien und in der Provinz nieder, wobei ihnen ihr ius commercii groe gewerbliche, ihr ius provocationis groe gerichtliche Vorteile bot. Massenniederlassungen rmischer Vollbrger in unterjochten Lndern hieen coloniae. Diese dienten anfangs nur zur militrischen Sicherung unterworfener Gebiete, seit den Gracchen auch zur Versorgung mittel-loser rmischer Brger, seit Sulla zur Versorgung von Veteranen, letzteres jedoch ohne die Beachtung der Frmlichkeiten, die sonst mit einer Koloniegrndung verbunden waren. Die rmischen Vollbrger verloren in der Kolonie ihre civitas nicht, nur ruhten ihre rein politischen Rechte. Wurde eine bereits bestehende Stadt zu einer Kolonie umgewandelt, so nahmen darin die Kolonisten die Stelle eines Adels gegen-ber der eingesessenen Bevlkerung ein. 50. Die romischen Manzen. Die Ausgaben des rmischen Staates waren in der repub-Manischen Zeit im Vergleich zur Kaiserzeit und noch mehr im Ver-gleich zu unserer Zeit gering und unbedeutend. Die Hauptausgabe-posten waren: 1. Der Beamtensold, aber nur fr die Provinzialstatt-Halter und die niederen Beamten, da die eigentlichen Staatsmter als honores unbesoldet waren. 2. Die Ausgaben fr den Staatskultus, umfassend die Opfer, Feste und Tempel. 3. Die Einrichtung und Er-Haltung ffentlicher Bauten, wie Gebude, Straen, Wasserleitungen u. s. w. 4. Der Truppensold, der aber vom besiegten Feinde wieder ersetzt werden mute. 5. Seit C. Gracchus die Getreidespenden an arme Vollbrger in Rom. Die Einnahmen zerfallen in ordentliche und auerordent-liche. Die ordentlichen Einnahmen waren: 1. Die Pachtgelder von den Domnen (agri publici), die teils in der rmischen Feldmark,

2. Griechisch-römische Altertumskunde - S. 84

1910 - Münster i.W. : Aschendorff
= 84 -r Abnderungsvorschlge muten schriftlich eingereicht werden, konnten jedoch von dem Vorsitzenden zurckgewiesen werden, wenn sie gegen ein Gesetz verstieen. Nach Schlu der Debatte lie er abstimmen, bei ffentlicher Abstimmung durch Aufhebung der Hnde, bei geheimer durch Stimmsteine. der den ganzen Vorgang setzte der Ratschreiber eine Urkunde auf fr das Staatsarchiv, der er den Namen des Prsidenten und den seinigen beifgte. Die Befugnisse der Volksversammlung: 1. Der Anteil an der Gesetzgebung war bis 404 sehr groß, weil das Volk bis dahin allein darber zu entscheiden hatte, ob eine von Sachverstndigen vorberatene und vom Nate begutachtete Neuerung Gesetz werden sollte oder nicht. Seit der Wiederherstellung der Demo-kratie, 403, setzte das Volk seinen Anteil an der Gesetzgebung jedoch bedeutend herab. Alljhrlich konnte nmlich in einer der ersten Volks-Versammlungen jeder Brger Gesetzesnderungen beantragen, und das Volk stimmte zunchst nur darber ab, ob ein Antrag einer nheren Wrdigung wert sei. War er das, dann mute der Antragsteller ihn nebst dem entgegenstehenden alten Gesetze ffentlich zur allgemeinen Kenntnisnahme ausstellen. Nach einigen Wochen whlte dann das Volk einen aus Heliasten gebildeten Gerichtshof und eine Kommission zur Verteidigung des alten Gesetzes. Dann erst erfolgte die Entschei-dung der die Annahme des neuen Gesetzes in der Form eines regel-rechten Prozesses zwischen dem Antragsteller und der Verteidigungs-Kommission vor dem gewhlten Gerichtshof. 2. Auch bei der Wahl der Beamten waren die Befugnisse der Volksversamlung stark eingeengt; denn von den etwa 20 staatlichen Beamtenkollegien wurde nur ein Viertel gewhlt, wie die Vertreter der militrischen und finanziellen Obermter, während die anderen Be-amten erlost wurden. 3. Die richterlichen Befugnisse der Volksversammlung wurden seit 403 gleichfalls auf auerordentliche Flle beschrnkt und auch dann wurde die endgltige Entscheidung zumeist von dem zustndigen Ge-richtshof getroffen; vergl. unter 86 der die Probole und Eisangelie. (Der Ostrakismos wurde seit 403 nicht mehr ausgebt.) 4. Aber auch nach der Wiederherstellung der Demokratie 403 stand dem Volke doch noch die oberste Entscheidung zu der Krieg und Frieden, der Aussendung und (Empfang von Gesandten, Erteilung des Brgerrechtes, religise Angelegenheiten, auergewhnliche (Ehrungen u. a. 84- Das athenische Gerichtswesen. Der Proze in einer Privatklage heit fj der ffentliche Proze \ Yqa(jrf- Der Klger heit d Stcoxwv, der Beklagte (fevymv. - Als Klger konnte nur ein vollberechtigter Brger auftreten, Fremde und Metoiken muten sich durch einen nqoazrri? vertreten lassen. -Wer als Klger in einem Kriminalprozesse nicht den fnften Teil der Stimmen erhielt, mute 1000 Drachmen Strafe zahlen und konnte im

