Autor: Marten, Adolf, Jastram, Heinrich, Hüttmann, J. F.
Hrsg.: ,
Auflagennummer (WdK): 11
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schultypen (WdK): Volksschule
Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
Inhalt: Zeit: Geographie
Geschlecht (WdK): koedukativ
114
Großen; Reichsverordnungen oder Kapitularien. Die alten Herzog-
tümer mit ihren Volksherzögen an der Spitze, die zu sehr au
die Selbständigkeit der einzelnen Stämme erinnerten, waren
aufgelöst. Dafür traten die Gaugrafen als kaiserliche Ver-
walter, Richter und Heerführer auf. Zn den Grenzländern waren
Markgrafen, in den Pfalzen Pfalzgrafen, auf Domänen
Kammerboten. Die Sendgrafen revidierten. —
Alle Freien mußten dem Kriegsaufgebote folgen; sie bildeten den
Heerbann. Karl sorgte für das Wohl seines Reiches. Um den Handel
zu fördern, wollte er schon den Rhein-Donau-Kanal anlegen. Er verbesserte
den Acker- und Obstbau, richtete gute Schulen ein (Klosterschulen, Hof-
schulen), berief tüchtige Lehrer, ließ gute Bücher abschreiben und eine deutsche
Grammatik verfassen, sammelte deutsche Lieder und gab den Monaten
deutsche Namen. Er stiftete eine Reihe von Bistümern: Münster, Minden,
Osnabrück, Verden, Bremen, Paderborn, Halberstadt und Elze, welches
später nach Hildesheim verlegt ist. Er sorgte für Ansehen und Unterhalt
der Geistlichen, hielt aber auch strenge auf Pflichterfüllung. Die Zahl der
Kirchen wuchs. In ihrer Nähe siedelten sich Kaufleute an. Auch nahmen
die Jahrmärkte ihren Anfang.
3. Karls Persönlichkeit. Karl war groß (7 seiner
eigenen Fußlängen) und kräftig. Zn seiner Lebensweise war er
schlicht. Gewöhnlich trug er nur Kleidung von Leinen und Tuch;
bei feierlichen Gelegenheiten erschien er jedoch in vollem Kaiser-
schmucke. Das Schwert hatte er stets an der Seite. Er war
der beste Fechter, Schwimmer und Reiter unter den Franken.
Sein Auge leuchtete den Dürftigen mild, den Schuldigen furchtbar.
Er war den ganzen Tag thätig, schlief wenig, lernte im Alter
noch schreiben und ging täglich zweimal zur Kirche. Eine feste
Residenz hatte er nicht, sondern zog im Lande umher und wohnte
auf seinen Pfalzen. Am liebsten weilte er jedoch in Aachen.
Hier starb er auch 814 im Alter von 72 Jahren und fand im
Dome seine Ruhestätte.
§ 33. Karls Nachfolger. Karls Sohn Ludwig (814
bis 840) erhielt den Beinamen „der Fromme", weil er der Kirche besonders
zugethan (nochmalige Salbung, mönchisches Leben am Hofe, Mission nach
Norden von Corvey und Hamburg aus, Ansgarius rc.), und weil er schwach
und gutmütig war (schwache Reichsleitung, Weggeben von Zollfreiheiten
und freien Gerichtsbarkeiten, übertriebene Nachsicht gegen die Lehensträger,
die ihre Lehen bereits als erblich ansahen, mehrmalige Teilung des Reichs
unter seine Söhne, deren Empörungen rc.) — Nach seinem Tode kriegten die
Söhne um die Erbschaft und teilten sie im Vertrage zu Verdun 843.
