— 34 —
die Weichsel (§ 16), die an den Vorbergen der Karpaten entspringt und von rechts her den Bug aufnimmt.
Die Flüsse der Deutschen Tiefebene (§ 16) ergießen sich in die Ost- und Nordsee, die der Französischen zum Teil in den Kanal, nämlich die Seine mit der Marne, zum Teil in den Golf von Biscaya, nämlich die Loire und Garonne; durch das Südfranzösische Tiefland strömt zum Golf du Lion die Rhone; durch das Lombardische zum Adriatischen Meere der Po, beide aus dem Alpenland; zum Schwarzen Meere endlich die Donau, die mit ihrem oberen Laufe dem Deutschen Mittelgebirge (§ 11), mit ihrem mittleren der Ungarischen und ihrem unteren der Walachischen Tiefebene angehört. [Vergl. Diercke, Karte der Meeresgebiete.]
§ 27. Politisch zerfallt Europa in 26 selbständige Staatenbildungen, und zwar in 3 Kaiserreiche: Deutschland, Österreich, Rußland; ein Großsultanat: die Türkei; 13 Königreiche:
Großbritannien und Irland, Italien, Spanien, Ungarn (mit seinen Nebenländern), Rumänien, Belgien, die Niederlande, Schweden, Norwegen, Dänemark, Portugal, Griechenland, Serbien; ein Großherzogtum: Luxemburg; 4 Fürstentümer: Bulgarien, Montenegro, Monaco, Liechtenstein; 4 Republiken: Frankreich, der Schweizer Bundesstaat, San Marino, Andorra.
Von diesen sind die Länder der ungarischen Krone mit dem Kaiserreich Österreich zu einer konstitutionellen Monarchie und Norwegen und Schweden durch Personalunion verbunden.
Im folgenden werden diese Staaten gruppenweise nach ihrer geographischen Lage zusammengestellt: 1. Mitteleuropa (Deutschland, die Niederlande, Luxemburg, Belgien, die Schweiz, Liechtenstein, Österreich-Ungarn). Ii. Osteuropa (Rußlandj. Iii. Nordeuropa (Schweden u. Norwegen, Dänemark). Iv. Nordwest- und Westeuropa (Großbritannien und Irland, Frankreich). V. Südeuropa (Spanien [Andorra] und Portugal, Italien [Monaco, San Marino], die Türkei, Bulgarien, Rumänien, Serbien, Montenegro und Griechenland).
L Mitteleuropa.
Das Königreich der Niederlande (Holland)
(33000 qkm mit 5 */4 Mill. Einw.)
§ 28. umfaßt das Mündungsgebiet des Rheins, der Maas und Schelde und bildet die Fortsetzung der Norddeutschen Tiefebene; es grenzt an die Nordsee, die zu verschiedenen Malen
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— 35 —
in historischer Zeit tiefe Buchten in das niedere Marschland gerissen hat, so im dreizehnten Jahrhundert die Zuidersee (seuder) und den Dollart. Jetzt sind die Küsten durch Deiche geschützt, und das ganze Land ist von einem Netz von Kanälen durchzogen. Als Rest der ehemaligen Festlandsküste zieht sich längs der jetzigen der Bogen der Westfriesischen Inseln hin.
Bald nachdem der Rhein Deutschland verlassen hat, spaltet er sich in zwei Arme, der linke heißt Waal, nimmt die Maas auf und mündet in mehreren Armen ins Meer; der rechte behält den Namen Rhein und entsendet zum Zuidersee die Ijssel (eißel), dann gabelt er sich nochmals in den Lek links, der mit der Waal in Verbindung tritt, und den Krummen Rhein rechts; von diesem zweigt sich die Vechte zum Zuidersee ab, der letzte spärliche Rest mündet als Alter Rhein in die Nordsee. Die Schelde teilt sich in die Mündungsarme der Oster- und Westerschelde.
