Iii. Die sprachliche Darstellung.
497
Güterverlust läßt sich ersetzen, über andern Verlust tröstet die Zeit —
nur ein Übel ist unheilbar: wenn der Mensch sich selbst aufgiebt.
3. Satzfiguren, welche eine Gegenüberstellung von Gedanken
enthalten. Dahin gehören:
a) Die Vergleichung. Diese setzt neben den eigentlichen Ausdruck
einen verwandten, der einer andern Begrifsssphäre entlehnt ist. Es
besteht die Vergleichung daher aus drei Teilen: ans Bild, Gegenbild und
dem tartiuin eoinparationis, d. h. dem Merkmale oder dem Vergleichungs-
punkte, in welchem die beiden verglichenen Gegenstände übereinstimmen, z.b.:
Tosenden Winden gleich ans die Feinde losstürzen; Vernehm' ich dich, so
wendet sich, o Teurer! Wie sich die Blume nach der Sonne wendet, Die
Seele, von dem Strahle deiner Worte Getroffen, sich dem süßen Troste nach
(Goethes Iphigenie). Bild und Gegenbild werden durch eine vergleichende
Partikel verbunden, das tertium eoinparationm wird meistens ausgelassen.
Die Vergleichung wird zu einem Gleichnisse, wenn sie weiter ausgeführt
wird, so daß sie zu einem Gemälde wird, z. B.: Steht nicht da, schroff und
unzugänglich, Wie die Felsenklippe, die der Strandende, Vergeblich ringend,
zu erfassen strebt; Gleichnis zwischen dem menschlichen Leben und einem
Flusse. Das Gleichnis wird zur Parallele, wenn die Ähnlichkeiten zwi-
schen Bild und Gegenbild vollständig nebeneinander gestellt werden, d) Der
Parallelismusz die Gegenüberstellung ähnlicher Gedanken, z. B.: Es
toben die Völker, und die Nationen brüten Verderbliches, o) Die Anti-
these (Mvuftsai?), die Gegenüberstellung von Gedanken mit entgegengesetz-
tem Inhalte, z. B.: Der Wahn ist kurz, die Reu' ist lang. Die Antithese
wird zum Kontraste, wenn Satz und Gegensatz parallel in Anti-
thesen nebeneinander gestellt werden, z. B.: Der König furchtbar präch-
tig, wie blut'ger Nordlichtschein, Die Königin süß und milde, als blickte
Vollmond drein. Werden zwei widersprechende Vorstellungen in einem
Satze grammatisch miteinander verbunden, so entsteht ä) das Oxymoron
Gtög.kug?)v — spitze oder witzige Dummheit), z.b.: der arme Reiche; ein
beredtes Schweigen; Es wird mir eng im weiten Land, o) Das Para-
doxon (mcpáoosov = das Unerwartete), wenn unter scheinbarem Wider-
sprüche ein überraschender Gedanke eintritt, z. B.: Am größten ist der Große
in dem Kleinen; Die Feinde gerieten nahe genug aneinander, Doch um als
Freund, als Gast sich zu bewirten, f) Die Ironie (etpcovcia) sagt das
Gegenteil von dem, was sie meint, z. B.: Jst's der im Nachen, den ihr
sucht? — Reit' zu! Wenn ihr frisch beilegt, holt ihr ihn noch ein. —
Ein vorzügliches Muster einer weit durchgeführten Ironie ist die Rede des
Antonius an das Volk in Shakespeares „Julius Cäsar". Ton und Zu-
sammenhang lassen meistens keinen Zweifel, was eigentlich gemeint sei.
1 Dieser Parallelismus ist vorzugsweise der hebräischen Poesie eigen.
H ense, Lesebuch. Iii. oo
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T35: [Dichter Zeit Gedicht Lied Dichtung Schiller Poesie Werk Goethe Sprache]]
TM Hauptwörter (200): [T173: [Sprache Wort Name Schrift Zeit Buch Form Kunst Art Werk], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T6: [Berg Fuß Höhe Gipfel Gebirge Schnee Meer Fels Ebene See]]
