TM Hauptwörter (50): [T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T6: [Insel Stadt Meer Hafen Handel Hauptstadt Land Küste Einw. Halbinsel], T42: [Papst Kaiser König Rom Heinrich Italien Karl Kirche Bischof Jahr]]
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Extrahierte Personennamen: Heinrich Heinrich Heinrichs_I. Alfons_Iii Enrico_Dandolo Kamps Heinrich_Vii Heinrich Matteo_Visconti Franz_Sforza Franz Philipp_Ii Philipp
Extrahierte Ortsnamen: Italien Spanien Portugal Portugal Lissabon Spanien Republik_Venedig Konstantinopel Genua Genua Genua Amerikas Eroberuna_Konstantinopels Mailand Mailand
544 Die neue Zeit.
(f 1543) kam zur Einsicht, daß die Sonne stillstehe und die Erde nebst allen andern Planeten eine doppelte Bewegung habe: um sich selbst und um die Sonne. Dieser Satz wurde zwar von dem Dänen Tycho de Brahe bestritten, aber von Johann Kepler und dem Pisaner Galilei, der auch die Gesetze der Pendelschwingungen auffand, in der Art nachgewiesen, daß das kopernikanische System zur allgemeinen Geltung gelangte. Otto von Guericke (f 1686) erfand die Luftpumpe, Torricelli (t 1647) das Barometer, der Holländer Drebbel (f 1634) das Thermometer. Isaak Newton (Njut'u) (f 1727) fand die Gesetze auf, nach welchen sich die Körper bewegen, und erklärte die Lehre vom Lichte. Die Möglichkeit, den Dampf zu verdichten, um ihn anstatt einer körperlichen Kraft zu benützen, war in Spanien, Italien und England entdeckt und angewendet worden, aber wieder in Vergessenheit geraten. Ende des siebzehnten Jahrhunderts wurden die Versuche wiederaufgenommen; aber der Schotte James Watt (Dschems Hott) (f 1819) brachte solche Verbesserungen an, daß man die Dampfmaschine als von ihm neuerfunden betrachten kann.
Anmerkungen.
1. Lukas Kranach hieß eigentlich Meister Lukas Sünder von Kr an ach im bayrischen Oberfranken. Sein Fach war die Porträtmalerei und vorzüglich gelobt werden seine Madonnen. Seine besten Ölgemälde sind die zwischen 1520—1530 verfertigten. Er wurde in den Ritterstand erhoben, war einige Zeit Bürgermeister in Wittenberg und starb 1558 in Weimar. Sein zweiter Sohn, Lukas Kranach, war ebenfalls Bürgermeister in Wittenberg und starb ebenfalls zu Weimar. Hans Holbein der Jüngere malte eine Passion, für welche der Kurfürst Maximilian von Bayern vergeblich 30 000 Gulden bot. Sie befindet sich jetzt noch auf dem Rathause in Basel. Er war gebürtig von Augsburg, starb aber 1554 in London.
2. In Spanien war die Liebe zur Malerei im sechzehnten Jahrhundert in außergewöhnlicher Weise erwacht. Es gab drei verschiedene Malerschulen, die von Sevilla, von Madrid und von Valencia, welche gegenseitig miteinander wetteiferten, und 15—20 bedeutende Meister arbeiteten in den verschiedenen Schulen. Am Ende des siebzehnten Jahrhunderts sank die Kunst mit der Überhandnähme der politischen Wirren.
3. Die großartigsten Schöpfungen der Kirchenmusik sind unstreitig die Oratorien. Philipp von Neri, der Stifter der Priester der Kongregation vom Oratorium, ließ zuerst in seinem Oratorium biblische Begebenheiten mit Musik absingen. Sebastian Bach, Hofmusiker und Organist in Weimar, und Georg Friedrich Händel, ein Hallenser, bemächtigten sich dieser neuen musikalischen Darstellungsweise und verbanden damit dramatische Chöre. Merkwürdig ist, daß Händel in Deutschland zu Lebzeiten keinen Beifall fand und seinen Ruhm in Irland und England erwarb. Er starb auch in London.