Moore finden sich vielfach im Lande — das größte ist das Bourtanger Moor an der Ostgrenze —, in den letzten Jahren hat indes die Besiedelung derselben sowie die Verbesserung des Bodens günstige Fortschritte gemacht.
Die Niederländer (Holländer) sind Abkömmlinge der alten Friesen und zu drei Fünfteln protestantisch, zu zwei Fünfteln katholisch; sie betreiben Ackerbau und Viehzucht, vornehmlich aber Handel und Schiffahrt. Der Handel des Landes, im siebzehnten Jahrhundert der erste Europas und durch eine starke Seemacht gesichert, ist zwar zurückgegangen, #der immer noch bedeutend, namentlich als Zwischenhandel zwischen den Kolonien und den Staaten Europas.
Im zehnten und elften Jahrhundert gehörten die Niederlande nebst Belgien zum Herzogtum Lothringen, später bildeten beide für sich allein das von Oberlothringen abgetrennte Herzogtum Niederlothringen; 1556 fielen sie nach der Thronentsagung Kaiser Karls V. an Philipp Ii. von Spanien. Die Niederlande,^ welche sich der Reformation angeschlossen hatten, sagten sich unter Wilhelm von Oranien von Spanien los (Utrechter Union 1579), errangen nach schweren Kämpfen ihre Unabhängigkeit, die aber erst im Westfälischen Frieden 1648 anerkannt würde, und gewannen einen ausgedehnten Kolonialbesitz auf den südöstlichen Inseln Asiens (§ 59); von 1810 bis 1815 waren sie Frankreich einverleibt.
Hauptstadt und erste Handelsstadt ist Amsterdam (530000 Einw.), auf Pfählen erbaut und durch viele Kanäle (Grachten) zerschnitten; Haarlem, am jetzt ausgetrockneten Haarlemer Meer, ist durch seine Kultur von Blumenzwiebeln bekannt; Leyden am Alten Rhein mit altberühmter Universität; Haag (220000 Einw.), Residenzstadt, mit dem Seebade Scheveningen; Rotterdam an der Maas (340000 Einw.), zweitgrößte Handelsstadt
3*
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Extrahierte Personennamen: Karls_V. Karls_V. Philipp_Ii Philipp Wilhelm
Extrahierte Ortsnamen: Westfriesischen Rhein_Deutschland Rhein Rhein Alter_Rhein Westerschelde Europas Europas Lothringen Spanien Spanien Asiens Frankreich Amsterdam Haarlem Alten_Rhein Rotterdam
181
Bürgerliche Verfassung.
scher Politik ist schon nach dem Begriff verwerflich und in seinen Folgen noth-
wendig böse. Der Adel zumal — was auch Montesquieu, historisch
mehr, als staatsrechtlich, von dem Prinzip der Monarchien sage, und was,
ihm nachsprechend, gedankenlos der gelehrte Haufe predige — der Adel, als
künstlich zwischen Fürst und Volk dastehende Macht, kann nur ans Unkosten
eines oder des anderen, oder meist beider, gedeihen. Fürst und Volk berühren
sich rechtlich; ein drittes Nechtsgebict zwischen beide hincinznschiebcn, ist nur
durch Schmälerung der ihnen eigenen Sphäre möglich. Entweder wird also
der Adel — wie fast überall — zugleich fürstliche und Volksrechte usurpiern,
oder er wird — wie in Frankreich — vereint mit dem Fürsten das Volk,
oder — wie etwa in Schweden geschah — vereint mit dem Volke den
Fürsten drücken.
Daß die französische Verfassung solchen traurigen Gang zur Despotie
nahm, daß die Blüthen der Volksfreiheit bald nach der Entfaltung starben, oder
doch nur dürftige Früchte brachten, daran hatte das hier früher als in den übrigen
Reichen aufgekommene und weiter ausgedehnte System der stehenden Heere
entschiedenen Antheil. Aber es ist von dieser Einwirkung unter den allge-
meinen Rubriken der Verfassung und des Kriegswesens (§-8 und 13)
gesprochen.