l. Lothar erhielt als Kaiser Italien, Lothringen, Burgund und Fries-
land; 2. Ludwig der Deutsche Deutschland bis an den Rhein und
jenseit noch Mainz, Speyer, Worms; 3. Karl der Kahle das jetzige
Frankreich und Spanien bis zum Ebro. — Es ist nun folgendes zu
merken: 1. Frankreich und Deutschland waren von nun an
geschieden. Diejenigen Franken, welche sich in Gallien festgesetzt hatten,
vermischten sich mit den Galliern oder Kelten, deren Nationalität die
deutsche verdrängte. Aus der fränkischen, keltischen und lateinischen Sprache
bildete sich die französische. — 2. Die Kaiserkrone war zuerst in
Italien (Lothar), dann in Frankreich (Karl der Kahle), daraus kam sie
TM Hauptwörter (50): [T46: [Heinrich König Otto Kaiser Sohn Herzog Karl Ludwig Sachsen Jahr], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T83: [Karl Heinrich König Otto Sohn Reich Kaiser Sachsen Ludwig Herzog], T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T71: [Mann Volk Leben Sitte Zeit Vater Liebe Frau König Jugend], T57: [Weser Stadt Hannover Harz Osnabrück Leine Kreis Aller Land Elbe]]
TM Hauptwörter (200): [T118: [Karl Ludwig Reich Sohn Lothar König Lothringen Frankreich Herzog Tod], T72: [Kloster Kirche Jahr Bischof Kaiser Karl Otto Dom Grab Leiche], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T99: [Stadt Verwaltung Provinz Gemeinde Beamter Kreis König Spitze Land Angelegenheit], T144: [Stadt Frankreich Münster Straßburg Metz Mainz Elsaß Bischof Frieden Trier]]
Extrahierte Personennamen: Karl Karls_Persönlichkeit Karls Karl Karls Karls Ludwig_( Ludwig Lothar Ludwig_der Ludwig Karl_der_Kahle Karl Lothar) Karl_der_Kahle Karl
Extrahierte Ortsnamen: Rhein-Donau-Kanal Minden Bremen Paderborn Halberstadt Hildesheim Aachen Karls Karls Corvey Hamburg Italien Lothringen Burgund Deutsche_Deutschland Rhein Mainz Speyer Worms Frankreich Spanien Frankreich Deutschland Gallien Italien Frankreich
Autor: Hüttmann, J. F., Jastram, Heinrich, Marten, Adolf
Auflagennummer (WdK): 2
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
Inhalt: Zeit: Geographie
140
Kirche zuerst aus? — 9. Beschreibe den Verlauf der Reformation in
Deutschland! — 10. Gieb das Wichtigste über die Reformation außer-
halb Deutschlands an! — 11. Welche Kämpfe hatte die Reformation zu
bestehen? — 12. Gliedere den dreißigjährigen Krieg! — 13. Wann
verloren wir Metz, wann den Elsaß? — 14. Welche Gebietsver-
änderungen erfolgten im westfälischen Frieden? — 15. Wodurch ist der
Nürnberger Neligionsfrieden und der westfälische Frieden für die Pro-
testanten wichtig? — 16. Was geschah genau 100 Jahre vor Gustav
Adolfs Landung? — 17. Was ist erzählt: a) von Frankreich, b) von
Schweden, c) von England, d) von den Niederlanden, e) von Irland?
— 18. Welche Erfindungen und Entdeckungen fallen in diese Zeit? —
19. Beschreibe Gustav Adolf's Zug durch Deutschland! — 20. Welches
war die Ursache: a) des Bauernkrieges, b) des dreißigjährigen Krieges
überhaupt und insbesondere des böhmisch-pfälzischen und des nieder-
sächsisch-dänischen Krieges? — 21. Was ist das Nestitutionsedikt? —
22. Welches ist der Zweck des Jesuitenordens? — 23. Weshalb mischte
sich Gustav Adolf in den dreißigjährigen Krieg? Und weshalb thaten
dies die Franzosen? — 24. Was sind Landsknechte? — 25. Wodurch
ist Luther der Gründer einer gemeinschaftlichen Sprache für alle deutschen
Stämme geworden? Welche seiner Schriften sind dir bekannt? —
26. Weshalb blieb das deutsche Volk nach dem 30jährigen Kriege noch
lebensfähig?
5. Naümülgeschichte.
a) S inken der Habsburgischen Monarchie, Preußens
Emporwachsen. 1648 — 1740.
Z. 68. Das sog. Jahrhundert Ludwigs Xiv.
Unter Ludwig Xiii. (Kardinal Richelieu) und Ludwig Xiv.
(1643 — 1715) gewann Frankreich das Uebergewicht über die
andern Staaten in Europa. Der letztere (schlau, herrschsüchtig und
prachtliebend) besiegte die trotzigen großen Vasallen, die nun Hof-
leute und Officiere wurden; er unterdrückte die Hugenotten (Auf-
hebung des Edikts von Nantes) und begründete die unumschränkte
Königsmacht („Der Staat bin Ich"). Handel, Gewerbe, Künste
und Wissenschaften nahmen während seiner glanzvollen Negierung
einen hohen Aufschwung, obwohl das Land verarmte. Französische
Sprache, Bildung, Mode und Leichtfertigkeit in Sitte und Religion
wurde in ganz Europa (auch leider durch das Beispiel der Fürsten
in Deutschland) herrschend. Die einzelnen Regenten suchten Ludwigs
Negierungsweise nachzumachen, wodurch die Unterthanen gedrückt
und belastet wurden. In Deutschland nahm Einheit und Einig-
keit immer mehr ab; die kaiserliche Macht galt nichts mehr, denn
nicht nur waren die Kaiser (Ferdinand Iii. 1637 — 57, Leopold I.