3. Griechisch-römische Altertumskunde - S. 58

1910 - Münster i.W. : Aschendorff
58 sich die Erde als eine Scheibe, in deren Mitte das eben angegebene Aigaiifche Meer liegt. Dieses stellt er sich als Binnenmeer vor, rings umgeben von mehr oder minder groen Inseln,- jenseits dieses Insel-Kranzes dehnt sich das unabsehbare Auenmeer mit dem alles ab-schlieenden Okeanos-Strom aus. Auen- und Innenmeer sind durch Meerstraen verbunden; als solche gelten auch Flsse, wie Donau und Nil. - Der Okeanos ist eine mchtige Meeresstrmung, welche die Erdscheibe rings umfliet und in sich zurckstrmt,' zumeist umfliet er das Auenmeer, an einzelnen Stellen jedoch berhrt er den Inselkranz. - Das westliche Mittelmeerbecken mit Italien und Sizilien, ja sogar bei Kerkyra ist Homer ein wahres Wundergebiet,- seine abenteuerlichen Vorstellungen drften auf Berichte phoinikischer Seefahrer zurckgehen, die in ihrem Wagemut vom Atlantischen Ozean nicht abgeschreckt wurden und von ihren Fahrten viele Wunderdinge zu erzählen wuten. 49. Die Stndegliederung. Die Brger zerfielen in Adlige und Gemeinfreie,- doch waren jene allein vollberechtigt, während diese unter dem Drucke des Adels zu voller Bedeutungslosigkeit herabgesunken waren, wie das besonders in den Volksversammlungen hervortritt. Aus dem Adel wurde der Rat der Geronten gebildet, den der König bei allen wichtigen Ange-legenheiten erst hren mu; dieser tagt im Megaron des kniglichen Palastes beim Mahle, wobei der Gerontenwein getrunken wird. Der König ist unter den Adligen wenig mehr als der primus inter pares. Die dem patriarchalischen Knigtum berhaupt zukommenden Vorrechte eines Oberpriesters, Oberrichters und Feldherrn stehen auch dem homerischen Könige zu. Seine Einknfte setzen sich zusammen aus freiwilligen und fest bestimmten Beitrgen des Volkes und dem (Ertrage des Krongutes (ro re/nevog). Besondere Abzeichen seiner Wrde hat er nicht: das Szepter trgt er nur dann, wenn er gerade die anordnende oder ratende Person ist. Dasselbe war da-mals nicht das Abzeichen einer kniglichen Machtstellung, sondern kennzeichnete blo den jeweiligen Inhaber einer ffentlichen Handlung, z. B. einen Richter beim Rechtsprechen, einen Redner in einer ffentlichen Versammlung, einen Herold als ffentlichen Abgesandten usw. Auer den Adligen und Gemeinfreien gab es noch wenig geachtete Beisassen (Klienten, ot fierardtai) und freie Arbeiter (ol &rjrs). Dazu kamen noch die Sklaven. In den Zustand der Sklaverei geriet man durch Abstammung von Sklaven, durch Kriegsgefangenschaft und durch den hauptschlich von den Phoinikern betriebenen, sehr eintrglichen Menschenraub. Die Behandlung war meist nicht hart, vielfach sogar recht herzlich und vertraut, wie die Stellung des Sauhirten (Eumaios und ebenso der Eury-kleia, der Amme des Odysseus, beweist. 50. Das Erwerbsleben. 3u Homers Zeiten herrschte die sogenannte Naturalwirtschaft.