Extrahierte Personennamen: Goethes_Iphigenie Antonius
500
C. Musteraufsätze für Schüler.
um ein wirtlich Dach; Segel, statt: Schiff; die Biene, statt: Honig;
Die ganze Stadt jubelt, statt: viele Einwohner, b) Das Besondere
für das Allgemeine und umgekehrt, das Individuum für die
Gattung und umgekehrt, z. B.: der Süd, statt: Wind überhaupt;
Mücenas, statt: Beschützer der Künste und Wissenschaften; Eiche, statt:
Baum; Künstler, statt: Musiker, Maler, Bildhauer, o) Das Bestimmte
für das Unbestimmte, das Kleinere für das Größere und um-
gekehrt, z. B.: Tausendmal gedenk' ich dein; Und schaudernd dacht' ich's,
da kroch's heran, Regte hundert Gelenke zugleich. Findet in letzterem Falle
eine Vergrößerung über die Wahrheit oder Wirklichkeit hinaus statt, so
entsteht die Hyperbel (u7rspßo>.7j — Übertreibung), z. B.: Bis zum
Himmel spritzt der dampfende Gischt; Er eilt dahin, hurtiger als der
Wind; ein Strom von Thränen. Eine meist nur scheinbare Verminde-
rung oder Herabsetzung unter die Wahrheit ist die Litotes (Xtror/js —
Geringfügigkeit), z. B.: Nicht unbedachtsam zog ich hin, Das Ungeheuer
zu bekriegen; ein nicht gemeiner Geist; ein nicht unedles Wort.
Die Nedefigureu und Tropen werden nur dann ihren Zweck der
Belebung und Veranschaulichung erreichen, wenn sie wahr,
natürlich und ungesucht sind. Ein absichtliches Suchen nach den-
selben und eine unnatürliche Häufung beeinträchtigen eher den Stil, als
daß sie denselben fördern und beleben.
6. Musteraufsätze für Schüler.
I. Sedeutung der drei Eingangsliedchen in Schiller»
„Wilhelm Teil".
Disposition.
Einleitung: Die Kunst des Dichters, in dem Drama „Wilhelm Tell"
ein Land mit seinen Einwohnern, welches er nie gesehen, auf das
treueste zu zeichnen.
Abhandlung: Diese Kunst zeigt sich sofort in den drei Eingangs-
liedchen, denn sie zeichnen klar:
I. Das Land: 1. die Seen, 2. die Matten, 3. das Hochgebirge.
Ii. Die Leute: 1. Fischer, 2. Hirten, 3. Jäger; diese drei Klassen
der Bevölkerung sind die Träger der Handlung.
Schluß: Durch diese meisterhafte Schilderung ist für das Stück von
vornherein eine große Teilnahme erweckt.
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle], T35: [Dichter Zeit Gedicht Lied Dichtung Schiller Poesie Werk Goethe Sprache]]
TM Hauptwörter (200): [T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T173: [Sprache Wort Name Schrift Zeit Buch Form Kunst Art Werk], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T34: [Meer Wasser Land Küste Insel See Flut Fluß Tiefe Welle]]
I. Bedeutung der drei Eiugaugsliedcheu in Schillers „Wilhelm Teil". 501
Ausführung.
So sehr auch der Dichter Schiller den sehnlichsten Wunsch hegte,
zum Zwecke einer Bearbeitung der Tellsage die Schweiz und besonders
die Orte zu sehen, an welchen die Sage spielte, so gestatteten seine knappen
Verhältnisse ihm doch nicht die Verwirklichung dieses Wunsches. Er sah
sich daher genötigt, seine Zuflucht zu nehmen zu geographischen, natur-
geschichtlichen und geschichtlichen Werken über das Schweizerland. Sein
Studium hatte den herrlichsten Erfolg: der Dichter hat uns Land und
Leute in meisterhafter Kunst mit einer solchen Treue und Klarheit ge-
zeichnet, daß wir wähnen, Alpenluft zu atmen und das Schweizervolk des
14. Jahrhunderts in Wirklichkeit vor uns zu sehen.
Diese Kunst bekundet er sofort zum Beginne des Dramas durch die
drei Eingaugsliedchen, in welchen er uns Land und Leute meisterhaft vor
die Seele führt.