1657 — 1705, Joseph I. 1705 — 11) schwach, sondern sie waren
auch bei allen wichtigen Angelegenheiten an die einhellige Zu-
TM Hauptwörter (50): [T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T34: [Krieg Frankreich England Deutschland Preußen Frieden Rußland Napoleon Kaiser Jahr], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
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Extrahierte Personennamen: Gustav
Adolfs Gustav Adolfs Gustav_Adolf's Gustav Gustav_Adolf Gustav Adolf Ludwigs Ludwig_Xiii Ludwig Ludwig_Xiv Ludwig Ludwigs
Negierungsweise Ludwigs Ferdinand Leopold_I.
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Deutschlands Elsaß Frankreich Schweden England Niederlanden Irland Deutschland Habsburgischen Frankreich Europa Nantes Europa Deutschland Deutschland
68 Das Mittelalter.
errichtete er auf seinen Gtern Musterwirtschaften, in denen die strengste Ordnung herrschen mute. Er selber war ein tchtiger Landwirt und gab die genauesten Anweisungen der die Pflege der Haustiere und Bienen, der die Wein- und Bierbereitung, der die Aufbewahrung der Wintervorrte, der Feld- und Gartenbau. Die Gutsverwalter muten ein genaues Verzeichnis der alle auf dem Gute vorhandenen Gegenstnde einreichen; Karl prfte die Rechnungen, in die auch die kleinsten verkauften Gegenstnde, z. B. jedes verkaufte Ei, eingetragen werden mute. Alle greren Verbesserungen ordnete er selbst an.
d. Karls Lebensweise und sein Tod. Karl war von groem, starkem Krperbau. Seine Kraft war so gewaltig, da er einst einen Mauren mit einem Hiebe spaltete und Hufeisen zerbrechen konnte. Er ritt und jagte gern und oft; im Schwimmen bertraf ihn keiner. In Speise und Trank war er sehr mig. Am liebsten a er Braten, den seine Jger am Spiee braten und auftragen muten. Whrend der Mahlzeit lie er sich gern aus der heiligen Schrift oder der die Thaten alter Helden vorlesen. Seinen Nachtschlaf unterbrach er hufig vier-oder fnfmal durch Aufstehen. Stets hatte der Kaiser sein Schwert an der Seite. Fr gewhnlich unterschied sich seine Kleidung von der eines seiner Unterthanen nicht; auslndische Kleidung hate er. Karls Wohlthtigkeit erstreckte sich nicht blo auf seine Unterthanen, sondern weit bers Meer pflegte er Geld zu schicken, nach Syrien und Jerusalem, nach Alexandria und Karthago, wenn er hrte, da Christen dort in Drftigkeit lebten. Der Ruhm seines Namens war weit verbreitet; selbst der Kalif von Bagdad am Tigris sandte ihm Geschenke. Vor allem edlen Wissen hatte Karl groe Achtung; aber er selber hatte einen mangelhaften Unterricht genossen. Er lernte die Rechenkunst noch im hheren Mannesalter; die Schreibkunst aber vermochte er sich nicht mehr anzueignen. Er gab sich groe Mhe, fhrte sein Tfelchen immer bei sich und legte es bei Nacht unter sein Kopfkissen, um das Schreiben zu den, wenn er nicht schlafen konnte; doch die des Schwertes ge-wohnte Hand vermochte den leichten Federkiel nicht zu regieren. Die letzten Lebensjahre wurden dem alten Kaiser durch Krankheit und den Verlust seiner beiden ltesten Shne getrbt. Als er sein Ende nahen fhlte, machte er sein Testament. In demselben waren die Armen reichlich bedacht; den Geistlichen seines Reiches vermachte er ein Drittel seines Vermgens an Geld, Hausrat und Kostbarkeiten. Dann berief er seinen Sohn Ludwig und die Groen seines Reiches nach Aachen und stellte seinen Sohn als Nachfolger in der Kaiserwrde vor. Hierauf begab er sich in die Marienkirche, wohin ihm die ganze Versammlung folgte; dort knieete er vor dem Hauptaltare zu inbrnstigem Gebete
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
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Extrahierte Personennamen: Karl Karl Karls Karl Karl Karls Karl Karl Ludwig Ludwig
Extrahierte Ortsnamen: Karls Karls Syrien Jerusalem Alexandria Karthago Bagdad Aachen Marienkirche
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
Geschlecht (WdK): Jungen
145
fj a £ L
mit Rügen und Stettin, die mecklenburgische Stadt Wismar und die Bistümer Bremen und Verden.
b) Deutschland betreffend.
Staatliche Angelegenheiten:
1) Die Unabhängigkeit der Schweiz und der Niederlande wird anerkannt.
2) Die Rheinpfalz mit der neu geschaffenen achten Kurwürde wird an Friedrichs V. Sohn, den Pfalzgrafen Karl Ludwig, zurückgegeben. Bayern bleibt im Besitz der Oberpfalz.