§. 11. Englands.
Vor ähnlicher Unterdrückung, wie das französische Volk sie erfuhr, ward
das englische theils durch seinen kräftigeren Charakter, theils — und wohl
vorzüglich — durch die Gunst des Schicksals, durch die Wirkung zufälliger
Verhältnisse oder unvorgcsehener Ereignisse bewahrt.
Nachdem unter Eduard's Ii. schwacher und unglücklicher Negierung der
Partcienkampf an die Stelle der gcsczlichen Ordnung getreten, geschriebenes
und herkömmliches Recht der regellosen Gewalt gewichen war, fand der kräf-
tige, einsichtsvolle, siegreiche Eduard Iii. leicht, die Nation, welche ihn
liebte und bewunderte, zu strengerer Unterwürfigkeit zu bringen. Er schaltete
als Herr über die Kräfte und das Vermögen seines Volkes, verbarg ihm
jedoch diese Herrschaft durch häufige Berathung mit dem Parlament, welches
seinem rnhmgekrönten Könige zu widerstreben nur selten wagte, und dessen
Beifall auch den Handlungen der Willkür gesczlichcn Schein verlieh. Wider-
sprach es aber, oder reichte cs Beschwerden ein — was zumal in den späteren
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Extrahierte Personennamen: Eduard_Iii Eduard
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Schweden Englands
196
Erstes Kap. Bürgerlicher Zustand.
geschehen durch das Wicdcraufblühcn der Freiheit. Auch hatte der steigende
Wohlstand vermehrte Kräfte zu edleren Einrichtungen, zu feineren Genüssen
gegeben, und von dem emporflammendcn Licht der Wissenschaften, von der
auflebenden schönen Kunst war in alle Verhältnisse des bürgerlichen Lebens
rin Strahl höherer Gesittung gekommen. Aber das war noch wenig für die
Masse des Volkes, wenig für den Pöbel aller Stände, wenig für das Innerste
der Denk- und Handlungsweise. Vorherrschend blieb noch immer die
Barbarei.
In England waren, nach Hume's vollgiltigem Zeugnisse, unter
Eduard Iii. die Baronen die vornehmsten Anführer der Räuber, Mörder
und Schelme aller Art. Feierlich versprach der Adel vor dem versammelten
Parlament, er werde nicht Diebshehler, noch Helfer zu Verbrechen scvn;
und — das erniedrigende Versprechen blieb unerfüllt. Den Grundsäzen der
Chcvalcrie zum Troz, der gemeinen Humanität zum Hohne, fielen Eduard Iv.
und seine Brüter mit einigen großen Lords, als nach der Schlacht bei
Tcwkesbury der gefangene Prinz von Lancaster vor sie geführt ward,
wie wilde Thiere über ihn her und törtctcn ihn eigenhändig. Wo die Häupter
der Nation solche Sitten haben, also ruft mit Recht der Geschichtschreiber
aus, wie mag cs um jene des gemeinen Haufens stehen?
Die Kriegsgeschichten aller Völker aus diesem Zeitraume sind von äbn-
lichcn Gräueln erfüllt. Nicht blos in der Wuth des Streites, nicht blos
von leidenschaftlichen Theilnchmcrn desselben wurden sic verübt; sondern sie
sind Regel und erscheinen als Wirkung allgemeiner Fühllosigkeit und Ver-
wilderung.
Auch in friedlichen Verhältnissen begegnen uns manche betrübende
oder widerwärtige Züge. Ob bei Einzelnen die Erkenntniß edleren Lcbcns-
genusscs, ob unter einigen Klassen der Gesellschaft, in einige» glücklicheren
Gegenden oder blühenderen Städten Geschmack und feine Gesittung vorkom-
men : im Allgemeinen sind selbst bei Reichen mehr nur plumpe Pracht in Klei-
dern oder Gcräthen, verschwenderischer Sinnengenuß, unmäßige Gastmahle.