4. Geschichte der neueren Zeit - S. 203

1913 - Münster in Westf. : Aschendorff
Die Zeit von der Begrndung des neuen Deutschen Reiches bis zur Gegenwart. 203 600 Mark, er ist Vormundschaftsrichter, er hat das Grundbuch zu führen; mit zwei Laienrichtern (Schffen) richtet er der geringere Strafsachen. Beim Landgericht sind fr brgerliche Rechtsstreitigkeiten von grerer Bedeutung oder als Berufungsinstanz Kollegialgerichte, Zivilkammern (3 Richter) und fr Strafsachen Strafkammern (2 Richter, 3 Schffen; bei zweiter Instanz 3 Richter oder als Berufungssenat 5 Richter) sowie fr schwere Straftaten Schwurgerichte (3 Richter. 12 Geschworene) zustndig, fr Handelssachen zuweilen besondere Handelskammern. Die Senate bei dem Oberlandesgerichte werden aus je 5 Richtern gebildet, beim Reichs-gericht aus je 7 Richtern. Ist die ffentliche Rechtsordnung durch eine schwere Straftat verletzt, so vertritt der Staatsanwalt als Hter des Ge-fetzes die ffentliche Anklage. Beim Amtsgericht ist der Amtsanwalt (Laie) ffentlicher Anklger. Auer bei dem Amtsgericht mssen sich die Par-teien, Klger und Beklagter, durch Rechtsanwlte vertreten lassen (sog. Anwaltszwang). Die beiden Hauptgrundstze bei dem heutigen Proze-verfahren sind ffentlichkeit und Mndlichkeit (seit 1879). Innere Gefchichfe Deuffchlcinds und insbefondere Preuens. 132. Der log. Kulturkampf (1871 1887). Kaum war das Deutsche Reich gegrndet, da wurde der innere Frieden schwer gestrt durch einen kirchlich-politischen Kamps, den man gewhnlich nach einem Ausdruck des preuischen Abgeordneten Rudolf Virchow, eines hervor-ragenden Mediziners, als Kulturkampf" bezeichnet, weil er ein Ringen der modernen Kultur", des Geistes der Freiheit, gegen die der Gewissens-knechtung verdchtigte katholische Kirche schien. Wiederholt hatten kirchenfeindliche Kreise ihre Angriffe gegen ihre angeblich staatsgefhrlichen Ein-richtungen und Grundstze, gegen den Ultramontanismus", die Abhn-gigkeit deutscher Untertanen von einem auerdeutschen kirchlichen Ober-Haupte, gerichtet. Die preuische Regierung hatte ungeachtet dieser Ver-hetzungen die verfassungsmigen Rechte der katholischen Kirche gewahrt. Die Verkndigung des Dogmas von der lehramtlichen Unfehlbarkeit des Papstes durch das Vatikanische Konzil brachte weite Kreise von Ka- u>nehwar-tholiken und Nichtkatholiken in Aufregung, in der Stellung der preuischen ls.guii isvo. Regierung zur Kurie aber keine nderung hervor, bis diese es ablehnte, auf die neue, hauptschlich aus Katholiken bestehende politische Reichs-tagssraktiou des sog. Zentrums (21. Mrz 1871 gebildet) einen Druck zu den. Im Preuischen Abgeordnetenhause hatte sich schon Ende des Jahres 1870 eine gleiche Fraktion gebildet, mit dem Programm, einzutreten fr Aufrechterhaltung und organische Fortentwicklung ver-fassungsmigen Rechts im allgemeinen und insbesondere fr die Freiheit und Selbstndigkeit der Kirche und ihrer Institutionen". Fürst Bismarck erblickte in der neuen politischen Partei des Reichstags eine die Einheit des eben erst geschaffenen Reichs bedrohende Opposition, in der Kurte