3) Brandenburg erwirbt den größeren Teil von Hinterpommern und als Entschädigung für das ihm nach Erbrecht zustehende ungeteilte Pommern die Anwartschaft auf das Herzogtum (bisher Erzbistum) Magdeburg und die Bistümer Halberstadt, Minden und Kammin (als weltliche Herzogtümer). Magdeburg fällt 1680 nach dem Tode des Administrators August von Sachsen an Brandenburg.
4) Sachsen erhält die Lausitz.
5) Mecklenburg erhält die säkularisierten Bistümer Schwerin und Ratzeburg.
6) Braunschweig-Lünebnrg erhält die Klöster Walkenried 1 - . und Gröningen und das Recht, abwechselnd mit einem katholischen Bischof im Bistum Osnabrück zu succediereu.
7) Hessen-Kassel erhält die Abtei Hersfeld und sechshundert- V.v tausend Thaler.
Den Reichs ständen wird die volle Landeshoheit zugestanden, das jus pacis et armorum, das Recht der Bundesschließung auch mit dem Ausland außer gegen Kaiser und Reich. — Vernichtung der kaiserliche« Gewalt.
Kirchliche Angelegenheiten:
1) Bestätigung des Passaner Vertrages und Augsburger Religionsfriedens; auch die Reformierten erhalten Religionsfreiheit.
2) Aufhebung des Restitutionsedikts durch Festsetzung des Normaljahres 1624: Katholiken und Evangelische bleiben im Besitz der geistlichen Stifter und Güter, die sie am 1. Jauuar 1624 inne gehabt. Das jus reformandi, das ist die Befugnis, den Unterthanen, die durch das Normaljahr keine freie Religionsübung zugesichert erhalten haben, die Religion vorzuschreiben, bleibt den Landesherren.
Frankreich und Schweden sind Garanten des westfälischen Friedens.
Folgen des dreißigjährigen Krieges:
Durch die entsetzlichen Verwüstungen des Krieges ist der Wohlstand Deutschlands vernichtet, mehr als die Hälfte der Bevölkerung ist untergegangen, die Sitten sind verwildert, der Aberglaube herrscht
Heinze, Geschichte. 10
TM Hauptwörter (50): [T2: [Schweden Friedrich Heer Schlacht Sachsen König Gustav Kaiser Krieg Schlesien], T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
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Extrahierte Personennamen: Friedrichs_V. Karl_Ludwig Karl Ludwig August Jauuar
Extrahierte Ortsnamen: Stettin Wismar Deutschland Niederlande Rheinpfalz Friedrichs Brandenburg Hinterpommern Magdeburg Minden Magdeburg Sachsen Brandenburg Sachsen Ratzeburg Bistum_Osnabrück Hessen-Kassel Frankreich Schweden Deutschlands
Hrsg.: Warnecke, Johannes, Debus, Gustav, Kruse, Otto, Finckh, Karl
Auflagennummer (WdK): 3
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schultypen (WdK): Taubstummenschule
Schultypen Allgemein (WdK): Taubstummenschule
Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
Anhang.
1. Die Taubstummen in ihrer Verlassenheit.
In früheren Zeiten glaubte man, es sei unmöglich, Taubstumme zu
unterrichten und zu erziehen. Die taubstummen Kinder wuchsen darum ohne
Unterricht und ohne Erziehung auf. Sie lernten weder lesen, noch schreiben,
noch rechnen; sie erfuhren nichts von unsrem schönen Vaterland und seinen
Fürsten, nichts von Gott und seinem Sohne Jesus Christus. Ihr Geist
blieb mit Finsternis umhüllt und ihr Körper meist schwach und ungeschickt.
Infolgedessen konnten die Taubstummen häufig kein Handwerk erlernen und
sich oft nicht selbst ernähren; bis zu ihrem Tode waren sie meist auf das Mitleid
ihrer hörenden Mitmenschen angewiesen. Das war höchst betrlibend, und
manche Mutter weinte bittere Tränen über ihr verlassenes taubstummes Kind.
Im achtzehnten Jahrhundert lebten jedoch zwei Männer, die der Welt zeigten,
daß es möglich sei, die Taubstummen zu unterrichten und sie zu nützlichen
Gliedern der menschlichen Gesellschaft und zu Himmelsbürgern heranzubilden.
Diese Männer waren der Franzose Abbé de l’Epée und der Deutsche Samuel
Heinicke. Sie sind die größten Wohltäter der Tanbstummen geworden.
2. Abbé de l’Epée,
der Gründer der ersten Taubstummen-Anstalt. (1770)
1. Oe l'epée wurde im Jahre 1712 zu Versailles geboren. Seine
Eltern waren begüterte Leute. Weil er ein frommes Herz hatte, wurde er
ein katholischer Priester oder ein Abbé. Später legte er sein Amt nieder
und lebte in Paris von den Zinsen seines Vermögens. Daselbst kam er
einmal zufällig in das Haus einer Frau, die zwei taubstumme Töchter
hatte. Die Mutter klagte de l'epée, daß ihren Kindern niemand helfen
könne. Als dieser darüber nachdachte, wie traurig es sei, ohne Religion
leben und sterben zu müssen, wurde sein mitleidiges Herz aufs tiefste bewegt.
