§ 221. Polen. 617
Anmerkungen.
1. Am 1. November 1806 enthielt der Moniteur (die französische Staatszeitung) einen mit dem Namen Kosciuskos unterzeichneten Aufruf, der aber aus der Feder Napoleons kam und von Koscinsko als unecht erklärt wurde. Die Polen wurden aufgefordert, für die Befreiung des Vaterlandes gegen Preußen und Rußland die Waffen zu ergreifen. Sie erhoben sich wirklich unter Dombrowski und Joseph Ponia-towski. Am 28. Nov. 1806 zogen die Franzosen unter Murat in Warschau ein; Sachsen, das bisher mit Rußland und Preußen verbündet war, trat 1807 dem Rheinbünde bei; der Kurfürst wurde vou Napoleon zum König erhoben und zum erblichen Herzog von Warschau ernannt. Joseph Poniatowski wurde Kriegsminister und Ober-kommaudaut aller polnischen Truppen. Bei Raszin wurde er zwar vom Erzherzog Ferdinand geschlagen (1809), veranlaßte aber die Ga-lizier zum Aufstande und nötigte dadurch die Österreicher, die sich Warschaus bemächtigt hatten, dasselbe wieder zu räumen.
2. Ehlopicki hatte den unglückseligen Gedanken, die Russen bis vor Warschau kommen zu lassen und erst dort eine Schlacht zu liefern. Bei Grochow hätte er gesiegt, aber die Generale befolgten seine Befehle nicht und handelten eigenmächtig. Chlapowski und Gielgiid führten ihre Korps, ohne daß diese es merkten, über die preußische Grenze; Gielgud wurde deshalb vou einem Artillerieoffizier erschossen. Bei Wroclowek ließ Paskewitsch eine Brücke über die Weichsel schlagen, und die Russen zogen während 36 Stunden über die Brücke, ohne daß Skrzyuecki sie angriff. Er wurde deshalb abgesetzt, und Dembinski übernahm den Oberbefehl. Aber bald wurde er vom Präsident«: Krukow i e ck i vom Kommando entfernt, das dieser selbst übernahm. Als Paskewitsch vor Warschau anlangte und die Bürger die Stadt verteidigen wollten, verbot ihnen Krukowiecki, sich bewaffnet zu zeigen, und entzog dem General Uminski die Artillerie und die Reserve. In der Zivilregierung stritten sich die Feudaler: mit den Demokraten. So ging Polen abermals aus eigener Schuld zu Grunde.
3. Schon nach der Revolution von 1831 ging man in der Unterdrückung der polnischen Nationalität so weit, daß man die Kinder der toten, geflüchteten und eingekerkerten polnischen Adeligen und auch die der niedern Volksklafsen von Kosaken einsangen und sie nach Rußland schaffen ließ, um sie zu russischen Soldaten zu erziehen. Aber nach dem Aufstande von 1863 verbannte Mnrawiew sogar Kinder unter neun Jahren an den Amurfluß in Asien. Man zerriß die Familien, indem man den Vater an einen andern Ort als die Mntter, und die Kinder an einen andern Ort als die Eltern verbannte. Infolge des Aufstandes von 1863 wurden 48 182 Personen nach Sibirien geschleppt, 12 556 in das Innere von Rußland, 33 780 in die wüsten Steppen ant Ural-gelurge; 2416 Personen aus den bessern Ständen wurden als gemeine Soldaten in russische Regimenter gesteckt, 1464 wurden gehenkt und er-schossen und 7000 flüchteten sich in das Ausland. Alle jungen Leute männlichen Geschlechts, über siebzehn Jahre alt, wurden abgeführt und in die asiatischen Bataillone gesteckt. Hieraus war Polen freilich ruhtg. Es muß aber auch zugegeben werden, daß die geheime Natio-»alreglerutig die Russen auf unverantwortliche Weise reizte, indem dieselbe über deren Anhänger zahlreiche Todesurteile ergehen und sie meuch-lertsch vollziehen ließ. Sie hatte besondere „Hänge - Gendarmen" zur
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Extrahierte Personennamen: Napoleons Koscinsko Dombrowski Joseph_Ponia-towski Napoleon Joseph_Poniatowski Ferdinand Ehlopicki Chlapowski Gielgud Krukow Uminski Mnrawiew
Der Schwabenkrieg.