5. Deutsche Geschichte vom Ausgange des Mittelalters - S. 37

1910 - Berlin : Singer
— 37 — handelte, aber ihm sollte sehr bald klar werden, daß es sich bei diesem Handel nicht um theologische Ketzereien, sondern um sehr reale Jnterefsenkämpse handelte. 4. Luther, Münzer, hulten. Sobald die Thesen Luthers das Signal zum offenen Kampfe gegen Rom gegeben hatten, vereinfachte sich der bunte Wirrwarr der deutschen Interessenkämpfe, indem sich die verschiedenen Klassen und Klassenfraktionen in drei große Lager schieden, das konservativ-katholische, das bürgerlich-reforma-torische und das plebejisch-revolutionäre. In dem konservativ-katholischen Lager sammelten sich alle Elemente, die an der Erhaltung des Bestehenden interessiert waren, an ihrer Spitze der Kaiser. So tief war die mittelalterliche Reichsgewalt in Deutschland gesunken, daß sich bei der Kaiserwahl von 1519 der französische und der spanische König um die Krone gerauft hatten; von den sieben Kurfürsten, denen die Wahl oblag, hatten sich fast alle, bald durch französisches, bald durch spanisches Gold bestechen lassen; endlich siegte der spanische König Karl, der aus dem Hause Habsburg stammte und zugleich Herr der österreichischen Erblande war. Sowohl als spanischer König wie als Herr der österreichischen Erblande hatte er das dringendste Interesse, nicht mit Rom zu brechen; er hat Rom durch seine Söldner stürmen lassen, um den Papst seinem Willen zu unterwerfen, aber der päpstlichen Kirche konnte er nicht absagen, da sie sein stärkstes Herrschaftsmittel sowohl in Spanien wie in den österreichischen Erblanden war. Deshalb blieb Kaiser Karl V. ein entschlossener Gegner der deutschen Reformation, wobei er sich aus die geistlichen und einen Teil der weltlichen Fürsten, den reichen Adel, die aristokratische Fraktion der Geistlichkeit und das städtische Patriziat stützen konnte. Diesem katholisch-konservativen Lager gegenüber stand nun die große Masse der Nation, die sich in leidenschaftlicher Empörung gegen die päpstliche Ausbeutung erhob. Sie spaltete sich aber sehr bald in zwei Lager, in deren einem sich die besitzenden Elemente der Opposition zusammenfanden, die Masse des niederen Adels, die Zunftbürger und ein Teil der weltlichen Fürsten, die sich durch Konfiskation der geistlichen Güter zu bereichern hofften und auch die Gelegenheit auszunutzen gedachten, sich von Kaiser und Reich noch immer unabhängiger zu machen. Diese bürgerlich-gemäßigte Partei wollte sich wohl vom Joche der päpstlichen Ausbeutung befreien, aber

6. Deutsche Geschichte vom Ausgange des Mittelalters - S. 124

1910 - Berlin : Singer
Merker Abschnitt. Zwischen zwei Revolutionen. 1. Eine Wettwende. Die Reaktion, die seit dem Jahre 1815 über Europa lastete, war eine logische Folge der historischen Tatsache, daß die aristokratische Regierung Englands im Bunde mit den feudalen Mächten des europäischen Festlandes in Napoleon den Erben der französischen Revolution gestürzt hatte. Aber es war nicht minder logisch, daß alle Versuche, die feudale Gesellschaftsordnung wieder herzustellen, auf die Dauer scheitern mußten an dem Widerstände der neuen Gesellschafts> klassen, die die bürgerliche Revolution geschaffen hatte. Diese Klassen konnten sich keine Restauration gefallen lassen, die ihnen an Leib und Leben ging. Im östlichen Europa waren sie freilich erst so schwach entwickelt, daß sie noch nicht auf eigenen Füßen stehen konnten. Ganz zu geschweigen des russischen Kolosses, an dessen, naturwüchsiger Barbarei der Stoß der Revolution überhaupt abgeprallt war, so hielt sich der Habsburgische Despotismus, so wie ihn Metternich vertrat, dadurch aufrecht, daß er die verschiedenen Nationen und Natiönchen des vielsprachigen Oesterreichs gegeneinander verhetzte und durch seinen Einfluß am deutschen Bundestage jede freiere Regung in Deutschland unterdrückte. Einen bereitwilligen Helfershelfer fand er dabei an dem hohenzollernschen Despotismus, der in seiner angestammten Beschränktheit nicht begriff, wie sehr er sich damit ins eigene Fleisch schnitt. Anders sah es in den westeuropäischen Kulturvölkern aus. Die Pariser Julirevolution von 1830 zerschmetterte das alte Königtum, das, durch die fremden Mächte eingesetzt, von dem französischen Volke stets als verhüllte Fremdherrschaft