Trink- und Spiclgelage zu sinken. Auch die niederen Klasse» oder die iiuud.r
Begüterten eiferten jenen nach in solcher rohen Lebenslust. Jedem bürgerlich
Freien blieb eben (ein längst vergessenes Glück), bei de» »och mäßige» For-
derungen der Fürsten, der Ertrag seines Besizthunis oder seiner Arbeit zum
selbsteigencn Genuß. Also selbst in Städten oder an fürstlichen Höfen, wo
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Extrahierte Personennamen: Eduard_Iii Eduard Eduard_Iv Eduard Lancaster
209
Zweites Kap. Religion.
zwischen Licht und Finsterniß, von den wechselnden Schicksalen und von den
Haupthcldcn dieses Kampfes
§. 8. Die Franziskaner wider den Papst.
Die Reformatoren des vorigen Zeitraumes hatten meist traurig geendet
(s. B. V. S. 300 ff.); ihre Anhänger, bis auf kümmerliche Uebcrrcste, waren
erdrückt worden durch kirchliche Tyrannei. Das Papstthum befand sich am
Ende der Periode im Zcnith seiner Herrlichkeit. Von eben diesem Zeitpunkte
aber beginnt dessen allmaliges Sinken. Schon Bonifaciuö Viii. Stolz
war gedcmüthigt worden durch K. Philipp's des Schönen gcwaltthätige
Hand. Clemens V., welcher Bonifaz folgte (1305), ward durch den König
bewogen, in Avignon seinen Siz zu nehmen, was ihn völlig abhängig
von dem französischen Monarchen machte. Gegen die übrigen Mächte, zumal
gegen den teutschen König, dauerte zwar der Ton des Herrschers fort, ja
ward untcrstüzt durch Frankreichs selbstsüchtige Politik. Aber das Wider-
streben der fremden Höfe gegen die Anmaßungen des Papstes wurde aus eben
dieser Ursache entschlossener und kräftiger. Man erkannte im Papst jczt mehr
einen französischen Vasallen, daher einen gemeinen politischen Feind, als das
Haupt der Kirche oder den allgemeinen Obcrhirtcn der Christen. Auch
vermochte der Papst jezt nicht mehr stätcn Ganges nach seinem Ziele zu
streben. Das französische Interesse, welchem er diente, verwirrte den
Hauptplan, und theilte oder fesselte die Kraft.
Sicbenzig Jahre blieb der päpstliche Stuhl in Avignon. Große Ver-
ringerung seines Ansehens, sowohl ö.n unmittelbaren Gebiete durch die Frci-
heitslust der sich Selbst überlassenen Römer, als in der gcsammtcn Christen-
heit durch die sortgcseztc Wirkung der eben bemerkten Verhältnisse, war die
Folge davon. In diese Zeit fällt der lang dauernde, an Aergernissen reiche,
dem Papste vielfältig nachthcilige Streit wider den Kaiser Ludwig den
Baler*) und der damit verbundene, nicht minder schlimme Streit wider die
Fr anziskaner-Mönche.
Dieselben, chcvor dem päpstlichen Stuhle ergeben und durch dessen Gnade
emporgekommen, entzweiten sich mit demselben über die Lehre von der wahren
evangelischen Armuth (dogma de expropriatione Christi et apostolorum),
*) S. hievon oben die teutsche Geschichte,
v. Notteck, allgcin. Geschichte. Vi.
14
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Extrahierte Personennamen: Clemens_V. Bonifaz Ludwig Ludwig
Extrahierte Ortsnamen: Avignon Frankreichs Avignon Christi
211
Zweites Kap. Religion.