4. Nikolaus Kopernik war geboren in Thorn, studierte in
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Extrahierte Personennamen: Johann_Kepler Johann Otto Guericke Isaak_Newton Isaak Lukas_Kranach Lukas_Sünder Lukas_Kranach Hans_Holbein Maximilian_von_Bayern Maximilian Philipp_von_Neri Philipp Sebastian_Bach Georg_Friedrich_Händel Friedrich Nikolaus_Kopernik Nikolaus
Extrahierte Ortsnamen: Spanien Italien England Wittenberg Weimar Wittenberg Weimar Basel London Spanien Sevilla Madrid Valencia Weimar Deutschland Irland England London Thorn
255
rungspflanzen. Die europäischen Ansiedler haben aber Getreide-,
Obst- und Weinbau mit dem günstigsten Erfolge eingeführt. Seit
neuerer Zeit werden noch Zuckerrohr und Baumwollstaude gepflanzt.
— Auch die Tierwelt ist einförmig und arm an Arten. Die
wenigen einheimischen Säugetiere gehören zumeist den Beuteltieren
an, von denen das Känguruh am bekanntesten ist. Mannig-
faltiger ist die Vogelwelt (verschiedene Papageien, der schwarze
Schwan, der Emu, „australischer Strauß" genannt, u. s. w.).
Im ganzen zeigen die einheimische Tier- und Pflanzenwelt Australiens
einen eigenartigen, von dem der andern Kontinente abweichenden
Charakter. — Nunmehr sind sämtliche europäischen Haustiere (wie
auch viele Singvögel) eingebürgert und haben sich außerordentlich
schnell vermehrt, so daß jetzt schon Viehzucht die Haupt-
beschäftigung der Eingewanderten bildet. Von größter Bedeutung
ist die Schafzucht. 1885 wurde um mehr als 400 Millionen
Mark Wolle nach Europa ausgeführt. Außerdem ist besonders
die Rindviehzucht von Wichtigkeit. Das Fleisch wird gesalzen
und konserviert in den Handel gebracht, in neuester Zeit auch
mit günstigem Erfolge in gefrorenem Zustande. — Die Land-
wirtschaft ist auf ein verhältnismäßig kleines Gebiet beschränkt.
Unter den Erzeugnissen bildet Weizen einen wichtigen Ausfuhr-
artikel. — Von großer Bedeutung ist der Bergbau. Australien
hat sehr ergiebige Goldlager, welche 1851 entdeckt wurden und seit-
her mit abwechselndem Erfolge ausgebeutet werden. (Im Jahre 1885
über 400 Millionen Mark Ertrag.) Von anderen Mineralien sind
zu nennen: Silber, Kupfer, Eisen, Zinn, Blei und Steinkohlen. —
Die Industrie hebt sich zwar allmählich, doch muß zur Zeit noch
der größte Teil des Bedarfes aus Europa eingeführt werden. —
Der Handel hat in den letzten Jahrzehnten einen ganz erstaun-
lichen Aufschwung genommen. Die jährliche Ausfuhr hatte in den
letzten Jahren einen Durchschnittswert von 1000 Millionen Mark,
die Einfuhr von 1300 Millionen Mark. — Der Binnenverkehr
hingegen ist durch die Bodeuverhältnisse wie auch durch den Mangel
schiffbarer Flüsse sehr erschwert. Als großartiges Unternehmen darf
die Errichtung eines Telegraphen gelten, welcher von Adelaide quer
TM Hauptwörter (50): [T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe], T15: [Wein Getreide Baumwolle Tabak Kaffee Obst Weizen Reis Zucker Kartoffel], T49: [Land Klima Europa Meer Lage Asien Winter Insel Afrika Zone]]
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179
der Aralsee, in den die Doppelflüsse Amu-Darja (Opus) und Sir-
Darja (Jaxartes) münden; der Balchaschsee mit dem Jli, der
Lop-Nor mit dem Tarim und das Tote Meer mit dem Jordan.
Iv. Klima und Produkte. Asien hat an der heißen, der
gemäßigten und der kalten Zone Anteil; doch gehören der
Gesamtfläche zur gemäßigten Zone.
