419
1804, ward er zum erblichen Kaiser der Franzosen erklärt.
Jetzt erweiterte er durch unaufhörliche Siege, die er gegen
Italien, Preußen, Rußland, Portugal, Spanien und Österreich
errang, non Jahr zu Jahr die Grenzen seines Reiches. Im
Jahre 1811 befand er sich auf dem Gipfel seiner Macht. Aber
seine Ländergier war auch da noch nicht gesättigt und sein
Ehrgeiz nicht befriedigt. Es ward immer sichtbarer, daß er
keine unabhängige Macht in Europa neben sich dulden wollte.
Jetzt sollte der Schlag Rußland treffen.
Der Kaiser Alexander war lange ein treuer Freund und
Anhänger Napoleons; allein bald mußte er aus mehreren
Vorgängen schließen, daß Napoleon ihm mit verräterischer
Liebe zugethan sei, daß er ihn zum letzten, aber größten Opfer
ausersehen habe. Darum söhnte er sich mit England, der
Seele aller Verbindungen gegen Frankreich, aus und zog auch
Schweden, dem er in Norwegen einen Ersatz für Finnland
versprach, in sein Interesse. Als Napoleon die kriegerischen
Vorkehrungen des russischen Kaisers vernahm, rief er voll
Zuversicht aus: „Rußland wird von seinem Verhängnisse er-
griffen; wohlan, es soll erfüllt werden!" und ließ von den
Pyrenäen bis an die Küste der Ostsee, von dem Niemen bis
an das adriatische Meer das ganze Jahr 1811 hindurch un-
ausgesetzt rüsten; selbst Österreich und Preußen mußten
Truppen stellen. Vom Frühjahr bis zum Herbst war alles in
Bewegung; nie sah Europa größere und schönere Heere vor-
überziehen; der Zug glich einer Völkerwanderung. Über
500 000 Mann Franzosen, Österreicher, Preußen, Sachsen,
Bayern, Würtemberger, Badenser, Westfalen, Holländer, Ita-
liener, Polen, selbst Spanier und Portugiesen, mit allem
reichlich versehen, traten den Zug an und rückten am 25. Juni
über den Grenzfluß Niemen. Der Untergang Rußlands schien
um so gewisser und näher, da es gerade mit den Türken in
einen Krieg verwickelt war. Aber unter Englands Ver-
mittelung schloß Alexander mit den Türken einen Frieden, in
welchem der Pruth die Grenze seines Reiches wurde, und
wendete nun seine ganze Macht gegen den neuen Feind, mit
der feierlichen Beteuerung, den Krieg nicht zu enden, so lange
ein feindlicher Streiter aus Rußlands Boden stehe. Napoleon
hatte eine Abteilung seines Heeres unter Oudinot und Mae-
donald auf die Straße nach Petersburg gegen den russischen
Fürsten Wittgenstein geschickt; mit der Hauptmacht ging er
selbst gerade auf Moskau los. Die russischen Anführer
Barclay de Tolly und Bagration zogen sich kämpfend vor ihm
zurück. Nach zweitägigem mörderischen Kampfe bei Smolensk,
am 17. und 18. August, erstürmten die Franzosen diese Stadt,
97i
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Extrahierte Personennamen: Alexander Alexander Napoleons Napoleon Napoleon Alexander Alexander Napoleon Barclay August
Extrahierte Ortsnamen: Italien Portugal Spanien Europa Napoleons England Frankreich Schweden Norwegen Finnland Ostsee Europa Sachsen Bayern Westfalen Polen Grenzfluß_Niemen Englands Petersburg Moskau Smolensk
422
Silber und andere Kostbarkeiten in Fülle hatten, fehlte es
ihnen bald am Nötigen, an Brot, und Napoleon sah sich ge-
zwungen, jetzt selbst den Besiegten den Frieden anzutragen.