Priester und Lehrer der Theologie auf der hohen Schule zu Oxford, Lehren
vor, welche von jenen der nachfolgenden großen Reformatoren im Wesen
wenig verschieden sind. Er verwarf die Vervielfältigung der Ceremonien beim
Gottesdienste, die Transsubstantiation, die Oberherrschaft der römischen Kirche,
den Reichthum der Geistlichkeit, das Mönchthum und zumal die Bettelorden.
Er behauptete, die heilige Schrift sey die einzige Richtschnur des Glaubens, *)
die himmlische Gnade — hierin der augustinischen Strenge beipflichtend —
die einzige Hoffnung des Heils. Also zernichtete er — voll Eifers wider die
mißbrauchte menschliche Autorität —- die Freiheit des Einzelnen durch
die unbedingte Vorherbestimmung, gleichwie er, aus Scheu vor der einheimischen
Kirchengewalt, die Freiheit der gesammten Kirche hingab an die weltliche
M a ch t.
Diese Lehren fanden ausgebreiteten Beifall, erregten aber den Haß des
Klerus. Papst Gregor Xi. verordnete den Kezerproccß wider Wiklcf, der
jedoch durch den mächtigen Schuz des Herzogs von Lancaster und anderer
Großen dem ersten Angriffe entging. Später vertheidigten ihn die Ge-
meinen, nach den Grundsäzen verfassungsmäßiger Freiheit; und am meisten
beschwichtigte Er Selbst die Gegner durch die Nachgiebigkeit, womit er die
anstößigsten seiner Lehren mildernd erklärte. Er starb als Pfarrer in Lutter-
worth (1384) und die Flüche der Verdammung schallten blos über sein
Grab.
Seine Schüler (man nannte sie wie andere Kezer Lollharden und
Beghar den), **) pflanzten die Meinungen des Rcformartors theils in ge-
*) Noch hat er das neue Testament in's Englische übersezt.
**) Die Ueberreste der Waldenser und Albigenser und viele von ihnen abstammende
Sekten, welche unter mancherlei besonderen Namen, auch vielfacher Abweichung von den
Lehren der Hauptsekte, in den Ländern zerstreut erscheinen, werden oft zusammengefaßt
unter dem allgemeinen Namen der Lollharden. Mit ihnen verwandt, wiewobl ans»
gezeichnet durch besonders schwärmerisches Treiben, waren die Bcgharden und (ihreschwe-
stern die) Begninen, welche zum Theil durch Gelübde sich verbunden hatten zu einem
dem Gebete und den Bußübungcn geweihten Leben, und meist wandernd und Proselyten machend
umherzogen. Als Lehrer der strengen evangelischen Armuth waren alle diese Sekten der hohen
Geistlichkeit und dem Papste verhaßt. Viele verunstalteten auch die, von den Waldensern her-
rührenden, freien und verständige» Meinungen durch so abenteuerliche Uebungen und Schwär-
mereien, daß sie gerechten Grund zun» Aegerniß oder Unwillen gaben. Merkwürdige Beispiele
davon lesen wir in „Joh. Conr. Fueßlin's Kirchen- und Kezerhistorie der mitt-
leren Zeit." Der Verwandtschaft der Waldenser mit den Pauliciancrn haben wir sihoa
14'
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Extrahierte Personennamen: Gregor_Xi Gregor Lancaster Conr
Zweites Kap. Religion.
210
Pcllter Bereitwilligkeit — unterzeichnet hatte, widerrief er jezo, hoffend, durch
Unterstüzung seiner italischen Freunde, auch Burgunds und vielleicht
Englands (als welches im Kriege wider Frankreich stand) seine Wurde zu
retten. Aber das Concil, zumal crmuthigt durch Kaiser Sigismund,
Verfolgte standhaft seinen Zweck; es kannte den Herzog Friedrich (welchen
auch der Kaiser ächtete)*), und entsezte den Papst Johann seiner vielen Sün-
den und Verbrechen willen des Papstthums. Derselbe war indessen von
Schaffhausen, seiner ersten Zufluchtsstätte, nach Freiburg im Brcisgau
geflohen, dann aber gefangen nach Radolfzell gebracht worden. Das Con-
cilinm gab ihn in die gefängliche Haft des Kurfürsten von der Pfalz, aus
welcher er 1418 entlassen und von Martin V. zum Kardinal-Bischof von
Frascati ernannt ward, in welcher Eigenschaft er bald nachher starb.