Die erste Scene zeigt uns den Vierwaldstättersee mit seiner herrlichen
Umgebung in Hellem Sonnenscheine, während der Kuhreigen ertönt, unter-
mischt von dem harmonischen Geläute der Herdeuglocken. Im Scheine
der glitzernden Sonnenstrahlen lächelt der See und ladet mit der dem
Wasser innewohnenden, in so mancher Sage verherrlichten, geheimnis-
vollen Kraft zum Bade. Der Vierwaldstättersee ist der Ort, auf welchem
und an welchem die hauptsächlichsten Handlungen des Stückes sich voll-
ziehen werden; er ist das entzückende Bild der übrigen Seen des Landes,
die durch ihre zauberhafte Pracht die Schweiz zu einem so wunderherr-
lichen Lande gestalten.
Über den See hinweg sieht man die grünen Matten, jene saftigen
Alpenweiden, die bei der geringen Anzahl der Thalwiesen dem Vieh für
den Sommer die Nahrung bieten. Sie sind den Tieren und den Menschen
für den Sommer der liebste Aufenthalt, sind reich an Naturschöuheiten
und bieten freieste, frischeste Luft.
Den Matten gegenüber liegen hochragende Felsen, die uns das
Hochgebirge in seiner großartigen Furchtbarkeit vor das Auge führen.
Hier sind die weiten Schneefelder, hier die Gletscher mit ihren dem
Wanderer so gefährlichen Nissen; hier ist der ewige, starre Winter, oft
noch eingehüllt in dichte Nebel; hier rollt der Donner der stürzenden
Lawinen.
So lernen wir das Land mit seinen lieblichen Seen, seinen grünen
Matten und seinen riesenhohen Bergen kennen. Ein gleich anschauliches
Bild entwirft uns der Dichter von den Bewohnern dieses Landes, die
vorzugsweise aus Fischern, Hirten und Jägern bestehen.
TM Hauptwörter (50): [T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
TM Hauptwörter (100): [T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T35: [Dichter Zeit Gedicht Lied Dichtung Schiller Poesie Werk Goethe Sprache], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T58: [Kloster Jahr Mönch Kirche Schweiz Bischof Abt Zürich Bonifatius Bern]]
TM Hauptwörter (200): [T6: [Berg Fuß Höhe Gipfel Gebirge Schnee Meer Fels Ebene See], T13: [Baum Wald Feld Wiese Garten Gras Winter Mensch Sommer Haus], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T29: [Geschichte Geographie Nr. Erdkunde Lesebuch Bild Iii allgemein Lehrbuch deutsch]]
V. Bürgers „Settore" eine Musterballade.
511
der er nichts geheim hat, seine Mitwirkung bei der Überwältigung Brun-
hildens mitteilt und ihr den Ring und Gürtel derselben schenkt, nicht
allein nicht geschwächt, sondern vielmehr noch gehoben wird. Verstehen
können wir daher auch die unendliche Klage Kriemhildens um den ihr ge-
raubten so teuren Gemahl, ja, wir sind fast geneigt, ihr zu verzeihen,
daß sie den unvergleichlichen, so innig geliebten Helden au seinen Mördern
so furchtbar rächte; war er doch der herrlichste von allen, dessen Bild in
ihr niemals verdunkelt werden konnte, dessen Gestalt auch heute noch dem
deutschen Volksepos zur höchsten Zierde gereicht.
V. Bürgers „Lenore" eine Mnsterballade.
Disposition.
A. Das Wesen der Ballade und ihre Einführung i}t die deutsche Littera-
tur durch Bürger vermittelst der „Lenore".
B. Diese ist eine wahre Musterballade:
I. Durch ihren Stoff.
1. Derselbe ist zum Teil der Geschichte, vorwiegend aber der
Sage entlehnt;
2. derselbe ist düster, selbst grausig und erschütternd;
3. er zeigt volkstümlichen Charakter, und zwar:
a) Durch den Hinweis auf einen im Andenken des Volkes
lebenden großen Krieg und durch die Behandlung einer all-
gemein bekannten Volkssage;
b) durch die dem Volke entnommenen Gestalten;
o) durch manche volkstümliche Ausdrücke und Wendungen.
Ii. Durch ihre Anlage; dieselbe zeigt:
1. Dramatischen Aufbau;
2. Anwendung des Dialoges;
3. stete Steigerung der Darstellung.
Iii. Durch ihre Form:
1. Versmaß und Reimstellung;
2. Benutzung verschiedener Figuren.
6. Lenore ist daher ein wahres Kunstwerk, eine Musterballade, welche
dem Dichter nach Schlegels Wort die Unsterblichkeit sichert.
Ausführung.