Der Kaiser Alexander hielt den Feind listig hin, verwarf
dann endlich alle Anträge mit den Worten: „Erst jetzt werde
der Krieg für die Russen eigentlich anfangen!" Durch die
äußerste Not gedrängt, trat Napoleon am 18. Oktober den
Rückzug an, und zwar auf demselben Wege, den er gekommen
war. Aber welch ein Rückzug ! Kein Beispiel gleicher Gräß-
lichkeit hat die Geschichte aufzuweisen. Der Himmel schien
selbst mit den Russen in einen Bund getreten zu sein; denn
ein ungewöhnlich früher und strenger Winter trat ein und
überraschte die Feinde auf ihrem kläglichen Rückzüge. Menschen
und Pferde sanken vor Kälte und Hunger erschöpft dahin,
und wie mit einem Leichentuche bedeckte der Schnee die ge-
fallenen Opfer. Der Weg durch die unwirtbare Wüste war
bald mit toten Menschen und Pferden, mit Trümmern von
Geschütz und Gepäck bedeckt. Jeder Tag lieferte Tausende
von Gefangenen in die Hände der nachsetzenden Russen, Tau-
sende von Nachzüglern fielen unter den Lanzen der Kosacken,
unter den Keulen der ergrimmten Bauern. Am gräßlichsten
war das Unglück an der Beresina, über welche Napoleon eine
Brücke hatte schlagen lassen. Kaum war die Hälfte hinüber
gerückt, als plötzlich das fürchterliche Hurrahgeschrei der Ko-
sacken und das Donnern der russischen Kanonen gehört wurde.
Und aus einmal stürzte sich der ganze Haufen der Franzosen,
Menschen, Pferde, Wagen und Kanonen in rat- und thatloser
Flucht durch- und übereinander aus die Brücke. Jeder wollte
der erste sein; hier galt kein Befehl, kein Rang mehr; jeder
kämpfte um sein Leben. Viele wurden in dem Gedränge er-
drückt, viele von den Rädern der Kanonen und Wagen zer-
quetscht, viele von der Brücke hinunter in den Strom ge-
stürzt. In diese wilde Menschenflut hinein donnerten die Ka-
nonen der Russen und richteten eine entsetzliche Verwüstung
an. Zuletzt brach die Brticke ein; Tausende fanden ihren Tod
in den Wellen, und alle, welche noch am jenseitigen User
waren, wurden gefangen. Über 30 000 Mann verloren die
Franzosen bei diesem Übergange am 27. November. Napoleon
selbst, die Hoffnungslosigkeit seiner Lage einsehend, verließ
am 3. Dezember das Heer. In einem elenden Schlitten, den
Trümmern seines Heeres voraus, durchjagte er die öden
Schnee- und Eisfelder Rußlands nach Wilna und von da
über Warschau, Dresden und Mainz nach Paris, um schnell
die Bildung eines neuen Heeres zu veranstalten. Den Ober-
befehl über die zurückgebliebenen Trümmer überließ er dem
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Extrahierte Personennamen: Napoleon Alexander Alexander Napoleon Napoleon Napoleon
Extrahierte Ortsnamen: Wilna Warschau Dresden Mainz Paris
435
bei, welchen er dem gemordeten König in unserm Dom ver-
anstalten ließ. In dem nämlichen Jahre mußte er noch die
Nachricht vernehmen, daß seine Schwester Maria Antonia,
die Königin von Frankreich, ans gleiche Weise gemordet sei.
Bald daraus drangen die wütenden Franzosen bis an den
Rhein vor, nahmen Köln und kamen dann auch über den
Rhein. Maximilian Franz mußte ans einer Stadt in die
andere fliehen. Endlich ging er nach Österreich und starb
auf dem Schloß Hetzendorf bei Wien um Mitternacht den
27. Juli 1801. In der kaiserlichen Gruft bei den Kapu-
zinern in Wien wurde seine Leiche den 29. Juli beigesetzt.
Am 3. August erfuhr Münster seinen Tod.