In der Polarzone herrscht außerordentlich strenge und anhal-
tende Kälte, welche nicht nur durch die nördliche Lage, sondern auch
dadurch verursacht wird, daß das Gebiet in weiter Ausdehnung
offen am Eismeere liegt, dessen rauhen Winden es preisgegeben ist. —
Die gemäßigte Zone zeigt fast durchweg kontinentales Klima. Auf
den kurzen, glühend heißen Sommer folgt fast unvermittelt ein
langer, sehr strenger Winter. Im Durchschnitte ist diese Zone
kälter wie in Europa. — In der heißen Zone haben die westlichen
Länder sehr trockenes, die östlichen hingegen feuchtes Klima. Die
größte Hitze herrscht in Arabien.
Wie im Klima, so zeigen sich auch in der Pflanzen- und
Tierwelt Asiens große Gegensätze. Während die öden Tun-
dras im Norden kaum von Moosen und Flechten bedeckt sind, und
nur noch wenige Arten von Pelztieren und Vögeln dort fortzukommen
vermögen, erreicht die Pflanzen- und Tierwelt im Süden des Erd-
teiles üppige Mannigfaltigkeit und riesenhafte Formen. Palmen,
Reis, Thee, Zuckerrohr, Kaffee, Baumwolle, Pfeffer und andere
Gewürze, mancherlei Arznei- und Färbekräuter haben hier ihre
Heimat. Zahlreiche Tierarten beleben diese tropischen Länder Asiens.
In den mächtigen Wäldern hausen Elefanten, Nashörner, Büffel,
Affen und Schlangen; kreischende Papageien und andere farben-
reiche Vögel schaukeln sich auf den Zweigen der Bäume; im Dickicht
des Schilfes lauert der Königstiger; Sümpfe und Ströme sind
von häßlichen Krokodilen, Salamandern und Schildkröten bewohnt;
der Indische Ocean birgt die kostbare Perle.
V. Bevölkerung.
a- Zahl. Asien hat auf einem Flächenraum von 45 Mil-
lionen qkm über 830 Millionen Einwohner, also mehr als
die Hälfte aller Menschen. Auf 1 qkm treffen durchschnittlich
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Extrahierte Ortsnamen: Amu-Darja Jordan Europa Asiens Asiens Indische_Ocean
231
i
Aus dem Leben des Libers.
Der Biber ist ein geselliges Tier, welches einzeln nur in solchen
Gegenden sich aufhält, wo es der Ausrottung nahe gebracht worden ist.
An den Flüssen, Strömen und Seen Nordasiens und Amerikas, welche
im Wiuter nicht bis zum Grunde ausfrieren, bildet er Ansiedelungen,
welche Hunderte von Bewohnern zählen können. Der einzelne gräbt sich
vom Grunde des Gewässers aus eine 30—40 Fuß lange, schief nach
oben aufsteigende Röhre mit Kessel und Ausgang nach dem Lande unter
dem Uferboden. Die Mitglieder einer Ansiedlung erbauen sich Burgen,
und in Flüssen mit wechselndem Wasserstande Dämme, um das Wasser
aufzustauen. Die Burgen, welche regelmäßig im Wasser, jedoch nah am
Ufer stehen, sind backofenartige Gebäude von 6—10 Fuß Höhe über dem
höchsten Wasserspiegel und 10, 15, 20 und mehr Fuß Durchmesser. Sie
werden aus Knüppeln, Ästen und Reisig aufgeführt, mit Erde und Schlamm
gedichtet und so fest zusammengebaut, daß sie nicht bloß dem Wasser,
sondern auch den Zerstörungswerkzeugen in der Hand des Menschen er-
heblichen Widerstand leisten. Mit dem Lande stehen sie oft durch einen
Holzdamm in Verbindung. Im obern Teile der Burg befindet sich die
Kammer der Tiere; zuweilen liegen auch zwei solcher Kammern über-
einander. Der Zugang zu ihr ist eine Röhre, welche vom tiefen Wasser
aus durch den Unterbau der Burg nach oben führt und gewöhnlich meh-
rere Zugänge hat. Das Innere der geräumigen Kammer ist mit Gras
und Moos dick ausgefüttert. Größere Bauten, d. h. Dämme, welche
30—300 Fuß lang sein können, werden ausschließlich im seichten, stillen
Wasser ganz ruhiger, von dem Menschen nicht oder wenigstens nur selten
besuchten Waldungen ausgeführt. Die Dämme selbst bestehen aus Baum-
stämmen, welche nahe am Ufer gestanden haben und von den Bibern ein-
seitig so angeschnitten wurden, daß sie ins Wasser fallen mußten, aus
Knüppeln von verschiedener Länge und Stärke, welche durch die Tiere zur
Stelle geflößt wurden, aus Reisig, Steinen, Sand, Erde, Moos u. dgl.