Von den beiten andern Päpsten hatte Gregor Xii. freifwillig seine
Gewalt niedergelegt: Benedikt Xiii. aber, wiewohl Sigismund selbst die
Reise nach Spanien unternahm, um ihn zu gleichem Entschlüsse zu bewegen,
verharrte in seinem Widerstande und ward abgesezt durch den Spruch des
Concilinms **).
§. 11. Fortsezung.
Nach also gehobener Spaltung schien kein Haupthinderniß mehr der ge-
wünschten Reformation der Kirche in Haupt und Gliedern entgegen zu stehen.
Die Kirche Selbst, in der Person ihrer versammelten Repräsentanten, mochte
das Gcftz der Reform geben, ohne Einsprache eines etwa übelgesinnten oder
wenigstens betheiligten Hauptes. Die teutsche Nation, und an ihrer Spize
Kaiser Sigismund, auch die englische verlangten solches: aber die itali-
sche, welcher bald die französische und spanische, ja endlich selbst die
englische bcitratcn, protestirte gegen diesen vernunftgemäßen Plan und for-
derte vor Allem die Erwählung eines neuen Papstes. Sonach wurde, unter
einigen wenig bedeutenden Vorbehalten, allsogleich zur Wahl geschritten und
der Kardinal Otto von Colonna als Martin V. auf den päpstlichen
Stuhl erhöhet (11 Nov. 1417). Derselbe verkündete sofort seine Kanzlei-
') S. hievon die tentsche Geschichte.
*) 26. Juli 1417. Er ¡vielte jedoch in seiner kleinen Obedienz Aragonien die päpstliche
Rolle fort.
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Extrahierte Personennamen: Sigismund Friedrich_( Friedrich Johann Johann Martin_V. Gregor_Xii Gregor Sigismund Sigismund Otto_von_Colonna Otto Martin_V.
228
Drittes Kap. Kunst und Wissenschaft.
vian Pontanus, Laurentius Valla, Hermolaus Barbarus und
der Fürst Pico von Mirandola, auch Joh. Müller von Königsberg,
Rudolph Agricola, Johann Reuchlin, Konrad Celtes (f 1808)
u. A. m.
§. 3. Mächtige Beschüzer der Wissenschaften.
Die Mediceer.
Iii. Aber die Wissenschaft, wiewohl eine Tochter des freien Gcistes und
wenig folgsam dem Machtwort der Gewaltigen, mag dennoch leichter empor-
kommen durch deren freundliche Pflege, ja sie bedarf derselben zum Gedeihen
vieler ihrer Zweige. In der eisernen Zeit des Faustrechtes erhob sich nur
selten ein Gewaltiger zur Achtung des friedlichen Talentes und der geistigen
Kraft: ein Karl M., Alfred N., Friedrich Ii., die fast einsamen Freunde
der Wissenschaft, waren als solche über ihrem Zeitalter, und wurden kaum
verstanden von demselben. Jczt aber, in Folge der geänderten Verhältnisse
und als edelster Ausdruck einer zum Besseren gewandten Zeit, erschienen
liberale Fürsten, mächtige Beförderer der Wissenschaft und Kunst, durch Grün-
dung von Unterrichts-Anftalten, Herbeischaffung reicher Hilfsmittel und freund-
liche Ermunterung des Genies.