7. Deutsche Geschichte vom Ausgange des Mittelalters - S. 140

1910 - Berlin : Singer
— 140 — Wilhelm Weitling (1808—1871) ist der erste deutsche Arbeiter, der bahnbrechend in der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung wie in der Geschichte des Sozialismus gewirkt hat. Sein Vater war ein französischer Offizier, der aus dem russischen Feldzuge Napoleons verschollen ist, seine Mutter eine arme Arbeiterin, die mit aller aufopfernden Liebe dem heranwachsenden Knaben das Elend eines unehelichen Proletarierkindes wohl mildern, aber nicht ersparen konnte. Was ihm seine Abstammung jedoch gewährte, war die Freiheit von allem borussischen Patriotismus; als die Zeit herankam, wo Weitling ins preußische Heer eintreten sollte, packte er seinen Ranzen und wanderte in die weite Welt hinaus. In Wien fand er reichliche Arbeit als Damenschneider, jedoch fetzte er bald feinen Stab weiter nach Paris, aus Sehnsucht nach Kameraden, wie er sie im Bunde der Gerechten fand. Das reiche Leben des französischen Sozialismus eröffnete ihm eine neue Welt, und es wurde fein historisches Verdienst, in dies vielstimmige und manchmal auch sinnverwirrende Konzert die proletarische Note zu tragen. Bauten sich alle sozialistischen Systeme, wie verschieden sie unter sich fein mochten, auf der gemeinsamen Voraussetzung auf, daß den arbeitenden Klaffen nur durch die Einsicht und das Wohlwollen der besitzenden Klaffen geholfen werden könne, so verwarf Weitling diesen „verfluchten Unsinn" und verkündete offen, daß die Arbeiterklasse nur durch sich selbst emanzipiert werden könne. Weitling gewann diese Erkenntnis früher, klarer und fchärfer als die französischen Sozialisten Cabet, Louis Blanc und Proudhon, die, jeder in seiner Art, um das Jahr 1840 Arbeiterbewegung und Sozialismus zu versöhnen unternahmen. Weitling verleugnete nicht den Sozialismus als solchen* um auf die ehemaligen Hungeraufftände von Lyon und Manchester zurückzusehen. Aber er entkleidete den Sozialismus feines allgemein menschlichen, auf eine friedliche Propaganda beschränkten Charakters, und begründete ihn auf den Gegensatz der arbeitenden und der besitzenden Klaffen, der niemals versöhnt, sondern nur dadurch aufgehoben werden könne, daß eine revolutionäre Aktion des Proletariats die kapitalistische in die sozialistische Gesellschaft umwälze. Geistig blieb Weitling in hohem Grade von den westeuropäischen Sozialisten abhängig, aber er öffnete einen Weg aus der Sackgasse, worin sie alle steckten; er brach eine Pforte durch die Mauer, auf der alle sozialistischen Systeme wie die Bilder einer magischen Laterne kamen und verschwanden.