Zu seinem Nachfolger wählte das Domkapitel abermals
einen Erzherzog von Österreich, Anton Viktor, der aber
die auf ihn gefallene Wahl ablehnte, weil durch den Lüne-
viller Friedensabschluß der größte Teil des Hochstistes an die
Krone Preußen gefallen war zur Entschädigung für ihre an
die Franzosen abgetretenen Besitzungen am linken Rheinnfer.
Am 3. August 1802 rückten 4000 Mann preußische Trup-
pen in Münster ein und besetzten den östlichen Teil des
Landes; General Blücher wurde zum Gouverneur der
Stadt ernannt.
Nach der unglücklichen Schlacht bei Jena (1806) ging
auch das Münsterland für Preußen wieder verloren, die
Franzosen besetzten es und schlugen es anfangs zum Groß-
herzogtum Berg, welches Napoleon zuerst seinem Schwager
Murat gab, nachher aber selbst verwaltete. Im Jahre 1811
wurde es zerstückelt; ein Teil wurde bergisch, der größte
Teil aber unter dem "Namen Departement der Lippe mit
der Hauptstadt Münster dem Kaiserreiche Frankreich ein-
verleibt. Es erhielt französische Beamten und französisches
Gesetz. — Die Fremdherrschaft dauerte jedoch nur kurze Zeit.
Die entscheidende Völkerschlacht bei Leipzig am 18. Oktober
1813 und die Einnahme von Paris am 31. März 1814
änderten die Lage der Dinge. Der König von Preußen ge-
langte wieder zum vollen Besitze seiner Länder, und am
18. Oktober 1815, also gerade zwei Jahre nach der ge-
28 *
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Extrahierte Personennamen: Maria_Antonia Maria Maximilian_Franz Maximilian Franz August Anton_Viktor Viktor August Napoleon
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Rhein Rhein Schloß_Hetzendorf Wien Kapu- Wien Rheinnfer Jena Frankreich Leipzig Paris
442
gehenden Jahres hatten 12 000 Mann Hannoveraner und Sachsen
als Epekutionstruppen des deutschen Bundes, der die Rechte Hol-
steins durch den Regierungsantritt Christians Ix. gekränkt glaubte,
dieses Land besetzt; die Dänen waren ohne Gegenwehr hinter die
Eider zurückgegangen.
Der preußisch-österreichischen Armee stand die dänische in einer
Stärke von 35 000 Mann gegenüber und leistete hartnäckigen
Widerstand. Die Siege der Deutschen bei Missunde, Oversee,
Rackebüll und Fehmarn brachten keine Entscheidung. Da erfolgte
am 18. April durch die Preußen unter Führung des Prinzen
Karl die heldenmütige Erstürmung der zehn Schanzen zu Düppel,
in welche sich die Dänen zurückgezogen hatten. Die westfälischen
Truppen insbesondere nahmen an dem Sturme ruhmvollen An-
teil. Dänemark zeigte sich nach diesem Siege fügsamer, allein
die während einer sechswöchentlichen Waffenruhe zu London ge-
pflogenen Verhandlungen brachten den Frieden noch nicht zu
stände. Der Krieg begann am 26. Juni von neuem, bis der
siegreiche Übergang nach Alsen am 29. Juni und die Besetzung
von Jütland durch die vereinigten Heere die Wiederaufnahme der
Verhandlungen und endlich am 30. Oktober den Abschluß des
Friedens zu Wien herbeiführten. In demselben entsagte der
König von Dänemark zu Gunsten des Königs von Preußen und
Kaisers von Österreich allen seinen Rechten auf die Herzogtümer
Schleswig, Holstein und Lauenburg.
Auf diese Weise war ein mühseliger Winterfeldzng voll An-
strengungen und Entbehrungen mit dem herrlichsten Ausgange
gekrönt worden. Die siegreichen Truppen wurden bei der
Rückkehr in die Heimat überall mit Begeisterung und Jubel
empfangen.
33. Der Krieg gegen Österreich und seine
Bundesgenossen.