Außerdem legen die Biber, wie so viele andere Nager, auch Vorrats-
kammern für den Winter neben oder in ihren Röhren und Burgen an.
Der Biber gehört zu den begabtesten Nagetieren. Seine Bewegungen
ermangeln zwar der Gewandtheit, sind aber doch nicht ungeschickt zu nennen.
Im Sitzen nimmt er die Stellung der Eichhörnchen, Murmeltiere und
Mäuse an, bekommt hierdurch seine Vorderpfoten frei und gebraucht sie
mit viel Geschick. Der Gang ist schwerfällig, langsam, watschelnd, auf
unebenem Boden zumal äußerst unbeholfen. Demungeachtet ist er im
stände, an Bäumen in die Höhe zu klettern: man hat ihn schon oft
auf den Köpfen abgestutzter Weiden liegen sehen. Größere Meisterschaft
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378
Nacht hindurch bin ich mit der Post gefahren, kam schon vor Mittag
hier an, lief sogleich, um noch für die heutige Oper einen guten Platz
im Theater zu gewinnen; es ist alles vergebens. Bis hinauf zur Galerie
ist jeder Raum schon besetzt; ich habe dem Wirte in meinem Gasthause
schon das dreifache, das ein Logensitz kostet, nur für einen Platz auf der
Galerie angeboten, er kann mir keinen verschaffen."
„Ich aber, mein Herr, will Ihnen in schuldiger Dankbarkeit einen
Sitz verschaffen, der noch besser ist als der in der ersten Loge; einen
Platz gerade vor Sr. Majestät dem Kaiser." Waitz sah den Franzosen
mit ungläubiger Verwunderung an; dieser aber sprach weiter: „Sie spielen
die Klarinette, mein Herr?" — „Ich bitte sehr um Vergebung, ich kann
mich kaum erinnern, dieses Instrument nur einmal in die Hand genommen
zu haben; ich wüßte kaum, wie ich einen Ton darauf hervorbringen
sollte." — „Verstehen Sie mich recht, mein Herr," fuhr der Franzose
etwas ungeduldig fort, „Sie spielen die Klarinette, Sie müssen die
Klarinette spielen. In Zeit von einer Stunde kommen Sie zu mir
hierher in diesen Gasthof, eine Treppe hoch. Man giebt Ihnen die Uni-
form des Orchesters, man giebt Ihnen die Klarinette in die Hand; Sie
gehen mit mir."
Mein Freund sing erst jetzt an, seinen dankbaren Franzosen zu ver-
stehen, der hier in Erfurt die Stelle eines Musikdirektors bekleidete.