Er entschloß sich deshalb, sein Leben den verlassenen Taub-
stummen zu widmen. Mit Hilfe der Gebärde versuchte er, die beiden
taubstummen Mädchen zu unterrichten, und siehe da, der Unterricht gelang!
Die Kinder lernten nicht nur schreiben, lesen und rechnen, sondern auch Gottes
Wort. Über diesen Erfolg war der edle Mann hoch erfreut.
2. Abbé de l’Epée wünschte aber, daß nicht nur einzelnen, sondern
möglichst vielen Taubstummen geholfen werde. Deshalb gründete er im
Jahre 17 70 eine Anstalt für Taubstumme zu Paris. Da eine
solche vorher nirgends bestand, war dies die allererste Taubstummen-Anstalt.
De l'epée unterhielt sie anfangs fast ganz auf seine eigenen Kosten; erst
später bekam er vom König von Frankreich eine Unterstützung.
3. Abbé de l'epée hing mit großer Liebe an seinen taubstummen
Zöglingen und sorgte wie ein Vater für sie. Unermüdlich unterrichtete er
Geschichte.
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T46: [Universität Berlin Jahr Schule Wissenschaft Leipzig Professor Akademie Hochschule Gymnasium], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
TM Hauptwörter (200): [T106: [Kloster Jahr Schule Mönch Kirche Kind kranke Frau arme Knabe], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T116: [Vater Kind Mutter Sohn Bruder Herr Mann Auge Frau Hand], T179: [Gott Mensch Wort Welt Erde Glaube Herr Sünde Himmel Satz]]
Extrahierte Personennamen: Gott Jesus_Christus Samuel
Extrahierte Ortsnamen: Versailles Paris Gottes Paris Frankreich
Hrsg.: Warnecke, Johannes, Debus, Gustav, Kruse, Otto, Finckh, Karl
Auflagennummer (WdK): 3
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schultypen (WdK): Taubstummenschule
Schultypen Allgemein (WdK): Taubstummenschule
Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
3
Wenn et auf dem Felde war, nahm er oftmals ein Buch aus der Tasche und
las eifrig darin. Darüber ärgerte sich sein Vater und schalt ihn tüchtig aus.
Deshalb entfloh Heinicke in seinem 21.Lebensjahre nach Dresden und wurde
Soldat. In seinen Freistunden bildete er sich im Schreiben und Rechnen
weiter aus; auch erlernte er die französische und lateinische Sprache. Um seine
geringe Einnahme zu erhöhen, erteilte er Privatstuudeu. In diese wurde
ihm ein taubstummer Knabe gebracht, den er zuerst nur im Schreiben unter-
wies. Später versuchte er, ihn auch im Sprechen zu unterrichten, und siehe
da, der Versuch gelang! Als bald darauf der siebenjährige Krieg ausbrach,
mußte Heinicke seine unterrichtliche Tätigkeit aufgeben und mit ins Feld
ziehen. Bei Pirna wurde er von den Preußen gefangen genommen. Es
gelang ihm jedoch, nach Hamburg zu entfliehen. Hier wurde er Vorleser
bei einer Gräsin und später Lehrer in dem benachbarten Eppendorf.
3. In Eppendorf bei Hamburg unterrichtete Heinicke neben seinen
hörenden Schülern auch einige taubstumme. Er wiederholte den Ver-
such, letztere sprechen und absehen zu lehren, und er gelang zu Heiuickes
Freude zum zweitenmal. Der Pastor zu Eppendorf aber war hierüber sehr
erzürnt; er verkündigte von der Kanzel herab, man dürfe Taubstumme nicht
im Sprechen unterrichten, Gott selbst wünsche es, daß sie stumm blieben.
Heinicke ließ sich jedoch dadurch nicht beirren, sondern arbeitete ruhig weiter.
Als daun mit einem seiner taubstummen Zöglinge eine Prüfung abgehalten
wurde, siel diese so gut aus, daß der Eppeudorfer Pastor von nun an Heinicke
in Ruhe ließ, ja sich bereit erklärte, den Taubstummen zu konfirmieren. Dies
erregte in den Nachbarstädten Hamburg und Altona großes Aufsehen. Auch
der Kurfürst von Sachsen hörte von Heiuickes gesegneter Wirksamkeit und
berief ihn in seine Heimat zurück. Heinicke folgte dem Rufe und gründete
im Jahre 1778 zu Leipzig eine Anstalt mit neun taubstummen
Schülern. Diese Taubstummen-Austalt war die erste in Deutschland.