Die Ballade, schottisch-englischen Ursprungs, liebt einen ernsten,
düstern, ja selbst grauenhaften und unheimlichen historischen, meist der
Volkssage entnommenen Stoff, den sie in knapper Form bei rasch fort-
schreitender, oft dramatisch gehaltener Handlung zur Anschauung bringt.
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T1: [Geschichte Dichter Zeit Buch Werk Jahr Gedicht Nr. Bild Geographie], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T35: [Dichter Zeit Gedicht Lied Dichtung Schiller Poesie Werk Goethe Sprache], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
TM Hauptwörter (200): [T173: [Sprache Wort Name Schrift Zeit Buch Form Kunst Art Werk], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T29: [Geschichte Geographie Nr. Erdkunde Lesebuch Bild Iii allgemein Lehrbuch deutsch], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht]]
516
C. Musteraufsätze für Schüler.
2. Hintergrund desselben:
a) Thatsachen;
b) Zustände.
Ii. Wegen seiner Form.
1. Anlage;
2. Sprache;
3. Versform.
0. Zusammenfassung.
Ausführung.
Der römische Geschichtschreiber Tacitus erzählt uns in dem Buche
über Land und Leute des alten Germaniens unter anderem, daß die alten
Deutschen bei allen wichtigen Begebenheiten des Lebens ihren Empfin-
dungen einen poetischen Ausdruck gegeben hätten. An Stoff zum Singen
konnte es ja bei dem Thatendrange und der Unternehmungslust unserer
Vorfahren und vor allem bei den großen Heereszügen zur Zeit der Völker-
wanderung nicht fehlen, und selbst ohne das Zeugnis der Römer können
wir aus vereinzelten Zügen der spätern Dichtung, aus dem Reichtume
und der Form der deutschen Eigennamen und aus dem Ausdrucke deutscher
Rechtsformeln, die sich bei aller Beweglichkeit des äußern Lebens wie ein
fester Besitz von Vater auf Sohn vererbten, den Schluß ziehen, daß es
den Germanen an einer reichen und lebhaften Phantasie, dem Haupt-
werkzeuge der dichterischen Mnse, nicht gefehlt hat. Leider ist von dem
reichen Liedersegen, der aus so günstigen Verhältnissen mit Notwendigkeit
erblühen mußte, sozusagen nichts übrig geblieben. Der einzige nennens-
werte Nest ist das „Hildebrandslied", das uns durch einen mehr als ge-
wöhnlichen Zufall, aber ebenfalls als Bruchstück, überliefert worden ist.
Eine nähere Betrachtung dieses Liedes, das schon wegen seines Alters
ehrwürdig erscheint, wird ergeben, daß wir an demselben ein Kleinod
ersten Ranges besitzen, und daß es aus mehr als bloß chronologischen
Gründen an der Spitze der deutschen Litteraturgeschichte zu stehen verdient.
Der Stoff des Liedes ist dem ostgotischen Sagenkreise entnommen.
Die darin auftretenden Personen sind der in der deutschen Sage so sehr
gefeierte alte Recke Hildebraud, der auch in anderen bedeutsamen Erzeug-
nissen deutscher Dichtung, besonders im „Nibelungenliede", eine hervor-
ragende Rolle spielt, und sein heldenhafter Sohn Hadubraud. Die Schick-
sale beider Personen bis zu ihrem in dem Liede geschilderten Zusammen-
treffen erregen nicht allein deswegen unsere Teilnahme, weil sich in ihnen
der gewöhnliche Gang des damaligen Heldeulebens wiederspiegelt, sondern
auch, weil uns darin rührende, allgemein menschliche Verhältnisse in einem
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T35: [Dichter Zeit Gedicht Lied Dichtung Schiller Poesie Werk Goethe Sprache], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod]]
TM Hauptwörter (200): [T173: [Sprache Wort Name Schrift Zeit Buch Form Kunst Art Werk], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T172: [Dichter Zeit Gedicht Schiller Werk Goethe Maler Dichtung Lied Hans], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen]]
Vi. Das Hildebrandslied ein Kleinod altdeutscher Dichtung. 519
Heiße Vaterliebe und das brennende Gefühl der Ehre, die dem Helden
über alles geht, toben darin und zerren den vor innerem Schmerze in
stöhnende Jammerlaute Ausbrechenden hin und her. Die Ehre siegt, sie
heischt den Kampf, kostet es auch das Blut des einzigen geliebten Sohnes.