Mit herzlich dankbarem Händedruck nahm er das freundliche Anerbieten
an; doch nicht ohne einiges Bangen, wie sein stummes Spiel auf der
Klarinette ablaufen werde, schloß er sich an den gleich ihm uniformierten
Haufen an, der mit dem Direktor nach dem Theater zog. Der Weg
zum Orchester ging durch das Parterre, und Waitz, der bei der Betrach-
tung der schönen, prunkenden Bevölkerung der Logen — „welch hoher
Himmel, Stern bei Stern" — etwas zurückgeblieben war, hatte Mühe, sich
seinen einsamen Weg durch das Gedränge zu bahnen. Unmittelbar hinter
den Schranken des Orchesters, nicht in den Logen, waren die Sitze für
den Kaiser und die ihn begleitenden Majestäten, allerhöchsten und höchsten
Herrschaften gestellt. Der Sitz meines Freundes war demnach wirklich
vor diesen königlichen Sitzen, doch hatte der Direktor ihm, wie allen
seinen Leuten, die Regel eingeschärft, daß keiner, sobald der Kaiser käme,
sich umwenden dürfe, jeder nur unverrückt vor sich hin auf die Roten
und, sobald das Stück beginne, nach der Bühne sehen müsse. Während
der Wartezeit, ehe die Majestäten kamen, galt das Gebot des unverrück-
ten Stillsitzens und Schweigens noch nicht. Waitz sah neben sich einen, mit
der Violine in der Hand, der zwar dieselbe französische Uniform trug, wie er,
dem man aber sogleich anmerkte, daß er ein Deutscher, und zwar ein vor-
nehmer und gebildeter sei. Er schämte sich vor und neben diesem Manne
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398
Wurzel des Geweihes befinden sich zwei kleinere, am äußersten Ende fast
fußbreite gezackte Schaufeln, die dem Tiere von großem Nutzen sind, um
den Schnee selbst bis zu einer Tiefe von mehreren Ellen fortzuschaufeln,
und so während der Winterzeit des ihm unentbehrlichen Mooses zu seiner
Nahrung habhaft zu werden. Das Geweih, das gegen 20—25 Pfund
Gewicht hat, fällt jedes Frühjahr ab, ist aber im Verlauf von 7—8 Wochen
in der vorigen Größe wieder nachgewachsen. Das Fell ist in der Regel
gelb oder bräunlich-aschgrau, nur an den Schultern und Seiten ist es
weißlich; seine Farbe ändert sich übrigens mit der Jahreszeit, und es
giebt auch gesteckte, dunklere und hellere, ja weiße Renntiere. Unterhalb
des Halses, in der Nähe der Brust, hat das Renntier einen langen
Haarbüschel.
Die Liebe des Weibchens zu seinen Jungen ist außerordentlich groß,
und diese folgen ihm zwei bis drei Jahre, erlangen aber auch erst im
vierten Jahre ihre volle Entwicklung. Im wilden Zustande soll das
Renntier bis gegen 30 Jahre alt werden können, das gezähmte Tier
erreicht niemals ein höheres Alter als 15—16 Jahre, und die Tiere, die
zum Abschlachten bestimmt sind, werden im achten oder neunten Jahre
getötet. Vom vierten Jahre an werden sie abgerichtet, und mit dem
fünften oder sechsten Jahre sind sie zur Arbeit tauglich. Sie sind von
Natur sehr wild, aber die Lappen haben sie doch gezähmt; indes sind
diejenigen, die wilder Abstammung sind, sehr tückisch und verweigern
nicht allein zuweilen ihrem Herrn den Gehorsam, sondern greifen ihn
sogar an, und zwar mit den Füßen, so daß ihm kein anderer Ausweg
bleibt, als sich unter den Schlitten zu werfen, über welchen alsdann das
aufgebrachte Tier seinen Zorn ergehen läßt. Im übrigen sind die zahmen
Renntiere in der Regel geduldig und willig. Das Renntier ist von
lebhaftem, aber zugleich furchtsamem Temperament. Sie sind beim Gehen
und Stehen stets in Bewegung und spielen und necken sich in aller Freund-
schaft, allein eines verwickelt auch zuweilen dermaßen sein Geweih in das
eines andern, daß sie nicht wieder auseinanderzubringen sind und den
Tod davon haben. Wenn sie aufgeschreckt werden, schließen sie sich eng
aneinander, wodurch es den Lappen möglich wird, die großen Herden
beisammen zu halten; allein dadurch werden diese wiederum den Wölfen
eine leichte Beute, denn erst nachdem diese bei einem Überfall mehrere
Tiere getötet haben, zerstreut die Herde sich. Die Wölfe richten deshalb
auch oft große Verheerung unter den Nenntierherden an; so hatten sie
z. B. in dem Kirchspiel Enontekis zu Anfang dieses Jahrhunderts die
Zahl der Renntiere auf ein Drittel gegen den Bestand von zehn oder
zwölf Jahre vorher herabgebracht.