Vor allen anderen erwarb durch solches edle Wirken das Haus der Me-
diceer Ruhm. Man nennt von ihnen das Jahrhundert, worin Co Sinus,
der Stifter ihrer Größe, der „Vater des Vaterlandes," und sein vortrefflicher
Enkel Lorenzo lebten; Jener, welcher der Gönner aller einheimischen und
fremden Gelehrten war, eine Akademie — die erste der neueren eigentlichen
Akademien — in Florenz für die platonische Philosophie, nicht minder eine
physikalische Gesellschaft gründete, mehrere reiche Bibliotheken an verschiedenen
Orten Italiens anlegte, und den flüchtigen Griechen die großmüthigste Auf-
nahme schenkte; Dieser, der würdige Zögling Johann's Argyropulus
der Wissenschaften gleich ruhmwürdiger Kenner, als Beschüzer, welcher treffliche
Lehrer derselben nach Florenz berief, der Universität Pisa ein kräftigeres Leben
gab, durch Johann Laskaris alte Schriftsteller in Griechenland und Asien
sammeln ließ, die Uebersezung Plato's durch Marsiglio Ficini veran-
laßte, aller großen Geister seiner Zeit verehrter Freund, der „Vater
der Musen." Auch die späteren Mediceer — nicht immer die Erben
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Extrahierte Personennamen: Laurentius_Valla Hermolaus_Barbarus Rudolph_Agricola Johann_Reuchlin Johann Konrad_Celtes Konrad Karl_M. Karl Alfred_N. Friedrich_Ii Friedrich Johann_Laskaris Johann Marsiglio_Ficini
231
Drittes Kap. Kunst und Wissenschaft.
kräftig sagt, die Gesellschaft aller denkenden Menschen in allen Weltthcilen
eine gesammelte und sichtbare Kirche geworden ist, trat ein in dem glücklichsten
Zeitpunkte der jugendlich kräftigen, freudig aufstrebenden Geistesthätigkeit der
europäischen Völker, eben als cs galt, die kostbarsten schon errungenen Schäze
in Sicherheit zu bringen und den Grund zu weiteren entscheidenden Fort-
schritten zu legen. Wäre die Buchdruckerkunst früher erschienen, so würde
die übermächtige geistliche und weltliche Tyrannei sie durch vereinte Kraft
unterdrückt oder für sich unschändlich gemacht haben; wäre sie später ge-
kommen, so hätte in der verhängnisivollsten Zeit, in der Periode des Haupt-
kampfes zwischen Licht und Finsterniß, jenes der Waffe ermangelt, welche
vor allen anderen seinen Triumph gesichert.
Der teutschen Nation gehört der Ruhm so heilbringender Erfindung.
Es waren derselben zwei andere, wie den Weg bahnend und das Gedeihen
vorbereitend, vorausgegangen: die Erfindung des Linnenpapiers, welches,
allmälig an die Stelle des älteren baumwollenen Papiers mit unermeßlichem
Vortheile getreten*), und jene der Holzschneidekunst, welche wir schon
am Ansauge des vierzehnten Jahrhunderts finden. Man gebrauchte sie theils
für Spielkarten, theils für Heiligenbilder, bald auch für Abbildungen natur-
historischer, anatomischer u. a. Dinge, oft mit beigefügten, bezeichnenden
oder erläuternden Worten, so daß es Befremden erregen mag, wie der wei-
tere Schritt >o viel später gethan worden, besonders da man schon im Alter-
thume bewegliche Buchstaben — ob auch zu anderem Gebrauch — ge-
kannt hatte. Der wahre Erfinder der Buchdruckerkunst (wiewohl Meer-
mann solche Ehre für Lorenz Coster zu Hartem, der etwa in der
Formschneidckunst sich auszeichnete, anspricht) ist Iohann Guttenberg
(auch Gänsfleisch genannt), aus dem Nittcrgeschlechte von Sorgenloch
(geb. 1397, f 1468), welcher den ersten Gedanken dazu vielleicht in S traß bürg
faßte, jedoch nicht allda, sondern in Mainz ausführte, unter Beistand Jo-
*) Zeit und Urheber der Erfindung sind ungewiß. Man glaubt nicht ohne Grund, daß
ein Teutscher |ie gemacht, daß gegen das Ende des 13kcn Jahrhunderts das baumwollene
Papier einen Znsaz von leinenen Fäden erhalten habe, im Anfange des 14tcn aber rein lei-
nenes Papier zuerst lcp verfertigt worden, ohne jedoch das baumwollene sogleich zu verdrängen.