In Wahrheit eine Scene, wie sie packender, erschütternder, herzzerreißen-
der nicht gedacht werden kann, wie sie nur wenige dichterische Schöpfungen
zu bieten vermögen. Und nun geschieht das Entsetzliche. Ein wütender
Kampf bricht los. Waffen blitzen und sausen, und furchtbar sind ihre
Wirkungen. Den Ausgang erfahren wir leider nicht, weil das Ende des
Liedes nicht erhalten ist. Der Verlust ist jedoch zu verschmerzen, da wir
das, was den Höhepunkt des Gedichtes ausmacht und ihm seine Groß-
artigkeit und seinen Hauptwert verleiht, die Schilderung des innern
Seelenkampfes, glücklicherweise ganz besitzen.
Wird unsere Aufmerksamkeit auch vorzugsweise durch die Personen
und die Handlung, welche sozusagen den Vordergrund des Liedes aus-
machen, in Anspruch genommen, so erfahren wir auch noch manches andere,
was der Beachtung wert ist. Auch die Schicksale Dietrichs von Bern
und seines Feindes Otaker erhalten in dem Liede hinreichende Beleuchtung.
Jener ist in einem Kampfe gegen diesen unterlegen, freilich im Wider-
sprüche mit der Geschichte; er zieht an den Hof Etzels, der, wie wir aus
dem „Nibelungenliede" wissen, in der Sage als eine Zufluchtsstätte für
alle unglücklichen Landesflüchtigen und zugleich als Schauplatz ihrer wei-
teren Heldenthaten gilt. Otaker ist der glückliche Sieger und hat ein
starkes, wohlgeschütztes Reich gegründet. Dietrich ist ein echter germa-
nischer Volkskönig, der seinen Unterthanen mehr Freund als Herrscher ist;
aber auch Otaker ist ein Mann, von dem man, nach dem Verfahren
gegen Hildebrands Familie zu rechnen, für das Verhältnis zu seinen Unter-
thanen nur das Beste annehmen darf. So entfaltet sich denn im Hinter-
gründe des Liedes ein bemerkenswertes Stück germanischer Geschichte.
Nicht minder ansprechend ist, was dasselbe über die Zustände und
Sitten dieses Zeitabschnittes, namentlich über die Mittel und den Brauch
des Kampfes, zu melden weiß. Lanzen mit eschenen Schäften, Kampfbeile
von Stein und Schwerter sind die Angriffs-, Ringpanzer und Schilde
von Lindenholz sind die Verteidigungswaffen, goldene Armringe dagegen
ein gesuchter Schmuck des Kriegers. Zuerst werden die Lanzen geworfen,
dann stürmt man mit Beil und Schwert gegeneinander. Ziel des Kampfes
ist der Tod des Feindes, Lohn desselben seine erbeutete Rüstung. Der
Zweikampf der Anführer inmitten der feindlich gegenüberstehenden Heere
ist ein beliebtes Mittel, einen Krieg zum Austrage zu bringen. Alle
diese Dinge erregen doppeltes Interesse, wenn mau sich erinnert, daß die
Kampfsitten der Helden der Homerischen „Ilias" fast dasselbe Bild dar-
TM Hauptwörter (50): [T43: [König Held Sohn Mann Schwert Ritter Hand Tod Vater Feind], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T35: [Dichter Zeit Gedicht Lied Dichtung Schiller Poesie Werk Goethe Sprache]]
TM Hauptwörter (200): [T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T41: [König Siegfried Held Hagen Mann Günther Frau Gudrun Kriemhild Tod], T112: [Schwert Ritter Schild Waffe Lanze Pferd Speer Hand Helm Pfeil], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht]]
Vi. Das Hildebrandslied ein Kleinod altdeutscher Dichtung.
521
der Schrift anvertraut wurde, so ist es leicht begreiflich, daß auch eine
Anzahl niederdeutscher Ausdrucke in den Text hineingerateu ist. Aber
auch jeder dieser Ausdrücke ist dem Sprachforscher willkommen, und die
Mischung zweier Sprachformeu ist zugleich ein sprechender Beweis dafür,
daß man es hier mit einem echten Erzeugnisse des Volkes zu thun hat.