4. Heinicke war seinen Schülern von Herzen zugetan und unterrichtete
sie mit großem Fleiße. Er wünschte vor allem, daß sie leicht und rasch mit
ihren hörenden Mitmenschen verkehren lernten. Deshab war er eifrig bemüht,
den Taubstummen die Lautsprache zu geben und sie gut absehen zu lehren.
Seine Arbeit wurde weit und breit bewundert; denn jahrtausendelang hatte
der Mund der Taubstummen geschwiegen; nun aber redete er.
5; Heinicke starb im Jahre 1790 zu Leipzig. Seinem Vorbild folgten
allmählich immer mehr Taubstummenlehrer nach. Gegenwärtig werden nicht
nur die Taubstummen Deutschlands, sondern auch die meisten Frankreichs
und andrer Länder in der Lautsprache unterrichtet. Es bestehen zurzeit in
Deutschland etwa 100, auf der ganzen Erde etwa 400 Taubstummen-Anstalten.
Dankbare Taubstumme haben dem Gründer der ersten deutschen Taubstummen-
Austalt nicht nur in Leipzig, sondern auch in Eppendorf ein schönes Denkmal
setzen lassen.
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T3: [Stadt Schloß Straße Berlin Kirche Haus Gebäude Platz Garten Universität]]
TM Hauptwörter (100): [T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit], T46: [Universität Berlin Jahr Schule Wissenschaft Leipzig Professor Akademie Hochschule Gymnasium], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T9: [Krieg Deutschland Reich Frankreich Preußen Macht Zeit Kaiser Jahr Frieden], T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung]]
TM Hauptwörter (200): [T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T199: [Universität Berlin Bibliothek Leipzig Schloß München Jahr Museum Schule Gymnasium], T106: [Kloster Jahr Schule Mönch Kirche Kind kranke Frau arme Knabe], T182: [Krieg Jahr Zeit Land Deutschland Regierung Frankreich Volk Folge Revolution], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch]]
Hrsg.: Warnecke, Johannes, Debus, Gustav, Kruse, Otto, Finckh, Karl
Auflagennummer (WdK): 3
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schultypen (WdK): Taubstummenschule
Schultypen Allgemein (WdK): Taubstummenschule
Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Konfession (WdK): Evangelisch-Lutherisch
45
Mitte. War eines krank, so pflegte er es, und groß war seine Freude, wenn
es wieder gesund war. Er betete mit ihnen und lehrte sie auch »och im
Bette, wenn sie es wünschten. Alles, was den Kindern an Leib und Seele
Gutes geschah, kam von Pestalozzi; er war ihnen Vater und Mutter, Anf-
seher und Krankenwärter, Lehrer und Erzieher.
3. Pestalozzis Bemühungen hatten guten Erfolg. Nach einigen
Monaten kannte man die Kinder kaum wieder; ihre Gesichtsfarbe war blühend
geworden und fröhliche Lebenslust strahlte aus ihren Augen. Im Unterricht
lernten sie so eifrig, daß Pestalozzi selbst sich wundern mußte. Die Kinder
hingen mit großer Liebe an ihrem Pflegevater; alles, was sie ihm von den
Augen absehen konnten, taten sie mit Freuden. Sie liebten einander aber
auch wie Geschwister und halfen sich gegenseitig, wo sie nur konnten: von
Zank und Streit war nichts zu hören. Als einmal in der Nähe von Stanz
ein ganzes Dorf abbrannte, sagte Pestalozzi zu seinen Pflegekindern: „Wie
wäre es, wenn wir 20 der armen, obdachlos gewordenen Kinder zu uns
nähmen? Ihr müßtet dann allerdings euer Brot mit ihnen teilen." Da
riefen alle: „Laß sie kommen!" und jubelten vor Freude. Sie hatten in
Pestalozzis Schule gelernt, daß Geben seliger ist als Nehmen.
4. Doch es fehlte Pestalozzi auch nicht an Enttäuschungen. Unter
seinen Zöglingen gab es auch solche, die nicht gehorchen wollten und die
wegliefen, wenn sie bestraft wurden, Auch nicht alle Eltern waren ihm dankbar.
Einige scheuten sich nicht, von Pestalozzi Vergütung zu fordern; sie sagten:
„Wir haben viel Schaden, wenn wir unsere Kinder beim Betteln nicht bei
uns haben." Andre warteten ab, bis ihre Kinder mit neuen Kleidern aus-
gestattet waren; dann aber nahmen sie sie ohne weiteres aus der Anstalt
weg und hielten sie wieder zum Betteln an.