Die gemeinschaftliche Verwaltung der Herzogtümer veranlaßte
leider schon bald nach dem Friedensschluß Verwicklungen zwischen
Preußen und Österreich. Einstweilen wurden dieselben durch die
am 14. August 1865 zu Gastein abgeschlossene Übereinkunft wieder
ausgeglichen. Man kam überein, daß die Ausübung der im
Wiener Vertrage erworbenen gemeinschaftlichen Rechte betreff
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Extrahierte Personennamen: Christians Karl Karl Dänemark August
Extrahierte Ortsnamen: Sachsen Oversee London Wien Holstein Lauenburg
457
aber ehe sie angekommen, hatte dieser schon in dreitägiger,
blutiger Schlacht am 15., 16. und 17, Januar alle Angriffe
der feindlichen, mehr als doppelten Übermacht mit uuüber-
tresflichem Blute und unerschütterlicher Standhaftigkeit abge-
wiesen und die Franzosen zu jammervollem Rückzüge gezwun-
gen. Aus diesem ihrem Rückzüge aber wurden sie von der
unterdes näher gerückten Manteufsel scheu Armee festgehalten
und genötigt, sich entweder zu ergeben, oder über die nahe ge-
legene Schweizerische Grenze zu gehen. Bourbaki wählte das
Letztere, und die noch 80,000 Mann starke Armee wurde am
1. Februar von den Schweizern entwaffnet und gefangen ge-
halten. Jetzt lag nach Vernichtung aller seiner Heere Frank-
reich wehrlos zu deu Füßen der deutschen Sieger. Jeder Ver-
such, dieselben von der Belagerung Paris' abzuziehen, war ge-
scheitert. Wir kehren zur Geschichte dieser denkwürdigsten
aller Belagerungen zurück.
Im Vertrauen aus die Stärke ihrer Befestigungen, auf
die rauhe Jahreszeit, die sich einzustellen begann, und auf den
Entsatz durch eine Hülfsarmee aus der Provinz, von deren
Bildung man Kunde durch Brieftaubeupost erlangt hatte,
spottete die Stadt anfangs der Belagerer. Als aber weder
die rauhe Witterung, noch die Ankunft von Hülfe, noch die
zahlreichen Ausfälle die deutschen Heere von Paris zu ver-
treiben vermochten, da begann Mißtrauen und Entrüstung die
Herzen der Pariser zu ergreifen. Dazu kam noch, daß am
27. Dezember die Beschießung der Forts durch die unter un-
säglichen Schwierigkeiten herbeigeschafften Belagerungsgeschütze
ihren Ansang nahm. Die bis in die Stadt selbst einschlagen-
den Kugeln verbreiteten Angst und Entsetzen unter den Ein-
wohnern. Seuchen und Mangel an Lebensmitteln stellten sich
ebenfalls ein. Noch aber war die französische Hartnäckigkeit
und der französische Stolz nicht vollends gebrochen. Eri als
die sichere Kunde von der Niederlage aller in den Provinzen
zusammengebrachten Entsatzheere jede Hoffnung auf Befreiung
zu nichte gemacht hatte, erschienen am 24. Januar zu Ver-
sailles, wo das deutsche Hauptquartier sich befand, französische
Unterhändler, um die Bedingungen des Friedens zu erbitten.