8. Deutsche Geschichte vom Ausgange des Mittelalters - S. 141

1910 - Berlin : Singer
— 141 — Die Agitation Weitlings in der Schweiz machte geradezu ein europäisches Aufsehen. Für die herrschenden Klassen war sie eine peinliche Ueberraschung, wie wenn Kinder, die mit dem Feuer spielen zu können glauben, plötzlich den Schmerz verbrannter Finger empfinden. Für diese Klassen war der friedliche Sozialismus so etwas wie eine Modesache geworden: es machte sich so schön und war so wohlfeil, Gefühle großherzigen Mitleids herauszuhängen, die den gefühlvollen Herzen keinen Deut kosteten. Nun aber drehte ein leibhaftiger Proletarier die Medaille um und zeigte auf ihrer Kehrseite ein Medusenantlitz. Und dieser Proletarier führte eine Sprache, die in ihrer urwüchsigen Kraft, ihrer stürmischen Beredsamkeit und nicht zuletzt auch in ihrer Fülle einleuchtender Gedanken die lederne Literatur der bürgerlichen Professoren weit überflügelte. Bei alledem aber war Weitling noch fein moderner Proletarier. In den Ländern, die er kannte, Deutschland, Oesterreich, Frankreich und der Schweiz, gab es eine große Industrie noch gar nicht ober erst in bescheidenen Anfängen; Weitling war nur erst der Dolmetsch des proletarifierten Handwerks. Er wußte nicht, daß erst die große Industrie die Mittel und Möglichkeiten schafft, die kapitalistische in die sozialistische Gesellschaft einzuwalzen, und er wußte auch nicht, daß die große Industrie im modernen Proletariat das Heer erzeugt und schult, das diese Umwälzung zu vollbringen vermag; er wurde sich niemals klar darüber, daß sich die Arbeiterklasse im Kampfe um ihre Emanzipation die Waffen und Werkzeuge dieser Emanzipation rüstet. Deshalb wurde die Revolution für ihn das, was für die utopischen Sozialisten der rettende König ober der rettenbe Millionär gewesen war; sie sollte die alte Gesellschaft umstürzen, um nach mehr ober minber genialem Plan eine neue Gesellschaft einzurichten. Insoweit blieb auch Weitling noch Utopist. Wie scharfsinnig er bert Plan einer neuen Gesellschaft zu entwerfen wußte, so konnte auch die scharfsinnigste Utopie nicht das Ziel des proletarischen Emanzipationskampfes werben. Wie im Ziele, so ging Weitling in den Mitteln irre. Da er noch nicht das großinbustrielle Proletariat, sondern nur erst das proletaristerte Handwerk kannte, so setzte er all seine Hoffnung auf die wachsende Verelenbung der Massen. Er wollte die kapitalistische Unordnung auf den höchsten Gipfel treiben, die arbeitenden Klassen in das grenzenloseste Elend werfen.

9. Deutsche Geschichte vom Ausgange des Mittelalters - S. 154

1910 - Berlin : Singer
— 154 — gelungen, wenn sie nur mit der bürgerlichen Klasse zu tun gehabt hätte. Allein die Berliner Arbeiter ließen sich nicht so wohlfeil abspeisen; sie veranstalteten große Versammlungen vor den Toren der Stadt, wo sie Preß- und Vereinsfreiheit, auch schon Garantie der Arbeit und ein Arbeitsministerium forderten. Mit dieser Opposition war nicht zu spaßen, wie die Regierung sehr bald erfahren mußte, als sie die Versammlungen mit Waffengewalt sprengen und die heimkehrenden Massen von den Soldaten niedermetzeln ließ. Anfangs sah zwar die bürgerliche Klasse diesen Blutbädern gleichmütig zu, aber als der künstlich geschürte Blutdurst der Truppen sich selbst an den ruhigsten Bürgern vergriff, da begann auch sie rebellisch zu werden. In diesen sich häufenden Zündstoff fiel wie ein Feuerfunken die Nachricht, daß am 13. März in Wien die Revolution ausgebrochen sei und den bis dahin allmächtigen Staatskanzler Metternich verjagt habe. Dazu drohte eine große Deputation, die aus Köln an den König gesandt wurde, ziemlich unverblümt mit dem Abfall der Rheinlande, wenn nicht endlich Reformen eingeführt würden. Nun wollte die Regierung einlenken, aber es war zu spät. Die militärischen Mißhandlungen hatten den Geduldsfaden auch der Spießbürger zerrissen. Sie veranstalteten zur Mittagsstunde des 18. März eine friedliche Massenversammlung vor dem königlichen Schlosse, die die Zurückziehung des Militärs aus der Stadt verlangen sollte. Die Beschwichtigungsversuche des Königs und der Minister verfingen nicht mehr, und als nunmehr eine Schwadron Dragoner und eine Kompagnie Infanterie den Schloßplatz räumen sollte, fielen aus ihren Reihen zwei Schüsse, die das Signal zum Straßenkampf gaben. Ob die beiden Schüsse sich zufällig entladen haben, ober ob der Prinz von Preußen, der spätere Kaiser Wilhelm, den Befehl zum Feuern gegeben hat, läßt sich heute nicht mehr aufklären und ist auch insofern ganz gleichgültig, als es zweifellos feststeht, daß der Prinz an den militärischen Metzeleien die Hauptschuld trug, indem er in den Berliner Kasernen die Truppen fanatifierte. Die Behauptung aber, daß die Truppen in dem Straßenkampfe gesiegt hätten und nur durch einen übereilten Befehl des Königs aus der Stadt geschickt morden seien, ist eine nachträgliche Erfindung der Gegenrevolution. Vielmehr wußten die Barrikadenkämpfer die 14 000 Soldaten und die 36 Geschütze, die ihnen gegenüberstanden, im Laufe der Nacht so mürbe zu machen, daß die militärischen