5. Leider wurde das ehemalige Kloster, in dem Pestalozzis Armen-
anstalt war, schon nach fünf Monaten zu einem Lazarett eingerichtet. Da
kein andres Gebäude zur Verfügung stand, war Vater Pestalozzi gezwungen,
seine Anstalt aufzulösen. Mit schwerem Herzen und Tränen in den
Angen nahm er im Jahre 1799 Abschied von den Kindern, die er so lieb
gewonnen hatte, und die er nun wieder verlassen mußte. Schon vor seiner
Wirksamkeit in Stanz hatte er durch seine Fürsorge für Bettelkinder sein
ganzes Vermögen verloren; er war selbst bettelarm geworden und hatte oft
weder Brot noch Holz gehabt, um sich vor Hunger und Kälte zu schützen.
Nun hatte ihn von neuem ein schwerer Schicksalsschlag getroffen. Doch nichts
konnte ihm seine unerschöpfliche Liebe rauben. Mit unermüdlichem Eifer
gründete Pestalozzi später noch mehrere Anstalten in der Schweiz und
widmete sein ganzes Leben der Erziehung der Jugend. Eine der Anstalten
war zu Averdon, wo jetzt (wie unser Bild zeigt) ein schönes Pestalozzi-
Denkmal steht.
6. Der große Kinderfrennd wurde von vielen seiner Zeitgenossen hoch
geehrt. Die Königin Luise schrieb in ihr Tagebuch: „Wäre ich mein eigner
Herr, so setzte ich mich in einen Wagen und rollte zu Pestalozzi in die
Schweiz, um dem edlen Manne mit Tränen in den Angen und mit einem
Händedruck zu danken. Wie gut meint er es mit der Menschheit! Ja, in
der Menschheit Namen danke ich ihm."
TM Hauptwörter (50): [T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
TM Hauptwörter (100): [T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T46: [Universität Berlin Jahr Schule Wissenschaft Leipzig Professor Akademie Hochschule Gymnasium], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume]]
TM Hauptwörter (200): [T111: [Kind Mutter Vater Eltern Frau Jahr Knabe Schule Haus Mann], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T106: [Kloster Jahr Schule Mönch Kirche Kind kranke Frau arme Knabe], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind]]
Hrsg.: Warnecke, Johannes, Debus, Gustav, Kruse, Otto, Finckh, Karl
Auflagennummer (WdK): 2
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schultypen (WdK): Taubstummenschule
Schultypen Allgemein (WdK): Taubstummenschule
Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
Anhcrng
1. Die Taubstummen in ihrer Verlassenheit.
In früheren Zeiten glaubte man, es sei unmöglich, Taubstumme zu
unterrichten und zu erziehen. Die taubstummen Kinder wuchsen darum ohne
Unterricht und ohne Erziehung auf. Sie lernten weder lesen, noch schreiben,
noch rechnen; sie erfuhren nichts von unserem schönen Vaterlande und seinen
Fürsten, nichts von Gott und seinem Sohne Jesus Christus. Ihr Geist
blieb mit Finsternis umhüllet und ihr Körper meist schwach und ungeschickt.
Infolgedessen konnten die Taubstummen häufig kein Handwerk erlernen und
sich oft nicht selbst ernähren; bis zu ihrem Tode waren sie meist auf das Mitleid
ihrer hörenden Mitmenschen angewiesen. Das war höchst betrübend, und
manche Mutter weinte bittere Thränen über ihr verlassenes taubstummes Kind.
Im vorigen Jahrhunderte lebten jedoch zwei Männer, welche der Welt zeigten,
daß es möglich sei, die Taubstummen zu unterrichten und sie zu nützlichen
Gliedern der menschlichen Gesellschaft und zu Himmelsbürgern heranzubilden.
Diese Männer waren der Franzose Abbé de l’Epée und der Deutsche Samuel
Heinicke. Sie sind die größten Wohlthäter der Taubstummen geworden.
2. Abbé de l’Epée,
der Gründer der ersten Taubstummen-Anstalt. (1770)
1. De l’Epée wurde im Jahre 1712 zu Versailles geboren. Seine
Eltern waren begüterte Leute. Weil er ein frommes Herz hatte, wurde er
ein katholischer Priester oder ein Abbé. Später legte er sein Amt nieder
und lebte in Paris von den Zinsen seines Vermögens. Daselbst kam er
einmal zufällig in das Haus einer Frau, welche zwei taubstumme Töchter
hatte. Die Mutter klagte de l’Epée, daß ihren Kindern niemand helfen
könne. Als dieser darüber nachdachte, wie traurig es sei, ohne Religion
leben und sterben zu müssen, wurde sein mitleidiges Herz aufs tiefste bewegt.
Er entschloß sich deshalb, sein Leben den verlassenen Taub-
stummen zu widmen. Mit Hülfe der Gebärde versuchte er, die beiden
taubstummen Mädchen zu unterrichten, und siehe da, der Unterricht gelang!
Die Kinder lernten nicht nur schreiben, lesen und rechnen, sondern auch Gottes
Wort verstehen. Über diesen Erfolg war der edle Mann hoch erfreut.