Gang und Lauf des Renntieres sind so leicht, wie man sich solche
TM Hauptwörter (100): [T84: [Vogel Tier Eier Fisch Mensch Hund Nahrung Thiere Insekt Art], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T32: [Tag Jahr Monat Mai Juli März Juni April Ende Oktober], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T12: [Wasser Luft Erde Höhe Körper Fuß Dampf Bewegung Druck Gewicht]]
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330
Ii. Lehrende Prosa: Poetik und Ästhetik.
was hilft es, dem Herrn von Voltaire etwas einzuwenden? Er spricht,
und man glaubt. Ein einziges vermißte er bei seiner Bühne, daß die
großen Meisterstücke derselben nicht mit der Pracht aufgeführt würden,
deren doch die Griechen die kleinen Versuche einer erst sich bildenden
Kunst gewürdigt Hütten. Das Theater in Paris, ein altes Ballhaus,
mit Verzierungen von dem schlechtesten Geschmacke, wo sich in einem
schmutzigen Parterre das stehende Volk drängt und stößt, beleidigte ihn
mit Recht; und besonders beleidigte ihn die barbarische Gewohnheit, die
Zuschauer auf der Bühne zu dulden, wo sie den Acteurs kaum so viel
Platz lassen, als zu ihren notwendigsten Bewegungen erforderlich ist. Er
war überzeugt, daß bloß dieser Übelstand Frankreich um vieles gebracht
habe, was man bei einem freiern, zu Handlungen bequemern und präch-
tigern Theater ohne Zweifel gewagt hätte. Um eine Probe hiervon zu
geben, verfertigte er seine „Semiramis". Eine Königin, welche die Stände
ihres Reiches versammelt, um ihnen ihre Vermählung zu eröffnen; ein
Gespenst, das aus seiner Gruft steigt, um Blutschande zu verhindern und
sich an seinem Mörder zu rächen; diese Gruft, in die ein Narr hinein-
geht, um als ein Verbrecher wieder herauszukommen: das alles war in
der That für die Franzosen etwas ganz Neues. Es macht so viel Lärmen
auf der Bühne, es erfordert so viel Pomp und Verwandlung, als man
nur immer in einer Oper gewohnt ist. Der Dichter glaubte das Muster
zu einer ganz besondern Gattung gegeben zu haben; und ob er es schon
nicht für die französische Bühne, so wie sie war, sondern, so wie er sie
wünschte, gemacht hatte: so ward es dennoch auf derselben vorderhand
so gut gespielt, als es sich ungefähr spielen ließ. Bei der ersten Vor-
stellung saßen die Zuschauer noch mit auf dem Theater; und ich hätte
wohl ein altväterisches Gespenst in einem so galanten Zirkel mögen er-
scheinen sehen. Erst bei den folgenden Vorstellungen ward dieser Un-
schicklichkeit abgeholfen; die Acteurs machten sich ihre Bühne frei; und
was damals nur eine Ausnahme zum Besten eines so außerordentlichen
Stückes war, ist nach der Zeit die beständige Einrichtung geworden. Aber
vornehmlich nur für die Bühne in Paris, für die, wie gesagt, Semiramis
in diesem Stücke Epoche macht. In den Provinzen bleibt man noch häufig
bei der alten Mode und will lieber aller Illusion als dem Vorrechte ent-
sagen, den Zai'ren und Meropen auf die Schleppe treten zu können.
Die Erscheinung eines Geistes war in einem französischen Trauer-
spiele eine so kühne Neuheit, und der Dichter, der sie wagte, rechtfertigt
sie mit so eigenen Gründen, daß es sich der Mühe lohnt, einen Augen-
blick dabei zu verweilen.
„Man schrie und schrieb von allen Seiten," sagt Herr von Voltaire,
„daß man an Gespenster nicht mehr glaube und daß die Erscheinung der
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