Die bis zum 28. Januar sich hinziehenden Unterhandlungen
führten an diesem Tage zum Abschlüsse eines Waffenstillstandes,
der für alle Truppen in Frankreich, mit Ausnahme der in
Elsaß, Burgund und an der Schweizer Grenze kämpfenden,
Geltung haben sollte. Am 29. wehten endlich die deutschen
Fahnen von den stolzen Forts der Weltstadt. Eine Versamm-
lung der Abgeordneten von ganz Frankreich sollte schleunigst
nach Bordeaux berufen werden, um zu entscheiden, ob der
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Extrahierte Personennamen: Bourbaki
Extrahierte Ortsnamen: Paris Frankreich Elsaß Burgund Frankreich
“
— 428 —
-gesteckt, Offiziere eingesperrt, Kardinäle fortgejagt, überall
französische Bürgergarden errichtet, und päpstliche Unter-
thanen vor das französische Kriegsgericht gestellt und hin-
gerichtet. Das Volk blieb dem Papste ergeben, gab seine
Traner kund durch Einstellung des Karnevals, feierte äder-
ten Krönungstag des Papstes gegen die sonstige Sitte. Na-
Poleon erfuhr alles zu Wien, und weil Pius ihn schon zwei-
mal durch ein Breve mit dem Kirchenbanne bedroht hatte,
so erklärte der Gewalthaber mit einem Federstriche den
t7. Mai 1809, 4 Tage vor der Schlacht bei Aspern, den
Kirchenstaat dem französischen Kaisertum einverleibt und
warf dem Papste 2 Millionen Franken Gehalt aus. Den
9. Juni wurde dieser Erlaß in den Straßen Roms feierlich
ausgerufen.
Nun säumte Pius nicht länger. Den 10. Juni machte
er dem römischen Volke bekannt, daß er die Rechte der Kirche
unverletzt bewahren müsse und von ihrem Feinde kein Gnaden-
gehalt annehmen dürfe, er vertraue auf Gott und die Fröm-
migkeit der Gläubigen. Am folgenden Tage brachte er in der
Frühe das heilige Meßopfer dar, und nach demselben sprach
er heldenkühn vor dem versammelten Volke den Kirchenbann
aus über Napoleon und dessen sämtliche Ratgeber und Helfer.
Mit blitzenden Buchstaben ward der Bann an den Thüren
der Hauptkirchen angeschlagen, und ehe die Franzosen das
Blatt abrissen, hatte die ganze Stadt Kenntnis von dem
Inhalte bekommen.
Pius konnte nun sein Schicksal vermuten, er ließ die
Thüren seines Palastes zumauern, verbot seinen Schweizern
aber alle Gegenwehr und nahm schriftlich Abschied von seinem
Volke. Den 6. Juli 1809 überstiegen die Franzosen unter
General Radet die Mauern des päpstlichen Gartens, schlugen
-einige Thüren ein und traten in das Gemach, wo der
Papst zwischen einigen Kardinälen an einem Tische schrieb.
Er stand auf und fragte mit Würde und Milde: „Warum
stören Sie die Ruhe meiner Wohnung, und was wollen
Sie?" Ergriffen zogen alle ihre Hüte ab, und Radet ver-
langte Abtretung des Kirchenstaates im Namen des Kaisers.
Als Pius mit 'Nein antwortete, und Radet erklärte, er habe
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429
in diesem Falle Befehl, ihn von Rom wegzuführen, nahm
Pius fein Brevier und reichte dem Kardinal Pacca seinen
Arm. In einem verschlossenen Wagen ward er schnell ab-
geführt, Radet nahm den Kutschersitz ein, Gendarmen ritten
um den Wagen. Man brachte ihn nach Grenoble, Valence,
Nizza, und überall lagen Menschen am Wege, welche um
seinen Segen baten. Zu Nizza waren ihrer 16 000 ver-
sammelt. Die Schnelligkeit der Reise und die Sonnenhitze
machten den ehrwürdigen Greis in dem verschlossenen Wagew
bald krank, so daß man ihm auf dem Cenis 2, zu Grenoble
11 Ruhetage vergönnen mußte. Den 9. August 1809
brachte man ihn nach Savona, einer Seestadt im ehemaligen
Gebiete von Genua. Hier fand er einen Hofstaat für sich
angeordnet, er weigerte sich aber, von demselben Gebrauch
zu machen und versagte jetzt allen von Napoleon ernannten
Bischöfen die Bestätigung, weil dieser das frühere Konkordat
selbst gebrochen hatte. Nun änderte Napoleon den Ton, der
Hofstaat verschwand, der Papst wurde in ein Zimmer ge-
sperrt, mußte seine Gebetbücher und Schreibmaterialien ab-
geben und bekam täglich 5 Paoli (etwa 20 Sgr.) zum
Unterhalte, so daß er Almosen von den Bürgern Savonas
nehmen mußte. Zwar wurde nach zwei Wochen dieser karge
Unterhalt verbessert, aber seine Gefangenschaft blieb 3 Jahre
hindurch gleich strenge; er durfte gar keinen Brief schreiben
oder empfangen, noch weniger einen Besuch annehmen. Der
große Kaiser selbst schrieb ihm einmal einen höhnischen Brief;
aber ganz Europa bewunderte den Mann, der, wehrlos, sich
kühn dem Despoten widersetzte, vor welchem die mächtigsten
Monarchen in den Staub sanken.