10. Deutsche Geschichte vom Ausgange des Mittelalters - S. 160

1910 - Berlin : Singer
— 160 — Zugleich mit der Verkündigung des Dreiklassenwahlrechts in der spukhaften Versassung des Dreikönigsbündnisses wurde es durch einen widergesetzlichen Gewaltstreich für den preußischen Staat oktroyiert, wo seit dem 8. April 1848 das allgemeine, gleiche, geheime Wahlrecht feierlich als Landesgesetz verkündet worden war. Die Bourgeoisie fügte sich in ihrer Masse dem Schlage, den ihr die preußischen Junker ins (Besicht versetzten. Dieselben liberalen Staatsmänner, die Ende März 1849 in Frankfurt die Reichsverfassung beschworen hatten, als ein Palladium, woran nicht mehr gedeutelt und gedreht werden dürfe, fanden sich ein Vierteljahr später, Ende Juni 1849, in Gotha zusammen und beschlossen mit gleicher Wucht, den Leichenraub der preußischen Regierung an der deutschen Revolution anzuerkennen, einschließlich der Dreiklassenwahl. Nicht ganz so weit ging ein anderer Teil der bürgerlichen Opposition, der vorwiegend aus kleinbürgerlichen Elementen bestand, aber weiter brachte er es auch nicht, als daß er auf eine Versammlung in Köthen beschloß, sich am parlamentarischen Leben überhaupt nicht zu beteiligen, solange die Dreiklassenwahl bestehe. Die einzigen Lichtblicke in diesem traurigen Niedergänge der Revolution waren die Ausstände, in denen um die Reichsverfassung gekämpft wurde. Sie waren von vornherein aus-sichts- und hoffnungslos, aber sie retteten wenigstens die Ehre der Revolution. Es geschah namentlich, wo sich die Arbeiter an ihnen beteiligten, denen es nicht auf den sehr mäßigen Liberalismus der Verfassung, und noch viel weniger auf den hohenzollernfchen Erbkaiser, sondern nur darauf ankam, die Souveränität des Volkes gegenüber dem fürstlichen Despotismus zu verteidigen. Diese Ausstände, die in Dresden, an einzelnen Orten der preußischen Rheinlande, am umfangreichsten aber in Baden und in der bayerischen Rheinpfalz ausbrachen, wurden überall durch preußische Truppen niedergeschlagen, unter den furchtbaren Greueln, die immer und an jedem Ort den Sieg der sogenannten Ordnung begleiten. In der Reichsverfassungskampagne fiel dann auch das einzige Blatt, das sich im ganzen Verlaufe der deutschen Revolution stets auf der Höhe der Ereignisse gehalten hatte, die Neue Rheinische Zeitung, die von Karl Marx, Friedrich Engels und ihren nächsten Gesinnungsgenossen in Köln gegründet und geleitet worden war. Marx wurde als angeblicher Ausländer aus dem preußischen Staate ausgewiesen,
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