Wie vortrefflich ist serner diese Sprache, wenn man sie vom dichterischen
Standpunkte betrachtet! Wie sehr eignen sich die vollen und kräftigen
Laute derselben zur Wiedergabe eines so tüchtigen Inhaltes! Wie knapp
und sparsam, und doch wie klar und anschaulich ist der Ausdruck! Kein
Wort ist zu viel und keines zu wenig, keine überflüssige Zierde, kein
Schwulst, sondern überall die einfachste, verständlichste Bezeichnung.
Nicht weniger bemerkenswert ist endlich das Versmaß des Liedes,
die allen alten germanischen Dichtungen, wie der „Edda", dem „Beowulf-
liede" und dem „Heliand", eigentümliche, durch einen Einschnitt doppelt
geteilte und durch den Stabreim zusammengehaltene Langzeile, welche die
Grundlage vieler Versmaße der spätern deutschen Dichtung geworden ist:
so der gereimten Zeile Otfrieds, der Nibelungen- und der Gndrnnstrophe,
der Reimpaare der höfischen Epiker. Und für diese altnationale Lang-
zeile mit ihrem für markige Darstellungen vortrefflich geeigneten geraden
Takte von vier Hebungen und ihrer dem Hexameter nicht ungleichen, feier-
lich würdigen Länge liefert gerade das Hildebrandslied nebst einigen
kleinen, poetisch unbedeutenden Resten aus der alten Zeit wenigstens für
das hochdeutsche Gebiet das einzige Beispiel.
Das Hildebrandslied ist also nach Inhalt und Form eine außer-
ordentlich wertvolle Dichtung: es schildert auf dem Hintergründe eines
bedeutenden Zeitabschnittes der deutschen Geschichte das durch die Umstände
äußerst ergreifend sich gestaltende Geschick von zwei hervorragenden Er-
scheinungen der deutschen Heldensage, den Kampf ans Leben und Tod zwi-
schen zwei Männern, die sich in Wirklichkeit von Herzen gut und zugethan
sind. Diese Aufgabe, die einen Dichter ersten Ranges zu erfordern scheint,
wird mit Meisterschaft gelöst, und zu alledem kommt noch das Wertvolle
der Sprach- und Versform. Es wird also nicht zu viel gesagt, wenn
dieses Lied ein Kleinod altdeutscher Dichtung genannt wird.
H. Vockeradn.
1 Heinrich Vockeradt, geboren am 3. September 1844 zu Lippstadt,
Gymnasialdirektor zu Recklinghausen.
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T1: [Geschichte Dichter Zeit Buch Werk Jahr Gedicht Nr. Bild Geographie]]
TM Hauptwörter (100): [T35: [Dichter Zeit Gedicht Lied Dichtung Schiller Poesie Werk Goethe Sprache], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
TM Hauptwörter (200): [T173: [Sprache Wort Name Schrift Zeit Buch Form Kunst Art Werk], T172: [Dichter Zeit Gedicht Schiller Werk Goethe Maler Dichtung Lied Hans], T29: [Geschichte Geographie Nr. Erdkunde Lesebuch Bild Iii allgemein Lehrbuch deutsch], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind]]
Extrahierte Personennamen: H._Vockeradn Heinrich_Vockeradt Heinrich
522
C. Musteraufsätze für Schüler.
Vii. Der Schild des Achilles bei Homer und das
„Lied von der Glocke" von Schiller.
(Ein Vergleich.)
Disposition.
A. Ähnlichkeit zwischen Homer und Schiller.
B. Thema: Der Schild des Achilles u. s. w.
I. Ähnlichkeiten:
1. Beide Dichter knüpfen an die Schilderung der Verfertigung
eines Werkzeuges Darstellungen aus dem menschlichen Leben
und lassen dieses Werkzeug vor uns entstehen.
2. Beide Dichter entwerfen ein umfassendes Bild vom menschlichen
Leben.
a) vom Privatleben:
ol) vom Familienleben;
ß) von den menschlichen Beschäftignugen:
aa) vom Erwerben;
bb) vom Genießen.
b) vom öffentlichen Leben:
a) im Frieden;
ß) im Kriege.
Ii. Verschiedenheiten.
1. Äußere:
a) metrische Form;
b) Weise der Darstellung.
2. Innere:
a) Zwecke beider Dichter;
b) Schiller stellt mehr dar als Homer.
0. Beide Dichtungen sind berühmte Meisterwerke.
Ausführung.