Es war am 23. Januar 1814, als Napoleon dem
Papste die Freiheit zurück gab. Und kaum 3 Monate
später mußte der Verfolger der Kirche, nachdem der Herr
über ihn Gericht gehalten hatte, und die Verbündeten sieg-
reich in Paris eingezogen waren, in demselben Schlosse
Fontainebleau, wo er den Papst so hart gehalten und sich
sogar vermessen hatte, ihm zu erklären, er habe aufgehört^
das Oberhaupt der Kirche zu sein, seine eigene Thron--
entsagung unterzeichnen.
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Extrahierte Personennamen: August Napoleon Napoleon Napoleon
Extrahierte Ortsnamen: Rom Grenoble Valence Nizza Nizza Grenoble Savona Genua Europa Paris Fontainebleau
445
In raschem Siegesläufe gingen jetzt die Preußen unter An-
führung ihres Königs vorwärts und besetzten ganz Böhmen und
Mähren. Ihre Vorhut stand zuletzt nur uoch wenige Stunden
von Österreichs Hauptstadt entfernt. Da kam zu Nikolsburg am
26. Juli ein Waffenstillstand zu stände, und gleichzeitig wurden
die Grundzüge für die demuächstigen Friedens-Verhandlungen ver-
einbart. Der Friede selbst wurde zu Prag am 23. August 1866
abgeschlossen. In demselben verzichtete Österreich auf den Besitz
Venetiens zu Gunsten des Königreichs Italien, erkannte die Aus-
lösung des bisherigen deutschen Bundes an, gab seine Zustimmung
zu einer neuen Gestaltung Deutschlands ohne seine Beteiligung,
trat seine Rechte auf Schleswig und Holstein an Preußen ab
und verpflichtete sich zur Zahlung von 20 Millionen Thaler
Kriegs-Kontribution.
Während solches in Sachsen und Böhmen sich ereignete, waren
unter Führung der Generale Vogel von Falkenstein und Man-
teufel die Preußen von zwei verschiedenen Seiten in Hannover
eingedrungen und hatten es ohne Schwertstreich besetzt. Der
blinde König Georg V. hatte sich mit seinem Heere eiligst zurück-
gezogen, um zu der Reichsarmee zu stoßen, wurde aber eingeholt
und mußte nach blutiger Gegenwehr in dem Treffen bei Langen-
salza am 29. Juni kapitulieren. ' Dem General von Vogel
war nun die Aufgabe geworden, mit kaum 53 000 Mann die
von den Prinzen Karl von Bayern und Alexander von Hessen
befehligten beiden Bundeskorps auseinander zu halten und einzeln
Zu schlagen. Er lösete diese Ausgabe aus das glücklichste und hielt
nach den siegreichen Treffen zu Dernbach, Kissingen und Aschaffen-
burg am 16. Juli seinen Einzug in Frankfurt am Main. Da-
mit war auch der Feldzug gegen das Buudesheer zu Ende ge-
führt. Mit den einzelnen Staaten wurde wegen des Friedens
zu Berlin verhandelt. Sie mußten Kriegskontributionen zahlen,
Zum Teil auch, wie Baiern und Darmstadt, kleine Gebietsteile
abtreten. Letzteres verpflichtete sich außerdem mit der Provinz
Oberhessen dem Norddeutschen Bunde beizutreten. Zu diesem
Beitritt mußte auch König Johann von Sachsen sich verstehen.