305
Sein gefährlichster Feind, Ludwig Xi. von Frankreich (1461 bis
1483), war in jeder Hinsicht das Gegentheil des deutschen Königs. In
seinen jüngeren Jahren hatte Ludwig bei mehreren Gelegenheiten Muth
und kriegerische Einsicht bewiesen, doch die Gefahr nie ausgesucht wie
Mar; in späteren Jahren entzog er sich aber der persönlichen Theil-
nahme am Kriege so gänzlich und zeigte auch sonst eine solche Aengst-
lichkeit, daß man allgemein glaubte, er sei durch sein schlechtes Gewissen
zum Feigling heruntergeftimmt worden. Gewöhnlich residierte er in sei-
nem Schlosse Plessis le Tours (in der Nähe der Stadt Tours), das
mit Gräben, Mauern, Fußangeln, Fallgruben, versteckten Schützen und
schottischen Leibwächtern so gesichert war, daß auch eine einzelne Person
Ludwig Xi. ebensowenig unversehens nahen konnte, wie ehemals dem
Kaiser Tiberius auf der Insel Kapri. Zu seinen Vertrauten wählte
er nicht Männer aus dem höchsten Adel, sondern aus den niederen
Ständen, ohne dieselben jedoch zu den höchsten Würden zu erheben; bei
dem Bürgerstande suchte er sich durch seine einfache Tracht und Lebens-
weise populär zu machen, gewann denselben jedoch zumeist durch die
Art und Weise, wie er ihn gegenüber dem hohen Adel begünstigte. Die-
sem war Ludwig so furchtbar als einst Tiberius den alten römischen
Familien; das gefährliche Bündniß desselben (ligue du bien public)
hatte er kaum durch scheinbare Zugeständnisse entwaffnet und getrennt,
als er die einzelnen Mitglieder durch Ränke in Kriege verwickelte oder
sie selbst mit Waffengewalt bekämpfte; am allerliebsten stiftete er Em-
pörungen gegen sie an oder suchte ihnen durch Meuchelmord beizukom-
men. Ebenso treulos und meineidig war er in seiner auswärtigen Po-
litik; seine Erfolge gewann er am wenigsten durch offenen Krieg, sondern
vielmehr durch die Kunst, mit welcher er seine Feinde in andere Kriege zu
stürzen oder durch Empörungen und Verräthereien zu neutralisieren ver-
stand, zu welchem Zwecke er mit seinen Schätzen nie geizte. Die öffentliche
Sicherheit überwachte er strenge und befriedigte durch die Bestrafung ge-
meiner Verbrecher seinen Hang zur Grausamkeit, wenn er demselben nicht
vornehmere Opfer bringen konnte. Schon sein Vater hatte durch die so-
genannten Ordonnanzkompagnieen (15, jede zu 4 Offizieren und 600
Reitern) und geworbenes Fußvolk ein stehendes Heer errichtet, das er
nun durch Anwerbung von Schotten und Schweizern verstärkte. Durch
sie, die in den größeren Städten als Garnison lagen, erzwang er Ruhe
und Gehorsam und stand immer schlagfertig da, während er durch feste
Steuern ein regelmäßiges Staatseinkommen herstellte und dasselbe weder
durch Verschwendung noch durch zwecklose Freigebigkeit zersplitterte, auch
nicht zu fernen und unsichern Unternehmungen verbrauchte. Er ver-
einigte als Erbe des jüngeren Hauses Anjou (von König Johanns Ii.