Homer und Schiller sind zwei gefeierte Namen, die auf dem Gebiete
der Litteratur wie zwei Sterne erster Größe erglänzen. Zwar trennen
Jahrtausende die Zeit ihres Lebens und Schaffens; zwar stellt der eine
das Altertum mit seinen auf das Diesseits beschränkten, alles Mensch-
liche mit einem Hauche von Schönheit und Anmut umwehenden Ansichten
dar, der andere dagegen die moderne Zeit mit ihrem Schmerze über den
Druck und Mangel des Irdischen und ihrem Sehnen nach glücklichen
überirdischen Verhältnissen. Aber trotzdem zeigen beide Dichter doch so
manche Verwandtschaft und Ähnlichkeit, daß es durchaus nicht befremdend
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T35: [Dichter Zeit Gedicht Lied Dichtung Schiller Poesie Werk Goethe Sprache], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit]]
TM Hauptwörter (200): [T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T172: [Dichter Zeit Gedicht Schiller Werk Goethe Maler Dichtung Lied Hans], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T91: [Geschichte Krieg Zeit Zeitalter Mittelalter Revolution Reformation deutsch Jahrhundert Ende]]
Vii. Der Schild des Achilles bei Homer und Schillers „Lied von der Glocke". 523
klingt, sie in einem Atem nebeneinander zu nennen. Beide stehen auf
den Höhepunkten der Litteratur zweier geistig verwandten und poetisch
hochbegabten Völker, beide haben dem Leben und Fühlen dieser Völker den
treffendsten und schönsten Ausdruck verliehen, beide berühren sich vielfach
in der Art ihrer Auffassung und sprachlichen Darstellung; Schiller ins-
besondere hat den Werken seines Vorgängers aus dem grauen Altertume
stets ein liebevolles Studium gewidmet und, wie viele andere große
Dichter, außerordentlich viel von ihm gelernt. Es ist also keine unan-
gemessene Aufgabe, nicht bloß zwischen den beiden Dichtern, sondern auch
zwischen ihren Werken Vergleiche anzustellen. Besonders geeignet zu einem
solchen Vergleiche sind zwei Darstellungen, welche wegen ihres ansprechenden
Inhaltes und ihrer schönen Form sich einer besondern Berühmtheit er-
freuen: die Beschreibung des Achilleischen Schildes im 18. Buche der „Ilias"
und das „Lied von der Glocke".
Beide Darstellungen bieten eine ganze Reihe von überraschenden
Ähnlichkeiten. Der griechische Dichter wie der deutsche haben sich zunächst
die Aufgabe gestellt, von einem für das Leben des Menschen bedeutsamen
Werkzeuge ein anschauliches Bild zu entwerfen: jener von einem für seinen
Haupthelden außerordentlich wichtigen Waffenstücke, das kein geringerer
verfertigt, als der kunstgeübte Gott Hephästus; dieser von einem mehr
friedlichen Werkzeuge, das, „selbst herzlos, ohne Mitgefühl des Lebens
wechselvolles Spiel mit seinem Schwünge begleitet". Beide Dichter lassen
diese Werkzeuge nach den Gesetzen der poetischen Darstellung, wie sie Lessing
im „Laokoon" mit so vortrefflicher Klarheit entwickelt hat, stück- und ab-
schnittweise vor unseren Augen entstehen. Hephästus tritt bei Homer, um
Lessings Worte zu gebrauchen, mit Hammer und Zange vor seinen Am-
boß, und nachdem er die Platten aus dem Gröbsten geschmiedet, schwellen
die Bilder, die er zu dessen Auszierung bestimmt, vor unseren Augen,
eines nach dem andern, unter seinen feineren Schlägen aus dem Erze her-
vor. In ähnlicher Weise läßt Schiller die Glocke entstehen; er läßt zuerst
die Glockenform bilden, dann die Glockenspeife bereiten und endlich den
Guß vornehmen und die Glocke aus der Form herausschälen.