Zu Ansang des Monats August war König Wilhelm aus
Böhmen in seine Residenz zurückgekehrt. Die Reise glich einem
Triumphzuge. Kurz darauf wurde eine königliche Botschaft wegen
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Extrahierte Personennamen: August Georg_V. Karl_von_Bayern Karl Alexander_von_Hessen Alexander Bundeskorps Johann August Wilhelm
Extrahierte Ortsnamen: Nikolsburg Italien Deutschlands Holstein Sachsen Hannover Langen- Frankfurt Main Berlin Baiern Darmstadt Sachsen
37. Das neue deutsche Kaiserreich.
Napoleon I. strebte, getrieben von unersättlichem Ehrgeize,,
nach der Herrschaft über ganz Europa. Das zu seiner Zeit
zerrissene, ohnmächtige Deutschland war das, erste Ziel seiner
Eroberungspläne. Die vereinigte Macht Österreichs, Ruß-
lands und Englands, welche den Siegeslauf des Schlachten-
kaisers in seinem Beginne hemmen wollte, wurde durch die
Dreikaiserschiacht bei Austerlitz 1805 vernichtet. Dieser Sieg,
war auch der Todesstreich für das 1000jährige deutsche Reich.
Sechzehn Fürsten Süd- und West-Deutschlands verbanden sich
zu dem sogenannten „Rheinbünde" unter dem Schutze Napo-
leons, deni sie in allen Unternehmungen Beistand zu leinen
sich verpflichteten, und erniedrigten sich so zu französischen
Vasallen. Da legte der alte Kaiser Franz Ii. diebedeutungs-
los gewordene Würde eines deutschen Kaisers am 6. August
1806 nieder und nannte sich Kaiser von Österreich. In dem-
selben Jahre versuchte es Preußen, unterstützt von wenigen
deutschen Staaten, sich dem allgewaltigen Eroberer zu wider-
setzen; aber in 3 blutigen Schlachten besiegt, büßte es die
Hälfte seiner Länder ein, woraus un Herzen Deutschlands ein
französisches Vasallenreich, das Königreich Westfalen, für einen
Bruder Napoleons gebildet wurde.
In stiller Verzweiflung hielten die meisten Deutschen ihre
Sache für verloren. Nur ein deutscher Staat, obgleich zer-
stückelt und erniedrigt, arbeitete im stillen unverdrossen
daran, die sehnlichst gewünschte Befreiung von dem fremden
Joche vorzubereiten. Männer, wie Scharnhorst, Gneisenau,
Hardenberg, Stein suchten durch Hebung der Volksbildung,
Einführung der allgemeinen Wehrpflicht, Abschaffung der Leib-
eigenschaft und Ordnung des Finanzwesens Staat und Volk,
zu kräftigen.
Sieben Jahre der Schmach gingen über Deutschland dahin.
Da ereilte Gottes strafende Gerechtigkeit den erbarmungsloseir
Länderverwüster in den Eisfeldern Rußlands. Schnell ent-
schlossen erhob Preußen zuerst die Fahne, aufrufend zum
Kampfe für die Rettung und Unabhängigkeit Deutschlands.
Tage des Ruhmes, unauslöschlich in unserer Geschichte, folgten.