Man hat Vieles hierüber geschrieben. Vorzüglich ist: I, ®. I. Brcitkopf s Versuch, den
Ursprung der Spielkarten, die Einführung des Leinenpapiers und den Anfang der Holzschneide-
kunst in Europa zu erfahren, 1784. 1801.
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232
Drittes Kap. Kunst und Wissenschaft.
Hann Faust's (seit 1430), eines reichen Goldschmieds daselbst, und späterer
Mitwirkung (seit 1453) Peter Sch öfter's aus Gernsheim, welcher die
Erfindung vervollkommnete. Nur stufenweise und langsam ward derselben
Vollendung errungen. Schon um 1435 druckte Guttenberg, wie behauptet
wird, in Straßburg mit Holzt äse ln, auf welche die Buchstaben eingc-
graben waren, zehn Jahre später in Mainz mit beweglichen, hölzer-
nen, geschnittenen Buchstaben; von denselben ging er über zu geschnit-
tenen Buchstaben aus Blei und Zinn, mit welchen er sich abermals geraume
Zeit behalf, bis er endlich geg offene Buchstaben mittelst der von ihm selbst
noch erfundenen, von Schösser aber verbesserten Punzen und Matrizen
verfertigte, und nun, vereint mit seinen beiden Kunstgeuossen, den Druck
größerer Werke, zumal einer Bibel, unternahm. Aber das erste Buch,
bei welchem Drucker und Druckort bemerkt stehen (p8aknonim codex), und
welches 1457 vollendet worden, führt Gutteubcrg's Namen nicht, sondern
nur Faust's und Schöffer's, welchen Jener als ihr Schuldner sein Mit-
eigenthum abgetreten. Welche weitere Schicksale die also begründete Kunst
gehabt, wie dieselbe noch im Laufe de§ fünfzehnrcn Jahrhunderts in alle
Länder Europas gekommen*), ist in den oben angeführten Werken umständ-
lich verzeichnet, kann aber hier keine Stelle finden.
§. 6. Wirkungen derselben.
Unter den großen Wcltbegebenheiten ist keine folgenreicher, keine wohl-
thätiger gewesen, als die Erfindung der Buchdruckcrkunst. Durch sie erst
wurde der Buchstabenschrift, also auch der Sprache und überhaupt dem
Geiste der Menschen die volle Wirksamkeit verliehen, das Wort des Einen
Millionen vernehmlich, die Sehäze der Erkenntniß, wie der Empfindung aller
*) Schon 1462 nach Bamberg und bald daraufin viele andcrestädte Deutschlands,
aber fast gleichzeitig auch in's Ausland; insbesondere 1467 nach Rom, 1469 nach Venedig
und Mailand, 1472 nach F I o r c n z — überhaupt bis 1500 in 53 Städte Italiens — 1470 nach
Paris, 1473 nach mehreren spanischen Städten und um dieselbe Zeit nach den Nieder-
landen, um 1480 (oder 1468) nach England, 1472 nach Ofen und schon früher iuit>
Krakau, 1483 nach Stockholm, 1490 nach Kopenhagen, ja 1488 selbst nach Eon-
stantinopel. Vergi, die Schriften von Breitkopf, Reif, Gbf. Fischer, Frhr. v.
Aretin, Bernbart, Dahl, Denis, Panzer, Lichtcnberger n. ?l.
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