Aber der Dichter klebt nicht bloß an der Außenseite der Dinge, er
dringt ins Innere derselben und sucht die nur für die Sinne vorhandene
Materie zu vergeistigen und zum Träger einer Idee zu machen. Beiden
Dichtern wird der von ihnen beschriebene Vorgang die Veranlassung, ein
buntes, farbenreiches und möglichst vollständiges Bild vom menschlichen
Leben zu entwerfen, indem der eine in mehr antiker Weise durch plastische
Bilder unserer Anschauung zu Hilfe kommt, der andere in mehr modernem
Sinne die Form der bloßen sprachlichen Schilderung zur Anwendung
bringt: dort hämmert und meißelt Hephästus, hier spricht und schildert
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T35: [Dichter Zeit Gedicht Lied Dichtung Schiller Poesie Werk Goethe Sprache], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite]]
TM Hauptwörter (200): [T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T173: [Sprache Wort Name Schrift Zeit Buch Form Kunst Art Werk], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T172: [Dichter Zeit Gedicht Schiller Werk Goethe Maler Dichtung Lied Hans]]
Vii. Der Schild des Achilles bei Homer und Schillers „Lied von der Glocke". 525
Doch nicht bloß zum mühevollen, rastlosen Ringen, Kämpfen und
Erwerben ist der Mensch geschaffen, er soll auch des Daseins Freuden
genießen. Homers Pflüger werden nach jeder Furche, die sie gezogen,
durch einen Becher Weins erquickt, für die Schnitter wird ein leckeres
Mahl bereitet, und in einem besondern Bilde schwingen Jungfrauen
und Jünglinge, herrlich gekleidet und geschmückt, inmitten einer frohen
Schar von Zuschauern sich zum Tanze. Nicht minder sammeln sich
bei Schiller die Hausbewohner nach vollbrachtem Tagewerke um des
Lichts gesellige Flamme, und das Volk der Schnitter fliegt zum Tanze
des Erntefestes.
An die Scenen aus dem Privatleben schließen sich bei beiden Dich-
tern Bilder aus dem öffentlichen Leben. Die Segnungen des Friedens
wie die Greuel des Krieges finden beredten Ausdruck. Homer bringt in
einem fignrenreichen Gemälde die Rechtspflege seiner Zeit zur Anschauung.
Auf dem Markte der Stadt fechten, von einer zahlreicher:, lebhaft sich
beteiligenden Volksmenge umgeben, zwei Männer vor dem Richterstuhle
der Stadtobersten einen Rechtsstreit aus. Es handelt sich um das
Sühngeld für einen Erschlagenen. Für den besten Richterspruch liegen
zwei Talente Goldes bereit. Die Zeiten der wilden Blutrache sind
also schon vorüber, die Menschen genießen bereits die Wohlthat ge-
ordneter Gesetze, auf die auch Schiller einen Lobgesang anstimmt mit
den Worten:
Heil'ge Ordnung, segensreiche Himmelstochter,
Die der Städte Ban gegründet,
Eintrat in der Menschen Hütten,
Sie gewöhnt zu sanften Sitten.
Schrecklich ist die Kehrseite dieses Bildes, wenn „des rauhen Krieges
Horden" die Länder dnrchtoben und der Himmel von dein Brande der
Dörfer und Städte schrecklich wiederstrahlt. Bei Homer kommt diese
Nachtseite des menschlichen Lebens in der Schildermrg einer Belagerung
zur Geltung, bei Schiller irr der Darstellung des schrecklichsten aller
Kriege, eines Revolutionär und Bürgerkrieges. Dort legen die Belagerten,
durch die Forderungen der Belagerer empört, einen Hinterhalt, überfallen
die Herden ihrer Feinde und messen sich mit diesen im blutigen Kampfe;
hier ziehen Würgerbanden und Horden von entmenschten Weibern umher
und sinken durch Greuel und Schandthaten jeglicher Art unter das blnt-
dürstige Raubtier herab.
Lebensbilder von heiterer urid ernster, von freudiger und trauriger
Art ziehen also in ganz ähnlicher Weise bei beiden Dichtern an uns vor-
über; aber den Ähnlichkeiten stehen auch Verschiedenheiten gegenüber. Mehr
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T35: [Dichter Zeit Gedicht Lied Dichtung Schiller Poesie Werk Goethe Sprache], T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch]]
TM Hauptwörter (200): [T143: [Stadt Kind Tag Haus Straße Mann Mensch Weiber Nacht Soldat], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T182: [Krieg Jahr Zeit Land Deutschland Regierung Frankreich Volk Folge Revolution], T51: [Kind Himmel Nacht Sonne Tag Gott Wald Baum Blume Feld]]