2. Abbé de l’Epée wünschte aber, daß nicht nur einzelnen, sondern
möglichst vielen Taubstummen geholfen werde. Deshalb gründete er im
Jahre 17 70 eine Anstalt für Taubstumme zu Paris. Da eine
solche vorher nirgends bestand, war dies die allererste Taubstummen-Anstalt.
De l’Epée unterhielt diese anfangs fast ganz auf seine eigenen Kosten; erst
später bekam er vom Könige von Frankreich eine Unterstützung.
3. Abbé de l’Epée hing mit großer Liebe an seinen taubstummen
Zöglingen und sorgte wie ein Vater für sie. Unermüdlich unterrichtete er
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Extrahierte Personennamen: Gott Jesus_Christus Samuel
Extrahierte Ortsnamen: Versailles Paris Gottes Paris Frankreich Aaocbuno
Hrsg.: Warnecke, Johannes, Debus, Gustav, Kruse, Otto, Finckh, Karl
Auflagennummer (WdK): 2
Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
Schultypen (WdK): Taubstummenschule
Schultypen Allgemein (WdK): Taubstummenschule
Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
3
Wenn er auf dem Felde war, nahm er oftmals ein Buch aus der Tasche und
las eifrig darin. Darüber ärgerte sich sein Vater und schalt ihn tüchtig aus.
Deshalb entfloh Heinicke in seinem 21. Lebensjahre nach Dresden und wurde
Soldat. In seinen Freistunden bildete er sich im Schreiben und Rechnen
weiter aus; auch erlernte er die französische und lateinische Sprache. Um seine
geringe Einnahme zu erhöhen, erteilte er Privatstunden. In diese wurde
ihm ein taubstummer Knabe gebracht, welchen er zuerst nur im Schreiben
unterwies. Spater versuchte er, ihn auch im Sprechen zu unterrichten, und siehe
da, der Versuch gelang! Als bald darauf der siebenjährige Krieg ausbrach,
mußte Heinicke seine unterrichtliche Thätigkeit aufgeben und mit ins Feld
ziehen. Bei Pirna wurde er von den Preußen gefangen genommen. Es
gelang ihm jedoch, nach Hamburg zu entfliehen. Hier wurde er Vorleser
bei einer Gräfin und später Lehrer in dem benachbarten Eppendorf.
3. In Eppendorf bei Hamburg unterrichtete Heinicke neben seinen
hörenden Schülern auch einige taubstumme. Er wiederholte den Ver-
such, letztere sprechen und absehen zu lehren, und derselbe gelang zu Heinickes
Freude zum zweitenmale. Der Pastor zu Eppendorf aber war hierüber sehr
erzürnt; er verkündigte von der Kanzel herab, man dürfe Taubstumme nicht
im Sprechen unterrichten, Gott selbst wünsche es, daß sie stumm blieben.
Heinicke ließ sich jedoch dadurch nicht beirren, sondern arbeitete ruhig weiter.
Als dann mit einem seiner taubstummen Zöglinge eine Prüfung abgehalten
wurde, siel diese so gut aus, daß der Eppendorfer Pastor von nun an Heinicke
in Ruhe ließ, ja sich bereit erklärte, den Taubstummen zu konfirmieren. Dies
erregte in den Nachbarstädten Hamburg und Altona großes Aufsehen. Auch
der Kurfürst von Sachsen hörte von Heinickes gesegneter Wirksamkeit und
berief ihn deshalb in seine Heimat zurück. Heinicke folgte dem Rufe und
gründete im Jahre 1 7 78 zu Leipzig eine Anstalt mit neun
taubstummen Schülern. Diese Tanbstnmmen-Anstalt war die erste in
Deutschland.
4. Heinicke war seinen Schülern von Herzen zugethan und unterrichtete
sie mit großem Fleiße. Er wünschte vor allem, daß sie leicht und rasch mit
ihren hörenden Mitmenschen verkehren lernten. Deshalb war er eifrig bemüht,
den Taubstummen die Lautsprache zu geben und sie gut absehen zu lehren.
Seine Arbeit wurde weit und breit bewundert. Denn Jahrtausende lang
hatte der Mund der Taubstummen geschwiegen; nun aber redete derselbe.
5. Heinicke starb im Jahre 1790 zu Leipzig. Seinem Vorbilde folgten
allmählich immer mehr Taubstummenlehrer nach. Gegenwärtig werden nicht
nur die Taubstummen Deutschlands, sondern auch die meisten Frankreichs und
anderer Länder in der Lautsprache unterrichtet. Es bestehen zur Zeit iu
Deutschland etwa 100, auf der ganzen Erde etwa 400 Taubstummen-Anstalten.
Dankbare Taubstumme haben dem Gründer der ersten deutschen Taubstummen-
Anstalt nicht nur in Leipzig, sondern auch in Eppendorf ein schönes Denkmal
setzen lassen.
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