Rußland focht an der Seite Preußens; bald schloß sich Öster-
reich an; länger zögerten die übrigen deutschen Staaten. Die
Völkerschlacht bei Leipzig entschied Napoleons Schicksal. Unsev
Vaterlaud^ward von den Feinden befreit. Leider vernichtete
bei den Friedensverhandlungen zum großen Teil die Feder,
was das Schwert gewonnen hatte. Schöne Teile deutschen
Landes blieben im französischen Besitze. Der deutsche Kaiser-
thron wurde nicht wieder aufgerichtet. An dessen Stelle trat
TM Hauptwörter (50): [T34: [Krieg Frankreich England Deutschland Preußen Frieden Rußland Napoleon Kaiser Jahr], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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Extrahierte Personennamen: Napoleon_I. Franz_Ii Franz August Napoleons Napoleons
Extrahierte Ortsnamen: Europa Deutschland Englands West-Deutschlands Deutschlands Westfalen Gneisenau Hardenberg Deutschland Rußlands Deutschlands Leipzig
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man zahlreiche Rinder- und Schafherden, und ungarische
Ochsen werden weithin ausgeführt.
Die Bewohner des österreichischen Staates sind einander
nicht allein an Sprache, sondern anchan Bildung und Sitten
sehr unähnlich. Der Bewohner von Wien mit seiner gut-
mütigen Freundlichkeit ist ein ganz anderer Mensch, als der
wilde Kroate oder der schmutzige Galizier. Wenn wir aber
von den eigentlichen, von den deutschen Österreichern in den
früher zu Deutschland gehörenden Provinzen sprechen, so sind
diese ein kräftiger, gutmütiger Menschenschlag, der zwar von
andern deutschen Stämmen an Gewandtheit, aber schwerlich
an Treuherzigkeit und Dienstfertigkeit übertroffen wird. Sie
reden die deutsche Sprache, die zwar bei ihnen hart und
breit, dabei aber doch recht gemütlich „klingt. An Kenntnissen
und Kunstfertigkeiten stehen die Österreicher den andern
Deutschen nicht nach, im Gewerbsbetriebe haben sie teilweise
einen Vorsprung vor ihnen. Dein Religionsbekenntnisse
nach sind sie durchweg katholisch. „
Die Regentenfamilie ist in Österreich sehr beliebt; sie
zeigt sich aber auch bei allen Gelegenheiten ungemein freund-
lich gegen jedermann. In Wien ist man gewohnt, bei Spa-
ziergängen und bei allgemeinen Lustbarkeiten den Kaiser und
die Erzherzöge in bürgerlicher Kleidung zu Fuße gehend
anzutreffen. Mit hoher Achtung spricht der Österreicher von
seinem Kaiser, und der im Jahre 1835 verstorbene Kaiser
Franz galt bei seinen Lebzeiten als ein Vater seines Volkes
und wird auch jetzt noch als solcher verehrt.
Das Fürstentum Liechtenstein am Rhein, unweit des
Bodensees, zwischen der Schweiz und Tirol mit 159 qkm
und 9500 Einwohnern (katholisch) gehört nicht zum Deutschen
Reiche. Hauptort Vaduz, Flecken in der Nähe des Rheins.
38. Des Armen Leichenbegängnis.
Es schleicht ein Wagen, schwarz
und schwer.
Zuin Friedhof hin;
Doch weint fein Auge hinterher
Im großen Wien.
,,Weristderpilger,denzurruh'
Man so verbannt?"
„Ein Armer." — „Wem gehört
er zu?"
„Ist unbekannt."
Doch einersieht's; es jammert ihn
Des armen Manns,
Nur einer aus dem weiten Wien,
Der Kaiser Franz.
Er folgt der Leiche frommen
Schritts
Und betet leis':
„Herr, nimm ihn auf in deinensitz,
Den armen Greis!"
Und als das Volk den Kaiser sah
Im Trauerschritl,
Da ström t's herzu von fern und nah
Und betet mit.
So wuchs und wuchs der
Trauerzug
Des armen Manns,
Und jedes Herz in Ehrfurcht schlug
Für Kaiser Franz.
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Extrahierte Personennamen: Franz Franz Manns Franz Franz Franz Franz
Extrahierte Ortsnamen: Wien Deutschland Wien Liechtenstein_am_Rhein Schweiz Vaduz Rheins Wien Wien