Sohn Ludwig abstammend, 1481 im Mannsstamme erloschen) Anjou,
Bumüller, Gesch. d. Mittelalters. 20
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Extrahierte Personennamen: Ludwig_Xi Ludwig Ludwig Ludwig Muth Ludwig_Xi Ludwig Tiberius Ludwig Ludwig Tiberius König_Johanns Johanns Ludwig_abstammend Ludwig
20 Die Reformation. Religionskriege. Verfall Deutschlands rc.
gerung von Marseille mußte nach großem Verluste aufgehoben werden.
Dagegen erschien nun Franz mit einem Heere in Italien, wie dieses seit
Barbarossas Zeit keines mehr gesehen hatte, und belagerte (seit Ende
Oktobers) Pavia, welches der Spanier Antonio de Leyva mit
ebenso viel Geschicklichkeit als Ausdauer vertheidigte. Das kaiserliche
Heer bestand aus Italienern und Spaniern unter Peskara und Vasto
(zwei Brüder aus dem Heldengeschlecht der Avalos) und 15,000
Landsknechten, welche Georg von Frundsberg in Eilmärschen aus Süd-
deutschland, von dem Schauplatze des Bauernkrieges, herbeigeführt hatte.
Es litt Mangel an Lebensmitteln und die Feldherren hatten kein Geld,
um die Sold heischenden Schaaren zu befriedigen, die auseinander zu
laufen drohten. Darum beschloßen sie dem viel stärkeren feindlichen
Heere eine Schlacht zu liefern. Letzteres bestand aus den schwarzen
Banden, einem gefürchteten Fußvolke aus Norddeutschland unter dem
Herzog von Suffolk, und 12,000 Schweizern, die von erfahrenen
Hauptleuten angeführt wurden. Das französische Fußvolk stand unter
Franzens Schwager, dem Herzog von Alenyon, die treffliche Reiterei
befehligte der König selbst; um ihn waren die erprobtesten und vor-
nehmsten Feldherren Frankreichs: die Marschälle Chabanes, Bonni-
vet, la Tremouille, de Foir, der Herzog von Lothringen, der
Graf de Tonn er re; das Geschütz kommandierte de Genouillak,
der bei Marignano den Ausschlag gegeben hatte. Durch den großen
Thiergarten, der mit einer Mauer umgeben war, in welche Frundsberg
nachts eine 60 Schritte breite Oeffnung hatte brechen lassen, drangen
die Kaiserlichen unter Frundsberg gegen das französische Lager vor (24.
Februar 1525). Aber schnell richtete Genouillak das Geschütz auf diese
Stelle, und die Schlacht hätte wohl eine andere Wendung bekommen,
wenn sich der König nicht zwischen das Geschütz und den Feind gewor-
fen hätte. Nun entbrannte ein heißer Kampf auf allen Punkten; die
Landsknechte stachen die 7000 Schwarzen nieder, griffen dann den linken
französischen Flügel an und vernichteten auch diesen. Das Mitteltreffen,
die französische Reiterei und die Schweizer, fochten unterdessen mit
glänzender Tapferkeit, versprengten die Italiener, und kaum vermochte
Peskara mit den Spaniern Stand zu halten; da kamen ihm 1500 spa-
nische Büchsenschützen zu Hilfe, welche auf die französische Reiterei ein
furchtbares Feuer eröffneten, das viele der Tapfersten niederstreckte, die
andern aber in wilde Flucht jagte. Untermischt mit den verfolgenden
feindlichen Reitern stürzten sie auf die fechtenden Schweizer, und als
auch die Landsknechte herbeirückten, flohen die Schweizer trotz der Bitten
ihrer Anführer, von denen die meisten den Tod suchten und fanden, da
sie diese neue Schmach des schweizerischen Kriegsruhmes nicht überleben
wollten. Um den König selbst schaarten sich die Edelsten und kämpften
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